Europarecht

Abgasskandal: Keine deliktische Haftung des Pkw-Herstellers bei Gebrauchtwagenkäufen ab 2016

Aktenzeichen  1 U 98/19

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15614
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
StGB § 263
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Macht der Geschädigte geltend, er sei durch die sittenwidrige Handlung des Täters zu schädlichen Vermögensdispositionen veranlasst worden, dann trifft den Täter der haftungsbegründende Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB nur dann, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden ist. Andernfalls hat sich das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit bei der Schädigung nicht verwirklicht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Zurechnungszusammenhang zwischen sittenwidrigem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs und einem möglichen Schaden ist jedenfalls bei einem Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs im Jahr 2016 – nach Bekanntwerden des sog. Dieselskandals – nicht mehr gegeben. (Rn. 21 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet bei einem Gebrauchtwagenkauf aufgrund der fehlenden Stoffgleichheit zwischen behauptetem Schaden des Klägers und einer möglichen Bereicherung der Beklagten aus. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV sind keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

15 O 449/18 2019-02-21 Endurteil LGCOBURG LG Coburg

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 21.02.2019, Az. 15 O 449/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

Der Kläger verlangt Schadensersatz von der Beklagten als Motorenherstellerin nach einem PkwKaufvertrag.
1. Der Kläger erwarb am X.2016 von einem gewerblichen Händler einen gebrauchten Pkw Audi Q5 2.0 TDI mit einer Laufleistung von X km zu einem Kaufpreis von 25.800,00 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. In dem Fahrzeug ist eine Motorensteuerungsgerätesoftware installiert, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und dann einen besonderen Modus aktiviert (sog. Umschaltlogik). Vor Abschluss des Kaufvertrags wurde bei dem Fahrzeug ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update vorgenommen, mit dem die Umschaltlogik verändert wurde.
Am 22.09.2015 wurde der sogenannte Abgasskandal mit der Adhoc-Mitteilung der Beklagten über die manipulierten Dieselmotoren publik, und es wurde in den nationalen und internationalen Medien berichtet. Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Rückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen der Beklagten an und verpflichtete diese, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 EU5 die aus Sicht des Bundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung zu entfernen und nachzuweisen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er hätte das Fahrzeug bei Kenntnis von der durch die Beklagte mittels der Abschaltvorrichtung erfolgten Manipulation nicht erworben. Er habe erst nach dem Erwerb Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzeugs in Bezug auf den Abgasskandal und den hiermit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteil erhalten. Im Rahmen einer Rückabwicklung des Kaufvertrags müsse er sich aufgrund des deliktischen Verhaltens der Beklagten gezogene Nutzungen nicht anrechnen lassen.
Im Übrigen haben die Parteien im Verfahren vor dem Landgericht streitig über die Voraussetzungen deliktischer Ansprüche des Klägers verhandelt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises von 25.800,00 € Zugum-Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Pkw zu verurteilen.
2. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und lediglich gezogene Nutzungen in Höhe von 2.868,31 € in Abzug gebracht. Nach Auffassung des Landgerichts besteht eine Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 831, 31 BGB, da sie dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils verwiesen.
3. Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags gegen die Annahme einer sittenwidrigen Schädigung des Klägers sowie weiterer Anspruchsmerkmale einer deliktischen Haftung. Sie vertritt die Auffassung, dass einer deliktischen Haftung der Beklagten sowohl die bei Kauf vorhandene Kenntnis des Klägers vom Abgasskandal wie auch die nach dem 22.09.2015 und damit weit vor dem Kauf erfolgten Maßnahmen der Beklagten zur Information der Öffentlichkeit und technischen Korrektur der unzulässigen Abschaltvorrichtung entgegen stünden.
Die Beklagte beantragt,
das am 21.02.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Coburg, Az.: 15 O 449/18 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Ersturteil, soweit der Klage stattgegeben wurde, und beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Mit seiner eigenen Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter, soweit das Landgericht diesen durch die Anrechnung von Nutzungsersatz gekürzt hat. Nach Ansicht des Klägers verbiete sich der Abzug von Nutzungen durch den Gebrauch des Fahrzeugs, da die Beklagte deliktisch gehandelt habe. Eine Kenntnis des Klägers vom Abgasskandal habe nicht bestanden, was sich im Rahmen der Parteianhörung bestätigt habe. Auch habe die Beklagte gerade nicht alles unternommen, um nach Bekanntwerden der Manipulationen Schäden bei zukünftigen Käufern zu verhindern. So habe sie zu keinem Zeitpunkt die Manipulationen und die insoweit bestehende Kenntnis der verantwortlichen Personen vollumfänglich eingeräumt. Ferner sei nicht die erforderliche Rücknahme aller Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 erfolgt. Das vorgenommene Softwareupdate sei nicht ausreichend.
Der Kläger beantragt,
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Coburg, Az. 15 O 449/18 vom 21.02.2019 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 2.868,31 € zzgl. Zinsen i.H.v. 4 Prozent seit dem 01.11.2016 bis zum 30.07.2018 und seither Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung und die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze, jeweils mit Anlagen, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2019.
II.
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte bei der hier vorliegenden Fallkonstellation kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags zu, da allein in Betracht kommende deliktische Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte nicht bestehen. Die zulässige Berufung des Klägers ist hingegen unbegründet.
Vorliegend handelt es sich um einen so bezeichneten „Spätfall“ im Rahmen der Vielzahl von Verfahren betreffend durch Automobilhersteller manipulierte Abgaswerte. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Fahrzeug mit einem von der Beklagten hergestellten Motor der Baureihe ES 189 zu einem Zeitpunkt erworben wurde, als durch die Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015, die sich anschließende umfangreiche Medienberichterstattung sowie weitere Handlungen der Beklagten die Manipulation bereits weithin bekannt war. Der Senat schließt sich für diese Fallgestaltung einer Vielzahl anderer obergerichtlicher Entscheidungen an, in denen eine deliktische Haftung der Beklagten abgelehnt wurde, so u.a. OLG Frankfurt, Urteil v. 06.11.2019, Az. 13 U 156/19; OLG Saarbrücken, Urteil v. 28.08.2019, Az. 2 U 94/18; OLG Stuttgart, Urteil v. 07.08.2019, Az. 9 U 9/19; OLG Stuttgart, Urteil v. 26.11.2019, Az. 10 U 199/19; OLG Köln, Urteil v. 06.06.2019, Az. 24 U 5/19; OLG Dresden, Urteil v. 24.07.2019, Az. 9 U 2067/18; OLG Celle, Urteil v. 29.04.2019, Az. 7 U 159/19; OLG Braunschweig, Urteil v. 02.11.2017, Az. 7 U 69/17; OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 29.11.2019, Az. 1 U 32/19; OLG Koblenz, Urteil v. 25.10.2019, Az. 3 U 948/19; OLG München, Urteil v. 27.01.2020, Az. 21 U 1896/19; OLG Oldenburg, Urteil v. 26.11.2019, Az. 13 U 33/19.
Die gegenteilige Auffassung (OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, Az. 13 U 149/18; OLG Oldenburg, Urteil v. 16.01.2020, Az. 14 U 166/19) vermag hingegen nicht zu überzeugen.
1. Ein Anspruch des Klägers gemäß § 826 BGB besteht nicht, da es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen der Schädigungshandlung und dem behaupteten Schaden fehlt. Dieses gilt unabhängig davon, ob der Kläger konkrete Kenntnis von der Betroffenheit des von ihm erworbenen Fahrzeugs von den Manipulationen der Beklagten besaß. a.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die vorsätzliche Zufügung eines Schadens allein noch nicht die Haftung aus § 826 BGB. Auf sie muss vielmehr immer auch das Urteil der Sittenwidrigkeit zutreffen. Das mag ohne weiteres in den Fällen zu bejahen sein, in denen die sittenwidrige Handlung den Schaden, sei es auch erst über die Schädigung des von ihr unmittelbar Betroffenen, mitverursacht, ohne dass eine Handlung oder Unterlassung des Geschädigten hinzutritt, die erst zu dem Vermögensschaden führt. Macht hingegen der Geschädigte geltend, er sei durch die sittenwidrige Handlung des Täters zu schädlichen Vermögensdispositionen veranlasst worden, dann genügt es nicht, dass der Täter die Möglichkeit eines solchen Kausalverlaufs erkannt und gebilligt hat. Vielmehr trifft ihn der haftungsbegründende Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nur dann, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden ist. Anderenfalls hat sich das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit bei der Schädigung nicht verwirklicht (BGH, Urteil v. 20.02.1979, Az. VI ZR 189/78). Zu berücksichtigen ist vorliegend, dass der Kläger als Erwerber eines Gebrauchtfahrzeuges nur mittelbar Geschädigter sein kann, da sich das manipulative Handeln der Beklagten zunächst nur auf den Erstkäufer bezog.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil v. 07.05.2019, Az. VI ZR 512/17).
b. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe realisierte sich im Kauf des Fahrzeugs durch den Kläger kein derart vorwerfbares Verhalten der Beklagten, das sich als sittenwidrig gemäß obiger Grundsätze darstellt. Selbst wenn es zuträfe, dass das erstmalige Inverkehrbringen des Fahrzeugs als Neuwagen durch die Beklagte mit der implementierten Umschaltlogik eine sittenwidrige Schädigung jedenfalls der Erstkäufer bis zum Bekanntwerden des Abgasskandals darstellte, sind bei einem nachgelagerten mittelbaren Schaden jedoch das gesamte Verhalten des Schädigers sowie weitere das Unwerturteil beeinflussende Umstände bis zur Realisierung des Schadens beim Zweiterwerber im Rahmen einer umfassenden Würdigung einzubeziehen.
Der Zurechnungszusammenhang zwischen sittenwidrigem Inverkehrbringen des Fahrzeugs und einem möglichen Schaden ist jedenfalls bei einem Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs im Jahr 2016 nicht mehr gegeben. Bis Mitte Dezember 2015 hatte die Beklagte derart umfassende Aktivitäten unternommen, damit es nicht zu weiteren Vermögensschäden bei potentiellen Käufern im Hinblick auf Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 kommt, dass zwischen ihrem ursprünglichen vermeintlich sittenwidrigen Verhalten – der Konzernentscheidung zur Implementierung der Software und dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge – und dem durch den Erwerb des hier in Streit stehenden Fahrzeugs im August 2016 entstandenen Schaden des Klägers kein so enger innerer Zusammenhang mehr begründet werden kann, dass im Sinne der oben dargelegten Grundsätze das Verhalten der Beklagten auch gegenüber diesem als sittenwidrig angesehen werden kann.
Neben der vorbezeichneten Adhoc-Mitteilung der Beklagten erfolgten noch im Jahr 2015 zahlreiche weitere Pressemitteilungen ihrerseits sowie die Bereitstellung einer Abfragemöglichkeit im Internet für die Betroffenheit einzelner Fahrzeuge. Weiterhin erfolgte durch das Kraftfahrtbundesamt mit Bescheid vom 15.10.2015 ein umfänglicher Rückruf von Fahrzeugen, der weithin veröffentlicht wurde. Die Beklagte arbeitete im Rahmen eines Maßnahmenplans mit dem Kraftfahrtbundesamt zum Erhalt der Typengenehmigung der betroffenen Fahrzeuge zusammen (zur Chronologie des Abgasskandals vgl. insoweit OLG Celle, Beschluss v. 27.05.2019, Az. 7 U 335/18, sowie OLG Karlsruhe, Urteil v. 09. Januar 2020, Az. 17 U 133/19).
Zu Recht weist zudem das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Urteil vom 29. November 2019 – 1 U 32/19) darauf hin, dass es zu weit gehen würde, von der Beklagten eine lückenlose Aufklärung aller potentiellen Käufer in jedem Einzelfall zu verlangen, und ihr trotz der von ihr umfangreich ergriffenen Maßnahmen das Risiko eines Erwerbes durch einen Käufer, der trotz aller Medienberichterstattung vom Einsatz der problematischen Software keine Kenntnis hatte und von einem Händler betreut wird, der sich nicht an die ihm mitgeteilte Hinweispflicht hält, zuzuweisen. Dies würde zu einer zeitlich unbegrenzten und letztlich schrankenlosen Haftung des ehemals sittenwidrig Schädigenden führen, auch wenn dieser alles aus seiner Sicht Erforderliche und der verkehrsüblichen Sorgfalt Entsprechende getan hat, um die zukünftige Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges zu verhindern. Nach Auffassung des Senats kann keine Parallele zu der fortbestehenden Verantwortlichkeit in den strafrechtlichen Fällen des beendeten Versuchs gezogen werden (so aber OLG Oldenburg, Urteil v. 16.01.2020, Az. 14 U 166/19), da es vorliegend im Fall einer mittelbaren Schädigung an der die strafrechtliche Verantwortlichkeit kennzeichnenden Finalität des Handelns fehlt.
Unabhängig davon, ob der hiesige Kläger von den oben genannten Informationen subjektiv Kenntnis hatte, scheidet damit eine Haftung aus § 826 BGB jedenfalls mangels objektiven Zurechnungszusammenhangs aus.
2. Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet bereits objektiv aufgrund der fehlenden Stoffgleichheit zwischen behauptetem Schaden des Klägers und einer möglichen Bereicherung der Beklagten aus. Der Kläger behauptet, sein Schaden liege in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit. Bei der Beklagten ist eine solche jedoch allenfalls dadurch eingetreten, dass sie das Fahrzeug an den Erstkäufer ausgeliefert hat (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 07.08.2019, Az. 9 U 9/19; auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 09.01.2020, Az. 17 U 133/19).
Zudem ist aufgrund der ergriffenen Aufklärungsmaßnahmen der Beklagten nicht mehr davon auszugehen, dass sie vorsätzlich – ggfs. in mittelbarer Täterschaft – eine Irrtumserregung bei Käufern herbeiführte, die nach Bekanntwerden der Manipulationen Fahrzeuge erwarben (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil v. 29.11.2019, Az. 1 U 32/19). Überdies wäre im Zeitpunkt des täuschungsbedingten Kaufes des Klägers im August 2016 keine gemäß § 263 StGB erforderliche Bereicherungsabsicht der Beklagten gegeben.
3. Dem Kläger steht schließlich auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV zu. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV stellen nach richtiger Auffassung bereits keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar (ebenso OLG Braunschweig, Urteil v. 19.02.2019, Az. 7 U 134/17; OLG München, Beschluss v. 29.08.2019, Az. 8 U 1449/19; OLG Karlsruhe, Urteil v. 09.01.2020, Az. 17 U 107/19; OLG Celle, Beschluss v. 01.07.2019, Az. 7 U 33/19). Der Individualschutz in der konkreten Ausprägung des Schutzes des Vermögens des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs liegt nicht im Aufgabenbereich der genannten Vorschriften und ist auch nicht der zugrunde liegenden Richtlinie 2007/46/EG zu entnehmen Überdies ist zwischenzeitlich eine Verletzung nicht mehr ersichtlich. Das Kraftfahrtbundesamt hat auch 4 ½ Jahre nach Bekanntwerden der Manipulationen der Beklagten die Typengenehmigungen der betroffenen Fahrzeuge nicht widerrufen. Spätestens mit dem Update der Software sind daher rechtliche Probleme der Typengenehmigung und Übereinstimmungsbescheinigung beseitigt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil v. 29.11.2019, Az. 1 U 32/19).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 ZPO). Bei der Frage der deliktischen Haftung des Motorenherstellers in den vorstehend bezeichneten Spätfällen handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine in einer Vielzahl von Verfahren erhebliche, klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfrage, über die der Bundesgerichtshof noch nicht tragend entschieden hat. Des Weiteren weicht das hiesige Urteil jedenfalls von den tragenden Erwägungen der beiden oben zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Oldenburg und Hamm ab.


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