Europarecht

Berufung, Kaufvertrag, Fahrzeug, Schadensersatzanspruch, Bescheid, Software, Kaufpreis, untersagung, Sittenwidrigkeit, Darlegungslast, Revision, Haftung, Kenntnis, Beweislast, Zug um Zug, berechtigtes Interesse, im eigenen Namen

Aktenzeichen  5 U 292/21

Datum:
13.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47841
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

41 O 1982/18 2020-12-11 LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11.12.2020, Az. 41 O 1982/18, abgeändert:
1.1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 15.938 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2019 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A3 Sportback 2.0 TDI DSG, FahrzeugID-Nr.: …56, zu zahlen.
2. Im Übrigen werden die Berufungen zurück- und bleibt die Klage ebenso abgewiesen, wie die Hilfswiderklage zurückgewiesen wird.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger zu 40% und die Beklagte zu 60%, von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger 25%, die Beklagte 75%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten. Die Kläger können die Vollstreckung durch die Beklagte abwenden, wenn sie vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des insgesamt zu vollstreckenden Betrags leisten, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 40.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal.
Der am … 2015 verstorbene Rechtsvorgänger der Kläger, die dessen Erben zu je 1/2 sind, kaufte am 26.03.2014 das Fahrzeug Audi A 3 Sportback 2.0 TDI DSG als Gebrauchtwagen mit einem km-Stand von 4.973 zum Preis von 25.400 €. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, dieses war mit einem Motor des Typs EA 189 der V. AG ausgestattet. Der Kilometerstand betrug am 30.10.2020 61.525 km und am 13.07.2021 68.302 km.
Für diesen Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erteilt. Die Steuerungssoftware des Motors erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in einen Abgasrückführungsmodus, in dem die Stickoxidgrenzwerte eingehalten werden, während dies außerhalb dieses Modus nicht der Fall ist. Nachdem die V.-AG im September 2015 öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software eingeräumt hatte, erging am 15.10.2015 ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fahrzeug des Klägers betrifft.
Die Klage wurde am 27.11.2018 zunächst im Namen des zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Erblassers erhoben, mit am 23.12.2019 zugestellten Schriftsatz vom 18.12.2019 gaben die Kläger dessen Tod bekannt und stellten den Klageantrag im eigenen Namen.
Die Kläger haben vor dem Landgericht zuletzt beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 25.400 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A 3 Sportback 2.0 TDI DSG mit der Fahrgestellnummer …56 zu zahlen.
Die Beklagte hat vor dem Landgericht beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie war der Auffassung, dass allfällige Schadensersatzansprüche jedenfalls verjährt seien.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 12.230,76 € nebst Zinsen an die Kläger Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt. Den Klägern stehe ein Anspruch aus § 826 BGB zu, da das Verhalten der Beklagten gegen die guten Sitten verstoße. Der anzurechnende Nutzungsvorteil der Kläger berechne sich nach dem sogen. Ingolstädter Modell, indem der Wert der Nutzung in den ersten 50.000 bzw. ab 50.001 km bis 200.000 km mit dem Doppelten bzw. Dreifachen der Nutzung ab km 200.001 berechnet werde. Der Anspruch sei nicht verjährt, da die im Jahre 2018 erhobene Klage die Verjährung auch für die Kläger unterbrochen habe, die irrtümliche Falschbezeichnung der Klagepartei durch die klägerischen Prozessbevollmächtigten ändere daran nichts.
Gegen das ihnen am 17.12.2020 zugestellte Ersturteil haben die Kläger am 14.01.2021 Berufung eingelegt, die sie am 16.02.2021 begründet haben. Die Beklagte hat gegen das ihr am 16.12.2020 zugestellte Ersturteil am Montag, den 18.01.2021 Berufung eingelegt, die sie am 16.02.2021 begründet hat.
Die Kläger sind der Meinung, dass das Landgericht zu Unrecht Nutzungsersatz von ihrem Schadensersatzanspruch abgezogen habe.
Sie beantragen,
nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Ersturteil abzuändern und die Klage ab- und die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 05.07.2021 hat die Beklagte Hilfswiderklage erhoben und für den Fall, dass der Senat ihre Berufung zurückweisen und die Klage zusprechen sollte, beantragt,
die Klageparteien gesamtschuldnerisch zu verurteilen, das Fahrzeug Audi A3 Sportback 2.0 TDI DSG mit der Fahrgestellnummer …56 an die Beklagte zu übereignen und zu übergeben.
Der Kläger beantragt,
die Hilfswiderklage zurückzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie sei zwar Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, habe aber den Motor nicht entwickelt. Überdies seien etwaige Ansprüche verjährt, da die Kläger etwa vorhergehende Prozesshandlungen im Termin vor dem Landgericht am 10.01.2020 genehmigt hätten. Der anzurechnende Nutzungsersatz dürfe einen Betrag von 5.826,30 € nicht unterschreiten. Sollte der Senat sie verurteilen, habe sie infolge des rechtsgrundlosen Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein berechtigtes Interesse an der Ausurteilung der Verpflichtung der Kläger zu dessen Rückübereignung und Rückgabe.
Mit der Ladungsverfügung vom 19.05.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass sich die Beklagte wohl nicht auf Verjährung berufen könne und dass er beabsichtige, die Nutzungsentschädigung anhand des Nutzungsverhaltens der Kläger berechnen.
Der Senat hat in der Sitzung vom 13.07.2021 die Kläger zur Sache gehört. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zitierte Ladungsverfügung sowie die Sitzungsniederschrift vom 13.07.2021 Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Kläger hat im tenorierten Umfang Erfolg, während die Berufung der Beklagten aufgrund des dem Grunde nach gegebenen Schadensersatzanspruchs der Kläger ebenso erfolglos bleibt wie die Hilfswiderklage. Die Beklagte haftet den Klägern unter dem Gesichtspunkt des ungewollten Vertragsschlusses aus § 826 BGB. Dabei ist der Anspruch darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als ob der Kaufvertrag nicht abgeschlossen worden wäre (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 12 ff.). Die Beklagte hat den Klägern Zug um Zug gegen die Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs 15.938 € zu erstatten, da sich die Kläger aufgrund des Gebrauchs des Fahrzeugs einen Nutzungsvorteil in Höhe von 9.462 € anrechnen lassen müssen (vgl. hierzu insgesamt und m.w.N. das Urteil des hiesigen Senats v. 26.01.2021, 5 U 2386/20, BeckRS 2021, 600).
1. Die Beklagte hat im Verhältnis zum Erblasser sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gehandelt. Sie hat aufgrund einer grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den von ihrer Konzernmutter entwickelten Dieselmotor der Baureihe EA 189 in großen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge – gleichgültig, ob das Fahrzeug neu oder gebraucht erworben wird – in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung arglos erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16 ff. m.w.N.).
2. Dieses sittenwidrige Verhalten ist der Beklagten auch zuzurechnen.
2) Die Beklagte haftet für dieses sittenwidrige Handeln selbst gemäß §§ 826, 31  BGB, da sie nach ihrem eigenen Vortrag im Schriftsatz vom 22.10.2020 ab S.8 die Verantwortlichkeit für die Entwicklung und Herstellung des Motors EA 189 einschließlich der Motorsteuerungssoftware im Rahmen der sog. Baukastenstrategie an ihre Konzernmutter, die V. AG, übertragen und diesen in der Folge absprachegemäß in die von ihr hergestellten Fahrzeuge eingebaut hat. Denn insoweit ist die Konzernmutter der Beklagten hinsichtlich der Entwicklung und Herstellung des Motors EA 189 als Repräsentantin der Beklagten anzusehen.
2) Als Repräsentant einer Körperschaft, für dessen Verhalten diese unbedingt einzustehen hat, ist jedermann anzusehen, dem durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Entscheidend ist daher, ob der „Berufene” für einen Geschäftskreis bestellt ist, der eine dem Vorstand ähnliche Selbständigkeit bzw. Verantwortlichkeit verlangt, wobei sich die Voraussetzungen für §§ 30, 31 BGB am Verkehrsschutz im Außenverhältnis, nicht am internen Rang des Berufenen bemessen. Darüber hinaus liegt dann, wenn die Leitung eines Teilbereichs des Unternehmens bzw. die Erfüllung deliktischer Verhaltenspflichten einer Person anvertraut wird, die nicht die Stellung eines verfassungsmäßigen Vertreters erhält, ein körperschaftlicher Organisationsmangel vor. Verstößt die juristische Person gegen diese Pflicht, wird sie so gestellt, als hätte sie der mit der Aufgabe betrauten Person Organstellung eingeräumt.
2) Hiernach ist die Konzernmutter der Beklagten als deren Repräsentantin hinsichtlich der Entwicklung und Herstellung der Motoren des Typs EA 189 samt deren Steuerungssoftware anzusehen mit der Folge, dass die Beklagte sich deren Handeln gemäß § 31 BGB zurechnen lassen muss. Denn die Herstellung und Programmierung des Motors als einem Kernstück des Fahrzeugs wurde dieser nach dem Vorbringen der Beklagten als für die betreffenden Fahrzeuge wesentliche Funktion im Rahmen der Konzernvereinbarungen zu Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten auf Grundlage der sog. Baukastenstrategie zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen (so erneut die Beklagte im Schriftsatz vom 05.07.2021, Rn.(59)). Die Beklagte ist dabei einerseits nach außen insgesamt als Herstellerin der Fahrzeuge ihrer Marke AUDI aufgetreten und hat diese – mit Ausnahme des Motors und der Steuerungssoftware – auch komplett selbst entwickelt, andererseits war nach außen auch erkennbar, dass die Herstellung der Motoren des Typs EA 189 aufgrund einer im Konzern getroffenen Entscheidung im Rahmen der sog. Baukastenstrategie für alle Fahrzeuge des Konzerns, in der diese Motoren eingesetzt wurden, durch die Konzernmutter der Beklagten erfolgte. Darüber hinaus würde die Beklagte auch dann, wenn ihre Konzernmutter im Hinblick auf die Entwicklung und Herstellung der Motoren des Typs EA 189 samt Steuerungssoftware nicht als Repräsentantin anzusehen wäre, jedenfalls wegen eines körperschaftlichen Organisationsmangels haften. Denn angesichts der wesentlichen Bedeutung des Motors als Kernstück eines Fahrzeugs und insbesondere der damit verbundenen (Haftungs-)Risiken wäre es unumgänglich gewesen, die Verantwortung in diesem Bereich entweder einem eigenen verfassungsmäßiger Vertreter oder einem hiermit beauftragten Dritten eine Organstellung im Sinne der §§ 30, 31 BGB zu übertragen (das ist aber nach zuletzt Schriftsatz vom 05.07.2021, Rn.(70) nicht geschehen). Wäre beides nicht geschehen, würde die Beklagte infolge Pflichtverstoßes ebenfalls gemäß §§ 826, 31 BGB haften (vgl. auch insoweit die Urteile dieses Senats v. 26.1.2021, 5 U 2386/20, BeckRS 2021, 600; v. 20.4.2021 5 U 6625/20 und den Beschluss vom 5.5.2021 mit dem im vorgen. Verfahren die Gehörsrüge der Beklagte zurückgewiesen worden ist).
3. Die Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB ergibt sich auch daraus, dass die Übereinstimmungserklärungen für Fahrzeuge der Beklagten, in die ein Motor des Typs EA 189 eingebaut wurde und die für den europäischen Markt bestimmt waren, durch die jeweiligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten unterzeichnet wurden. Als Herstellerin ist die Beklagte gegenüber der Typ-Genehmigungsbehörde für alle Belange des EG-Typgenehmigungsverfahrens und die Übereinstimmung der Produktion verantwortlich, und zwar auch dann, wenn sie nicht an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit unmittelbar beteiligt ist, Art. 5 Abs. 1 der RL 2007/46/EG (vgl. das Urteil dieses Senats v. 26.01.2021, 5 U 2386/20, BeckRS 2021, 600).
4. Zudem haftet die Beklagte gemäß §§ 826, 31 BGB, weil davon auszugehen ist, dass die grundlegende strategische Entscheidung, die von der Konzernmutter der Beklagten entwickelten Motoren des Typs EA 189 samt der unzulässigen Software in den Fahrzeugen der Beklagten, insbesondere auch im hier streitgegenständlichen Fahrzeug, einzusetzen, von den im Hause der Beklagten verantwortlichen Personen, insbesondere dem bzw. den dafür zum damaligen Zeitpunkt verantwortlichen Vorstand bzw. Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit deren Kenntnis und Billigung, getroffen und umgesetzt worden ist. Denn der entsprechende Vortrag des Klägers ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen, da die Beklagte insoweit ihrer sekundären Darlegungslast nicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist.
4) Nach den allgemeinen Grundsätzen zur sekundären Darlegungslast (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 26 ff.; BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 35 ff. jeweils ausführlich m.w.N.; siehe auch das Urteil dieses Senats v. 26.01.2021, 5 U 2386/20, BeckRS 2021, 600) ist vorliegend von einer sekundären Darlegungslast der Beklagten auszugehen. Denn eine solche trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist. Die sekundäre Darlegungslast führt jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 27; BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 37).
4) Insbesondere sind hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorhanden (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 28 ff. m.w.N.). Unstreitig hat die Beklagte unter Einbau des Motors der Serie EA 189 ihrer Konzernmutter in großem Umfang weltweit Fahrzeuge, die im Übrigen von ihr selbst entwickelt wurden, als Herstellerin in den Verkehr gebracht. Unstreitig war auch die Beklagte als Herstellerin und Entwicklerin von Dieselmotoren mit der technischen und wirtschaftlichen Problematik konfrontiert, die gesetzlichen Grenzwerte bei gleichzeitiger Berücksichtigung der damit verbundenen Kosten einzuhalten. Unstreitig war die Beklagte als Tochter ihrer Konzernmutter insbesondere im Rahmen des sog. Baukastenstrategie unter Aufteilung der Zuständigkeiten für die Entwicklung auch in technischer Hinsicht in der Weise eng verbunden, dass die Zuständigkeit für die Entwicklung von (Diesel-)Motoren jeweils einer von ihnen übertragen und diese dann auch in die Fahrzeuge der jeweils anderen eingebaut wurden. Ebenso bestand nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten in ihrer internen Organisation ein umfangreiches Berichtswesen, in dem insbesondere auch die Bereichsleiter trotz ihrer hohen Position in der Unternehmenshierarchie den Weisungen und der Kontrolle des für das jeweilige Vorstandsressort zuständigen Vorstandsmitglied im aktienrechtlichen Sinne unterstellt und in das hierarchische Anweisungs- und Berichtssystem eingebunden waren.
4) Nach dem unstreitigen Vorbringen ist daher der Einbau des Motors des Typs EA 189 als Strategieentscheidung der Beklagten anzusehen, die sowohl mit erheblichen Risiken für die Beklagte als auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war und zugleich große Bedeutung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten hatte. Zudem bietet die enge konzernrechtliche Verbindung der Beklagten zu ihrer Konzernmutter insbesondere in Verbindung mit den für beide Unternehmen bedeutsamen Aufteilung der Zuständigkeiten im Rahmen der sog. Baukastenstrategie hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass auch im Hinblick auf grundlegende technische Fragen der Entwicklung von Dieselmotoren, die sowohl die Beklagte als auch deren Konzernmutter in intensiver und für den (wirtschaftlichen) Erfolg der Unternehmen (mit-)entscheidender Weise betreibt, eine enge Verbindung zwischen den Unternehmen und den dort verantwortlich handelnden Personen bestand. Angesichts des ebenfalls unstreitigen Bestehens des streng hierarchischen Anweisungs- und Berichtssystems liegen ebenfalls hinreichende Anhaltspunkt dafür vor, dass eine strategisch wichtige, mit erheblichen Risiken verbundene und für die Geschäftstätigkeit der Beklagten bedeutsame Entscheidung, die von der Konzernmutter hergestellten Motoren als – insbesondere für das für die Wahrnehmung der betreffenden Fahrzeuge durch potentielle Käufer besonders bedeutsame Fahr-, Verbrauchs- und Umweltverhalten mitentscheidendes – Kernstück in ihre Fahrzeuge einzubauen, nicht ohne hinreichende Informationen insbesondere darüber erfolgt ist, wie es gelungen ist, die der Beklagten als Hersteller von Dieselmotoren bekannte Problematik zu lösen, ihre Fahrzeuge möglichst wirtschaftlich bei Einhaltung der strengen Abgasvorgaben zu produzieren, bzw. die entsprechenden Informationen nicht an die Entscheidungsträger bzw. zumindest an einen hierfür verantwortlichen Repräsentanten gelangt sein sollen.
4) Vor diesem Hintergrund liegen hier – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH im Urteil vom 08.03.2021, VI ZR 505/19 – hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis der verantwortlichen Personen bei der Beklagten als Grundlage für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten vor. Auch hat der Kläger vorliegend besondere Schwierigkeiten, konkrete Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Kenntnis eines bestimmten Vorstandsmitglieds der Beklagten ergibt (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn.39).
4) Ihrer aus diesen Gründen bestehenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht in hinreichendem Maße nachgekommen. Der Vortrag, auch nach allen Recherchen bestünden keine Anhaltspunkte für Kenntnisse der Vorstandsmitglieder oder sonstiger als Repräsentant im Sinne von § 31 BGB (analog) einzuordnender Personen unterhalb des Vorstands vom Einsatz der streitgegenständlichen Software in den EA 189-Motoren der Fahrzeuge der Beklagten im relevanten Zeitpunkt, ist nicht ausreichend. Zwar hat die Beklagte umfangreich allgemein zu ihrer Organisationsstruktur, der Arbeitsorganisation (insbesondere der sog. Baukastenstrategie) und technischen Vorgängen bei der Produktion sowie dazu vorgetragen, warum die Kenntnis einzelner Personen durch den Kläger nicht hinreichend dargelegt bzw. aus den Ergebnissen von staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren oder anderen Veröffentlichungen nicht zu entnehmen sei. Mit all dem ist die Beklagte ihrer Verpflichtung aus der sekundären Darlegungslast, zum Vorbringen des Klägers – gegebenenfalls nach Durchführung zumutbarer Nachforschungen – nähere Angaben zu machen (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 27; BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 37), nicht nachgekommen. Insbesondere reicht in der vorliegenden Situation die Darlegung der Beklagten nicht aus, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung und Verwendung der Software in Auftrag gegeben oder davon gewusst habe. Vielmehr wäre der Beklagten möglich und zumutbar, mitzuteilen, welche Ermittlungen mit welchem Ergebnis sie insoweit angestellt hat und über welche Erkenntnisse sie insoweit verfügt (BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn.39).
4) So fehlen insbesondere Angaben u.a. dazu, welche Personen im Vorstand der Beklagten und darüber hinaus konkret an den streitgegenständlichen Entscheidungen beteiligt waren, welche Kenntnisse sie über den streitgegenständlichen Motor und dessen Steuerungssoftware hatten und welchen Austausch mit welchem Inhalt es über diesen Motor und die dazugehörige Steuerungssoftware mit der Konzernmutter gegeben hat. Ebenso wenig wurde dargelegt, welche konkreten Ergebnisse die von ihr veranlassten Ermittlungen – gerade auch angesichts der bestehenden Berichts- und Dokumentationspflichten – hatten. Zudem bleibt offen, welche konkreten Personen dem sog. „Produkt-Strategie-Komitee (PSK)“ angehörten bzw. über welche Informationen diese im Hinblick auf diese konkrete Entscheidung verfügt haben. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum entsprechende Kenntnisse trotz des bei der Beklagten nach eigenem Vortrag bestehenden hierarchischen Anweisungs- und Berichtssystems nicht vorhanden gewesen sein sollen. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass in diesem System insbesondere die Bereichsleiter trotz ihrer hohen Position in der Unternehmenshierarchie den Weisungen und der Kontrolle des für das jeweilige Vorstandsressort zuständigen Vorstandsmitglied im aktienrechtlichen Sinne unterstellt gewesen seien. Auch daher bleibt unklar, wie die strategisch wichtige, mit erheblichen Risiken verbundene und für die Geschäftstätigkeit der Beklagten bedeutsame Entscheidung, die betreffenden Motoren als Kernstück in ihre Fahrzeuge einzubauen, ohne hinreichende Informationen insbesondere darüber erfolgt sein soll, wie es gelungen ist, die der Beklagten als Hersteller von Dieselmotoren bekannte Problematik, ihre Fahrzeuge möglichst wirtschaftlich bei Einhaltung der strengen Abgasvorgaben zu produzieren, bzw. die entsprechenden Informationen nicht an die Entscheidungsträger bzw. zumindest an einen hierfür verantwortlichen Repräsentanten gelangt sein sollen.
4) Auch ist nicht dargelegt worden, welche Ermittlungen zu diesen Punkten gegenüber welchen Personen anhand des Berichtswesens oder in anderer Weise durchgeführt wurden und welche Ergebnisse diese erbracht haben. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ergeben würde, dass derartige Ermittlungen unmöglich bzw. unzumutbar gewesen wären. Es erscheint insbesondere gerade angesichts der Bedeutung dieser Fragestellung für das Unternehmen der Beklagten nicht unangemessen, erforderlichenfalls auch eine Vielzahl möglicherweise beteiligter Personen in die Ermittlungen einzubeziehen. Stattdessen ist überhaupt kein Vortrag etwa zu Ablauf, Umfang und Inhalt derartiger Ermittlungen erfolgt.
5. Den Klägern ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden, §§ 826, 249 Abs. 1 BGB, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liegt (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 44 ff.). Insbesondere ist der Senat wie bereits das Landgericht aufgrund der Anhörung der Klägerin im Termin vom 30.10.2020 davon überzeugt, dass der Erblasser das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass dessen Abgaswerte manipuliert waren. Damals hat die Klägerin insbesondere angegeben: „Wenn wir Kenntnis von der Abgasproblematik gehabt hätten, hätten wir das Fahrzeug sicher nicht gekauft. Mein Mann war da sehr penibel. Er hätte schon ein Fahrzeug dann nicht gekauft, wenn ein Modellwechsel angestanden hätte. Außerdem wäre ja dann auch ein höherer Wertverlust zu erwarten gewesen und ggf. auch diese Fahrverbote“. Diese Angaben sind glaubhaft, weil im Regelfall nicht anzunehmen ist, dass ein Fahrzeug erworben wird, obwohl berechtigte Zweifel daran bestehen, ob es für seinen Zweck, nämlich die Verwendung im öffentlichen Straßenverkehr, tatsächlich geeignet ist, bzw. dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs nicht absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann (BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 49, 51). Auf eine förmliche Parteieinvernahme der präsenten Kläger zur Frage der Kausalität hat die Beklagte im Termin vom 13.07.2021 ausdrücklich verzichtet; im Hinblick auf die eindeutigen und ohne weiteres nachvollziehbaren Angaben vor dem Landgericht bestand für den Senat auch sonst keine Veranlassung, die Kläger (erneut) zu hören.
6. Der Beklagten war der Schädigungsvorsatz der handelnden Personen auch zuzurechnen. Dieser ist getrennt von der Sittenwidrigkeit des haftungsbegründenden Verhaltens festzustellen. Dabei ist insbesondere die Feststellung erforderlich, dass Personen, für deren Verhalten die Beklagte nach § 31 BGB einzustehen hat, Kenntnis vom Einsatz der Manipulationssoftware und ihrer Unzulässigkeit besaßen (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 32; BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 60 ff., 63).
Vorliegend geht der Senat davon aus, dass bei den handelnden Personen ein auch auf den Erblasser als Käufer eines mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs bezogener Schädigungsvorsatz gegeben war. Denn die Beklagte hat – wie dargelegt – für das sittenwidrige Handeln ihrer als Repräsentantin anzusehenden Konzernmutter bzw. der für diese handelnden Personen ebenso einzustehen wie für die Angaben ihrer jeweiligen Vorstandsvorsitzenden im Rahmen der EG-Typgenehmigungsverfahren sowie dafür, dass die grundlegende und sittenwidrige Entscheidung über den Einbau der Motoren des Typs EA 189 samt der unzulässigen Software in ihren Fahrzeugen von den bei ihr verantwortlichen Personen, insbesondere dem bzw. den dafür zum damaligen Zeitpunkt verantwortlichen Vorstand bzw. Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit deren Kenntnis und Billigung, getroffen und umgesetzt worden ist.
Insbesondere ist nach dem infolge des zur Erfüllung der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht ausreichenden Vorbringens der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO wie dargelegt als zugestanden anzusehendem Sachverhalt davon auszugehen, dass die Beklagte bzw. die bei ihr für die Entscheidung über den Einbau der Motoren des Typs EA 189 samt der unzulässigen Software im Rahmen des hierarchischen Anweisungs- und Berichtssystems der Beklagten verantwortlichen Personen Kenntnis von dem Einsatz der Manipulationssoftware und ihrer Unzulässigkeit hatten, als sie die grundlegende strategische Entscheidung trafen, die von der Konzernmutter der Beklagten entwickelten Motoren des Typs EA 189 samt der unzulässigen Software in ihren Fahrzeugen und insbesondere auch im hier streitgegenständlichen Fahrzeug zu verbauen. Sowohl bezüglich der V. AG als auch der Beklagten bzw. der bei diesen jeweils verantwortlich handelnden Personen ist schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ihnen aufgrund ihrer zentralen Rolle bei der Entwicklung und dem Inverkehrbringen der betreffenden Fahrzeuge bewusst war, in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge werde niemand – ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis – ein damit belastetes Fahrzeug erwerben (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 32; BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 63).
7. Der Anspruch der Kläger ist nicht verjährt. Die Beklagte hat den ihr obliegenden Nachweis einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Erblassers bzw. nach dessen Tod der Kläger (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, Rn. 24 vor § 194 BGB, Rn. 50 zu § 199 BGB) im Jahr 2015 davon, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen war, nicht erbracht. Insbesondere ergibt sich allein aus der umfangreichen Medienberichterstattung zum Dieselskandal nicht ohne Weiteres, dass die Kläger im Hinblick auf das konkrete hier streitgegenständliche Fahrzeug von der Betroffenheit Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Hinreichende Anhaltspunkte haben sich insoweit auch aus der persönlichen Anhörung der Kläger nicht ergeben. Diese haben in der Sitzung vom 13.07.2021 u.a. angegeben, sie hätten sich spätestens Gedanken gemacht, ob das geerbte Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen sei, als sie die Benachrichtigung wegen des Software-Updates erhalten hätten. Sie könnten aber nicht angeben, wann sie auf der Internetseite von VW unter Eingabe des Motorkennbuchstaben Erkundigungen eingeholt hätten; dies hätten sie allerdings sowohl für das streitgegenständliche als auch für ein weiteres Fahrzeug getan. Die Beklagte hat demnach nicht nachweisen können, dass die Kläger bereits 2015 Kenntnisse gehabt hätten, die ihnen eine Klageerhebung ermöglicht hätten bzw. dass sie sich spätestens am Jahresende 2015 in grob fahrlässiger Unkenntnis von solchen Umständen befunden hätten.
Die Umstellung der Klage im Dezember 2019 ist daher jedenfalls noch vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt. Mit dem am 23.12.2019 der Beklagten zugestellten Schriftsatz vom 18.12.2019 haben die Kläger der Beklagten unmissverständlich klar gemacht, die Klageforderung im eigenen Namen geltend zu machen und damit auch die bisherige Prozessführung in Namen ihres Rechtsvorgängers, des vorverstorbenen Erblassers genehmigt. Angesichts der klaren Richtung der Klage, nämlich den für den Erwerb des mittlerweile im Erbgang auf die Kläger übergangenen Fahrzeugs gegebenen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen, kann nicht von den Grundsätzen ausgegangen werden, die für die Klageerhebung für eine nichtexistente Partei gelten, zumal hier bei der gebotenen Auslegung der Prozesshandlungen auf der Hand liegt, dass die Klage von vornherein für die aktuellen Kläger erfolgen sollte. Damit ist die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr.1 BGB gehemmt worden (vgl. BGH NJW-RR 1989, 1269 zu §§ 209, 212 BGB aF).
8. Allerdings hat die Beklagte den Klägern nur 15.938 € Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs zu erstatten, da sich die Kläger ihren Nutzungsvorteil in Höhe von 9.462 € anrechnen lassen müssen.
8) Grundsätzlich müssen sich die Kläger im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihnen gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, wobei dem Tatrichter gemäß § 287 ZPO ein Ermessen dahingehend zusteht, die Höhe des Schadensersatzanspruchs unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bemessen (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn.64 ff.; BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn.40 f.). Im Rahmen der Vorteilsausgleichung kommt es auf die aus dem erworbenen Fahrzeug (tatsächlich) gezogenen Vorteile an, die vorliegend darin liegen, dass der Kläger das Fahrzeug genutzt hat. Dabei kann eine Schätzung grundsätzlich auch in der Weise erfolgen, dass der von dem Käufer gezahlte Bruttokaufpreis für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn.79 ff.; BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn.41). Insoweit wird der Nutzungsersatz nach der sogenannte Wertverzehrmethode vorgenommen, die eine lineare Teilwertabschreibung aus dem Verhältnis der während der Vertragszeit gezogenen Nutzungen zu der Gesamtnutzungsdauer der Sache und damit im Ergebnis einen Nutzungswertersatz darstellt (BGH, Urt. v. 27.10.2020, XI ZR 498/19 Rn.40), der den Umstand nicht berücksichtigt, dass Kraftfahrzeuge in der Regel in den ersten Jahren einer überproportionale Wertabschreibung unterliegen.
8) Allerdings kann im Einzelfall berücksichtigt werden, dass die lineare Berechnung des Nutzungsersatzes nur nach gefahrenen Kilometern und technisch möglicher Gesamtlaufleistung die aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogenen Vorteile nicht immer hinreichend abbildet. Denn gerade dann, wenn ein Fahrzeug – wie hier – nur in verhältnismäßig geringem Umfang, also mit einer geringen durchschnittlichen Jahreslaufleistung, genutzt wird, ist es durchaus wahrscheinlich, dass innerhalb der Gesamtnutzungsdauer des Fahrzeugs die technisch mögliche Gesamtlaufleistung nicht erreicht wird. Zudem findet bei einer solchen Berechnungsweise die überproportionale Wertabschreibung eines Fahrzeugs in den ersten Jahren jedenfalls eine gewisse Berücksichtigung.
8) Vorliegend ist der Senat daher im Rahmen des im Rahmen des § 287 ZPO auszuübenden Ermessens davon ausgegangen, dass die Kläger das Fahrzeug vom 26.03.2014 bis zur letzten mündlichen Verhandlung am 13.07.2021, mithin über gut 7 Jahre, ausgehend von einem Anfangskilometerstand von 4.973 km bis zu einem Kilometerstand von 68.302 km, bei also insgesamt 63.329 km gefahrenen Kilometern mit einer durchschnittlichen Jahreslaufleistung von weniger als 9.000 km genutzt haben. Da bei Fortschreibung dieser Jahreslaufleistung beispielsweise eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km erst nach knapp 28 Jahren erreicht würde, ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Nutzungsdauer des klägerischen Fahrzeugs auch unabhängig von der tatsächlichen Fahrleistung zeitlich limitiert ist. Als Vergleichswert kann hier etwa Bezug genommen werden auf Ziffer 4.2.1 der AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter des Bundesministeriums der Finanzen, 15.12.2000, IV D 2-S. 1551-188/00, FANR565000000. Dort wird davon ausgegangen, dass für die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Anlagegütern beruhend auf Erfahrungen der steuerlichen Betriebsprüfung, die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Pkw 6 Jahre beträgt. Da davon ausgegangen werden kann, dass die Nutzung eines Fahrzeug im außerbetrieblichen Bereich auch über einen längeren Zeitraum möglich ist, erscheint es angemessen, hier unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls für die Schätzung der Nutzungsentschädigung eine Nutzungsdauer von 20 Jahren anzunehmen und daher von einer rechnerischen Gesamtlaufleistung von 175.000 km auszugehen ist. Von dieser sind die vor dem Kauf durch den Kläger gefahrenen 4.973 km in Abzug zu bringen, so dass hier für die Berechnung der Nutzungsentschädigung eine voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt von 170.000 km zugrunde gelegt wird.
Bei Division des Bruttokaufpreises des Fahrzeugs (hier 25.400 €) durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt (hier 170.000 km) und der Multiplikation des Ergebnisses mit den gefahrenen Kilometern (hier 63.329 km) ergibt sich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 9.462 €. Zieht man diese vom Kaufpreis ab, verbleibt ein Anspruch des Klägers in Höhe von 15.938 €.
9. Zinsen sind ab Rechtshängigkeit geschuldet (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB).
10. Die Hilfswiderklage hat schon deshalb keinen Erfolg, weil die Beklagte eine nachvollziehbare Erklärung dafür schuldig bleibt, inwiefern der nicht mit ihr geschlossene Gebrauchtwagenkaufvertrag infolge ihrer sittenwidrigen Schädigung nichtig sein sollte und inwiefern hieraus Ansprüche zu ihren Gunsten erwachsen sollten.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts aus §§ 3, 4 ZPO, 47, 48 GKG.
2. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Senat hat den vorliegenden Einzelfall, insbesondere die Fragen einer Haftung der Beklagten sowie der Höhe der im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden gezogenen Nutzungen anhand der jeweils zitierten Rechtsprechung des BGH entschieden. Dass eine klärungsbedürftige Rechtsfrage vorliegen würde oder andere Auswirkungen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderten bzw. dass in einer konkreten Rechtsfrage eine divergierende höher- oder gleichrangige Entscheidung vorliegen würde, in der diese Rechtsfrage anders beantwortet und dies für die Entscheidung tragend geworden und für das Urteil ursächlich wäre, ist nicht ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus den von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte. Soweit die Beklagte sich auf Urteile des OLG Bamberg vom 22.04.2021, 1 U 56/20, sowie des OLG Hamm vom 22.04.2021, I – 22 U 142/20, bezieht, ist in den von der Beklagten vorgetragenen Entscheidungsauszügen nicht hinreichend ersichtlich, welcher Sachverhalt bzw. welche Vortragslage den dortigen Bewertungen zugrunde gelegen hat. Gleiches gilt für die übrigen von der Beklagten zitierten Entscheidungen, soweit diese recherchierbar waren.
Denn die Entscheidungen über das Bestehen einer sekundären Darlegungslast sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängig. So ist die Frage des Bestehens einer sekundären Darlegungslast stets anhand des konkret zugrunde liegenden Sachverhalts, insbesondere des jeweiligen Vortrags aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 26. m.w.N.).
Dem nun vorgelegten Beschluss des 8. Zivilsenats des Hauses vom 28.05.2021 (Az. 8 U 6521/20, juris) lässt sich zwar entnehmen, dass dieser zur Frage der Repräsentanten- und Organisationshaftung der Beklagten einen der Rechtsauffassung des erkennenden Senats diametral entgegengesetzte Rechtsauffassung vertritt. Ebenso sieht der 8. Senat ausweislich Rn. 23 (juris) der zitierten Entscheidung keine sekundäre Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich der Kenntnis ihrer verfassungsmäßigen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung, da dieses voraussetze, dass das unstreitige oder nachgewiesene Parteivorbringen entsprechende Anhaltspunkte enthalte. Dafür genüge allein der Umstand, dass die Beklagte manipulierte Motoren in ihre Fahrzeuge einbaue, nicht. Vielmehr müsse die Klägerseite Anhaltspunkte dafür vortragen, die den Schluss nahelegten, dass die für die Beklagte handelnden Personen gewusst hätten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer Prüfstandserkennungssoftware ausgerüstet seien. Entsprechendes Vorbringen habe das Landgericht nicht festgestellt und sei auch dem schriftsätzlichen Vorbringen nicht zu entnehmen. Es fehle an jeglichem Vorbringen dazu, dass für die Beklagte handelnde Personen in die Täuschung des KBA und potenzieller Kunden eingebunden gewesen ein bzw. gewusst hätten, dass, seit wann und weshalb für die Beklagte handelnde Personen gewusst hätten, dass die Motoren mit der auf arglistige Täuschung des KBA ausgelegten Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet seien. Dies könne jedenfalls nicht draus geschlossen werden, dass Dr. W. von 2002 bis 2007 gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Beklagten und leitender Entwicklungschef der V. AG gewesen sei. Ohnehin sei dieser gesetzlich gehalten gewesen, vertrauliche Angaben und Geheimnisse der V. AG der Beklagten nicht zu eröffnen. Entsprechendes gelte für die weiter benannten Personen mit angeblich wechselnden und parallelen Funktionen in beiden Unternehmen. Insoweit führe auch der Verweis auf von der Beklagten angeblich in 3 l Dieselmotoren eingebaute Abschalteinrichtungen nicht weiter.
Dagegen stützt sich der erkennende Senat – wie oben unter II.4.b dargelegt – hinsichtlich der Haftung der Beklagten nach § 826 BGB entscheidungsbegründend darauf, dass die Beklagte unstreitig unter Einbau des Motors der Serie EA 189 ihrer Konzernmutter in großem Umfang weltweit Fahrzeuge, die im Übrigen von ihr selbst entwickelt wurden, als Herstellerin in den Verkehr gebracht habe. Ebenso unstreitig sei die Beklagte als Herstellerin und Entwicklerin von Dieselmotoren mit der technischen und wirtschaftlichen Problematik konfrontiert gewesen, die gesetzlichen Grenzwerte bei gleichzeitiger Berücksichtigung der damit verbundenen Kosten einzuhalten. Sie sei als Tochter ihrer Konzernmutter unstreitig insbesondere im Rahmen des sog. Baukastenstrategie unter Aufteilung der Zuständigkeiten für die Entwicklung auch in technischer Hinsicht in der Weise eng verbunden gewesen, dass die Zuständigkeit für die Entwicklung von (Diesel-)Motoren jeweils einer von ihnen übertragen und diese dann auch in die Fahrzeuge der jeweils anderen eingebaut worden seien. Ebenso habe nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten in ihrer internen Organisation ein umfangreiches Berichtswesen bestanden, in dem insbesondere auch die Bereichsleiter trotz ihrer hohen Position in der Unternehmenshierarchie den Weisungen und der Kontrolle des für das jeweilige Vorstandsressort zuständigen Vorstandsmitglied im aktienrechtlichen Sinne unterstellt und in das hierarchische Anweisungs- und Berichtssystem eingebunden gewesen seien. Nach dem unstreitigen Vorbringen sei der Einbau des Motors des Typs EA 189 als Strategieentscheidung der Beklagten anzusehen, die sowohl mit erheblichen Risiken für die Beklagte als auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden gewesen sei und zugleich große Bedeutung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten gehabt habe. Zudem biete die enge konzernrechtliche Verbindung der Beklagten zu ihrer Konzernmutter insbesondere in Verbindung mit den für beide Unternehmen bedeutsamen Aufteilung der Zuständigkeiten im Rahmen der sog. Baukastenstrategie hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass auch im Hinblick auf grundlegende technische Fragen der Entwicklung von Dieselmotoren, die sowohl die Beklagte als auch deren Konzernmutter in intensiver und für den (wirtschaftlichen) Erfolg der Unternehmen (mit-)entscheidender Weise betreibe, eine enge Verbindung zwischen den Unternehmen und den dort verantwortlich handelnden Personen bestanden habe. Angesichts des ebenfalls unstreitigen Bestehens des streng hierarchischen Anweisungsund Berichtssystems lägen hinreichende Anhaltspunkt dafür vor, dass eine strategisch wichtige, mit erheblichen Risiken verbundene und für die Geschäftstätigkeit der Beklagten bedeutsame Entscheidung, die von der Konzernmutter hergestellten Motoren als – insbesondere für das für die Wahrnehmung der betreffenden Fahrzeuge durch potentielle Käufer besonders bedeutsame Fahr-, Verbrauchs- und Umweltverhalten mitentscheidendes – Kernstück in ihre Fahrzeuge einzubauen, nicht ohne hinreichende Informationen insbesondere darüber erfolgt ist, wie es gelungen sei, die der Beklagten als Hersteller von Dieselmotoren bekannte Problematik aufzulösen, ihre Fahrzeuge möglichst wirtschaftlich bei Einhaltung der strengen Abgasvorgaben zu produzieren, bzw. die entsprechenden Informationen nicht an die Entscheidungsträger bzw. zumindest an einen hierfür verantwortlichen Repräsentanten gelangt sein sollen.
Die Frage des Bestehens einer sekundären Darlegungslast ist stets anhand des konkret zugrunde liegenden Sachverhalts, insbesondere des jeweiligen Vortrags aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 26. m.w.N.), ob und welcher Vortrag im vom 8. Senat entschiedenen Rechtsstreit angebracht worden ist, entzieht sich der Kenntnis des Senats, insbesondere kann er nicht beurteilen, ob der Vortragsstand dem hiesigen und oben wiedergegebenen entsprochen hat. Die ergebnisverschiedene Würdigung ähnlicher Sachverhalte durch verschiedene Berufungsgerichte begründet aber für sich allein keine zulassungsrelevante Divergenz (BGH, Beschluss vom 13.07.2010, XI ZR 111/08). Das (vorbeugende) Herbeiführen einer einheitlichen Rechtsprechung ist ebenso kein Revisionszulassungsgrund (BGH, Beschluss vom 28.06.2016, II ZR 290/15, Rn.7). Eine obersatzfähige und entscheidungserhebliche Divergenz zur Rechtsprechung des 8. Zivilsenats vermag der Senat nicht festzustellen. Die Ausführungen in der Ladungsverfügung eines weiteren Senats des OLG München vermögen eine zulassungsrelevante Divergenz nicht zu begründen.


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