Europarecht

Hauptsacheerledigung nach Ablauf der Überstellungsfrist, Kostenentscheidung zulasten Kläger, Rückführung nach Rumänien

Aktenzeichen  AN 17 K 22.50170

Datum:
20.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15848
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2
III-VO Art. 29 Abs. 2, Art. 18

 

Leitsatz

Tenor

1. Das zunächst unter dem Aktenzeichen AN 15 K 21.30065 und nunmehr unter dem Aktenzeichen AN 17 K 22.50170 geführte Verfahren wird eingestellt.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger, ein 1992 geborener syrischer Staatsangehöriger, wendet sich mit seiner am 28. Januar 2021 erhobenen Klage gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. Januar 2021, mit dem sein Asylantrag als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG abgelehnt worden ist, nachdem er ausweislich eines EURODAC-Treffers zuvor in Rumänien einen Asylantrag gestellt hatte. Rumänien hatte auf Ersuchen des Bundesamts vom 21. Dezember 2020 der Übernahme des Klägers am 4. Januar 2021 nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO zugestimmt. Nach Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO hob das Bundesamt den angefochtenen Bescheid am 13. Juli 2021 auf und stimmte der zu erwartenden Erledigungserklärung vorab zu. Die Klägerseite erklärte die Hauptsacheerledigung sinngemäß mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022.
II.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
In der Regel entspricht es billigem Ermessen, demjenigen Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, der – nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage – ohne die Erledigung im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre.
Hebt eine Behörde den angefochtenen Bescheid auf, ist dies regelmäßig ein Anzeichen dafür, dass sie im Rechtstreit unterlegen wäre und mit der Aufhebung des Bescheids einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung zuvorkommt. Gleichwohl ist es vorliegend als billig anzusehen, dem Kläger die Kosten des Verfahren aufzuerlegen. Mit der Bescheidsaufhebung bringt die Beklagte hier nämlich nicht zum Ausdruck, dass sie von ihrer Rechtsauffassung abrückt und dem Kläger in der Sache nachgibt. Vielmehr beruht die Bescheidsaufhebung ausschließlich auf dem zwischenzeitlichen Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage wäre die Klage – ohne den Ablauf der Überstellungsfrist – voraussichtlich abzuweisen gewesen. Nach Aktenlage war Rumänien aufgrund der dortigen ersten Asylantragstellung im Dublin-Raum zur Rückübernahme des Klägers nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) bzw. c), Art. 23 Dublin III-VO verpflichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. B.v. 28.7.2021 – AN 17 S 21.50168; B.v. 9.9.2921 – AN 17 S 21. 50195) und der ganz überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (VG München, B.v. 27.11.2020 – M 1 S 20.50531; VG Würzburg, B.v. 7.10.2019 – W 8 S 19.50715; VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 – RO 6 K 17.52358; VG Lüneburg, U.v. 13.3.2019 – 8 B 51/19; VG Aachen, B.v. 21.9.2018 – 6 L 1144/18.A – alle juris; a.A. VG Köln, B.v. 30.11.2020 – 20 L 1980/20.A – juris) stehen der Durchführung des Asylverfahrens in Rumänien auch keine systemischen Mängel entgegen. Die Klage wäre bei zeitgerechter Entscheidung deshalb voraussichtlich abzuweisen gewesen.
Unabhängig von der formalen Rechtsfrage, ob bereits mit dem Ablauf der Überstellungsfrist oder erst mit der Aufhebung des Bescheids infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist sich die Hauptsache erledigt hat (vgl. hierzu in einzelnen BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 3 ZB 20.50004/50005 – juris Rn. 5; VG Ansbach, B.v. 4.6.2021 – AN 17 K 19.50816; VG Frankfurt/Oder, B.v. 15.12.2017 – 2 K 1092/17.A – juris Rn. 7 ff.; VG Dresden, B.v. 16.5.2019 – 1 K 2225/18.A – juris Rn. 4; a.A. BayVGH, B.v. 30.3.2015 – 21 ZB 15.50026 – juris Rn. 2; B.v. 22.11.2017 – 9 ZB 17.50037 – juris Rn. 3), entspricht es aufgrund allgemeiner Gerechtigkeitserwägungen der Billigkeit, die Kosten in der vorliegenden Konstellation dem Kläger aufzuerlegen. Der gesetzliche Fristablauf ist einerseits der Beklagten nicht anzulasten, zumal nicht das Bundesamt selbst, sondern die zuständige Ausländerbehörde die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes umzusetzen hat. Die Frist ist andererseits ohne anzuerkennendes Zutun des Klägers abgelaufen, so dass kein Grund ersichtlich ist, ihn kostenmäßig hiervon profitieren zu lassen (vgl. i.d.S., d.h. abstellend auf den Hintergrund der Erledigung auch BVerfG, B.v. 10.1.2022 – 2 BvR 679/21 – juris Rn. 4; a.A. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 3 ZB 20.50004/50005 – juris Rn. 7, a.A. auch bisherige Rechtsprechung der Kammer, die nicht aufrechterhalten wird).
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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