Europarecht

Irreführende Werbung für Futtermittel

Aktenzeichen  20 CS 20.319

Datum:
14.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40498
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 767/2009 Art. 11
LFGB § 19, § 39 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Bewerbung der Herstellung von Futtermitteln mit der Verwendung von  „Rohstoffen nach Lebensmittelkriterien“ ist nur zulässig, sofern Nachweise vorgelegt werden, dass der Hersteller die entsprechend beworbenen Rohwaren als Lebensmittel bezogen hat. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Bewerbung von Futtermittel als „in Metzgerqualität“  ist nur zulässig, sofern Nachweise vorgelegt werden, dass die Herstellung des Produktes in einem handwerklichen Metzgereibetrieb erfolgt.  (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 14 S 19.2388 2020-01-29 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung von Maßnahmen gegen Kennzeichnungsverstöße.
Mit Bescheid vom 27. September 2019, der Antragstellerin zugestellt am 2. Oktober 2019, traf die Regierung von Oberbayern gegenüber dem Geschäftsführer der Antragstellerin in Ziff. 1 folgende Anordnungen:
„1. Sie als Verantwortlicher der Antragstellerin werden verpflichtet, bis zum 15. Januar 2019 sämtliche für den Verkehr bestimmte Futtermittel Ihres Unternehmens auf die ordnungsgemäße Kennzeichnung hin zu überprüfen und so anzupassen, dass diese den gesetzlichen Vorgaben der Art. 11 ff. der VO (EG) Nr. 767/2009 wie folgt entsprechen:
1.1 Eine Bewerbung mit „Rohstoffe nach Lebensmittelkriterien“, „Fleischqualität in Lebensmittelstandard“, „Rohstoffe in Lebensmittelqualität“ bzw. mit vergleichbaren Aussagen zu Rohstoffen, die auf eine besondere Qualität unter Bezugnahme auf Lebensmittel hinweisen, ist nur zulässig, sofern Nachweise vorgelegt werden können, dass der Hersteller die entsprechend beworbenen Rohwaren als Lebensmittel bezogen hat.
1.2 Eine Bewerbung „in Metzgerqualität“ bzw. „vom Metzgermeister“ ist nur zulässig, sofern Nachweise vorgelegt werden können, dass die Herstellung des Produktes in einem handwerklichen Metzgereibetrieb erfolgt.“
Der Beklagte ordnete zugleich die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 an.
Den von der Antragstellerin erhobenen Antrag auf Wiederherstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Januar 2020 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage für die in Ziff. 1 des Bescheides getroffenen futtermittelrechtlichen Anordnungen seien Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 882/2004 i.V.m. § 39 Abs. 1 und 2 sowie § 19 LFGB und Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 767/2009. Art. 2 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 178/2002 definiere ein Lebensmittel dahingehend, dass darunter alle Stoffe oder Erzeugnisse zu verstehen seien, die dazu bestimmt seien oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen würden. Als Gegenstück dazu definiere Art. 3 der VO (EG) Nr. 1069/2009 tierische Nebenprodukte dahin, dass darunter ganze Tierkörper oder Teile von Tieren oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs bzw. andere von Tieren gewonnene Erzeugnisse, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt seien, einschließlich Eizellen, Embryonen und Samen, zu verstehen seien. Die fehlende Bestimmung für den menschlichen Verzehr sei also gerade kennzeichnend für das tierische Nebenprodukt, während spiegelbildlich die Bestimmung für den menschlichen Verzehr kennzeichnend für das Lebensmittel sei. Daher sei ein Erzeugnis, das nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sei, kein Lebensmittel. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher erwarte bei der von der Antragsgegnerin praktizierten bzw. angestrebten Kennzeichnung die Einhaltung der erhöhten Anforderungen eines Lebensmittels. Beziehe ein Hersteller, wie vorliegend, K3-Material, so entspreche es vor diesem Hintergrund nicht den Tatsachen, wenn die Antragstellerin mit der Kennzeichnung des Futtermittels eine besondere Qualität unter Bezugnahme auf Lebensmittel suggeriere. Die Anordnung in Ziff. 1.1 des Bescheides vom 27. September 2019 nehme auch Rücksicht darauf, dass bei tatsächlichem Bezug von Lebensmitteln als Rohstoffe, was etwa mittels Lieferscheinen nachgewiesen werden könne, eine entsprechende Kennzeichnung und Bewerbung stattfinden dürfe. Damit liege es in der Hand der Antragstellerin bzw. der Herstellerfirma, durch entsprechende Vorkehrungen hierfür Sorge zu tragen, wenn weiterhin eine derartige Kennzeichnung gewollt sei. Die Anordnung untersage der Antragstellerin die Kennzeichnung gerade nicht generell.
Die Verbrauchervorstellung bei den Begriffen „Metzger“ und „Metzgermeister“ sei nicht personenbezogen dergestalt, dass es ausreiche, wenn Geschäftsführer und Produktionsleiter und einzelne Mitarbeiter eine derartige Qualifikation vorweisen könnten. Vielmehr komme es auf den tatsächlichen Herstellungsprozess für das beworbene Produkt an (vgl. ausführlich LG Offenburg, U.v. 15.9.2017 – 5 O 54/16 KfH -, juris Rn. 43 ff.). Stelle sich dieser Prozess als ein handwerklicher dar, so verbinde der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher damit eine besondere Qualität, für die er auch einen höheren Preis zu zahlen bereit sei. Bei einer industriellen Fertigung, bei der nahezu alle oder jedenfalls die überwiegende Mehrzahl an Arbeitsschritten maschinell erfolge und für eine handwerkliche Tätigkeit kaum oder wenig Raum bleibe, sei das dagegen nicht der Fall. Der Antragstellerin sei lediglich insoweit Recht zu geben, als es für die Abgrenzung von handwerklicher Fertigung zu industrieller Fertigung nicht entscheidend auf die Größe des Herstellerbetriebes ankommen dürfe. Auch bei größeren Betrieben sei eine handwerkliche Fertigung der konkreten Erzeugnisse denkbar. Nach den Feststellungen des Antragsgegners, der mit einer Kontrolle vor Ort im Herstellerbetrieb gewesen sei, handele es sich vorliegend um keine handwerkliche, sondern eine industrielle Fertigung. Diese Feststellungen seien von der Antragstellerin nicht substantiiert bestritten worden. Insbesondere habe die Antragstellerin keinerlei Nachweise vorgelegt, warum die Fertigung im Produktionsbetrieb eine handwerkliche darstelle.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Denn die geltend gemachten und dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Nachprüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid.
Rechtsgrundlage für die in Ziff. 1 des Bescheides getroffenen Anordnungen sind Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 882/2004 i.V.m. § 39 Abs. 1 und 2 sowie § 19 LFGB und Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 767/2009. Danach kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn ein Unternehmer Futtermittel, deren Kennzeichnung oder Aufmachung den Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 nicht entspricht, in den Verkehr bringt oder für solche Futtermittel allgemein oder im Einzelfall wirbt. Nach Art. 11 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 dürfen Kennzeichnung und Aufmachung von Futtermitteln den Verwender nicht irreführen, insbesondere hinsichtlich des vorgesehenen Verwendungszwecks oder der Merkmale des Futtermittels, insbesondere der Art, des Herstellungs- oder Gewinnungsverfahrens, der Beschaffenheit, der Zusammensetzung, der Menge, der Haltbarkeit oder der Tierarten oder -kategorien, für die es bestimmt ist.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass ein Erzeugnis, das nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, kein Lebensmittel ist. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher erwartet bei der von der Antragsgegnerin praktizierten bzw. angestrebten Kennzeichnung des Tierfutters „in Lebensmittelqualität“ und ähnlichen Formulierungen, welche allesamt an den Begriff „Lebensmittel“ anknüpfen, die Einhaltung der erhöhten Anforderungen eines Lebensmittels. Wird ein Erzeugnis in Lebensmittelqualität beworben und in den Verkehr gebracht, so erwartet der Durchschnittsverbraucher, dass dieses Lebensmittel die Anforderungen, welche an ein Lebensmittel gestellt werden, erfüllt; hierzu gehören auch die gesetzlichen Anforderungen. Bei der Unterscheidung von Lebensmitteln und Futtermitteln ist nach den gesetzlichen Vorschriften maßgeblich auf die objektive Zweckbestimmung abzustellen. Bezieht die Antragstellerin zur Tierfuttermittelherstellung nicht nachweislich Lebensmittel, die dieser Zweckbestimmung entsprechen, so ist die Verwendung einer entsprechenden oder gleichwertigen Bezeichnung eine Irreführung des Verbrauchers hinsichtlich der Beschaffenheit und der Zusammensetzung des Futtermittels und kann von der Behörde untersagt werden.
Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen können diese Bewertung nicht entkräften.
Soweit die Antragstellerin meint, dass aus dem Bescheid des Antragsgegners nicht ersichtlich sei, welche tierischen Nebenprodukte aus K-3-Material sie von einem bestimmten Hersteller beziehe, so kommt es auf diese tatsächliche Einwendung nicht an. Sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht haben maßgeblich darauf abgestellt, dass es der Antragstellerin als Herstellerin bei der Verwendung des Begriffs „in Lebensmittelqualität“ obliegt nachzuweisen, dass sie die Rohwaren als Lebensmittel bezogen hat. Dass sie hierzu ihren Angaben zufolge nicht in der Lage ist, weil dem Hersteller der Produkte es nicht möglich sei, Lieferscheine zu erhalten, die den Bezug von Lebensmitteln nachweisen, liegt in ihrem Verantwortungsbereich.
Nicht anders verhält es sich mit der von der Antragstellerin angegriffenen Ziff. 1.2 des Bescheides des Beklagten. Hier wurde der Antragstellerin lediglich aufgegeben, bei Verwendung der Bewerbung in „Metzgerqualität“ bzw. „vom Metzgermeister“ Nachweise vorzulegen, dass die Herstellung des Produktes in einem handwerklichen Metzgereibetrieb erfolgt. Denn ein Gewerbebetrieb ist nach § 1 Abs. 2 HwO ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Deswegen ist es nicht ausreichend, wenn Metzger- oder Fleischermeister im Betrieb der Antragstellerin oder im Betrieb ihrer Lieferanten lediglich an der Produktion mitwirken. Erforderlich vielmehr ist, dass diese handwerksmäßig betrieben wird. Auch hier obliegt es der Antragstellerin, bei Verwendung der streitgegenständlichen Bewerbung entsprechende Nachweise vorzulegen. Ist sie dazu nicht in der Lage, geht dies zu Ihren Lasten. Ob die Fertigung der Produkte der Antragstellerin in ihrem Betrieb bzw. im Betrieb ihrer Lieferanten tatsächlich einer industriellen Fertigung oder einer handwerklichen Herstellung zuzuordnen sind, ist ggf. durch eine Beweisaufnahme in einem Hauptsacheverfahren zu überprüfen. Der Vortrag der Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung war jedenfalls nicht in der Lage, die entsprechenden Feststellungen des Antragsgegners zu erschüttern.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert war nach § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Höhe des hälftigen Auffangstreitwerts festzusetzen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 VwGO.


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