Europarecht

Diesel, Porsche

Aktenzeichen  31 O 2331/19

Datum:
25.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45940
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Kempten (Allgäu) sachlich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten unerlaubten Handlung auch örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Es fehlt für die Klageanträge bereits an der Aktivlegitimation der Klägerin. Nach der als Nachweis vorgelegten Anlage K 3 wurden von der Leasinggeberin nur Gewährleistungsansprüche abgetreten. Diese vertraglichen Gewährleistungsansprüche können jedoch nicht gegenüber der Beklagten, die nicht Vertragspartnerin der Leasinggeberin (und auch nicht der Klägerin) war, sondern nur gegenüber der Vertragspartnerin der Leasinggeberin, der … geltend gemacht werden.
Deliktische Ansprüche wurden ausweislich der Anlage K 3 nicht abgetreten. Aus den als Anlage K 13 vorgelegten Leasingbedingungen „Teilamortisation“ ergibt sich nichts anderes. Nach dem einschlägigen § 5 dieser Bedingungen beschränkt sich die Gewährleistung der Leasinggeberin darauf, dass diese an den Leasingnehmer ihre Ansprüche, soweit ihr solche gegen den Lieferanten oder Hersteller zustehen, mit Ausnahme der daraus entstehenden Zahlungsansprüche, hiermit abtritt. Hieraus ergibt sich jedoch ebenso wie aus dem als Anlage K 11 vorgelegten Anwaltsschreiben keine Abtretung von möglichen deliktischen Ansprüchen.
2. Selbst wenn von einer Abtretung auch deliktischer Ansprüche der Leasinggeberin an die Klägerin als Leasingnehmerin ausgegangen wird, ist dann zwar die Aktivlegitimation der Klägerin gegeben.
Der Klägerin stehen jedoch auch dann keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu.
Die Klägerin hat weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass verantwortliche Organe oder Repräsentanten der Beklagten Kenntnis vom Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung in den von der … AG unstreitig nur zugekauften Motor, der in das Fahrzeug eingebaut wurde, hatten und dadurch die Klägerin vorsätzlich gemäß § 826 BGB in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise oder vorsätzlich gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB betrügerisch geschädigt haben.
Die Beklagte, die ihrer sekundären Darlegungslast umfassend nachgekommen ist, hat dargelegt und durch die Vorlage von 2 Schreiben der … AG (Anlage Annex 1a und Annex 1b) nachgewiesen, dass die … AG noch bis Juni 2017 bestätigt hat, dass die Anschuldigungen und festgestellten Verstöße in den USA ausschließlich Fahrzeuge mit US 6 Zylinder Motor betreffen …. Die EU-Varianten des V6 TDI Motors sind nach Überprüfung als gesetzeskonform eingestuft worden. Alle EU V6 TDI Motoren erfüllen die gültigen EU Gesetze. Alle seien laut handschriftlichem Zusatzvermerk nach EU-Recht in Ordnung.
In einer E-Mail vom 08.06.2017 hat die … AG auf eine dringende Anfrage des Magazins Der Spiegel nochmals ausgeführt, dass der Porsche Cayenne mit V6 TDI EU6 Motor explizit vom KBA vermessen und als i.O. bestätigt worden ist.
Die Beklagte hat weiter dargelegt, welche eigenen Überprüfungen und Messungen sie vorgenommen hat. Erst Mitte Juni 2017 habe sie aus Gesprächen mit … die relevanten Informationen zu dem streitgegenständlichen Motor erfahren und diese Erkenntnisse dem Kraftfahrt-Bundesamt am … offengelegt.
Soweit die Klägerin zur Kenntnis von Organen der Beklagten vorgetragen hat, dass am Vorabend einer am … stattfindenden Anhörung vor den US-Behörden, bei der diese wissen wollten, ob neben … auch die Herstellerin des streitgegenständlichen Motors, die … AG, Schadstoffe manipuliert habe, der Vorstandsvorsitzende der … AG, Herr … und der Entwicklungsvorstand der Beklagten, Herr … eine eigentlich mehrseitige Präsentation auf eine Seite verkürzt hätten und auf diese Weise verschweigen wollten, dass … bei bestimmten Dieselmotoren die Abgasreinigung mit AdBlue teilweise ausgeschaltet habe, um den Kunden ein häufiges Nachfüllen zu ersparen., wurde dieser Vortrag bestritten.
Der Vernehmung des als Zeugen benannten … bedurfte es nicht.
Die Beklagte hat umfassend dargelegt, dass sich die für den US-Markt hergestellten Fahrzeuge und Motoren grundsätzlich von den für den europäischen Markt hergestellten Fahrzeugen und Motoren unterscheiden. Es handelte sich um unterschiedliche Diesel-Konzepte, die von der Beklagten einzeln dargestellt werden. Zudem hat die Beklagte dargelegt, dass die Anforderungen an die Diesel-Konzeptionen nicht vergleichbar waren, da für Euro 6-Aggregate in der EU ein NOx-Grenzwert von 80 mg/km und in den USA ein solcher Grenzwert von 70 mg/mile, was umgerechnet einem Grenzwert von nur rund 43,5 mg/km entsprechen würde, gegolten hat. Anhand von Diagrammen hat die Beklagte weiter dargestellt, dass auch die Testzyklen unterschiedlich waren.
Dieser Darstellung ist die insoweit darlegungs- und nachweispflichtige Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten.
Wie bereits ausgeführt, hat die … AG zudem bis Anfang Juni 2017 ausdrücklich bestätigt, dass die Motoren für den EU-Markt gesetzeskonform seien.
Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Organe und Repräsentanten der Beklagten eigenen Prüfungspflichten, ob der von der … AG zugekaufte und auch in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaute Motor gesetzeskonform ist und ob er keine unzulässige Abschalteinrichtung enthält, nicht oder nicht ausreichend nachgekommen sind, würde dies nur einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen.
Sowohl ein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB als auch wegen Betrugs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB erfordert jedoch vorsätzliches Handeln.
Anzumerken ist noch, dass sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von den vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, entschiedenen Sachverhalt unterscheidet. In dem Verfahren des Bundesgerichtshofs hatte die … AG in von ihr oder ihren Konzerntöchtern allein in Deutschland in siebenstelligen Stückzahlen hergestellten Fahrzeugen den von ihr ebenfalls selbst hergestellten Motor mit der Bezeichnung EA 189 mit der unzulässigen Abschalteinrichtung zu Täuschungszwecken verbaut.
3. Da aus den dargelegten Gründen keine Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte bestehen, kann offen bleiben, ob der Klägerin, die die monatlichen Leasingraten einschließlich Leasing-Sonderzahlung und Bearbeitungsgebühr jeweils steuerlich abgesetzt hat, überhaupt ein Schaden entstanden ist.
4. Mangels eines Schadensersatzanspruchs besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen, auf Freistellung von Zahlungsverpflichtungen aus dem Leasingvertrag sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Auch der Feststellungsantrag bzgl. des Annahmeverzugs ist unbegründet.
Ob der Klägerin möglicherweise Ansprüche gegen die … AG als Herstellerin des Motors mit der unzulässigen Abschalteinrichtung zustehen, hat das Gericht nicht zu prüfen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


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