Europarecht

einstweiliger Rechtschutz, unzulässiger Antrag, Feststellungsklage in der Hauptsache gegen den Normgeber, Verkürzung des Genesenenstatus von 6 auf 3 Monate:, kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum bayerischen Normgeber

Aktenzeichen  Au 9 E 22.394

Datum:
23.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6491
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
15. BayIfSMV §§ 4
SchAusnahmV § 2 Nr. 5 i.d.F. 8. Mai 2021 (BAnz AD 8.5.2021 V1)
SchAusnahmV § 2 Nr. 5 i.d.F. 14. Januar 2022 (BAnz AD 14.1.2022 V1)

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtschutzes die Feststellung, dass § 4 Abs. 1 Nr. 1 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) insoweit rechtswidrig ist, als darin der Zutritt zu den in § 4 Abs. 1 der 15. BayIfSMV genannten Einrichtungen denjenigen Personen verwehrt wird, deren Datum der Abnahme eines positiven Tests mehr als 90 Tage und weniger als 180 Tage zurückliegt.
Am 25. November 2021 wurde beim Antragsteller eine Infektion mit dem SARS-COV-2-Virus mittels PCR-Test nachgewiesen.
Die auf Grundlage von § 28c IfSG ergangene Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 8.5.2021 V1) enthielt bezüglich des Genesenenstatus folgenden Wortlaut:
㤠2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
4. eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist,
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR), PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt“.
Mit Art. 1 Nr. 1 b) der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung (Änderungsverordnung) vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.1.2022 V1) wurde § 2 Nr. 5 der SchAusnahmV vom 8. Mai 2021 wie folgt geändert:
㤠2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht:
a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion,
b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung,
c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf“.
Mit Stand vom 3. Februar 2022 lauten die Vorgaben für Genesenennachweise des Robert Koch-Instituts wie folgt:
„Ein Genesenennachweis im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung muss aus fachlicher Sicht folgenden Vorgaben entsprechen:
a) die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion muss durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein
UND
b) das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage zurückliegen
UND
c) das Datum der Abnahme des positiven Tests darf höchstens 90 Tage zurückliegen.“
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2022 hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtschutzes beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg beantragt,
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller bis auf weiteres als genesen gilt, da die zugrundeliegende Rechtsnorm § 4 Abs. 1 Nr. 1 der 15. BayIfSMV rechtswidrig ist, soweit darin der Zutritt zu den in § 4 Abs. 1 BayIfSMV genannten Einrichtungen denjenigen Personen verwehrt wird, deren Datum der Abnahme eines positiven Tests mehr als 90 Tage und weniger als 180 Tage zurückliegt.“
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Für den Antragsteller bestehe insbesondere ein Anordnungsanspruch. § 4 Abs. 1 Nr. 1 der 15. BayIfSMV sei rechtswidrig, da die zugrundeliegende Bundesvorschrift des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV rechtswidrig sei. Der Antragsteller sei unmittelbar durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 der 15. BayIfSMV betroffen. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV sei rechtswidrig, da die Vorschrift gegen Grundrechte des Antragstellers verstoße. Der Antragsteller sei in seinem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Auch verstoße § 2 Nr. 5 SchAusnahmV gegen die Wesentlichkeitstheorie. Zudem würden grundlegende Verfassungsgrundsätze aus Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Auch die Verfassungsgrundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes würden missachtet. Ein Anordnungsgrund liege vor. Denn die einstweilige Anordnung sei auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheine, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Ein Abwarten sei hier unzumutbar, da bereits die kurzfristige Hinnahme der befürchteten Handlungsweisen geeignet sei, den Betroffenen in seinen Rechten in besonders schwerwiegender Weise zu beeinträchtigen.
Auf den weiteren Inhalt des Antragsschriftsatzes vom 18. Februar 2022 wird ergänzend verwiesen.
Der Antragsgegner ist dem Antrag mit Schriftsatz vom 22. Februar 2022 entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg sei unzuständig. Überdies könne der Antrag nicht gegen den Freistaat Bayern gerichtet werden. Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 22. Februar 2022 wird ergänzend verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
1. Der Antrag wendet sich gegen den Antragsgegner als normerlassende Behörde der 15. BayIfSMV. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann zwar eine gegen den Normgeber gerichtete Feststellungsklage in Betracht kommen, wenn die Norm unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung der rechtlichen Beziehungen zwischen Normgeber und Normadressat durch Verwaltungsvollzug erforderlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 19.09 – juris Rn. 30). Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall, dass zwischen den Beteiligten ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO besteht. Daran fehlt es jedoch hier.
Der Antragsteller wendet sich im Wesentlichen gegen die Rechtswidrigkeit des § 2 Nr. 5 der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Corona-Virus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1). Dies genügt jedoch nicht, um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner als Normgeber der 15. BayIfSMV zu begründen. Als Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 43 Rn. 12). Keine Rechtsverhältnisse im obengenannten Sinn sind bloße Vorfragen oder Einzelelemente von Rechtsverhältnissen, soweit sie nicht selbst den Charakter von Rechten oder Pflichten haben. Zu diesen Vorfragen gehört insbesondere die Frage, ob einzelne Tatbestandsmerkmale einer Norm erfüllt sind oder nicht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, a.a.O., § 43 Rn. 12). Die Verweisung in dem vom Antragsteller aufgeführten § 4 der 15. BayIfSMV auf die bundesrechtlichen Normen der § 2 Nr. 2 und 4 SchAusnahmV hat aber keinen eigenen landesrechtlichen Regelungscharakter, sondern erschöpft sich in einer Bezugnahme auf eine bundesrechtliche Definition (BayVGH, B.v. 22.2.2022 – 20 CE 22.459 – n.V.; BayVGH, B.v. 3.2.2022 – 20 NE 22.240 – n.V.). Da in den maßgeblichen Bestimmungen der SchAusnahmV kein Verwaltungsvollzug vorgesehen ist, kommt hier ausschließlich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der Bundesrepublik Deutschland in Betracht.
Der Antrag war daher im Ergebnis bereits als unzulässig abzulehnen.
Im Übrigen wäre für einen Feststellungsantrag gegen den bayerischen Normgeber gemäß § 52 Nr. 5 VwGO das Bayerische Verwaltungsgericht München örtlich zuständig.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Von einer Reduzierung des Streitwerts (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 – BayVBl Sonderbeilage Januar 2014) wurde in Anbetracht der geltend gemachten Vorwegnahme der Hauptsache abgesehen.


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