Europarecht

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Aktenzeichen  W 2 K 20.331

Datum:
11.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45148
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG öffentlich-rechtlicher Vertrag

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin für anteilige Abschreibungen an der Kläranlage R. für das Jahr 2014 EUR 80.035,23 nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 14. Dezember 2018 zu leisten.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

I.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, wie von der Beklagtenseite mehrfach beantragt, war nach dem Wirksamwerden der Entscheidung nicht mehr zulässig (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 104 Rn. 14).
Nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO kann das Gericht die mündliche Verhandlung von Amts wegen oder auf Anregung der Beteiligten wiedereröffnen. Zuständig ist grundsätzlich der Spruchkörper, bei einer Ablehnung genügt es jedoch, wenn in den Gründen der Entscheidung dargelegt wird, weshalb eine Wiedereröffnung nicht (mehr) zulässig oder nicht erforderlich war. Eines gesonderten Beschlusses des Spruchkörpers bedarf es in diesem Fall nicht (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.2016 – 2 B 34/14 u.a. – NVwZ-RR 2016, 428).
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagtenseite auf ausdrückliche Nachfrage des Vorsitzenden keine Einwände gegen eine Zustellung des Urteils nach § 116 Abs. 2 VwGO erhoben, diese vielmehr in das Ermessen des Gerichts gestellt (vgl. Niederschrift). Diese von der Kammer im Hinblick auf den Umfang der Streitsache gewählten Zustellung an Stelle einer Verkündung kann deshalb nicht mehr gerügt werden (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 3.4.2013 – 13 LSA 34/13 – juris m.w.N.).
Es kann als entscheidungsunerheblich offenbleiben, ob die Übergabe des Tenors an die Geschäftsstelle reicht (so u.a. BVerwG, B.v. 27.4.2005 – 5 B 107/04 – juris; BayVGH, B.v. 24.7.1998 – 25 ZB 98.32972 – juris und U.v. 16.11.1998 – 15 B 95. 3498 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 28.5.2015 – 5 LA 195/14 – juris; jeweils mw.N.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 104 Rn. 14), um die Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung und in deren Folge die Unabänderbarkeit herbeizuführen. Für diese Ansicht sprechen insbesondere die überzeugenden Ausführungen des OVG Lüneburg, weil die Übergabe an die Geschäftsstelle die öffentliche Verkündung ersetzt, die im Übrigen auch im leeren Gerichtssaal erfolgen kann. Nach anderer Ansicht soll die Entscheidung jedenfalls dann wirksam werden und Bindungswirkung eintreten, wenn dem ersten Beteiligten der Tenor auf Veranlassung des Gerichts formlos (telefonisch) bekanntgegeben wird (so BVerwG, B.v. 11.6.1993 – 8 C 5/92 – juris; BayVGH, B.v. 2.12.1996 – 19 B 95.629 – juris; jeweils m.w.N.; vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, Rn 24 ff). Für diese Auffassung gibt es allerdings keinen gesetzlichen Anknüpfungspunkt. Zu beachten ist auch, dass die ehrenamtlichen Richter, die die Urteilsformel ebenfalls unterschreiben, danach im Gericht nicht ohne Weiteres mehr verfügbar sind. Nach beiden Ansichten ist vorliegend allerdings die Entscheidung wirksam geworden.
Die Urteilsformel wurde nach der in geheimer Beratung mit den ehrenamtlichen Richtern getroffenen Entscheidung schriftlich fixiert, von allen beteiligten Richtern/innen unterschrieben und noch am Tag der Entscheidung der zuständigen Geschäftsstelle übergeben, die den Eingang dort vermerkt hat. Diese Verfügung des Vorsitzenden erfolgte in der Absicht, ein Abrufen des Tenors für die Beteiligten möglichst zeitnah zu ermöglichen. Dabei wird anschließend beim Verwaltungsgericht Würzburg wie folgt verfahren: Die Geschäftsstelle vermerkt auf der richterlichen Verfügung das Datum und die Uhrzeit des Erhalts des (Original-)Entscheidungstenors und bestätigt dies mit ihrer Unterschrift. Der übergebene (Original-)Entscheidungstenor wird zusammen mit der richterlichen Verfügung in die jeweilige Gerichtsakte geheftet. Da sich die Akte danach beim Richter/bei der Richterin bzw. im Schreibdienst befindet, wird eine Kopie des Tenors sowie der Verfügung in einem gesonderten Ordner aufbewahrt, um im Falle des telefonischen Abrufs der Entscheidung selbige in der Geschäftsstelle zur Verfügung zu haben. Wird eine Entscheidung abgerufen, vermerkt die Geschäftsstelle, wer sie wann abgerufen hat und bestätigt dies mit ihrer Unterschrift. Mit dem Versand der Entscheidung wird dann die im Ordner befindliche Kopie herausgenommen und zum bereits in der Akte befindlichen Original geheftet. Die Entscheidung wurde damit nachweisbar noch am 11. November 2020 der zuständigen Geschäftsstelle übergeben und vom Klägervertreter nachweisbar am 16. November 2020 bei der Geschäftsstelle telefonisch abgerufen.
Bei den unterschiedlichen Ansichten zur Frage, wann die Wirksamkeit eintritt, besteht allerdings Einigkeit darüber, dass § 116 Abs. 2 VwGO weder ein förmliches Verfahren noch eine qualifizierte Dokumentation hinsichtlich der Übergabe an die Geschäftsstelle erfordert (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.1987 – 9 C 247/86 – juris). Es gibt auch keine Rechtsnorm, wonach der Zeitpunkt des Abrufens des Tenors sofort und ausschließlich nur in der Gerichtsakte zu dokumentieren wäre, da sie überhaupt nicht dokumentiert werden muss. Alle Beteiligten können vor Auslauf der Entscheidung in der Geschäftsstelle jederzeit den Tenor und den Zeitpunkt der ersten Abfrage des Tenors erfahren. Die Beklagtenvertreter haben nach dem 11. November 2020 Akteneinsicht genommen und vor Ort die Gelegenheit gehabt, die Frage zu stellen, ob der Tenor bereits abgerufen wurde.
Der von der Beklagtenseite demgegenüber erhobene Vorwurf der „doppelten Aktenführung“ bzw. dieses Vorgehen sei „(gerichts-)aktenwidrig“ entbehrt jeglicher Grundlage und ist abwegig. Die von der Beklagtenseite angeführten Gerichtsentscheidungen sind schon deshalb nicht einschlägig, weil ihnen nicht ansatzweise gleichgelagerte Sachverhalte zugrunde liegen.
Schlichtweg unzutreffend ist die Aussage im Schriftsatz vom 23. Februar 2021, der Tenor der Entscheidung sei noch keinem der Beteiligten mit „Bekanntgabewillen“ des Gerichts bekanntgegeben. Der Tenor wurde der Geschäftsstelle am 11. November 2020 zum Zwecke der telefonischen Bekanntgabe auf Anfrage übergeben. Nach der dargelegten Verfahrensweise am Verwaltungsgericht Würzburg geschah dies auch im vorliegenden Verfahren, um den Beteiligten den telefonischen Abruf zu ermöglichen. Ob den Bevollmächtigten der Beklagten dieses Verfahren bekannt ist oder bekannt sein könnte, ist rechtlich unerheblich.
Es verbleibt mithin bei der am 11. November 2020 aufgrund mündlicher Verhandlung in geheimer Beratung gefassten Urteilsformel, wie sie dem vorstehenden Tenor zu entnehmen ist.
II.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
1.1 Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht ist eröffnet. Auf den Beschluss des erkennenden Gerichtes vom 21. Februar 2020 und den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. Juli 2020 – 4 C 20.572 – wird Bezug genommen.
1.2 Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft und es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Ihr steht kein einfacherer Weg zur Verfügung, die begehrte Leistung von der Beklagten zu erwirken. Unabhängig von der Höhe der Forderung ist es ihr auch dem Grunde nach verwehrt, die eingeklagte Leistung mittels Verwaltungsakt als Gebühren- und/oder Beitragsforderung zu erheben. Denn es ist ihr nicht möglich, Gebühren oder Beiträge auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) der Gemeinde Hause bei Würzburg vom 21. Oktober 2011, in der Fassung der 6. Änderungssatzung vom 17. Juli 2019 zu erheben.
Die mit der Rastanlage belegenen Grundstücke der Beklagten sind nicht im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 der Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Gemeinde Hausen bei Würzburg (Entwässerungssatzung – EWS) vom 21. Oktober 2011 durch einen dem Betrieb der Entwässerungsanlage gewidmeten öffentlichen Kanal erschlossen. In den Kanalbestandsunterlagen der Klägerin vom August 2020 ist der „Zulaufkanal …“ in Fließrichtung von Schacht „3 R0020220“ bis zur Einleitung in die Kläranlage nach Schacht „3 R 0020010“ farblich abgesetzt vom öffentlichen Kanalnetz kartiert. Soweit der Lageplan, der den Konzessionsverträgen zu den Raststätten R. … … … als Anlage beigefügt ist (Ausschnitt, GA, Bl. 196 bzw. im Original „BAR R. … Lageplan“ des Autobahnbauamts Nürnberg vom März 1965 in der mündlichen Verhandlung seitens der Beklagten dem Gericht übergeben) „Schmutzwasserleitungen“ ausweist, die von den Raststätten R. … … … separat abgehen, am Schacht „S. 7“ zusammengeführt und nach „S. 6“ „zum Klärwerk“ weitergeführt werden, sind diese dem Kanalbestandsplan der Klägerin nicht zu entnehmen. Eine Zusammenschau beider Pläne ergibt jedoch – wie in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten einvernehmlich und erschöpfend erörtert -, dass Schacht „S. 7“ mit Schacht „3R 0020220“ identisch ist, so dass die Lage der Leitungsstränge von den beiden Raststätten bis zur Kläranlage bereits anhand der in das Verfahren einbezogenen Planunterlagen, einschließlich der in der mündlichen Verhandlung eingesehenen und als Anlage 14 und 15 zu Protokoll genommenen Ausdrucke aus dem Bayernatlas geklärt ist. Es bestehen keine Zweifel am tatsächlichen Verlauf der Leitungen. Da ihre rechtliche Einordung einem Beweis nicht zugänglich ist, waren die Beweisanträge Nr. 7 und Nr. 8 der Beklagten als unbehelflich abzulehnen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2020 wird Bezug genommen.
In rechtlicher Hinsicht sind die von den beiden Teilen der Rastanlage ausgehenden Leitungen weder vor ihrer Zusammenführung am Schacht „S. 7“ bzw. „3R0020220“ noch in ihrem weiteren Verlauf bis zu Übergabeschacht „3R0020010“ als Bestandteil des öffentlichen Leitungsnetzes anzusehen. Alleine das Bestehen einer tatsächlichen Zuleitung hat nicht automatisch zur Folge, dass der Leitungsstrang auch in die Entwässerungsanlage einbezogen ist. In § 1 Abs. 2 EWS behält sich die Klägerin satzungsrechtlich vor, Art und Umfang der Entwässerungsanlage selbst zu bestimmen. Damit macht sie deutlich, dass sie außerhalb der Satzung bestimmen will, was Bestandteil ihrer Entwässerungsanlage sein soll und was nicht (vgl. BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 38).
Dem steht § 1 Abs. 3 EWS nicht entgegen, der die im öffentlichen Straßengrund liegenden Grundstücksanschlüsse als zur Entwässerungsanlage gehörend definiert. Denn dies bezieht sich nur auf Grundstücksanschlüsse, deren Zuleitungskanal öffentlich gewidmet ist. § 1 Abs. 3 EWS ersetzt weder diese Widmung noch begründet er sie. Mithin waren die Beweisanträge Nr. 9 und Nr. 10 der Beklagten als unbehelflich abzulehnen. Für die Zugehörigkeit zum öffentlichen Leitungsnetz der Kläranlage kommt es nicht darauf an, ob die Zuleitungsstränge ganz oder teilweise durch öffentlichen Straßengrund führen oder diesen queren. § 1 Abs. 3 EWS erstreckt den auf den Straßengrund bezogenen Widmungsakt – gleich welchen Rechtsträgers – nicht auf die im Straßengrund verlegten Kanäle. Dem steht auch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 20. Juni 2018 – 4 N 17.1548 – juris, nicht entgegen. Gegenstand dieses Normenkontrollverfahrens war eine Regelung zur satzungsrechtlichen Entwidmung. Die setzt zwingend eine vorherige Widmung der betroffenen Kanäle und Anschlussleitungen voraus. Anders als hier bestand also bereits ein satzungsrechtlich begründetes Nutzungsverhältnis, das durch die Satzungsänderung modifiziert werden sollte.
Für die Zuordnung zum öffentlichen Leitungsnetz der Entwässerungsanlage bedarf es eines gesonderten Widmungsaktes. Das Gesetz stellt keine besonderen Anforderungen an die Form eines solchen Widmungsaktes. Dass und wie weit eine Widmung vorliegt, muss sich aus den gesamten Umständen ergeben. Indizien für eine – konkludente – Widmung außerhalb des Satzungsrechts der Beklagten sind insbesondere die bisherige Benutzungspraxis, die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses sowie die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung. Bei der exakten Bestimmung des Umfangs eines zur Entwässerungsanlage gehörenden Kanalnetzes kommt den Kanalbestandsplänen der Gemeinde eine erhöhte Bedeutung zu. Nach diesen Plänen bestimmt sich, welche Grundstücke durch die öffentliche Entwässerungsanlage erschlossen sind, so dass die Eigentümer zu Beiträgen herangezogen und im Falle einer Bebauung zum Anschluss an die öffentliche Anlage verpflichtet werden können. Es kann daher angenommen werden, dass die Bestandspläne öffentlicher Entwässerungseinrichtungen in aller Regel mit besonderer Sorgfalt geführt werden (BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 22 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 39 ff.). Anhaltspunkte, dass die von der Klägerin vorgelegten Bestandspläne von August 2020 diesen Qualitätsanforderungen nicht entsprechen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Mutmaßung der Beklagten, dass ein zum 1. Februar 1997 gültiger „Bestandsplan Kanal“ der Klägerin die Schmutzwasserleitungen zwischen den Nebenbetrieben auf den Rastanlagen R. … und der Kläranlage R. – entgegen dem aktuellen Bestandsplan – enthalten haben solle, entbehrt jeglicher objektiven Anknüpfung, so dass Beweisantrag Nr. 11 der Beklagten als Ausforschungsbeweis abzulehnen war.
Die bisherige Nutzungspraxis, die rechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses sowie die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung dieser Leitungen sprechen gegen eine öffentliche Widmung. So war Herstellung und Unterhaltung des Zuleitungskanals als Gegenstand der Vereinbarung von 1970 vertraglichen Regelungen unterworfen, die in ihrer gleichordnenden Ausgestaltung grundsätzlich gegen einen einseitigen hoheitlichen Widmungsakt sprechen. Dabei war der Bau des Zuleitungskanals dem Autobahnbauamt als Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland und der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen m.b.H (GfN) in der tatsächlichen Ausführung (§ 2 Abs. 2) und finanziell (§ 3 Abs. 2) zugewiesen, während der Klägerin lediglich gem. § 2 Abs. 3 ein Prüfungsrecht hinsichtlich der künftigen Betriebssicherheit des Kanalnetzes zubilligt worden war.
Die differenzierte Regelung der Unterhaltungs- und Erneuerungspflicht in § 4 Abs. 2 und 3 der Vereinbarung von 1970 sprechen gegen eine damals geplante oder später vollzogene Übernahme ins öffentliche Leitungsnetz. Soweit die Leitungsstränge außerhalb des Grundeigentums der Bundesstraßenverwaltung gem. § 4 Abs. 1 der Vereinbarung von 1970 nach ihrer Fertigstellung unentgeltlich in das Eigentum der Klägerin übergehen sollten, ist dies zunächst der Tatsache geschuldet, dass es sich bei den Leitungen schon nach der Rechtsauffassung der damaligen Vertragspartner um Scheinbestandteile gem. § 95 Abs. 1 BGB gehandelt hat (vgl. dazu: BGH, U.v. 2.12.2005 – VZR3505 V ZR 35/05 – NJW 2006, 990). Unabhängig davon, ob diese schuldrechtliche Abrede tatsächlich in einer dinglichen Übereignung vollzogen wurde, lässt sich aus den bloßen Eigentumsverhältnissen nicht auf eine Widmung zum öffentlichen Gebrauch der Leitungen im Rahmen des Kanalnetzes schließen. Selbst wenn die Klägerin außerhalb des Grundeigentums der Bundesrepublik Deutschlands Eigentümerin der Zuleitung geworden sein sollte, ist dies nicht mit einer Widmung zum öffentlichen Gebrauch gleichzusetzen.
Soweit die Klägerin den in ihrem Bestandsplan ausdrücklich als nicht zum eigenen Kanalbestand gehörenden „Zulaufkanal …“ unterhalten hat, entspricht dies der vertraglichen Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 und kann deshalb nicht als Indiz für eine öffentliche Widmung des Kanalstrangs herangezogen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin selbst anlässlich des anstehenden Neubaus ihrer Kläranlage mit ihren Kündigungsschreiben vom 18. Juni 2007 gegenüber der Klägerin (GA W 2 K 12.864, Bl. 494) und vom 4. September 2007 gegenüber der Autobahndirektion Nordbayern zum Ausdruck gebracht hat, sich aus der vertraglichen Bindung lösen zu wollen. Denn eine Fortführung des Nutzungsverhältnisses im Rahmen des Satzungsregimes war schon ausweislich des Wortlauts des Kündigungsschreibens – unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung – offensichtlich auch zu diesem Zeitpunkt nicht beabsichtigt.
Andere Anhaltspunkte für eine entsprechende Widmung des Zuleitungskanals sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit ist die von der Beklagten betriebene Rastanlage nicht durch die Entwässerungsanlage der Klägerin erschlossen und unterliegt nicht dem satzungsrechtlichen Regelungsregime der Klägerin. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte aufgrund der 1970/73 abgeschlossenen Sondervereinbarung von einzelnen Regelungen der Entwässerungssatzung betroffen sein kann (vgl. BayVGH, U.v. 3.11.2014 – 4 N 12.2074 – juris, Rn. 23). Jedenfalls kann die Klägerin etwaige Entgeltansprüche gegen die Beklagte nicht auf ihre Beitrags- und Gebührensatzung stützen.
1.3 Einer Sachentscheidung über die Klage steht ersichtlich nicht das Hindernis der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburgs vom 15. Oktober 2014 im Verfahren W 2 K 12.864 entgegen. Gem. § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden wurde. Streitgegenstand einer Leistungsklage ist der auf einen bestimmten Sachverhalt gestützte prozessuale Anspruch des Klägers auf Verurteilung des Beklagten zu der im Antrag bezeichneten Leistung. Wird das Begehren aus mehreren – kumulativ oder alternativ nebeneinanderstehenden – materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen hergeleitet, liegt gleichwohl grundsätzlich nur ein Streitgegenstand vor, wenn die Leistung nur einmal verlangt werden kann (vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 121 Rn. 66). Jedoch genügt der rein wirtschaftliche bzw. bilanzielle Zusammenhang zwischen Investition und Abschreibung nicht für eine Identität der Streitgegenstände. Als Abbildung der Wertminderung abnutzbaren Vermögens können Abschreibungen zwar als periodengerechte Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die Geschäftsjahre der Nutzung des Vermögensgegenstands interpretiert werden (vgl. Schneck, Lexikon der Betriebswirtschaft, 10. Auf. 2018, S. 10), jedoch ist damit mehr als nur ein zeitlicher Perspektivwechsel verbunden. Es kommt wesentlich die tatsächliche und in der Buchführung der Wirtschaftseinheit dokumentierte Nutzung des angeschafften Investitionsgutes hinzu. Dies gilt für bilanzielle wie für kalkulatorische Abschreibungen und ist unabhängig vom gewählten Abschreibungsverfahren.
Da dem Kläger bei der Konstituierung des Streitgegenstands nur Anstoßfunktion zukommt (vgl. Clausing, a.a.O., Rn. 57) ist die von der Beklagten behauptete Einlassung des ersten Bürgermeisters der Klägerin bezüglich der „bloßen zeitlichen Streckung der ‚ausstehenden‘ Investitionskosten“ irrelevant und war nicht weiter von Amts wegen zu ermitteln. Unabhängig von den subjektiven Vorstellungen der Beteiligten sind die Streitgegenstände nicht identisch.
Die Klage ist mithin insgesamt zulässig.
2. Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat für das Kalenderjahr 2014 einen Anspruch auf Erstattung anteiliger Abschreibungen an der Kläranlage R. über 80.035,23 EUR nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 14. Dezember 2018.
2.1 Der Anspruch besteht dem Grunde nach. 2.1.1
Die Verpflichtung zum anteiligen Wertersatz der Abschreibungen für die im Frühjahr 2013 in Betrieb genommene Kläranlage ergibt sich bereits direkt aus Ziffer II Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 (in Verbindung mit der Vereinbarung von 1970).
2.1.1.1 Der gem. Art. 62 Satz 1 BayVwVfG i.V.m. §§ 157, 133 BGB zu ermittelnde Adressat dieser Verpflichtung war die GfN bzw. ist – nach deren identitätswahrender Umwandlung – nunmehr die Beklagte. Die Beklagte hat als Rechtsnachfolgerin die von der GfN und später der T & R. AG begründeten betriebsbezogenen Verbindlichkeiten übernommen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris, Rn. 22).
Dass die GfN die Schuldnerin der in Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 vereinbarten Leistung ist, ergibt sich nicht bereits aus der allgemeinen Vertretungserklärung des Rubrums (dazu: BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris, Rn. 19). Jedoch enthält der Vertragstext hinreichende Anhaltspunkte, die eindeutig darauf schließen lassen, dass die GfN verpflichtet werden soll. Anders als beim einmaligen Baukostenzuschuss in § 3 der Vereinbarung 1970 wird in Ziffer II. Satz 1 und 2 der Ergänzungsvereinbarung 1973 die Gegenleistung für die wiederkehrenden Leistungen der Klägerin aus dem Dauerschuldverhältnis konstituiert. Die Erstattung von anteiligen Betriebskosten (Ziffer II. Satz 1) und Abschreibungen (Ziffer II Satz 2) stehen rechtlich im Synallagma (so bereits: BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris, Rn. 15). Die Leistung „Abnahme und Reinigung des Schutzwassers“ kommt auch wirtschaftlich unmittelbar der Betreiberin der Rastanlage, d.h. der GfN – und in deren Rechtsnachfolge der Beklagten zugute. Schon dies spricht dafür, dass sie zur Gegenleistung verpflichtet werden sollte. Als Betreiberin der Rastanlagen war sie auch Verursacherin des Abwassers und somit grundsätzlich selbst öffentlich-rechtlich für dessen Entsorgung und Reinigung verantwortlich (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2014 – 4 C 449 – juris, Rn. 13). Hinzukommt, dass die GfN – wie aus der Verrechnungsabrede in Ziffer III. der Ergänzungsvereinbarung von 1973 hervorgeht – bereits auf der Grundlage der Vereinbarung von 1970 tatsächlich Zahlungen an die Klägerin geleistet hat. Sie ist also bereits als Zahlungsverpflichtete gem. § 5 der Vereinbarung von 1970 aufgetreten, der durch Ziffer II. ersetzt wurde. Dass es sich dabei um Leistungen eines Dritten auf eine fremde Schuld gehandelt haben soll, ist schon angesichts des klaren wirtschaftlichen Vorteils der GfN als damaliger Betreiberin der Rastanlage sowie ihrer daraus resultierenden Verantwortung für das dort anfallende Abwasser fernliegend. Im Übrigen geht auch die Autobahndirektion Nord als Nachfolgerin des Autobahnbauamts Nürnberg offensichtlich davon aus, dass die GfN verpflichtet worden sei. Sie verweist im Schreiben vom 20. September 2007 die Klägerbevollmächtigten auf die Beklagte als richtigen Ansprechpartner „hinsichtlich der sich aus der Vereinbarung vom 21.05./30.05.1970 noch ergebenden Verpflichtungen“ (GA W 2 K 12.864, Bl. 568f.). Die Rechtsnachfolgerin der damals als Vertreterin am Vertragsabschluss beteiligten Behörde geht also ebenfalls davon aus, dass die GfN als Schuldnerin aus dem Dauerschuldverhältnis verpflichtet wurde.
Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Ergänzungsvereinbarung von 1973 ein Schuldnerwechsel zur Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt werden sollte. Vielmehr beziehen sich die unter Ziffer I. der Ergänzungsvereinbarung von 1973 als Grund für die Neuregelung genannten „erheblichen Schwierigkeiten“ allein auf § 5 der Vereinbarung von 1970. Mit Ziffer II. der Ergänzungsvereinbarung von 1973 wird der in § 5 der Vereinbarung von 1970 noch vertraglich vereinbarte Bezug zur Gebührensatzung der Klägerin einvernehmlich gelöst und ein an rein betriebswirtschaftlichen Größen orientiertes Entgelt durch Vertrag eingeführt. Anhaltspunkte für einen Schuldnerwechsel sind der Ergänzungsregelung nicht zu entnehmen. Offensichtlich ist jedenfalls, dass sich die Verpflichtungen zur Beteiligung an Betriebskosten (Ziffer II. Satz 1) und zur Erstattung anteiliger Abschreibungen (Ziffer II. Satz 2) an den gleichen Schuldner richtet. Mithin ist nicht nachvollziehbar, weil eklatant widersprüchlich, dass die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum zwar auf die Forderungen der Klägerin bezüglich der Betriebskosten gem. Ziffer II. Satz 1 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 leistete, jedoch nunmehr bestreitet, dass sie zur Erstattung anteiliger Abschreibungen gem. Ziffer II. Satz 2 der gleichen Vereinbarung verpflichtet sei.
Selbst wenn man, entgegen der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichtes unterstellen wollte, dass Adressat der Verpflichtung zur Erstattung anteiliger Abschreibungen die Bundesrepublik Deutschland sein sollte, hätte die Beklagte diese Verpflichtung jedenfalls gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 der Konzessionsverträge im Innenverhältnis gegenüber der Bundesrepublik Deutschland übernommen. Zwar hätte es zur wirksamen Vertragsübernahme grundsätzlich eines dreiseitigen Rechtsgeschäftes unter Mitwirkung der Klägerin bedurft (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris, Rn. 24), jedoch kann die Beklagte der Klägerin deren fehlende Beteiligung nicht entgegenhalten. Denn sie ist der Klägerin gegenüber jahrzehntelang als Verpflichtete aufgetreten. Sie wurde von der Klägerin als solche akzeptiert und in Anspruch genommen. Damit hat die Klägerin jedenfalls konkludent die Vertragsübernahme genehmigt. Dem steht auch Art. 57 BayVwVfG nicht entgegen. Nur der Übernahmevertrag selbst – nicht dessen Genehmigung – teilt das Formerfordernis des übernommenen Vertrages (vgl. Grüneberg, in: Palandt BGB, 78 Aufl. 2019, § 398 Rn. 43). Der umfangreichen Korrespondenz der Parteien im Vorfeld des Baus der neuen Kläranlage sind zudem genügend Anhaltspunkte zu entnehmen, um darin im Wege der Auslegung gem. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. §§ 157, 133 BGB eine Genehmigung der Vertragsübernahme unter Wahrung eines etwaigen Schriftformerfordernisses zu entnehmen. Im Übrigen wäre es der Beklagten schon aufgrund ihres eigenen jahrzehntelangen Agierens als Vertragspartei nach Treu und Glauben (Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 242 BGB) versagt, sich auf einen etwaigen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis bei der Genehmigung der Vertragsübernahme zu berufen.
2.1.1.2 Die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 wurde auch wirksam geschlossen. Da die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis unberührt bleibt, scheitert die Wirksamkeit nicht an einer ggf. fehlenden Ermächtigung durch den Gemeinderat der damaligen Gemeinde R. (so bereits: BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris, Rn. 17 unter Bezugnahme auf BGH, U.v. 18.11.2016 – V ZR 266/14 – juris).
Die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 ist nicht nachträglich durch einen „Widerruf“ der Beklagten im Schriftsatz vom 4. Dezember 2013 in den Verfahren 20 N 12.2099 und 20 N 12.2100 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unwirksam geworden. Schon die in der Ergänzungsvereinbarung dokumentierten Zahlungen der GfN belegen, dass diese gegenüber der Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt wie eine Vertragspartei aufgetreten ist. Auch nach Abschluss der Ergänzungsvereinbarung 1973 hat sie – ebenso wie später die Beklagte als deren Rechtsnachfolgerin – jahrzehntelang Zahlungen auf dieser vertraglichen Grundlage geleistet. Deshalb ist – auch ohne den Nachweis einer Bevollmächtigung – jedenfalls von einer konkludenten Genehmigung des vollmachtlosen Handels des Autobahnbauamts bzw. der Autobahndirektion gem. Art. 62 BayVwVfG i.V.m. §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB auszugehen. Die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 konnte nicht gem. Art. 62 BayVwVfG i.V.m. § 178 BGB wirksam widerrufen werden (so bereits: BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris, Rn. 17).
Die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 ist nicht gem. Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Ein gesetzliches Verbot ist nicht ersichtlich. Insbesondere stehen weder Normen der Bayerischen Gemeindeordnung oder des Kommunalabgabenrechts entgegen. Das Kommunalabgabenrecht verwehrt den Beteiligten nicht, das Entgelt für die schuldrechtlich begründete Nutzung der kommunalen Kläranlage durch eine Individualabrede zu regeln, ohne dass es sich dabei um eine Abgabe i.S.d. Kommunalabgabengesetzes handelt (so bereit: BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris, Rn. 21). Spätestens seit der Entkoppelung vom satzungsrechtlichen Beitrags- und Gebührenregime in der Ergänzungsvereinbarung von 1973 weist die vertragliche Vereinbarung keinen abgabenrechtlichen Bezug mehr auf. Es handelt sich nicht um eine Abgaben- oder Ablösungsvereinbarung, so dass diesbezügliche rechtliche Vorgaben im Rahmen von Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 134 BGB keinen Wirksamkeitsmaßstab bilden.
Fernliegend ist auch die Rechtsauffassung der Beklagten im Schreiben vom 14. Mai 2013 (GA W 2 K 12.864, Bl. 406), die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 sei gem. Art. 59 Abs. 3 BayVwVfG i.V.m § 139 BGB insgesamt nichtig, weil das Landratsamt Würzburg in einem Schreiben vom 24. April 2013 (GA W 2 K 13.864, Bl. 403) die völlig abwegige Rechtauffassung vertreten habe, Ziffer III. Abs. 4 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 sei nichtig. Dabei ist schon abwegig, von einem Vertrag zulasten des Freistaats Bayern als Rechtsträger der Staatlichen Rechnungsprüfungsstelle auszugehen. Eine Verpflichtung der Staatlichen Rechnungsprüfstelle ist Ziffer III. Abs. 4 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 nicht zu entnehmen. Vielmehr ist die Vorlage eines von ihr erstellten Nachweises lediglich als eine Art Vorprüfung des Anspruchs der Klägerin auf die Erstattung anteiliger Betriebskosten zu sehen. Wie aus dem Schreiben des Landratsamtes außerdem hervorgeht, wurde ein solcher Nachweis bis 2013 nie erstellt. Mithin wurden die Entgeltleistungen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgänger bis 2013 in der Praxis nicht an die Vorprüfung durch die Staatliche Rechnungsprüfung geknüpft. Auch für die Jahre 2013 bis 2016 leistete die Beklagte im März 2017 auf die Forderungen der Beklagten ohne eine solche Vorprüfung. Die Beteiligten haben also in der Praxis bisher formlos darauf verzichtet. Im Übrigen würde eine Nichtigkeit von Ziffer III. Abs. 4 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 jedenfalls nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 führen. Der Nachweis sollte lediglich der Beklagten die inhaltliche Prüfung der Betriebskostenabrechnung erleichtern. Die Beklagte war jedoch offensichtlich auch ohne den Nachweis der Staatlichen Rechnungsprüfungsstelle im Landratsamt in der Lage, die Betriebskostenabrechnung auf ihre sachliche Richtigkeit zu prüfen. Dies legt jedenfalls ihr detaillierter Abgleich der in der Aufstellung der Anschaffungs- und Herstellungskosten enthaltenen Positionen mit der Abrechnung der Betriebskosten nahe. Der Nachweis durch die Staatliche Rechnungsprüfungsstelle am Landratsamt hat für die Leistungsbeziehung der Vertragspartner schon deshalb keinen konstitutiven Charakter. Die Wirksamkeit des vertraglichen Dauerschuldverhältnisses insgesamt bleibt gem. Art. 59 Abs. 3 Halbsatz 2 BayVwVfG von einer eventuellen Nichtigkeit dieser Regelung unberührt.
2.1.1.3 Die Wirksamkeit der Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 ist nicht an die Gültigkeit der kommunalen Abgabensatzungen geknüpft. Denn es handelt sich um ein vertraglich begründetes öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis (so schon: BayVGH, B.v. 5.5.2014 – 4 C 14.449 – juris).
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass das Entstehen einer Abgabenschuld auch bei Abschluss einer Sondervereinbarung eine gültige Abgabensatzung voraussetzt, bezieht sich dies – wie bereits aus der von der Beklagte selbst zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ersichtlich – lediglich auf den Fall, dass durch eine Sondervereinbarung ein Benutzungsverhältnis begründet wird, das eine satzungsrechtliche Beitragspflicht auslöst, mithin Beiträge nach der jeweiligen Beitrags- und Gebührensatzung mittels Verwaltungsakt erhoben werden (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 2.2.2004 – ZB 03.3327 – juris, Rn. 6 m.w.N.). Mit der Ergänzungsvereinbarung von 1973 wurde jedoch der Bezug zum satzungsrechtlichen Gebühren- und Beitragsregime der Klägerin vollständig aufgehoben und ein eigenständiges Entgeltregime eingeführt, dessen vertragliche Wirksamkeit nicht (mehr) an das Satzungsrecht der Klägerin gekoppelt ist. Dem steht auch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. November 2014 im Normenkontrollverfahren 4 N 12.2074 nicht entgegen, der die Antragsbefugnis der Beklagten für ein Normenkontrollverfahren zur Entwässerungssatzung der Klägerin bejaht. Selbst wenn man die Entwässerungssatzung der Klägerin ergänzend zur Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 für anwendbar halten würde, gilt dies nicht für die Beitrag- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) der Gemeinde Hausen bei Würzburg vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der 6. Änderungssatzung vom 17. Juli 2019 oder die Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung (Kanalbaumaßnahmen) der Gemeinde Hausen bei Würzburg vom 21. März 2013 (VES-EWS KN).
Im Übrigen sind Anhaltspunkte für deren Nichtigkeit weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere begegnet die Umlage mit Verbesserungsbeiträgen lediglich des auf die Gemeindeeinwohner bzw. deren Einwohnerwerten entfallenden Anteils an den Investitionskosten für die Verbesserung und Erneuerung der Kläranlage keinen Bedenken (vgl. bereits VG Würzburg, U.v. 9.5.2012 – W 2 K 11.1038 – juris, Rn. 35ff. m.w.N.). Die Begrenzung setzt lediglich die Trennung zwischen der satzungsrechtlichen Nutzung durch die Gemeindeangehörigen und die vertraglichen Dienstleistungen gegenüber der Beklagten um. Sie trägt damit dem Äquivalenzprinzip Rechnung.
2.1.1.4 Das mit der Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 begründete Dauerschuldverhältnis endete auch nicht automatisch mit der Außerbetriebnahme der 1971 gebauten Kläranlage im Frühjahr 2013.
Dem Vertragstext ist weder ausdrücklich noch durch – gegebenenfalls ergänzende – Auslegung eine auflösende Bedingung gem. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 158 Abs. 2 BGB zu entnehmen. Bei der Auslegung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gem. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. §§ 133, 157 BGB sind sämtliche Begleitumstände, das Gesamtverhalten der Parteien einschließlich der Vorgeschichte des Rechtsgeschäfts, frühere Übungen und das Verhalten nach Vertragsschluss zu berücksichtigen (vgl. Bonk/Neumann/Siegel in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 54 Rn. 29 m.w.N.). Auch eine ergänzende Vertragsauslegung ist zulässig, wenn eine Vereinbarung der Parteien in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt, wobei der Grund für die „Lücke“ unerheblich ist (vgl. Bonk/Neumann/Siegel a.a.O.).
Der Vertragstext selbst enthält keine Bestimmung, deren Wortlaut auch nur ansatzweise darauf hindeuten würde, dass eine Außerbetriebnahme der Kläranlagen von 1971 nach Ablauf ihres regulären Lebenszyklus automatisch zum Ende der Vertragsbeziehungen führen sollte. Auch die Systematik des Vertrages spricht gegen eine implizit vereinbarte auflösende Bedingung. Schon die in § 8 Abs. 2 der Vereinbarung von 1970 enthaltene Kündigungsregelung spricht strukturell gegen eine auflösende Bedingung. Dort haben sich die Parteien ausdrücklich mit der Frage der Vertragsbeendigung auseinandergesetzt, ohne diese erkennbar an den Bestand der 1971 gebauten Kläranlage zu koppeln. Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Interessenlage der damaligen Vertragsparteien und die Umstände des Vertragsschlusses berücksichtigt. Gemeinsames Anliegen der Vertragsparteien war es damals, eine dauerhafte und gesetzeskonforme Abwasserbeseitigung – eine grundsätzlich der Beklagten selbst obliegende Aufgabe (vgl. Bay VGH, B.v. 5.5.2014 – 4 C 14.499 – juris) – zu gewährleisten, um damit den Bau und Betrieb der geplanten Rastanlage überhaupt erst zu ermöglichen. Als Träger öffentlicher Belange dürfte auch die Gemeinde R. damals ein Interesse an der Verwirklichung dieses Infrastrukturprojekts gehabt haben. Für die Sicherstellung der Abwasserbeseitigung kam es offenkundig nicht darauf an, mit welcher konkreten Kläranlage dies erreicht wird, soweit nur eine funktionsfähige Kläranlage zur Verfügung steht. Sowohl der Anlagentyp als auch die dort zum Einsatz kommenden Reinigungsprozesse sind für die Erfüllung des Vertragszwecks nicht erheblich.
Unabhängig davon, ob der Baukostenzuschuss gem. § 3 der Vereinbarung von 1970 ein Anreiz zum Vertragsabschluss war, wäre eine solche einseitige Motivation nicht gleichbedeutend damit, dass die Verpflichtung zur Abnahme und Reinigung des Abwassers mit der Außerbetriebnahme der Anlage enden sollte. Schon bei Vertragsabschluss 1970 war offensichtlich, dass die Rastanlage den technischen Lebenszyklus der Kläranlage von 1971 im Bestand übersteigen würde. Damit war bereits damals klar, dass die Abnahme und Reinigung des dort anfallenden Abwassers eine Daueraufgabe sein würde, die auch nach einer Totalerneuerung bzw. Ersetzung der 1971 gebauten Kläranlage weiterhin zu bewältigen war. Insbesondere im Hinblick auf die zum Anschluss der Rastanlage an die Kläranlage erforderliche Infrastruktur – Zuleitungen und Schächte – ist es fernliegend, dass die Beteiligten damals gewollt haben sollten, dass die Frage der Abwasserentsorgung nur bis zum Ende der technischen Einsatzfähigkeit der konkreten Kläranlage geregelt werde. Bereits damals war klar, dass die Gemeinde – unabhängig vom Abwasser aus der Rastanlage – auch nach Außerbetriebnahme der Kläranlage von 1971 wieder eine funktionierende Entwässerung für das kommunale Abwasser bereitstellen soll, an deren Nutzung auch der jeweilige Betreiber der Rastanlage ein existenzielles Interesse hätte. Auch war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht zu erwarten, dass sich die Notwendigkeit zur gesetzeskonformen Reinigung der Abwässer der Rastanlage nach dem Ablauf des Lebenszyklus der Kläranlage von 1971 wesentlich geändert haben würde. Anhaltspunkte – beispielsweise damals zu erwartende technische Innovationen bei der Wassernutzung in deren WC-Anlagen oder der notwendigen Wasseraufbereitung – sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Schon die in Rede stehenden öffentlichen Schutzgüter Umwelt und Hygiene sowie die Sensibilität bezüglich der knappen Ressource Wasser sprechen dagegen, dass die Vertragsparteien die Außerbetriebnahme der Kläranlage von 1971 als auflösende Bedingung implizit vereinbart haben oder hypothetisch hätten vereinbaren wollen. Das widerspräche im Übrigen dem eigenen Interesse der Beklagten.
Die Vertragsparteien haben mit der Ergänzungsvereinbarung von 1973 ein Entgeltregime eingeführt, das seine finanzielle Wirkung – gerade im Hinblick auf die Erstattung von Abschreibungen – erst dann tatsächlich voll entfaltet, wenn auf Seiten der Klägerin nennenswerte Investitionen in die zur Vertragserfüllung notwendige Infrastruktur anfallen. Denn unter Berücksichtigung des für die Kläranlage von 1971 gem. § 3 der Vereinbarung von 1970 geleisteten Baukostenzuschusses sind erstattungsfähige Abschreibungen i.S.v. Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 erst dann von Bedeutung, wenn die Klägerin darüber hinaus Eigenkapital zur Erhaltung bzw. Erneuerung der Kläranlage aufwenden musste, wie dies typischerweise bei der Totalerneuerung bzw. dem Neubau einer Kläranlage der Fall ist. Letztlich enthält die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 damit ein finanzielles Ausgleichsregime, das über den Lebenszyklus der konkreten Kläranlage von 1971 hinausweist und einen weiteren direkten Zuschuss bei einer Erneuerung entbehrlich macht. Schon mangels Regelungslücke ist dem Vertragstext damit eine auflösende Bedingung bezogen auf deren Außerbetriebnahme auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu entnehmen. Ob die bestehende Kläranlage technisch rundum erneuert wird oder – wie 2013 geschehen – durch eine neue Anlage ersetzt wird, ist eine Frage der technischen Rationalität, die sichtlich keinen Einfluss auf das Bestehen des Dauerschuldverhältnisses haben sollte. Das Dauerschuldverhältnis endete mangels entsprechend auflösender Bedingung nicht automatisch mit der Außerbetriebnahme der Kläranlage im Frühjahr 2013. Bei Annahme des Gegenteils hätte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt ohne funktionierende Abwasserbeseitigung den Betrieb der Rastanlage einstellen müssen.
2.1.1.5 Das Dauerschuldverhältnis wurde nicht einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag oder einen die bisherige Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 ersetzenden Vertrag beendet. Zwar haben Klägerin und Beklagte vor dem Hintergrund der anstehenden Erneuerung der Kläranlage jahrelang intensiv über eine neue rechtsgeschäftliche Grundlage für das Dauerschuldverhältnis verhandelt. Dabei ist es jedoch zu keinem Vertragsabschluss gekommen, der die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 aufgehoben oder ersetzt hätte. Schon mangels entsprechendem Rechtsbindungswillen kommt damit ein konkludenter Aufhebungsvertrag nicht in Betracht, ohne dass es auf die Frage der Formwirksamkeit gem. Art. 54 Satz 1 Var. 3, 57 BayVwVfG ankäme.
2.1.1.6 Das Dauerschuldverhältnis wurde auch nicht einseitig durch eine Vertragspartei wirksam beendet.
2.1.1.6.1 Die Beklagte hat das Dauerschuldverhältnis nicht wirksam beendet. Zwar wäre es grundsätzlich möglich, die „Widerrufserklärung“ im Schriftsatz vom 4. Dezember 2013 in den Verfahren 20 N 12.2099 und 20 N 12.2100 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als Kündigungserklärung auszulegen. Denn der Wille, sich aus dem vertraglich begründeten Dauerschuldverhältnis zu lösen, kommt darin hinreichend deutlich zum Ausdruck.
Ungeachtet der Frage, ob eine solche Kündigung nur gegenüber der Klägerin – nicht jedoch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland als weiterer Vertragspartnerin – überhaupt möglich wäre, fehlt es dafür schon am erforderlichen Kündigungsgrund. Gem. § 8 der Vereinbarung von 1970 war eine Kündigung seitens des Autobahnbauamtes, das damals als Vertreterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten fungierte, nur nach mindestens 20 Jahren und nur aus wichtigem Grund möglich. Mit dieser Formulierung haben die Vertragsparteien bewusst auf ein in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkanntes, jedoch zum damaligen Zeitpunkt noch nicht kodifiziertes Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen Bezug genommen. Mit der Schuldrechtsreform 2001 hat dieser allgemeine Rechtsgrundsatz in § 314 BGB Eingang ins positive Recht gefunden, ohne dass die in Rechtsprechung und Lehre tradierten Voraussetzungen verändert werden sollten (vgl. Gaier in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 314 Rn. 1 unter Bezugnahme auf Begr. RegE zu § 314 BGB, BT-Drs. 14/6040, 177). Zur Auslegungen des in § 8 der Vereinbarung von 1970 vereinbarten Kündigungsrechtes kann deshalb gem. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG Wortlaut und Rechtsprechung zu § 314 BGB herangezogen werden. Da es um die Auslegung eines vertraglichen und mithin vorrangigen Kündigungsrechts geht (zum Vorrang vertraglich vereinbarter Anpassungs-, Kündigungs- oder Rücktrittsrechte vgl. Bonk/Neumann/Siegel in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 60 Rn. 10), kommt es nicht darauf an, ob § 314 BGB gem. Art. 61 BayVwVfG neben Art. 60 BayVwVfG noch entsprechende Anwendung finden kann.
Gem. § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses […] nicht zugemutet werden kann. Nicht zumutbar kann die Fortsetzung eines Vertragsverhältnisses dann sein – so die ratio von § 314 Abs. 2 BGB -, wenn eine Pflicht aus dem Vertrag (dauerhaft) verletzt wird. Da die Beklagte in Bezug auf die tatsächliche Abnahme und Reinigung des Abwassers weder hinsichtlich der Menge noch der Reinigungsqualität jemals etwas zu beanstanden hatte, käme eine solche Pflichtverletzung allenfalls dann in Betracht, wenn die Klägerin vertraglich nicht nur die Abnahme und Reinigung des Abwassers im Allgemeinen schulden würde, sondern diese Leistungen gerade mit Hilfe der 1971 gebauten Kläranlage zu erbringen hätte. Nur dann käme zum Zeitpunkt der „Widerrufserklärung“ vom 4. Dezember 2013 die Verletzung einer vertraglichen Leistungspflicht in Betracht. In § 1 Abs. 1 der Vereinbarung von 1970 wird unter „Gegenstand der Vereinbarung“ lediglich die Rastanlage räumlich und baulich konkretisiert, die Kläranlage, an die die Rastanlage gem. § 1 Abs. 2 der Vereinbarung von 1970 angeschlossen werden soll, hingegen nicht. Diese Anschlussverpflichtung wird in § 1 Abs. 4 der Vereinbarung von 1970 aufgegriffen, jedoch wiederum nur mit konkretisierendem Bezug zur Rastanlage gem. § 1 Abs. 1 der Vereinbarung von 1970, nicht aber zu einer bestimmten Kläranlage.
In § 1 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 der Vereinbarung von 1970 wird die Klägerin außerdem verpflichtet, die Übernahme von Abwasser in dem angegebenen Umfang zu „gewährleisten“. Damit sind die Hauptleistungspflichten der Klägerin nicht nur ohne Bezug zu einer konkreten Kläranlage definiert, sondern auch als bloße „Gewährleistung“. Erst § 2 („Baumaßnahmen“) und § 3 („Baukosten“) der Vereinbarung von 1970 beziehen sich konkret auf die Kläranlage von 1971. Dies geht insbesondere aus der Verpflichtung zur Betriebsfertigkeit zum 1. April 1971 in § 2 Abs. 1 der Vereinbarung von 1970 hervor (vgl. auch BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2366 – juris, Rn. 15). Jedoch hat die Fixierung dieses Datums, ebenso wie das weitere Erfordernis der „ausreichenden Dimensionierung“ ausdrücklich das Ziel, die „Ableitung und Reinigung des Abwassers aus der Rastanlage (rechtzeitig) zu „gewährleisten“. Mit Hilfe des Baukostenzuschusses gem. § 3 Abs. 1 der Vereinbarung von 1970 sollte die Klägerin also in den Stand versetzt werden, ihre vertraglichen Verpflichtungen gem. § 1 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 der Vereinbarung von 1970 termingerecht aufzunehmen. Die Kläranlage selbst hatte dabei lediglich dienende Funktion und war nicht – etwa aufgrund ihrer besonderen Bauart oder technischen Ausführung – zur Determinierung der Hauptleistungspflicht der Klägerin bestimmt. So enthalten weder die Vereinbarung von 1970 noch deren Ergänzung von 1973 Ausführungen zur technischen Ausstattung der Kläranlage, zu den chemisch-physikalischen Prozessen des dort vorzunehmenden Reinigungsprozesses oder spezifische Grenzwerte, die im Zusammenhang mit Anlagentyp oder dem dort vorgenommenen Reinigungsprozess stehen. Auch in Bezug auf die objektive Interessenlage der Vertragspartner bei Abschluss der Vereinbarungen von 1970 und 1973 ist nicht ersichtlich, dass die Abnahme und Reinigungsverpflichtung der Klägerin auf die Durchführung mittels der Kläranlage von 1971 beschränkt sein sollte. Die Klägerin konnte ihre Verpflichtung zur Abnahme und Reinigung des Abwassers aus der Rastanlage also auch mit Hilfe der 2013 in Betrieb genommenen neuen Kläranlage vertragsgemäß erbringen. Die Verletzung einer Leistungspflicht gegenüber der Beklagten kommt damit nicht als Kündigungsgrund i.S.v. § 8 Abs. 2 der Vereinbarung von 1970 in Betracht.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten andere vertragliche Nebenpflichten verletzt haben sollte. Soweit sie wegen des anstehenden Neubaus der Kläranlage jahrelang auf den Abschluss einer neuen vertraglichen Grundlage des Dauerschuldverhältnisses gedrungen hat, bleibt festzuhalten, dass sie trotz kontroverser – auch gerichtlicher – Auseinandersetzungen ihren vertraglichen Verpflichtungen immer vollumfänglich nachgekommen ist. Zudem setzt die Abnahme und Reinigung des Abwassers sicher kein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien voraus, dessen Erschütterung durch die fortgesetzten Auseinandersetzungen der Parteien es der Beklagten unzumutbar gemacht hätte, das Dauerschuldverhältnis fortzusetzen (zur Beschädigung der Vertrauensgrundlage als außerordentlicher Kündigungsgrund vgl. z.B. Martens in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOK BGB, 56. Ed. [Stand: 1.1.2021], § 314 Rn. 39ff.). Der wirtschaftliche Erfolg des Dauerschuldverhältnisses wurde und wird nicht durch die anhaltenden Rechtsstreitigkeiten der Parteien in Frage gestellt. Nur am Rande sei angemerkt, dass auch das Verhalten der Beklagten und ihrer Bevollmächtigten zu dem „Wechselbad“ aus Verhandlungen und gerichtlicher Eskalation beitragen haben dürfte. Eine Verletzung von Vertragspflichten seitens der Klägerin kommt jedenfalls nicht als „wichtiger Grund“ für eine Kündigung der Beklagten i.S.v. § 8 Abs. 2 der Vereinbarung von 1970 in Betracht.
Das Kündigungsrecht nach § 8 Abs. 2 der Vereinbarung von 1970 ist nicht auf Fälle der Leistungsstörung bzw. Pflichtverletzung beschränkt. Die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag kann sich aus einer Vielzahl von Umständen ergeben, wobei die Besonderheiten des Vertrags zu berücksichtigen sind (vgl. zur Kodifikation in § 314 BGB: Gaier in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 314 Rn. 19). Jedoch ist auch jenseits der Leistungsstörung ein Kündigungsgrund für die Beklagte nicht ersichtlich. Insbesondere hatte und hat die Beklagte kein Kündigungsrecht unter dem Gesichtspunkt des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“. Sie betreibt auch aktuell die Rastanlage und profitiert weiterhin in besonderem Maße von den Leistungen der Klägerin, ohne die die Rastanlage von der Beklagten nicht betrieben werden könnte. Nicht zuletzt deshalb hat die Anhörung zu einem Einleitungsverbot Ende des Jahres 2014 bei der Beklagten das Begehren nach – unzulässigem – vorbeugendem Rechtsschutz ausgelöst (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2017 – 4 CE 15.273 – juris). Dabei kommt es für ihren wirtschaftlichen Erfolg nicht darauf an, ob die Reinigung des Abwassers in der 1971 in Betrieb genommenen Kläranlage oder in deren technischen Nachfolgemodell von 2013 vorgenommen wird. Das Interesse der Beklagten war und ist erkennbar einzig darauf gerichtet, dass die Abwasserentsorgung zuverlässig und gesetzeskonform durch die Klägerin erfolgt. Dies war bis zur Außerbetriebnahme durch die Kläranlage von 1971 und wird nunmehr durch die 2013 in Betrieb genommene neue Kläranlage gewährleistet. Mithin hat sie auch gegenwärtig und in Zukunft ein Interesse an der vertraglich geschuldeten Leistung. Es wurde weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass die Beklagte jemals plante oder aktuell plant, den Betrieb der Rastanlage in absehbarer Zeit bzw. vor dem Auslaufen der Konzessionsverträge einzustellen. Ebenso wenig plant sie den Bau einer eigenen Kläranlage oder den Anschluss an eine andere bestehende Abwasserentsorgungseinrichtung. Im Gegenteil, das Gebaren der Beklagten bzw. ihrer Bevollmächtigten ist offenkundig allein darauf gerichtet, die Leistungen der Klägerin weiterhin – etwa auf Grundlage der kommunalen Satzungen -, allerdings wesentlich kostengünstiger in Anspruch zu nehmen. Ihr Bestreben, sich aus der vertraglichen Grundlage des Dauerschuldverhältnisses zu lösen, hat ersichtlich allein den Zweck, zukünftig auf der Grundlage des kommunalen Satzungsrechts in den Genuss der Leistungen der Klägerin zu kommen, weil sie sich davon finanzielle Vorteile verspricht. So ist insbesondere in der mündlichen Verhandlung angeklungen, dass bei anderen Rastanlagen weit kostengünstiger eingeleitet werden könne.
Dieser finanzielle Aspekt kann jedoch nur dann zu einem Kündigungsgrund i.S.v. § 8 Abs. 2 der Vereinbarung von 1970 führen, wenn der Beklagten die vertraglich geschuldete Entgeltlösung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Allein die Tatsache, dass die Beklagte für die Schmutzwasserentsorgung bei anderen ebenfalls von ihr betriebenen Rastanlagen weniger finanziellen Aufwand hat, oder dass sie sich von einer Entwässerung unter dem kommunalen Satzungsregime eine für sie günstigere Lösung verspricht, können eine solche Unzumutbarkeit jedenfalls nicht begründen.
Umstände, die nachträglich zu einem eklatanten Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aus der Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 geführt haben könnten, sind weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Zwar hat der Neubau der 2013 in Betrieb genommenen Kläranlage in den darauffolgenden Abrechnungszeiträumen zu einem Anstieg der gem. Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 zu erstattenden Abschreibungen geführt. Jedoch ist genau diese Entwicklung in der Vertragsgrundlage selbst bereits angelegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ziffer II. der Ergänzungsvereinbarung von 1973 § 5 der Vereinbarung von 1970 ersetzen sollte. Dieser sah in Abs. 1 im Gegenzug für den Baukostenzuschuss von § 3 der Vereinbarung von 1970 einen „Verzicht“ auf die einmalige „Anschlussgebühren“ und in Abs. 2 ein an den „Benutzungsgebühren“ orientiertes wiederkehrendes Entgelt für die Dauerleistung der Abnahme und Reinigung des Schmutzwassers. Diese Struktur spiegelt sich insoweit in Ziffer II. der Ergänzungsvereinbarung, als er in Satz 1 mit den Betriebskosten an den jeweils aktuellen Aufwand für die Dauerleistung anknüpft, und in Satz 2 mit den Abschreibungen an den Mehraufwand für die entsprechend größere Dimensionierung der Anlage. Mithin ist Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung quasi als finanzielles Äquivalent zum einmaligen Baukostenzuschuss für die Kläranlage von 1971 in § 3 der Vereinbarung von 1970 zu verstehen. Denn wie der Baukostenzuschuss die Gemeinde für die Mehrkosten entschädigen sollte, die durch die größere Dimensionierung der 1971 gebauten Kläranlage entstanden waren, so zielt die Erstattung von Abschreibungen auf den Mehraufwand ab, der Gemeinde bei zukünftigen Eigeninvestitionen in die Kläranlage im Fall der Erneuerung oder Ersetzung entsteht. Neben der strukturellen Parallelität von § 5 der Vereinbarung von 1970 und Ziffer II. der Ergänzungsvereinbarung von 1973 lässt sich dies insbesondere aus der Bemessung der zu erstattenden Abschreibungen ableiten. Mit „2/3“ entsprechen diese genau dem Anteil des Baukostenzuschusses in § 3 der Vereinbarung von 1970 bzw. dem Verhältnis des in § 1 Abs. 3 der Vereinbarung von 1970 in Einwohnergleichwerten gemessenen Abnahmevolumens an Schmutzwasser aus der Rastanlage im Verhältnis zum Fassungsvermögen der ursprünglichen Kläranlage. Damit steht der „Erstattung von Abschreibungen“ als Gegenleistung die „Bereitstellung und Erhaltung der für die Hauptleistung notwendigen Infrastruktur“ gegenüber. Das war der Beklagten im Übrigen bei Übernahme der Rastanlage alles hinlänglich bekannt und wurde von ihr über Jahre auch akzeptiert. Ein für die Beklagte unzumutbares Missverhältnis ist in diesem Leistungsgefüge nicht ersichtlich, von dem gerade die Beklagte besonders profitiert. So wird die Beklagte im Vergleich zu den Leistungen bezüglich der 1971 gebauten Kläranlage sogar bessergestellt. Denn sie schuldet gerade keine vorgelagerte direkte Beteiligung an den Investitionskosten, sondern wird lediglich am Wertverzehr der für die Abnahme und Reinigung notwendigen Infrastruktur nachgelagert und periodisch beteiligt. Im Übrigen wurde weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in Rede stehende Erstattung anteiliger Abschreibungen die Beklagte finanziell überfordern oder ihren Geschäftsbetrieb existenziell gefährden würde.
Darüber hinausgehende, gesetzliche Kündigungsrechte der Beklagte sind ebenfalls nicht ersichtlich. Sie konnte das vertragliche Dauerschuldverhältnis mithin nicht wirksam kündigen.
2.1.1.6.2 Auch die Klägerin hat das vertragliche Dauerschuldverhältnis nicht wirksam gekündigt.
Insbesondere hat das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 18. Juni 2007 (GA W 2 K 12.864, Bl. 405ff.) an den damaligen Bevollmächtigten der Beklagten nicht zu einer wirksamen Kündigung geführt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob auch bei der Autobahndirektion Nürnberg ein Kündigungsschreiben einging. Soweit sich der Beweisantrag Nr. 1 der Beklagten darauf bezieht, dass die Klägerin die Vereinbarung mit Schreiben vom 4. September 2007 gegenüber der Autobahndirektion Nürnberg „gekündigt hat“, war er schon deshalb abzulehnen, weil die Frage einer wirksamen Kündigung eine Rechtsfrage ist, die einem Beweis nicht zugänglich ist. Es bestand auch kein Anlass für weitere Amtsermittlungen. Denn für eine wirksame Kündigung fehlt es jedenfalls auch hier an einem Kündigungsgrund.
Gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung von 1970 war das Kündigungsrecht für die Gemeinde ausgeschlossen. Dieser vertraglich vereinbarte Kündigungsausschluss wird gesetzlich durch Art. 60 Abs. 1 BayVwVfG modifiziert, der auch auf Verträge Anwendung findet, die vor Inkrafttreten des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes zum 1. Januar 1977 geschlossen wurden, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig abgewickelt waren (vgl. für § 60 BadWürttVwVfG: BVerwG, NVwZ-RR 2009, 590/591, Rn. 28). Gem. Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann eine Vertragspartei einen öffentlich-rechtlichen Vertrag kündigen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich verändert haben, dass ihr das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, und auch eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist.
Diesen Anforderungen genügt der im Kündigungsschreiben vom 18. Juni 2007 angegebene Umstand der angeblich zum 30. November 2008 bevorstehenden Außerbetriebnahme der Kläranlage von 1971 ersichtlich nicht.
Das mit Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 vertraglich begründete Dauerschulverhältnis war nicht an die technische Lebensdauer der 1971 in Betrieb genommen Kläranlage gebunden. Vielmehr hatten die Vertragsparteien spätestens mit der Entgeltregelung in Ziffer II. der Ergänzungsvereinbarung von 1973 einen finanziellen Ausgleichsmechanismus für den Fall von kostspieligen Eigeninvestitionen der Klägerin geschaffen, wie sie typischerweise mit der Totalerneuerung bzw. dem Neubau einer Kläranlage einhergehen. Der Vertrag sah also bereits Ausgleichsregelungen für den Fall der Erneuerung bzw. Ersetzung der Kläranlage vor. Die Außerbetriebnahme der Kläranlage von 1971 führte mithin auch auf Seiten der Klägerin nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dies gilt umso mehr, als selbst die im Kündigungsschreiben prognostizierte Außerbetriebnahme zum 30. November 2008 die bei Vertragsschluss 1970 bzw. 1973 anzunehmende Lebensdauer der Anlage von 1971 erreicht hätte. Erst recht war dies bei der tatsächlichen Betriebseinstellung im Frühjahr 2013 der Fall. Die Außerbetriebnahme bzw. Erneuerungsbedürftigkeit der Anlage von 1971 war weder einem – bei Vertragsabschluss nicht zu erwartenden – technischen Innovationssprung oder einer – nicht absehbaren – Veränderung der gesetzlichen Vorgaben an die Abwasseraufbereitung geschuldet, sondern entsprach dem bereits bei Vertragsabschluss bekannten Produktzyklus. Damit haben sich die maßgeblichen Verhältnisse i.S.v. Art. 60 BayVwVfG nicht geändert, sondern lediglich erwartungsgemäß weiterentwickelt.
Auch die im Schreiben vom 18. Juni 2007 angekündigte Absicht der Klägerin, die neue Kläranlage nur in der von ihr selbst benötigten Größe ohne Berücksichtigung der Beklagten bauen zu wollen, kann eine Kündigung des Dauerschuldverhältnisses nicht begründen. Die Klägerin war nämlich keineswegs frei darin, den Ersatz der Kläranlage von 1971 ohne Berücksichtigung des Bedarfs der Beklagten zu planen, sondern schuldete vertraglich die ausreichende Dimensionierung ihrer zur Erfüllung des Dauerschuldverhältnisses notwendigen Infrastruktur. Anhaltspunkte, dass ihr der Bau der neuen Kläranlage in dieser Größe technisch oder finanziell nicht möglich gewesen wäre, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich – zumal sie die Kläranlage entgegen der Ankündigung im Schreiben vom 18. Juni 2007 tatsächlich und wie bereits langjährig geplant in einer Größe baute, die den Bedarf der Beklagten berücksichtigte. Die gerade nicht realisierte Absicht der Klägerin, die Kläranlage mit einem kleineren Volumen zu bauen, kann ebenfalls nicht zu einem Kündigungsgrund gem. Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG führen. Dabei kann offenbleiben, ob die Klägerin ernsthaft in Erwägung gezogen hatte, die Kläranlage entgegen der zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittenen Genehmigungsplanung tatsächlich kleiner zu dimensionieren. Zweifelhaft ist dies ist schon aufgrund der eigenen Bekundungen der Klägerin im Schriftsatz vom 8.Oktober 2012 im Verfahren W 2 K 12.864 (dort GA, Bl. 5), in dem sie ausführt, sie habe die Beklagte sei 2001 über die Einzelheiten der Baumaßnahmen fortlaufend unterrichtete. Mithin ist davon auszugehen, dass die Planungen im Juni 2007 bereits so weit fortgeschritten waren, dass eine Änderung in dieser Größenordnung zu massiven Verwerfungen im Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozess geführt hätten. Auch das zuständige Wasserwirtschaftsamt bezieht sich in einem Schreiben vom 29. Oktober 2007 ausschließlich auf den Planungsstand von März 2006, bei dem der Bedarf der Rastanlage berücksichtigt war. Die Unstimmigkeiten zwischen Klägerin und Beklagter thematisiert das Wasserwirtschaftsamt lediglich im Hinblick auf die Kostenbeteiligung bzw. die dadurch verursachte Bauverzögerung (vgl. GA W 2 K 12.864, Bl. 18ff.). Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, welcher erneute Sinneswandel der Klägerin dann doch noch zur Umsetzung der ursprünglichen Planung unter Berücksichtigung des Bedarfs der Beklagten geführt haben sollte. Im Schreiben vom 18. Juni 2007 dürfte es sich vielmehr um den Versuch gehandelt haben, eine direkte Beteiligung der Beklagten am finanziellen Aufwand für die neue Kläranlage zu erreichen.
Ausschlaggebendes Motiv des Kündigungsschreibens waren – ähnlich wie bei der Beklagten – finanzielle Erwägungen. Ihr ging es um eine direkte Kostenbeteiligung der Beklagten an der neuen Kläranlage. In Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 hatte die Klägerin es jedoch vertraglich auf sich genommen, die Erneuerung der notwendigen (zusätzlichen) Infrastruktur zunächst aus Eigenmitteln zu finanzieren. Sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin, die Gemeinde R., hatte vertraglich vereinbart, dass der finanzielle Mehraufwand für die ausreichende Dimensionierung einer neuen Kläranlage erst durch eine nachgelagerte und periodisch verteilte Beteiligung an den jährlichen Abschreibungen kompensiert würde. Zwar schließt die bewusste Übernahme eines Risikos die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung nicht kategorisch aus. Jedoch kommt eine außerordentliche Kündigung nur dann in Betracht, wenn die Grenzen der Risikozuweisung überschritten sind oder eine erhebliche Äquivalenzstörung vorliegt und der betroffenen Vertragspartei untragbare, mit Recht und Gerechtigkeit schlechterdings nicht zu vereinbarende und damit nicht zumutbare Folgen auferlegt wären (vgl. Bonk/Neumann/Siegel in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 60 Rn. 15). Für eine solche Überschreitung des in Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 angelegten Kostenrisikos sind Anhaltspunkte jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Klägerin hatte die Behauptung im Kündigungsschreiben vom 18. Juni 2007, dass der „Neubau und Betrieb einer Kläranlage, die auch die Abwässer der Rastanlage aufnehmen soll, technisch und finanziell einen unverhältnismäßig hohen Aufwand“ verursachen würden, zu keinem Zeitpunkt substantiiert. Entsprechende Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich. Zumal dabei der durch den Bedarf der Beklagten veranlasste Mehraufwand an Investitionen bei Bau der neuen Kläranlage dem gegenüberzustellen wäre, was die Klägerin in den Jahren nach der Inbetriebnahme an Erstattungen anteiliger Abschreibungen gem. Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 zu erwarten hatte. Erst wenn die Leistungsfähigkeit der Klägerin selbst unter Berücksichtigung dieser nachgelagerten Kompensation überschritten gewesen wäre, hätte ein Kündigungsgrund gem. Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bestehen können. Dass diese Voraussetzungen vorgelegen haben sollten, ist durch den Bau der Kläranlage in der ursprünglich geplanten Dimension, also unter Berücksichtigung des Bedarfs der Beklagten, nunmehr tatsächlich widerlegt. Zudem hat die Klägerin bereits mit der in ihrer Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung (Kläranlage) der Gemeinde Hausen bei Würzburg vom 21. März 2013 (VES-EWS KA) vorgenommenen Differenzierung zwischen dem mittels Verbesserungsbeitrag zu finanzierenden kommunalen Anteil und dem auf das Dauerschuldverhältnis entfallenden – nicht beitragsfähigen Anteil – der geplanten Kläranlage die Grundlage für eine spätere Realisierung ihres Anspruchs aus Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 gelegt. Sie hat sich bei der Zuordnung des finanziellen Aufwands auch am vertraglich vorgesehen Maßstab der Einwohnergleichwerte orientiert und diese zugunsten der Beklagten an die aktuellen Nutzungsverhältnisse angepasst. Dieses Vorgehen stand und steht auch bezüglich der erhobenen Verbesserungsbeiträge im Einklang mit dem Kommunalabgabenrecht (vgl. dazu bereits: VG Würzburg, U.v. 9.5.2012 – W 2 K 11.1038 – juris).
Selbst wenn man den Betrieb der Kläranlage von 1971 als Geschäftsgrundlage des vertraglichen Dauerschuldverhältnisses für die Klägerin ansehen wollte, wäre diese im Übrigen zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens im Juni 2007 weder weggefallen noch verändert gewesen. Denn tatsächlich ging die Kläranlage erst im Frühjahr 2013 außer Betrieb, also fast fünf Jahre nach dem im Schreiben vom 18. Juni 2007 angekündigten Zeitpunkt. Schon zu diesem Zeitpunkt war absehbar, dass die Kläranlage von 1971 länger als bis zum 30. November 2008 in Betrieb sein würde. So stellte das Wasserwirtschaftsamt bereits im Oktober 2007 die Weichen für eine Verlängerung der Betriebserlaubnis für die alte Anlage bis Ende 2009 (vgl. GA W 2 K 12.864, Bl. 18ff.). Bei der laut Wasserwirtschaftsamt geschätzten Bauzeit für die neue Kläranlage von ca. 1,5 Jahren hätte der Bau der neuen Kläranlage im Zeitpunkt des Kündigungsschreibens vom 18. Juni 2007 bereits begonnen, mindestens jedoch genehmigt sein müssen. Die Geschäftsgrundlage – ex ante zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens betrachtet – hätte also nur dann zum 30. November 2008 entfallen können, wenn die von der Klägerin behauptete Alternativplanung einer kleineren und technisch weniger aufwendigen Kläranlage bereits zu diesem Zeitpunkt genehmigungsreif vorgelegen hätte. Dass dies nicht der Fall gewesen ist, ist wiederum dem Schreiben des Wasserwirtschaftsamtes vom 29. Oktober 2007 zu entnehmen. Denn dieses nimmt ausschließlich Bezug auf die „Planungen für die neue Kläranlage vom März 2006“ in der ursprünglich unter Einbeziehung des Bedarfs der Beklagten geplanten Dimension (vgl. a.a.O.).
Auch unabhängig von der zeitlichen Diskrepanz zwischen der für den 30. November 2008 angekündigten und der tatsächlichen Außerbetriebnahme im Frühjahr 2013 bestünde selbst dann kein gesetzliches Kündigungsrecht, wenn man den Betrieb der Kläranlage von 1971 als Geschäftsgrundlage ansehen würde. Denn ein Festhalten an der vertraglichen Regelung ist erst dann unzumutbar i.S.v. Art. 60 BayVwVfG, wenn ein so starkes Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung eingetreten ist, dass es dem benachteiligten Vertragspartner nicht mehr möglich ist, seine Interessen auch nur annähernd zu wahren (vgl. Spieth in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG 50. Ed. [Stand: 1.1.2021], VwVfG § 60 Rn. 12). Dies war für die Klägerin auch zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens nicht der Fall. Sie hätte auch ohne das vertragliche Dauerschuldverhältnis die alte Kläranlage durch eine neue Kläranlage ersetzen müssen. Auslöser des Kündigungsschreibens vom 18. Juni 2007 war auch nicht die anstehende Außerbetriebnahme der Kläranlage von 1971, sondern die Weigerung der Beklagten, sich an den Kosten für den Neubau zu beteiligen. Dass die Klägerin zunächst selbst für den Mehraufwand aufkommen musste, der mit dem Neubau in der ausreichenden Dimensionierung verbunden war, führte nicht zu einem untragbaren Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung. Auch dabei wären die Erstattungsansprüche gem. Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 zu berücksichtigen. Anhaltspunkte, dass ihr diese „Vorfinanzierung“ – beispielsweise aufgrund mangelnder Finanzausstattung oder Liquiditätsproblemen – unzumutbar gewesen wären, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass auch dann kein Kündigungsrecht bestanden hätte, wenn man den Betrieb der Kläranlage von 1971 als Geschäftsgrundlage des vertraglichen Dauerschuldverhältnisses ansehen würde.
Die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 wurde nicht wirksam gekündigt. Die Klägerin kann ihre Forderung nach Erstattung anteiliger Abschreibungen unmittelbar auf Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 stützen.
2.1.2 Im Übrigen wäre ihre Forderung auch dann berechtigt, wenn man – entgegen der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichtes – von einer Beendigung des Vertragsverhältnisses aus der Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 ausgehen würde. Denn die Beteiligten haben die vertraglichen Leistungsbeziehungen auch nach der Außerbetriebnahme der Kläranlage von 1971 tatsächlich unverändert fortgesetzt und damit konkludent ein neues Dauerschuldverhältnis begründet, dessen vertragliche Ausgestaltung inhaltlich der Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 entspräche und als Anspruchsgrundlage herangezogen werden könnte.
Dies scheitert nicht am gesetzlichen Schriftformerfordernis des Art. 57 BayVwVfG. Zwar führt ein Verstoß gegen die Formvorschrift des Art. 57 BayVwVfG gem. Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 125 BGB grundsätzlich zur Nichtigkeit des formunwirksamen öffentlich-rechtliche Vertrags. Jedoch sind Formverstöße ausnahmsweise unbeachtlich, wenn eine Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen nicht möglich ist und ein Fortbestand der dadurch eingetretenen Verhältnisse nach der Rechtsordnung schlechthin unerträglich wäre oder die Berufung auf die Formnichtigkeit in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. Spieth in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 50. Ed. [Stand: 1.1.2021], VwVfG § 59 Rn. 19 m.w.N). Dies Voraussetzungen sind im verfahrensrelevanten Abrechnungszeitraum 2013 erfüllt. Eine Rückabwicklung der Abnahme und Reinigung des Abwassers der Beklagten ist nicht mehr möglich. Auch wäre es seitens der Beklagten grob treuwidrig, der Klägerin unter Berufung auf die Formnichtigkeit des Schuldverhältnisses einen Teil des vertraglich geschuldeten Entgelts zu verweigern. Sie verhält sich damit widersprüchlich. Einerseits hat sie die Dienstleistungen der Klägerin – mangels anderweitiger Entsorgungsmöglichkeit – fortwährend in Anspruch genommen und nimmt sie immer noch in Anspruch. Sie hat zudem auf die Rechnungen zur Erstattung von Betriebskosten für das Jahr 2013 gem. Ziffer II. Satz 1 der Ergänzungsvereinbarung von 1973 vorbehaltlos geleistet. Andererseits beruft sie sich gegenüber ihrer Zahlungsverpflichtung aus Ziffer II. Satz 2 der gleichen Anspruchsgrundlage auf deren Formnichtigkeit. Sie will einerseits die Klägerin an ihrer vertraglichen Verpflichtung festhalten, andererseits sich selbst aber nicht vertragstreu verhalten. Ihr Bestreben, das kommunale Satzungsrecht der Klägerin als Rechtgrundlage für die Leistungsbeziehungen heranzuziehen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich einem Teil ihrer vertraglichen Gegenleistungspflicht zulasten der Klägerin und der regulären satzungsrechtlichen Anschlussnehmer entziehen will. Im Übrigen geht dieses Ansinnen schon deshalb ins Leere, weil die Rastanlage nicht im Sinne von § 4 Abs. 2 EWS v. 21. Oktober 2011 erschlossen ist (vgl. oben). Allerdings wäre die satzungsrechtliche Differenzierung zwischen dem Bedarf der Beklagten und den übrigen Anschlussnehmern in der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung (Kläranlage) der Gemeinde Hausen bei Würzburg vom 21. März 2013 (VES-EWS KA) auch dann abgabenrechtlich zulässig und geboten gewesen, wenn die Rastanlage unter das Satzungsregime fiele. Eine unterschiedslose Umlage der gesamten Investitionskosten für die 2013 gebaute Kläranlage bei der Erhebung von Verbesserungs- und Herstellungsbeiträgen würde auch in diesem Fall gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen (vgl. dazu ausführlich: VG Würzburg, U.v. 9.5. 2012 – W 2 K 11.1038 – juris m.w.N.). Die Klägerin wäre also auch auf satzungsrechtlicher Grundlage gehalten, mittels Verbesserungsbeitrag und Gebühren bzw. Sondervereinbarung mit der Beklagten zu einer adäquaten Deckung des durch die Rastanlage verursachten Mehraufwandes für die Kläranlage zu kommen. Ausgangspunkt sind dafür die ausschließlich auf die Beklagte entfallenden Einwohnergleichwerte von 1.800 EGW im Verhältnis zu den übrigen 2.000 EGW, so dass es auf den Verschmutzungsgrad des Abwassers nicht ankommt. Schon deshalb waren die Beweisanträge Nr. 5 und 6 der Beklagten unbehelflich, zumal die Klägerin jedenfalls im anhängigen Verfahren keine entsprechenden Behauptungen aufgestellt hat. Die Beklagte wäre also selbst im Rahmen der von ihr angestrebten „satzungsrechtlichen Entgeltlösung“ verpflichtet, den ihrer Einleitung zuzuordnenden Mehraufwand für den Bau der Kläranlage zu kompensieren. Mithin ist es grob treuwidrig, wenn sie sich auf eine etwaige Formunwirksamkeit des Dauerschuldverhältnisses berufen würde, um sich ihrer Verpflichtung zur Erstattung anteiliger Abschreibungen zu entziehen. Diese stellen bei richtigem Verständnis im Sinne des Kommunalabgabenrechts – sowohl nach dem ursprünglichen Willen der Vertragsparteien als auch nach objektiven betriebswirtschaftlichen Kriterien – einen angemessenen Ausgleich des Sondervorteils der Beklagten bei der Nutzung der Kläranlage dar.
Jedenfalls für bereits vergangene Abrechnungszeiträume kann die Klägerin sich für ihre Forderung nach anteiliger Abschreibungserstattung auch dann auf ein konkludent geschlossenes Dauerschuldverhältnis berufen, wenn man von der Beendigung der Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 aufgehen würde. Dabei kann offenbleiben, welche Bindungswirkung ein solches „faktisches“ bzw. konkludentes Dauerschuldverhältnis für die Zukunft für beide Beteiligte haben würde.
2.1.3 Im Übrigen wäre der Anspruch nach anteiliger Abschreibungserstattung selbst bei angenommener vertraglicher Formnichtigkeit eines solchen Dauerschuldverhältnisses begründet. Die Beteiligten hätten in diesem Fall durch den tatsächlichen Leistungsbezug ein privatrechtliches Dauerschuldverhältnis begründet (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation: BayVGH, B.v. 13.8.2019 – 4 CE 19.1436 – juris, Rn. 5 unter Verweis auf BGH, U.v. 15.2.2006 – VIII ZR 138/05 – NJW 2006, 1667 Rn. 15f.), über das die Verwaltungsgerichtsbarkeit entgegen der Ansicht der Beklagten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ebenfalls zu entscheiden hätte (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2019 – 4 CE 19.1436 – juris).
Zwar ist die Umdeutung eines formnichtigen öffentlich-rechtlichen Vertrags in einen wirksamen, formfreien privatrechtlichen Vertrag grundsätzlich nicht möglich (vgl. Spieth in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 50. Ed. [Stand: 1.1.2021], VwVfG § 57 Rn. 18). Jedoch ist Anknüpfungspunkt hier nicht der formunwirksame öffentlich-rechtliche Vertrag, sondern die davon zu trennende faktische Erbringung von Dauerleistungen im Rahmen eines leitungsgebundenen Belieferungssystems. So geht der Bundesgerichtshof bei leitungsgebundener Energielieferung in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass selbst bei offenem Dissenz über den Preis bereits die Zurverfügungstellung etwa von Energie als Realofferte anzusehen ist, die durch die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung konkludent angenommen wird (vgl. BGH, U.v. 15.2.2006 – VIII ZR 138/05 – NJW 2006, 1667 Rn. 15f. unter Verweis auf BGH, U.v. 17.3.2004 – VIII ZR 95/03, NJW-RR 2004, 928 m.w.N.). Entgegen der Auslegungsregel des § 154 BGB kommt ausnahmsweise ein Sonderabnahmevertrag zustande, bei dem über den Preis in entsprechender Anwendung der §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2019 – 4 CE 19.1436 – juris). Mithin bestünde selbst in dieser Konstellation dem Grunde nach ein Entgeltanspruch der Klägerin für die Abnahme und Reinigung des Abwassers der Beklagten im Jahr 2013. Der Höhe nach wäre dieser Anspruch nach Billigkeitserwägungen zu bestimmen. Dabei wären sowohl die bisherigen – wenn auch beendeten bzw. formunwirksamen – Abreden und die betriebswirtschaftliche Kostendeckung der Klägerin ausschlaggebend. Neben den bereits geleisteten anteiligen Erstattungen an den Betriebskosten wäre grundsätzlich auch die Deckung des Wertverzehrs des Anlagevermögens der Klägerin durch die Leistungserbringung zu berücksichtigen. Mithin bestünde ein Anspruch auf anteilige Erstattung von Abschreibungen auch als Teil einer nach Billigkeit zu ermittelnden Entgeltlösung. Bei dieser Variante wäre eine Kündigung durch die Klägerin nicht mehr vertraglich ausgeschlossen und mit angemessener Kündigungsfrist möglich (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2019 – 4 CE 19.1436 – juris, Rn. 6). In der mündlichen Verhandlung konnte das Gericht allerdings nicht den Eindruck gewinnen, dass sich die Beklagte dieses Risikos bewusst ist. Einer vernünftigen Lösung war sie unter keinen Umständen zugänglich.
2.1.4 Selbst wenn man – entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – selbst das Zustandekommen eines privatrechtlichen Dauerschuldverhältnisses verneinen wollte, würde sich der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach alls öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB (entsprechend) darstellen.
2.2 Der Forderung der Klägerin steht auch weder Einwendung noch Einrede entgegen.
2.2.1 Die Forderung ist nicht verjährt. Gem. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 199 BGB beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 193 BGB mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Gläubigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Da der Anspruch auf Erstattung von Abschreibungen frühestens mit der zeitgerechten Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Kalenderjahr entsteht, beginnt die Frist für die geltend gemachte Forderung auf Erstattung anteiliger Abschreibungen für das Kalenderjahr 2014 frühestens mit dem Ende des darauffolgenden Jahres, also am 31. Dezember 2015. Die dreijährige Verjährungsfrist wäre also frühestens am 31. Dezember 2018 und damit nach der gem. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 204 BGB die Verjährung hemmenden Klageerhebung am 14. Dezember 2018 ausgelaufen. Mithin kommt es für die Erstattung anteiliger Abschreibungen für das Jahr 2014 nicht darauf an, dass auch die Verhandlungen der Parteien im Zeitraum Oktober 2017 bis Oktober 2018 gem. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 203 BGB zu einer Hemmung geführt haben. Der verfahrensgegenständlichen Forderung nach Erstattung anteiliger Abschreibungen für das Kalenderjahr 2014 kann nicht mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden.
2.2.2 Die Klägerin verhielt sich auch nicht treuwidrig, weil sie die Forderung erst im Oktober 2017 geltend gemacht hatte, nachdem die Beklagte im März 2017 auf die Rechnungen bezüglich der anteiligen Erstattung von Betriebskosten geleistet hatte. Soweit die Beklagte schriftsätzlich vorträgt, sie habe im März 2017 alle Rechnungen beglichen, die die die Klägerin nach Inbetriebnahme der neuen Kläranlage 2013 gestellt habe, diese hätten sich nur auf anteilige Betriebskosten bezogen und es seien bis zum Oktober 2017 keine Rechnungen wegen anteiliger Abschreibungen gestellt worden, ist darin weder ausdrücklich noch konkludent ein Forderungsverzicht bezüglich der Abschreibungserstattungen zu sehen. Allein daraus, dass sie die Beteiligung von Betriebskosten bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Rechnung gestellt hat, macht die spätere – separate – Geltendmachung der Abschreibungserstattungen nicht treuwidrig. Schon aus den dem anhängigen Verfahren vorangehenden rechtlichen Auseinandersetzungen geht hervor, dass die Klägerin die Beteiligung an den laufenden Betriebskosten nicht als ausreichende Vergütung für die vertraglich geschuldete Leistung angesehen hatte. Denn aus der irrigen Rechtauffassung der Klägerin, einen Anspruch auf einen direkten Investitionszuschuss zum Bau der Kläranlage von 2013 zu haben, lässt sich bei verständiger Würdigung kein konkludenter Verzicht auf die Erstattung anteiliger Abschreibungen herleiten.
2.2.3 Der Vortrag der Beklagten, der Anspruch der Klägerin sei nicht fällig, weil der gerichtlich geltend gemachte Betrag in der Höhe nicht mit dem in der Rechnung vom 6. Oktober 2017 geforderte Betrag identisch sei, ist schon deshalb fernliegend, weil die Erteilung einer Rechnung grundsätzlich weder im öffentlichen noch im Privatrecht Fälligkeitsvoraussetzung ist (vgl. Krüger in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 271, Rn. 19). Soweit etwas anders für einseitig bestimmte Entgelte auf Grund eines Anschluss- und Benutzungszwangs für im öffentlichen Interesse erbrachte Entsorgungsleistungen gilt (vgl. BGH, VU v. 15.2.2005 – X ZR 87/04 (KG) – NJW 1772, 1773), handelt es sich um eine gänzlich andere Konstellation.
2.3. Der Anspruch ist auch in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe vollumfassend begründet.
Gem. Ziffer II. Satz 2 der nach wie vor wirksamen Ergänzungsvereinbarung von 1973 schuldet die Beklagte 2/3 der Abschreibung für die Kläranlage, die Maschinenteile der Kläranlage und die gemeinsam benutzten Anlagenteile (Kanal von ca. 40 m).
2.3.1 Die Klägerin hat die Relation der zu erstattenden Abschreibungen bereits zugunsten der Beklagten dem Anteil an Einwohnergleichwerten angepasst, der Planung und Bau der Kläranlage von 2013 – im Einvernehmen mit der Beklagten – zugrunde liegt. Da verfahrensgegenständlich lediglich die anteilig reduzierte Erstattungsforderung ist, kann offenbleiben, ob die Beklagte gem. Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG tatsächlich einen Anspruch auf die von der Klägerin vorgenommene vertragliche Anpassung hat.
In der Sache ist die Beklagte dem Nutzungsverhältnis von 2.000 EGW zu 1.800 EGW weder substantiiert entgegengetreten noch bestehen Anhaltspunkte, die gegen die Relation von 18/38 sprechen. Wenn die Beklagte auf die tatsächlichen Einleitungsmengen als Bezugsgröße abstellen und daraus eine Beteiligung von lediglich 12,59 Prozent herleiten will, geht ihre Argumentation an der Sache vorbei. Ein Wechsel des Bezugsmaßstabs im Rahmen einer Vertragsanpassung gem. Art. 60 Abs. 1 Satz BayVwVfG ist weder veranlasst noch sachgerecht. Ausgangspunkt der vertraglich vereinbarten Vergütung sind nicht ohne Grund die Einwohnergleichwerte. Zur Kompensation des Mehraufwands, den die Klägerin bei Bau und Vorhalt der zur Abnahme des Abwassers der Beklagten notwendigen Infrastruktur ist die Maßeinheit der Einwohnergleichwerte sachgerecht. Denn für die ausreichende Dimensionierung der Kläranlage kommt es gerade nicht auf die durchschnittlichen Einleitungsmengen an. Vielmehr müssen die Einleitungsmengen zu Stoß- und Spitzenzeiten bei der Dimensionierung der vorzuhaltenden Aufnahmekapazität berücksichtigt werden. Damit sind die Einwohnergleichwerten für die Berechnung der zu erstattenden Abschreibungen eine angemessene Bezugsgröße.
Dies würde im Übrigen auch geltend, wenn der Erstattungsanspruch nicht auf die Vereinbarung von 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung von 1973 zu stützen wäre, sondern die Gegenleistung gem. §§ 315, 316 BGB zu ermitteln wäre. Denn billigem Ermessen entspräche nur eine Gegenleistung, die mit der anteiligen Erstattung der Betriebskosten nicht nur die laufenden betriebswirtschaftlichen Kosten der Abnahme und Reinigung des Abwassers der Beklagten deckt, sondern auch die Mehrkosten kompensiert, die der Klägerin durch den Bau und die Vorhaltung der Infrastruktur entstehen, die sich auf den Bedarf der Beklagten beziehen. Gleiches würde für die Wertermittlung der Leistungen entsprechend Art. 62 Satz 2 i.V.m. §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten.
2.3.2 Völlig neben der Sache ist der Vortrag der Beklagten, es dürften für die Berechnung der Abschreibungen lediglich die “historischen Kosten“ der Kläranlage herangezogen werden, wie sie als Schätzung der Berechnung des Verbesserungsbeitrags nach der Verbesserungsbeitragssatzung von 2013 zugrunde lagen, zudem seien nur die Kosten zu berücksichtigen, die in die Gebührenkalkulation für den entsprechenden Gebührenzeitraum eingeflossen seien. Damit verquickt sie nicht nur willkürlich Gebühren- und Beitragskalkulation, sondern verkennt vor allem, dass das in Ziffer II. der Ergänzungsvereinbarung von 1973 etablierte Entgeltregime keinen Bezug zum Gebühren- und Beitragsgefüge der Klägerin aufweist. Insoweit war auch der Beweisantrag Nr. 4 der Beklagten als unbehelflich abzulehnen. Dass sie nicht auf „Abschreibungen“ leistet, die bereits beitrags- bzw. gebührenfinanziert sind, ist mit der Begrenzung ihres Anteils auf 18/38 gewährleistet. Plausible Anhaltspunkte für eine „Überdeckung“ hat sie darüber hinaus weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich. Soweit die mit Rechnung vom 6. Oktober 2017 geltend gemachte Forderung Positionen enthielt, die bereits der Berechnung der Betriebskosten zugrunde lag, hat die Klägerin dies auf Beanstandung der Beklagten bereits vor Klageerhebung bereinigt.
2.3.3 Der Vorhalt der Beklagten, die Klägerin habe es fahrlässig unterlassen, vertragliche Ansprüche zur Beteiligung an den Investitionskosten für die Kläranlage gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geltend zu machen, mutet angesichts des jahrelangen juristischen Ringens der Beteiligten fast zynisch an, ist aber jedenfalls abwegig. Das Bestehen eines solchen Anspruchs lässt sich weder aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburgs vom 15. Oktober 2014 im Verfahren W 2 K 12.864 ableiten noch weisen die aktuellen Rechtsbeziehungen von Klägerin, Beklagter und Bundesrepublik Deutschland Anhaltspunkte dafür auf. Die Beklagte hat auch nicht ansatzweise dargelegt, auf welcher Rechtsgrundlage solche Ansprüche bestehen sollten.
2.3.4 Soweit die Beklagte sich unter Hinweis auf den Wortlaut von Ziffer II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung gegen die Einbeziehung der Position 0043 „Einbauküche Neff“ wendet, ist nicht ersichtlich, dass ein mit Küchenzeile ausgestatteter Sozialraum für die in der Kläranlage dauerhaft oder auch nur zeitweise anwesenden Mitarbeiter nicht als Teil der Kläranlage anzusehen wäre. Die Auffassung, es seien lediglich die „Maschinenteil der Kläranlage“ in die Berechnung einzubeziehen, widerspricht schon dem Wortlaut der Vereinbarung „Abschreibungen der Kläranlage, die Maschinenteile der Kläranlage und die gemeinsam benutzten Anlagenteile (Kanal von ca. 40 m)“ und ist auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Die Aufzählung der Maschinen- und Anlagenteile hat ersichtlich keine begrenzende, sondern im Gegenteil erläuternde und allenfalls erweiternde Funktion.
2.3.5 Im Übrigen hat die Beklagte die vorgelegte, in sich schlüssige Aufstellung der Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie der Berechnung der Abschreibungen weder substantiiert angegriffen noch sind Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit ersichtlich. Insbesondere waren die Beweisanträge Nr. 2 und Nr. 3 der Beklagten als Ausforschungsbeweise abzulehnen.
3. Der Anspruch auf Verzinsung ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 291 Satz 1 BGB bzw. – auch vertragsunabhängig – aus § 291 Satz 1 BGB analog (vgl. statt vieler: BVerwG, U.v. 28.6.1995 – 11 C 22/94 – juris, Rn. 9).
Dem Klagebegehren der Klägerin war mithin vollumfänglich stattzugeben.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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