Europarecht

Kein Normenkontrollantrag auf Ergänzung einer vorhandenen Norm zur angestrebten Gleichstellung mit Genesenen (COVID-19)

Aktenzeichen  20 NE 21.2609

Datum:
22.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40061
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 47 Abs. 6, § 123
14. BayIfSMV § 3, § 18 Abs. 2
SchAusnahmV § 2 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Zielt ein Normenkontrollantrag auf Ergänzung einer vorhandenen Norm, ist der Weg der Normenkontrolle nicht eröffnet. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Eilantrag, der über die Außervollzugsetzung hinausgeht, ist jedenfalls dann unstatthaft, wenn es dem Antragsteller aus Gleichbehandlungsgründen nicht auf die Beseitigung der Vergünstigung einer bestimmten Personengruppe ankommt, sondern auf das Erreichen der streitigen Vergünstigung. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Ziel, Genesenen gleichgestellt zu werden, kann auch im Wege der Erteilung einer Ausnahme nach § 18 Abs. 2 14. BayIfSMV verfolgt werden, bei deren Versagung dem Antragsteller der einstweilige Rechtsschutz nach § 123 VwGO offen steht. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit seinem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt der Antragsteller das Ziel, den Vollzug von § 3 (Geimpft, genesen, getestet (3G)) der Vierzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 1 September 2021 in der Fassung vom 16. November 2021 (BayMBl. Nr. 615 und Nr. 799, im Folgenden: 14. BayIfSMV) vorläufig auszusetzen.
Der Antragsteller will mit seinem Antrag erreichen, dass Personen wie er selbst, die bereits an COVID-19 erkrankt waren und dies durch einen entsprechenden Antikörpertest nachweisen können, gleich behandelt werden mit denjenigen Personen, die aufgrund eines positiven PCR-Tests als geheilt gelten und unter den Anwendungsbereich von § 3 14. BayIfSMV fallen.
Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen und beantragt dessen Ablehnung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist bereits unzulässig.
Rechtsschutzziel des Antragstellers ist nach eigenen Angaben, dass Personen wie er, die bereits an COVID-19 erkrankt waren und dies durch einen entsprechenden Antikörpertest nachweisen können, gleich behandelt werden mit denjenigen Personen, die aufgrund eines positiven PCR-Tests als geheilt gelten und unter den Anwendungsbereich von § 3 14. BayIfSMV fallen, mit der Folge, dass er Genesenen i.S.d. § 3 14. BayIfSMV i.V.m. § 2 Nr. 4 SchAusnahmV gleichgestellt wäre. Damit macht der Antragsteller im Kern jedoch einen Normergänzungsanspruch geltend, der nicht im Wege der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO durchgesetzt werden kann. Zielt ein Normenkontrollantrag auf Ergänzung einer vorhandenen Norm, ist der Weg der Normenkontrolle nicht eröffnet. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt den Ausspruch auf die Erklärung der (Teil-)Unwirksamkeit, mithin die (Teil-)Kassation. Eine Ergänzung des Tenors über die Feststellung der Unwirksamkeit hinaus ist nicht möglich (vgl. BVerwG, B.v. 14.7.2011 – 4 BN 8.11 – juris Rn. 5). Es ist nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung grundsätzlich dem Normgeber vorbehalten, welche Konsequenzen er aus der gerichtlich festgestellten Fehlerhaftigkeit zieht. Entsprechendes gilt für den Eilantrag. Ein Eilantrag, der über die Außervollzugsetzung hinausgeht, ist unstatthaft (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1316 – BeckRS 2020 Rn. 14). Das gilt jedenfalls dann, wenn es dem Antragsteller, wie hier, aus Gleichbehandlungsgründen nicht auf die Beseitigung der Vergünstigung einer bestimmten Personengruppe ankommt, sondern auf das Erreichen der streitigen Vergünstigung. Dies kann er durch einen Antrag auf Außervollzugsetzung nicht erreichen.
In Betracht käme vielmehr in der Hauptsache ein entsprechendes Feststellungsbegehren. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass für eine in Ausnahmefällen und aus Gründen der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) gebotene Klage zur Überprüfung untergesetzlicher Normen oder auf Tätigwerden des untergesetzlichen Normgebers die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) die zutreffende Klageart ist. Tragend hierfür ist die Erwägung, dass das Rechtsschutzbegehren damit wirksam zur Geltung kommt, ohne dass es prozessual in das Gewand einer einklagbaren „Leistung” des Normsetzers gekleidet wird; damit wird zugleich dem im Gewaltenteilungsgrundsatz begründeten Respekt vor den Recht setzenden Organen Rechnung getragen, demzufolge auf deren Entscheidungsfreiheit gerichtlich nur in dem für den Rechtsschutz des Bürgers unumgänglichen Umfang eingewirkt werden soll (BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 9 C 10.07 – BeckRS 2008, 31089).
Nachdem aber ein Rechtsanspruch auf Tätigwerden des Normgebers ausscheidet, wenn dem Betroffenen ein anderer, vorrangig zu verfolgender Weg zur Erreichung des von ihm verfolgten Ziels zur Verfügung steht (BVerwG, U.v. 28.11.2007, a.a.O.), kann der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren nicht im Wege eines Eilantrags auf Normergänzung nach § 123 VwGO erreichen. Sein Ziel kann er vielmehr auch im Wege der Erteilung einer Ausnahme nach § 18 Abs. 2 14. BayIfSMV verfolgen, bei deren Versagung dem Antragsteller der einstweilige Rechtsschutz nach § 123 VwGO offen steht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Eilantrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.


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