Europarecht

Festsetzung einer Patronatserklärung als Sicherheitsleistung zur Vermeidung von Kosten für die öffentliche Hand bei insolvenzbedingter Stillegung

Aktenzeichen  M 19 S 18.307

Datum:
21.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 19466
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 3, § 17 Abs. 4a
KrwG § 3 Abs. 1, § 36 Abs. 3, § 43 Abs. 4
VwZVG Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 3 S. 1
DepV § 18 Abs. 2
BayVwVfG Art. 39, Art. 40
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1 § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG schützt durch eine Sicherheitsleistung bei insolvenzbedingter Stilllegungen durch eine präventive Durchsetzung der Nachsorgepflichten die Allgemeinheit vor möglichen Kosten und ist damit Ausdruck des Vorsorgeprinzips (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 43934, BeckRS 2009, 41872). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist zulässig, wenn für die Festlegung der Sicherheitsleistung von dem Worst-Case-Szenario ausgegangen wird. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit sind für das Gericht grundsätzlich nicht verbindlich und es ist auch nicht erkennbar, dass sie im Rahmen einer Selbstbindung der Verwaltung in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Außenwirkung erlangt hätten. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4 Da es Zweck des § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG ist, sicherzustellen, dass die öffentliche Hand bei Zahlungsunfähigkeit des Betreibers nicht die Sicherungs-, Sanierungs- und Entsorgungskosten zu tragen hat, ist es gerechtfertigt und ermessensgerecht, wenn strenge Anforderungen an die zugelassene Art einer Sicherheitsleistung gestellt werden, so dass auch eine „harte Patronatserklärung“ ein ausreichendes Sicherungsmittel sein kann. (Rn. 44 – 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 19. Januar 2018 gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 14. Dezember 2017 wird wiederhergestellt, soweit in Nr. 2 des Bescheids festgelegt ist, dass ein Patron bei einem Rating eine Rangstufe erreichen müsse, die einer Rangstufe I der „Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD)“ bei einer Ausfallrate bis zu 0.3 entspricht. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 62.737,50 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine an sie gerichtete Festsetzung einer Sicherheitsleistung von 501.900 EUR.
Sie betreibt auf einem nicht in ihrem Eigentum stehenden Grundstück (FlNr. 3211 Gemarkung …) eine Anlage zur Aufbereitung von mineralischen Baustoffen auf Basis einer Genehmigung vom 16. September 1996. In der Anlage dürfen unbelasteter Bauschutt, der den Richtwerten RW 1 zuzuordnen ist, unbelasteter Bodenaushub sowie nicht teerhaltiger Straßenaufbruch angenommen und aufbereitet werden. Der Jahresdurchsatz der Aufbereitungsanlage darf 25.000 t nicht überschreiten. Nach den nicht bestrittenen Feststellungen des Antragsgegners handelt es sich bei den auf dem Grundstück gelagerten, teilweise seit Jahren ungebrochenen Materialien in einer Gesamtmenge von knapp 30.000 t überwiegend um Beton (Abfallschlüssel Nr. 17 01 01 nach der Abfallverzeichnis-Verordnung), Ziegel (Abfallschlüssel Nr. 17 01 02), Gemische aus Beton, Ziegeln, Fliesen und Keramik, die keine gefährlichen Stoffe enthalten (Abfallschlüssel Nr. 17 01 07), nicht-kohlenteerhaltige Bitumengemische (Abfallschlüssel Nr. 17 03 02) sowie Boden und Steine, die keine gefährlichen Stoffe enthalten (Abfallschlüssel Nr. 17 05 04).
Nach ausführlichem Schriftwechsel und einer mündlichen Anhörung setzte das Landratsamt … gegenüber der Antragstellerin mit Bescheid vom 14. Dezember 2017, zugestellt am 20. Dezember 2017, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 501.900 EUR fest (Nr. 1), um die Erfüllung der Nachsorgepflicht nach § 5 Abs. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bei der Anlage zur Lagerung und Aufbereitung von mineralischen Baustoffen sicherzustellen. Die Antragstellerin wurde verpflichtet die festgesetzte Sicherheitsleistung bis spätestens 31. März 2018, im Fall der Aussetzung der sofortigen Vollziehung innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids in einer der näher bezeichneten Formen zu erbringen (Nr. 2). Zugelassen wurde, die Sicherheitsleistung zu erbringen in der Form einer unbedingten und unbefristeten selbstschuldnerischen Bankbürgschaft, einer selbstschuldnerischen Konzernbürgschaft mit einem jährlich zu erneuernden Testat eines Wirtschaftsprüfers, das die ausreichende Deckung der Bürgschaft bestätigt, einer dinglichen Sicherheit oder in Form einer Patronatserklärung, wobei das sicherungspflichtige Unternehmen nachzuweisen hat, dass der Sicherungszweck erfüllt und die finanzielle Leistungsfähigkeit gegeben ist. Hierzu wurde als Nachweis eine Bestätigung verlangt, dass der Patron bei einem Rating eine Rangstufe erreicht, die einer Rangstufe I der „Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD)“ bei einer Ausfallrate bis zu 0.3 entspricht. Die Bestätigung kann durch Bonitätserklärung eines Kreditinstituts oder der Deutschen Bundesbank („internes Ranking“) oder durch eine internationale Ratingagentur („externes Rating“) erfolgen; beide Formen des Ratings sind jährlich zu aktualisierten und in aktualisierter Form unaufgefordert vorzulegen. Die Anordnungen der Nummern 1 und 2 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt. (Nr. 5). Außerdem wird ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR zur Zahlung fällig, wenn die Verpflichtung zur Erbringung der festgesetzten Sicherheitsleistung nicht bis spätestens 31. März 2018 erfüllt wird. Im Fall der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Rechtsbehelfs wurde die Erfüllungsfrist bis zum Ablauf von drei Monaten nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids verlängert (Nr. 6). Im Übrigen behielt sich das Landratsamt vor, unter bestimmten Voraussetzungen die Höhe der Sicherheitsleistung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen (Nr. 3), bestimmte Näheres zu den Voraussetzungen der Rückgabe der Dokumente (Nr. 4) und legte der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf (Nrn. 7, 8).
Am 17. Januar 2018 beantragte die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Am 19. Januar 2018 erhob sie Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht … gegen die Festsetzung der Sicherheitsleistung durch Bescheid vom 14. Dezember 2017 (M 19 K 18.304).
Zur Begründung des Antrags trägt die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018, ergänzt durch Schriftsatz vom 10. April 2018 vor, dass bereits die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsgrundlage nicht gegeben seien und jedenfalls bestehendes Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei.
Der von ihr angenommene Bauschutt könne als Produkt – nicht als Abfall – eingestuft und vermarktet werden. Außerdem würden die erzeugten Produkte keinen negativen Marktwert aufweisen und ließen daher nach den maßgeblichen Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 11. Mai 2010 die Notwendigkeit der Festsetzung einer Sicherheitsleistung entfallen. Überdies wäre zu berücksichtigen, dass in ausreichendem Umfang Eigenentsorgungskapazitäten zur Verfügung stünden und dies im Rahmen der Entscheidung über die Festsetzung einer Sicherheitsleistung zu berücksichtigen gewesen wäre. Bei einem „Schwesterunternehmen“ – als Teil einer Unternehmensgruppe – seien entsprechende Entsorgungskapazitäten vorhanden. So könne der vorhandene Bauschutt im Zweifel für die Begradigung und Befestigung der Deponie verwendet werden, die auf dem im Eigentum des „Schwesterunternehmens“ stehenden Grundstücks FlNr. 3211 Gemarkung … vormals betrieben worden sei; zur entsprechenden Verwendung wäre im Insolvenzfall der Antragstellerin das „Schwesterunternehmen“ als Eigentümer des Grundstücks nach allgemeinen Grundsätzen verpflichtet. Außerdem stünde zur Entsorgung auch eine frühere Grube zur Verfügung.
Schließlich hätte der Antragsgegner im Rahmen der Ermessensausübung einen Garantievertrag zwischen dem „Schwesterunternehmen“ und der Antragstellerin berücksichtigen müssen. Das „Schwesterunternehmen“ sei leistungsfähiger Dritter im Sinne der einschlägigen Vollzugshinweise. Die vom Antragsgegner verlangte Patronatserklärung sei vor diesem Hintergrund nicht erforderlich. Zu berücksichtigen sei ferner, dass es sich bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Antragstellerin um eine Realkonzession handele, von der in ihrem Insolvenzfall das „Schwesterunternehmen“ als Eigentümer jederzeit Gebrauch machen könnte.
Schließlich habe der Antragsgegner die Höhe der Sicherheitsleistung nicht zutreffend berechnet. Die von der Antragstellerin eingeholten Angebote von Firmen, die das gelagerte Material fachgerecht und vor Ort aufbereiten könnten, lägen erheblich unter den vom Antragsgegner eingeholten Angeboten. Mit Blick auf die Möglichkeit einer mobilen Aufbereitung des Materials vor Ort sei die Berücksichtigung von Transportkosten zudem nicht zulässig; auch ein Risikozuschlag sei nicht angemessen, weil das von der Antragstellerin gelagerte Material unbelastet sei.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 7. März 2018, den Antrag abzulehnen.
Er führt in diesem und ergänzend mit Schreiben vom 8. Juni 2018 aus, dass die Festsetzung der Sicherheitsleistung in Höhe von 501.900 EUR rechtmäßig sei. Die Anlage der Antragstellerin unterfalle dem Anwendungsbereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, so dass die bislang unterbliebene Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 17 Abs. 4a BImSchG festzusetzen gewesen sei. Am 8. März 2015 sei durch Mitarbeiter des Landratsamts eine Ortseinsicht der Anlage erfolgt, bei der die vorhandenen Haufwerke aufgemessen worden sein. Dabei habe sich eine Gesamtmenge von 21.285,81 m³ Abfall ergeben, der bei Zugrundelegung der entsprechenden abfallartspezifischen Umrechnungsfaktoren zu einer Gesamtlagermenge von 29.397,82 t führe. Der Berechnung der Sicherheitsleistung sei allerdings nur die maximal zulässige Lagermenge von 25.000 t zugrunde gelegt worden.
Ein atypischer Fall, der entgegen der gesetzgeberischen Regelungsintention ein Absehen von der Festsetzung einer Sicherheitsleistung rechtfertigen könne, liege nicht vor. Ein solcher wäre allenfalls zu bejahen, wenn beim Anlagenbetrieb ausschließlich Abfälle mit einem nicht nur kurzfristig bestehenden positiven Marktwert anfallen würden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Außerdem würden auf dem Betriebsgelände die Abfälle häufig ungebrochen bzw. unaufbereitet gelagert. Bei solchen Materialien könne regelmäßig nicht von einem positiven Marktwert ausgegangen werden. Im Insolvenzfall bestehe allenfalls eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass sich nach Betriebseinstellung noch Material mit positivem Marktwert auf dem Gelände befinde. Für die Bestimmung des Marktwerts sei der Zustand des Materials im Augenblick der Anlieferung und nicht nach einer etwaigen Nachbehandlung maßgeblich. Auf dem Gelände der Antragstellerin würden auch nicht nur Materialien mit einem Zuordnungswert RW 1 aufbereitet, was im Zuge regelmäßiger Anlagenüberwachungen im Mai und August 2017 festgestellt worden sei. Das vorgelegte Eigenentsorgungskonzept sei nicht ausreichend abgesichert und mache daher eine Sicherheitsleistung nicht entbehrlich. Der vorgelegte Garantievertrag sei nicht als ausreichende Sicherungsleistung anzuerkennen, weil er den Anforderungen des § 232 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht entspreche. Notwendig sei eine Patronatserklärung, die hinreichend werthaltig und insolvenzfest sein und dem unmittelbaren Zugriff der Behörde unterliegen müsse. Dass die Genehmigung des Anlagenbetriebs eine Sachgenehmigung darstelle, stelle nicht die Richtigkeit der festgesetzten Höhe der Sicherungsleistung in Frage.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakten verwiesen, auch im zugehörigen Klageverfahren M 19 K 18.304.
II.
Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat insoweit Erfolg, als der Bescheid eine Patronatserklärung eines sicherungspflichtigen Unternehmens nur dann als eine ausreichende Sicherheitsleistung anerkennt, wenn der Patron „bei einem Rating eine Rangstufe erreicht, die einer Rangstufe I der ‚Initiative Finanzstandort Deutschland‘ (IFD) bei einer Ausfallrate bis zu 0.3“ entspricht. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet, weil die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung formell ordnungsgemäß erfolgt ist (II.) und die zulässige (III.) Anfechtungsklage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos sein wird (IV.).
I.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft hierzu eine eigene originäre Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids sowie dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens entsprechend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage treffen. Ergibt die hiernach allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Kann hingegen wegen der Komplexität der Sach- und Rechtslage keine solche Abschätzung der Erfolgsaussichten der Hauptsache getroffen werden, sind allein die einander gegenüber stehenden Interessen zu gewichten (st. Rechtsprechung, vgl. BVerwG, B.v. 22.3.2010 – 7 VR 1.10 – juris Rn. 13 m.w.N.). Es verbleibt insoweit bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
II.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 7 des Bescheids vom 14. Dezember 2017 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Diese Vorschrift verpflichtet die Behörde, mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich „formelhaften“ schriftlichen Begründung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung darzulegen. Die vom Antragsgegner im Bescheid niedergelegten Gründe lassen in nachvollziehbarer Weise die konkreten Erwägungen erkennen, die ihn dazu veranlasst haben, von der Möglichkeit, die sofortige Vollziehung anzuordnen, Gebrauch zu machen. Der Antragsgegner möchte insbesondere der Gefahr vorbeugen, dass beim Eintritt der Insolvenz noch vor Bestandskraft des Bescheids die Allgemeinheit für die Entsorgung der Abfälle aufkommen muss.
III.
Die Hauptsacheklage ist zulässig, insbesondere wurde die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gewahrt.
IV.
Die Hauptsacheklage hat nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Erfolg, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist. Vorliegend ergibt die summarische Prüfung, dass durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 14. Dezember 2017 nur insoweit bestehen, als der Bescheid verlangt, ein Patron müsse „bei einem Rating eine Rangstufe erreich[en], die einer Rangstufe I der ‚Initiative Finanzstandort Deutschland‘ (IFD) bei einer Ausfallrate bis zu 0.3“ entspricht. Im Übrigen wird die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
Nach § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Sicherheitsleistung zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG angeordnet werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Verursacherprinzips. Sie möchte vor dem Hintergrund oft insolvenzbedingter Stilllegungen durch eine präventive Durchsetzung der Nachsorgepflichten die Allgemeinheit vor möglichen Kosten schützen, die bei der Stilllegung einer Anlage und der entsprechenden Nachsorge entstehen können (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.2016 – 7 B 44/15 – juris Rn. 12; NdsOVG, U.v. 16.11.2009 – 12 LB 344/07 – juris Rn. 42; Giesberts in BeckOK UmweltR, § 12 BImSchG Rn. 19).
1. Die Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG liegen vor.
a) Die Antragstellerin betreibt eine ortsfeste Abfallentsorgungsanlage zur Behandlung von Abfällen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Sie lagert auf Basis einer Genehmigung aus dem Jahr 1996 überwiegend mineralische Baustoffe der Abfallschlüssel-Nrn. 17 01 01, 17 01 02, 17 01 07, 17 03 02, 17 05 04 und bereitet diese auf. Diese Baustoffe erfüllen die Merkmale des Abfallbegriffs nach § 3 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrwG). Bauschutt, der beim Abriss von Häusern oder der Beseitigung anderer Anlagen anfällt, ist Abfall, da der (Haupt-)Zweck der Behandlung der Sache auf den Abriss oder die Beseitigung gerichtet ist, nicht jedoch (auch) auf die Gewinnung von Bauschutt, selbst wenn dieser – nach entsprechender Aufbereitung – wieder verwendet werden kann (BayVGH, B.v. 30.9.2014 – 22 ZB 13.579 – juris Rn. 22; OVG LSA, U.v. 25.8.2011 – 2 L 34/10 – juris Rn. 40 ff.; VG Augsburg, U.v. 27.2.2013 – 4 K 12.431 – juris Rn. 48).
b) Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG zulässig. Eine Anordnung scheidet daher jedenfalls dann aus, wenn solche Pflichten für die Antragstellerin zweifelsfrei nicht bestehen (BayVGH, B.v. 30.9.2014 – 22 ZB 13.579 – juris Rn. 25, 28). Das ist hier nicht der Fall. Für die Antragstellerin bestehen im Fall einer Betriebseinstellung jedenfalls die Pflichten nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG, wonach sicherzustellen ist, dass auch nach einer Betriebseinstellung vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden.
Die Pflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG beruhen auf dem Betrieb der Anlage und der Sachherrschaft der Betreiberin in Bezug auf die Anlage (vgl. BayVGH, U.v. 4.5.2005 – 22 B 99.2208 – juris Rn. 42). Betreiber einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage ist derjenige, der die Anlage im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung führt (BayVGH, U.v. 4.5.2005 – 22 B 99.2208 – juris Rn. 40). Das ist bei der Antragstellerin der Fall.
c) Trotz des Sicherungszwecks der Vorschrift verlangt der Tatbestand keine konkreten Anhaltspunkte für eine zu erwartende oder bestehende Liquiditätsschwäche des Anlagenbetreibers (vgl. BVerwG, U.v. 3.3.2016 – 7 B 44/15 – juris Rn. 16). Eine Anordnung einer Sicherheitsleistung erst bei sich abzeichnender Insolvenz eines Betreibers könnte ihr Ziel vielfach nicht mehr erreichen. Auch das Bestehen eines ordnungsgemäßen Verwertungskonzepts steht der Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht entgegen (NdsOVG, U.v. 16.11.2009 – 12 LB 344/07 – juris Rn. 38; Giesberts in BeckOK UmweltR, § 12 BImSchG Rn. 19).
aa) Ob ein atypischer Fall auch vorläge, wenn die Genehmigung ausschließlich die Lagerung und Behandlung von (Abfall-)Material zuließe, dem von vorherein ein (stabiler) positiver Marktwert zukäme, kann offen bleiben. Nach nicht bestrittenen Feststellungen des Antragsgegners befinden sich auf dem Gelände der Antragstellerin häufig und für lange Zeit ungebrochene und unaufbereitete Abfälle; jedenfalls diesen kommt kein positiver Marktwert zu (vgl. für Bauschutt BVerwG, U.v. 13.3.2008 – 7 C 44/07 – juris Rn. 36). Das gleiche gilt für nach den Feststellungen eines Baustofflabors auf dem Gelände der Antragstellerin vereinzelt auch gelagerten Bauschutt mit dem Zuordnungswert „Z 1.2“ (vgl. Zwischenbericht BE003 der test2safe AG v. 26.5.2017, S. 9 und das als Anlage dort beigefügte Auswertungsblatt zum Haufwerk P524-HW003-8).
bb) Ein atypischer Fall liegt auch nicht deshalb vor, weil infolge eines ausreichenden sog. Eigenentsorgungskonzepts das Risiko einer Kostenlast der öffentlichen Hand nicht bestünde. Zwar dürfte es nicht ausgeschlossen sein, dass anderweitig bestehende Möglichkeiten der Abfallentsorgung die Notwendigkeit einer Festsetzung einer Sicherheitsleistung entfallen lassen können. Allerdings ist zu beachten, dass – wie hier vorgetragen – die bloße Möglichkeit, eine zur Verfüllung geeignete Grube des von der Antragstellerin verschiedenen Grundstückseigentümers zur Entsorgung zu benutzen, im Insolvenzfall auch einer Umsetzung bedarf, bei der Kosten anfallen. Eine Sicherheitsleistung ist daher nicht a priori entbehrlich, sondern hat auch in diesem Fall einer Einstandspflicht der öffentlichen Hand für diese Kosten vorzubeugen. Allerdings kann die Sicherheitsleistung gegebenenfalls in der Höhe geringer ausfallen (hierzu noch unter Nr. 4). Außerdem ist nicht ersichtlich, wie das vorgelegte Konzept rechtlich zugunsten des Antragsgegners abgesichert sein soll. Letztlich stellt es sich als eine Art Absichtserklärung dar, die nicht die notwendige rechtliche Sicherheit bietet, dass etwa die angebotene Grube anderweitig verfüllt wird und im Insolvenzfall daher nicht mehr zur Verfügung steht oder sich der Garantiegeber „rechtzeitig“ vom Vertrag löst.
cc) Ebenfalls liegt ein atypischer Fall nicht deshalb vor, weil das „Schwesterunternehmen“ der Antragstellerin als Eigentümer des Betriebsgrundstücks im Fall der Insolvenz möglicherweise von der Genehmigung als Realkonzession Gebrauch machen könnte. Im Fall der Insolvenz der Antragstellerin ist gerade unklar, ob und in welchem Umfang in dem Betrieb noch die notwendigen Gerätschaften – wie etwa eine Zerkleinerungsanlage (vgl. Nr. 3.2. des Leitfadens „Anforderungen an die Verwertung von Bauschutt in technischen Bauwerken“ v. 15.6.2005) – vorhanden sind, um den Abfall zu behandeln. Außerdem wäre der Antragsgegner in diesem Fall daran gebunden, das „Schwesterunternehmen“ mit der Abfallbehandlung zu beauftragen und könnte nicht ohne den Rückgriff auf öffentliche Finanzmittel auf dem Markt einen möglicherweise geeigneteren Fremdunternehmer auswählen und beauftragen.
2. Die Antragstellerin betreibt die Anlage (siehe oben unter Nr. 1a) und ist insoweit auch die richtige Adressatin der streitgegenständlichen Anordnung.
3. Die Anordnung der Sicherheitsleistung „soll“ erfolgen. Die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift macht deutlich, dass von dem Verlangen nach einer Sicherheitsleistung lediglich in atypischen Fällen abzusehen ist. Nur dann steht die Entscheidung im Ermessen der Behörde (BVerwG, U.v. 3.3.2016 – 7 B 44/15 – NVwZ 2016, 616 Rn. 15). Ein atypischer Fall, in dem die Anordnung einer Sicherheitsleistung als ermessensfehlerhaft anzusehen sein kann, kann vorliegen, wenn alle gelagerten Abfälle einen positiven Marktwert haben (vgl. OVG NW, U.v. 12.8.2015 – 8 A 2725/13 – juris Rn. 81; Wasielewski in Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Stand: Juni 2014, § 12 Rn. 32). Die von der Antragstellerin über einen beträchtlichen Zeitraum und in großer Menge auf ihrem Grundstück zum Zwecke der späteren Aufbereitung gelagerten Abfälle haben allerdings keinen oder jedenfalls keinen durchgängig positiven Marktwert.
Teilweise wird auch angenommen, dass ein atypischer Fall gegeben ist, wenn „der Betrieb ausschließlich zu Sekundärrohstoffen mit positiven Marktwert führt“ (Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, § 12 Rn. 21). Abgesehen davon, dass dies im vorliegenden Fall nicht anzunehmen ist, weil das Brechen von Bauschutt keine Herstellung eines Sekundärrohstoffs (vgl. OVG LSA, U.v. 25.8.2011 – 2 L 34/10 – juris Rn. 46; VG Augsburg, U.v. 27.2.2013 – 4 K 12.431 – juris Rn. 53), sondern allenfalls eines Produkts ist, ist jedenfalls auch im Rahmen dieser Fallgruppe zu berücksichtigen, dass der gegebenenfalls positive Marktwert nicht stabil sein muss und daher insoweit ein Risiko besteht, dass die öffentliche Hand im Fall der insolvenzbedingten Stilllegung des Betriebs mit Kosten belastet wird. Außerdem kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass das Material, welches bei der Antragstellerin zunächst gelagert wird, vor dem Aufbereitungsprozess einen positiven Marktwert hat (vgl. Wasielewski in Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Stand: Juni 2014, § 12 Rn. 32); insoweit besteht ein Kostenrisiko für die öffentliche Hand, dem durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung zu begegnen ist. Es ist insofern – anders als die Antragstellerin zu meinen scheint – nicht maßgeblich, ob die Aufbereitung zu Material führt, das dem Abfallrecht oder – wie bei Recycling-Baustoffen (vgl. Nr. 2 des Leitfadens „Anforderungen an die Verwertung von Bauschutt in technischen Bauwerken“ v. 15.6.2005 – Stichwort „Recycling-Baustoffe“) – als Produkt nicht dem Abfallrecht unterfällt.
Im Ergebnis ist der Antragsgegner daher berechtigt, dem Grunde nach eine Sicherheitsleistung festzusetzen.
4. Die gewählte Höhe der Sicherungsanordnung stößt ebenfalls nicht auf durchgreifende Bedenken. Der Antragsgegner hat seiner Berechnung eine zutreffende Menge an Abfall und einen vertretbaren Kostenansatz zugrunde gelegt.
a) Ausgangspunkt für die der Berechnung zugrunde zu legende Abfallmenge ist die maximal zulässige Lagerkapazität angenommener Abfälle (BVerwG, U.v. 13.3.2008 – 7 C 44/07 – juris Rn. 42). Es ist zulässig, wenn der Antragsgegner für die Festlegung der Sicherheitsleistung von dem Worst-Case-Szenario ausgeht, dass die maximal zulässige Lagerkapazität genutzt wird, und zwar für noch nicht aufbereitetes Material oder für nach Aufbereitung verbleibende Abfälle (Restfraktionen). Der Vortrag der Antragstellerin, bei der Festlegung einer Sicherheitsleistung sei zu berücksichtigen, dass Abfälle im Zuge der Behandlung ihre Abfalleigenschaft verlören und als Produkt keinen negativen Marktwert mehr hätten, kann dagegen nicht überzeugen. Im Ergebnis stellt die Antragstellerin mit ihrem Vortrag darauf ab, dass jedenfalls bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung die wegen des nicht mehr negativen Marktwerts erzielbaren Erlöse anzurechnen wären. Allerdings hat der Antragsgegner keine Verrechnung mit eventuellen Erlösen nach einer zunächst notwendigen Behandlung oder Verarbeitung vorzunehmen. Abgesehen davon, dass der Anlagenbetreiber im Fall der Betriebseinstellung diese Behandlung gerade nicht mehr vornimmt (NdsOVG, U.v. 16.11.2009 – 12 LB 344/07 – juris Rn. 42) und die öffentliche Hand die Behandlung oder Verarbeitung in der Regel nicht selbst erbringen kann und darf, würde bei Insolvenz des Anlagenbetreibers jedenfalls ein unternehmerisches Risiko hinsichtlich des jeweils konkret zu erzielenden Erlöses auf die öffentliche Hand übertragen (BayVGH, B.v. 30.9.2014 – 22 ZB 13.579 – juris Rn. 33; VG Augsburg, U.v. 27.2.2013 – 4 K 12.431 – juris Rn. 62). Gerade das soll aber durch eine Sicherheitsleistung verhindert werden. Vor diesem rechtlichen Hintergrund kommt es nicht darauf an, wie die von der Antragstellerin herangezogenen maßgeblichen Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 11. Mai 2010 auszulegen sind. Sie sind für das Gericht grundsätzlich ohnehin nicht verbindlich und es ist auch nicht erkennbar, dass sie im Rahmen einer Selbstbindung der Verwaltung in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) Außenwirkung erlangt hätten.
Ebenso wenig muss der Antragsgegner bei der Festlegung der Höhe der Sicherheitsleistung mindernd berücksichtigen, ob vor der Behandlung auch Abfall mit positivem Marktwert vorhanden ist – genauer: bei Eintritt des Sicherungsfalles vorhanden sein wird –, solange die Genehmigung sich nicht hierauf beschränkt. Eine Prognose für den künftigen und ungewissen Zeitpunkt des Eintritts des Sicherungsfalles lässt sich im Zeitpunkt des Erlasses der Sicherungsanordnung regelmäßig nicht treffen. Es besteht im Insolvenzfall nur eine allenfalls geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich nach erfolgter Betriebseinstellung überhaupt noch (Abfall-)Material auf der Anlage befindet, das einen positiven Marktwert besitzt (BayVGH, B.v. 30.9.2014 – 22 ZB 13.579 – juris Rn. 33; NdsOVG, U.v. 16.11.2009 – 12 LB 344/07 – juris Rn. 49). Zudem sind dessen Menge und Marktwert nicht prognostizierbar (BayVGH, B.v. 30.9.2014 – 22 ZB 13.579 – juris Rn. 33).
b) Eine Mengen- und damit Kostenreduktion wegen vorhandener Eigenentsorgungskapazitäten ist im vorliegenden Fall nach gegenwärtiger Einschätzung ebenfalls nicht geboten.
(1) Zwar kann die Ansicht des Antragsgegners nicht gänzlich überzeugen, wonach die Grube … wegen bestehender Kapazitätsgrenzen bei der Festsetzung einer Sicherheitsleistung nicht berücksichtigt werden kann. Wie er selbst ausführt (vgl. Bescheid vom 14.12.2017, S. 7), kann Bauschutt der Antragstellerin im Insolvenzfall durchaus in der Grube verfüllt werden. Legt man die Zahlen des Antragsgegners zugrunde, so käme es auf Basis der durchschnittlichen Verfüllmengen der letzten drei Jahre immerhin in Betracht, innerhalb eines Jahres 4.170 t der 25.000 t des bei der Antragstellerin gelagerten Bauschutts dort zu verfüllen. Im vorliegenden Fall können allerdings die Verfüllkapazitäten bei der mindernden Berücksichtigung der Höhe der Sicherheitsleistung deshalb außer Betracht bleiben, weil die Antragstellerin als Nichteigentümerin über die Nutzung der Grube nicht verfügen darf und auch nicht anderweitig sichergestellt ist, dass die Grube dauerhaft für eine Verfüllung im Insolvenzfall zur Verfügung steht.
(2) Der Umstand, dass in der Wertung der Antragstellerin die Grube einem „Schwesterunternehmen“ gehört, das mit ihr zusammen eine familiengeführte Unternehmensgruppe bildet, kann hieran nichts ändern. Es ist zwar angesichts der Nachnamensidentität der beiden Firmengeschäftsführer und der personellen Verflechtung der Unternehmen (so ist etwa Frau … Geschäftsführerin der antragstellenden … GmbH und Herr … dort Prokurist; im Unternehmen … GmbH & Co. … und … KG ist dieser über seine Funktion als Geschäftsführer der … GmbH als Komplementärin dem Unternehmen verbunden, während Frau … dort Prokuristin ist) nicht fernliegend, dass die unternehmerische Willensbildung der beiden Unternehmen in engem Verbund erfolgt und auf wechselseitige Interessen auch tatsächlich Rücksicht nimmt. Es ist aber weder vorgetragen noch erkennbar, dass zwischen den beiden Unternehmen eine rechtliche Verbundenheit besteht, die gewährleistet, dass im Insolvenzfall der Antragstellerin die Grube … von dem „Schwesterunternehmen“ zur Verfügung gestellt wird. Angesicht der in der Praxis vielfältigen Gestaltung von Unternehmensverbünden sowie der unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Definitionen des Konzernbegriffs (aktienrechtlich in § 18 AktG, handelsrechtlich in § 290 HGB, insolvenzrechtlich in § 3e Insolvenzordnung) wird man – entgegen der Ansicht des Antragsgegners – nicht ohne weiteres allein auf eines dieser Verständnisse rekurrieren können. Eine rein tatsächliche bzw. eine allein über Personenidentitäten gebildete Verbundenheit von rechtlich selbständigen Unternehmen ist jedoch nicht ausreichend, um vorhandene Entsorgungskapazitäten des einen Unternehmens dem anderen als eine die Sicherheitsleistung in der Höhe mindernde Option zurechnen zu können.
(3) Auch der vorgelegte Garantievertrag zwischen der Antragstellerin und der … GmbH & Co. Baustoffwerk und Maschinenvermietung KG ändert an dieser Bewertung nichts. Die gegenüber der Antragstellerin abgegebene Garantie vom 22. November 2017, im Insolvenzfall auf dem näher bezeichneten Grundstück lagernde Abfälle entsprechend den Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu verwerten oder hilfsweise der gemeinwohlverträglichen Beseitigung zuzuführen (§ 1 des Garantievertrags) und hierfür gegenüber Dritten, insbesondere auch dem Freistaat Bayern, keine Kosten geltend zu machen (§ 3 des Garantievertrags), stellt nicht zuverlässig sicher, dass im Insolvenzfall der öffentlichen Hand keine Kosten entstehen. Es ist unklar, ob der Vertrag unkündbar ist; er ist jedenfalls ausweislich seines § 5 und seines § 7 nicht unabänderlich – und schon damit für den Antragsgegner nicht verlässlich. Es kommt damit nicht darauf an, ob die … GmbH & Co. … und … KG als verlässlicher Garant überhaupt in Betracht kommt.
(4) Die von der Antragstellerin vorgetragene Möglichkeit, dass ein Teil des vorhandenen Materials zur Umsetzung einer an sie adressierten Nebenbestimmung eines Deponie-Stilllegungsbescheids verwendet werden kann, ist – entgegen der Ansicht des Antragsgegners – bei der Festlegung der Höhe der Sicherheitsleistung grundsätzlich zu berücksichtigen. Allerdings dürfte davon auszugehen sein, dass die Erfüllung der Nebenbestimmung durch einen Fremdunternehmer – anders als eine bloße Grubenverfüllung – nicht offensichtlich günstiger ist als die Entsorgung des auf dem Gelände der Antragstellerin gelagerten Abfalls. Jedenfalls bestehen daher bei der gegenwärtig notwendigen summarischen Prüfung auch insoweit keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids.
c) Die vom Antragsgegner angesetzten Preise in Höhe von 14,06 EUR pro Tonne sind grundsätzlich plausibel. Er hat im Ergebnis von sechs anderen Entsorgern Angebote „zur Entsorgung“ von durch AVV-Nummer gekennzeichneten Abfällen eingeholt, die sich auf dem Gelände der Antragsgegnerin befinden. Bereinigt um „Ausreißer“ und unter Berücksichtigung der bei einem Vor-Ort-Termin bestimmten Mengenverhältnisse der Abfälle hat er hieraus einen entsprechenden Kostendurchschnitt von 14,06 EUR pro Tonne (brutto) gebildet.
Dieser nachvollziehbare Ermittlungsweg wird nicht durch die von der Antragstellerin vorgelegten drei Angebote mit erheblich niedrigeren Tonnenpreisen (4,50 EUR zzgl. 19% MWSt. = 5,36 EUR) in Frage gestellt (Bl. 246 ff. der Behördenakte). Gleiches gilt für die mit Schriftsatz vom 11. Juli 2018 vorgelegten beiden Rechnungen. Im Wesentlichen dürfte sich die Preisdifferenz der Angebote daraus erklären, dass die Antragstellerin die Angebote nicht „zur Entsorgung“ von durch mehrere AVV-Nummern gekennzeichneten Abfällen eingeholt hat, sondern, soweit überhaupt erkennbar, nur „zur Aufbereitung und Vermarktung von vorsortiertem und gelagertem Bauschutt mit mobiler Brechanlage“ bzw. zu „Aufbereitung“ und „anschließendem Vertrieb“ eines „RW-1-Bauschuttgemisches AVV 170107 (…) lagernd auf dem Firmengelände“ der Antragstellerin, mit u.a. „der maximalen Kantenlänge vom 0,5 m“ und „abgetrennten Armierungen“. Diese Angebote sind im Leistungsumfang geringer und wohl weniger realitätsgerecht als die vom Antragsgegner eingeholten Angebote. Gleiches gilt für die vorgelegten Rechnungen aus dem Jahr 2018, die sich nur auf die Aufbereitung von Material auf dem Lagerplatz … beziehen.
d) Nach der Rechtsprechung dürfen bei der Festlegung der Höhe der Sicherheitsleistung Transportkosten berücksichtigt werden (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 16.11.2009 – 12 LB 344/07 – juris Rn. 43; VG Augsburg, U.v. 27.2.2013 – Au 4 K 12.431 – juris Rn. 63). Die vom Antragsgegner vorgenommene pauschale Transportkostenerhebung von 10% (zzgl. Mehrwertsteuer) dürfte vor diesem Hintergrund noch nicht unverhältnismäßig hoch sein, auch wenn in den zur Festlegung der Entsorgungskosten eingeholten Angeboten teilweise Transportkosten bereits veranschlagt sind.
Auch die zusätzliche Festsetzung des 10%igen Risikozuschlags (zzgl. Mehrwertsteuer) dürfte nach summarischer Bewertung ebenfalls wohl noch verhältnismäßig sein, obwohl damit insgesamt von der Antragstellerin die Zahlung von Zuschlägen in einer Höhe von 20% verlangt wird (vgl. insoweit BVerwG, U.v. 13.3.2008 – 7 C 44/07 – juris Rn. 41).
5. Die Form der Sicherheitsleistung ist in § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG nicht ausdrücklich geregelt. Auch wenn etwa eine dem § 18 Abs. 2 Deponieverordnung (DepV) – das ist eine auf § 43 Abs. 4 KrwG beruhende Rechtsverordnung, die den mit § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG vergleichbaren § 36 Abs. 3 KrwG konkretisiert – ähnliche Regelung im Bundes-Immissionsschutzgesetz fehlt, setzt der Antragsgegner nach seinem Ermessen – angeleitet vom Zweck der Vorschrift (vgl. Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) – die Art der Sicherheit fest. Da es Zweck der Vorschrift ist, sicherzustellen, dass die öffentliche Hand bei Zahlungsunfähigkeit des Betreibers einer Abfallentsorgungsanlage nicht die Sicherungs-, Sanierungs- und Entsorgungskosten zu tragen hat, ist es gerechtfertigt und ermessensgerecht, wenn er strenge Anforderungen an die zugelassene Art einer Sicherheitsleistung stellt. Die Sicherheitsleistung darf nur mit zu vernachlässigenden Ausfallrisiken behaftet sein, da sie andernfalls ihren Zweck verfehlt (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 21.12.2011 – OVG 11 S 62.11 – juris Rn. 7). Infolgedessen ist für eine ermessensgerechte Auswahl der Sicherungsart die Insolvenzsicherheit des Sicherungsmittels maßgeblich.
Vor diesem Hintergrund kann der Antragsgegner grundsätzlich alle in § 232 Abs. 1 BGB oder in § 18 Abs. 2 DepV vorgesehenen Arten der Sicherheit, aber auch solche zulassen, die damit vergleichbar sind. Es ist damit nicht zu beanstanden, wenn er – in sachlicher Anlehnung an § 18 Abs. 2 DepV – die Stellung einer Bürgschaft, insbesondere einer Konzernbürgschaft, einer Garantie oder eines Zahlungsversprechens oder eine andere gleichwertige Sicherheit verlangt (vgl. Wasielewski in Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Stand: Juni 2014, § 12 Rn. 35). Auch eine Patronatserklärung kann grundsätzlich ein ausreichendes Sicherungsmittel sein. Der Begriff der Patronatserklärung ist nicht legaldefiniert. Er bildet im zivilrechtlichen Sicherungsrecht den Oberbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Erklärungen einer Person (des Patrons), mit denen dieser ein Verhalten in Aussicht stellt oder verspricht, das die Aussichten auf Rückzahlung des dem Schuldner von einem Gläubiger gewährten Kredits verbessert (vgl. Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, Vor § 765 Rn. 49). Aus dem Zusammenhang des Bescheids (Pflicht zur Vorlage der Dokumente im Original beim Landratsamt, Nr. 2) ergibt sich, dass der Antragsgegner nur eine sogenannte „harte Patronatserklärung“ als Sicherungsmittel zulassen möchte. Bei einer solchen Erklärung übernimmt der Patron die vertragliche Verpflichtung, den Schuldner mit ausreichender Liquidität auszustatten und damit die freiwillige Erfüllung oder zwangsweise Durchsetzung der durch die Patronatserklärung gesicherten (zukünftigen) Forderung hinsichtlich der Kosten der Ersatzvornahme des Antragsgegners als künftigem Gläubiger gegen den Antragsteller als künftigem Schuldner zu ermöglichen. Wird die Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger übernommen, so handelt es sich um eine bürgschaftsähnliche Kapitalausstattungspflicht, die sich von der Verpflichtung des Bürgen oder Garanten dadurch unterscheidet, dass der Patron außerhalb der Insolvenz des Schuldners nicht zur Zahlung unmittelbar an den Gläubiger verpflichtet wird. Im Zweifel sichert dabei die Patronatserklärung allein gegen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit, nicht gegen das der Zahlungsunwilligkeit des Schuldners (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, Vor § 765 Rn. 50). Ein solches Sicherungsinstrument ist mit dem einer Bürgschaft vergleichbar und daher grundsätzlich zulässig.
Das Auswahlermessen hinsichtlich der im Bescheid genannten und von Gesetzes wegen auch zulässigen Sicherungsinstrumente ist nicht infolge einer Selbstbindung der Verwaltung durch die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 11. Mai 2010 begrenzt. Zwar findet in diesen Hinweisen die Patronatserklärung keine Erwähnung; doch ist den Hinweisen ein Verbot, eine Patronatserklärung als Sicherungsmittel (als eines von mehreren Instrumenten) anzubieten, nicht zu entnehmen. Unter der Überschrift „Form der Erbringung“ (Buchstabe D) werden Sicherheitsleistungen ausdrücklich nicht abschließend bezeichnet („in erster Linie“). Es ist auch nicht erkennbar, dass außerhalb der Vorgaben der Verwaltungsvorschriften eine Selbstbindung der Verwaltung der Gestalt entstanden sein könnte, dass eine Patronatserklärung nicht verlangt werden dürfe, zumal diese im Bescheid vom 14. Dezember 2017 gerade nicht als einzige Form der Sicherheitsleistung ausgewiesen ist.
Ebenso wie bei einer Bürgschaft setzt die Erreichung des Sicherungszwecks aber voraus, dass der Sicherungsgeber ausreichend solvent ist. Abgebildet wird diese Leistungsfähigkeit durch geeignete Rankings, an deren Vorliegen folglich auch der Antragsgegner anknüpfen darf. Rechtliche Bedenken bestehen allerdings im konkreten Fall hinsichtlich der Maßgabe, ein Ranking der „Initiative Finanzstandort Deutschland“ vorzulegen. Nach im Internet verfügbaren Informationen handelte es sich bei dieser ab dem Jahr 2003 bestehenden (Lobby-)Initiative um einen rechtsformlosen Zusammenschluss von Banken, Sparkassen und Verbänden, der in einer bis heute verfügbaren Broschüre konkrete Ratingstufen definiert hat, denen sich eine Bandbreite von Ausfallwahrscheinlichkeiten entnehmen lässt. Die Initiative ist offenbar seit dem Jahr 2011 nicht mehr aktiv (vergleiche die Berichter unter:
– https://de.wikipedia.org/wiki/Initiative_Finanzstandort_Deutschland;
– https://web.archive.org/web/20110709190308/http://www.heise.de/tp/artikel/35/35074/1.html).
Es ist nicht zulässig, ein Ranking zum Maßstab zu machen, das von einer Initiative stammt, die bereits seit rund sieben Jahren nicht mehr aktiv ist, und über dessen Qualität jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt daher Zweifel bestehen. Jedenfalls wäre für eine ermessensgerechte Ausübung des Bestimmungsrechts über das Sicherungsmittel eine nähere Auseinandersetzung mit der Qualität des Rankings zu verlangen.
6. Die Zwangsgeldandrohung ist ebenfalls rechtmäßig. Bei dem Bescheid vom 14. Dezember 2017 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit vollstreckbarem Inhalt (Art. 18, 19, 29 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG). Die Pflicht zur Vorlage einer Sicherheitsleistung in einer der im Bescheid aufgelisteten Formen ist eine Handlungsverpflichtung, die mittels Zwangsgeldandrohung durchgesetzt werden kann (Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG, Art. 39 BayVwVfG). Die Vollstreckung ist auch – zumindest hilfsweise – an die Bestandskraft des Bescheids geknüpft (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG). Das Zwangsgeld wurde entsprechend Art. 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwZVG ordnungsgemäß angedroht und ist auch in der Höhe nicht zu beanstanden (Art. 31 Abs. 2 Satz 1, Art. 36 Abs. 5 VwZVG, Art. 39 BayVwVfG). Die Anordnung ist auch im Übrigen verhältnismäßig (Art. 29 Abs. 3 VwZVG) und eine Fristsetzung von über drei Monaten ausreichend (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG; zum Ganzen VG Augsburg, U.v. 27.2.2013 – Au 4 K 12.431 – juris Rn. 69 ff.)
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Nach der zuletzt genannten Vorschrift können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die Entscheidung, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, steht im gerichtlichen Ermessen.
Im vorliegenden Fall verfangen die von der Antragstellerin vorgetragenen Ausführungen gegen das Ob und gegen die Höhe der Sicherheitsleistung nicht. Lediglich bei einer – von ihr weder gerügten noch in Anspruch genommenen – Modalität der Sicherheitsleistung erweist sich der Bescheid als rechtswidrig. Dieser Aspekt des streitgegenständlichen Bescheids ist mit Blick auf seinen Gesamtregelungsgehalt von sehr untergeordneter Bedeutung. Dies rechtfertigt es, die Kosten trotz eines Teilobsiegens vollständig der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Bedeutung der Sache liegt für die Antragstellerin einerseits unterhalb des Betrags der festgesetzten Sicherheitsleistung in Höhe von 501.900 EUR. Die unweigerlich bestehende Ungewissheit über einen Eintritt des Sicherungsfalls in der Zukunft verringert die Bedeutung der Sache für sie in der Gegenwart. Andererseits ist der Streitwert nicht auf den bloßen Betrag der Finanzierungskosten der Sicherheitsleistung beschränkt, da auf diese Weise die Folgen eines Eintritts des Sicherungsfalles gänzlich ohne Berücksichtigung blieben. Es ist daher bedeutungsangemessen, den Streitwert grundsätzlich auf ein Viertel der Sicherheitsleistung zu beschränken und demnach im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu halbieren.


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