Europarecht

Keine Ansprüche auf Schadensersatz bei Kauf eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen PKW bei Kenntnis des Käufers

Aktenzeichen  24 O 419/19

Datum:
24.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22662
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263

 

Leitsatz

1. Ansprüche aus dem Kauf eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen PKW, der mit dem Motor des Typs EA 189 ausgestattet ist, bestehen nicht, wenn der Kauf in Kenntnis der Manipulation erfolgt ist. (Rn. 25 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund der seitens der Volkswagen AG erfolgten Maßnahmen nach Bekanntwerden des sogenannten Abgasskandals ist von einer sittenwidrigen Schädigung zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses im April 2016 nicht mehr auszugehen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 22.591,68 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
A.
I.
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz zu, da sie bei Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowohl von dem Vorhandensein der in Rede stehenden Software als auch dem Erfordernis eines „Updates“, welches auch aufgespielt wurde, Kenntnis hatte (OLG Oldenburg (2. Zivilsenat), Urteil vom 28.05.2019 – 2 U 34/19 unter Verweis auf eine Vielzahl weiterer Entscheidungen).
Im Einzelnen:
I.
Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 823, 31 BGB i. V. m. § 263 StGB scheitert bereits daran, dass die Erregung eines Irrtums bei der Klägerin, die Kenntnis dieser Tatsachen hatte, schon begrifflich ausgeschlossen ist. Wie sich aus der Anlage K1, der verbindlichen Bestellung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, ergibt, wurde die Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrags auf die Betroffenheit des Fahrzeugs von der EA189-Problematik hingewiesen.
II.
Auch ein Anspruch aus § 826 BGB scheitert mangels Sittenwidrigkeit der Schädigungshandlung.
Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob die Handlung nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.1999 – VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361 Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 157; Urteil vom 03.12.2013 – XI ZR 295/12, WM 2014, 71, Rn. 23 m. w. N.). Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380, Rn. 8 m. w. N.). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2010 – VI ZR 124/09, WM 2010, 2256, Rn. 12 Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, WM 2012, 2377, Rn. 25 jeweils m. w. N.). Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler BGB [2014] § 826, Rn. 31).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze – denen das Gericht folgt – kann das Verhalten der Beklagten im konkreten Fall nicht mehr als sittenwidrig zu qualifizieren sein. Denn die Kläger wusste von dem Vorhandensein der Software und dem Umstand, dass zur Erhaltung der Zulassung auf Veranlassung des KBA ein „Softwareupdate“ aufgespielt werden sollte. Von dem Verkäufer war sie über diese Umstände aufgeklärt worden.
Die durch den behauptet wirtschaftlich nachteiligen Vertrag begründete Verbindlichkeit war für die Klägerin somit ersichtlich nicht ungewollt, im Gegenteil. In voller Kenntnis der Situation entschied sich die Klägerin dazu, das Fahrzeug zu erwerben. In diesem Kontext verstößt das ursprüngliche Handeln der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin nicht gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender“. Unbeachtlich ist hierbei, dass sie zum damaligen Zeitpunkt die Auswirkungen und den Fortgang des „Abgasskandals“ nicht absehen konnte (hierzu Oberlandesgerichts Dresden vom 24.07.2019 – Az.: 9 U 2067/18).
Ohnehin wird auf Grund der seitens der Beklagten erfolgten Maßnahmen mit einer großflächigen Information mittels Presseberichterstattung und Information des Händlernetzes von einer sittenwidrigen Schädigung zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses im April 2016 nicht mehr auszugehen sein (u.a. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 156/19).
III.
Für die weiteren behaupteten Ansprüche nach §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. weiteren Schutzgesetzen gilt das oben Gesagte entsprechend.
Es fehlt an einem Zurechnungszusammenhang zwischen einer etwaigen Verletzung des Schutzgesetzes und dem entstandenen Schaden. Ursächlich für eine Schadensentstehung ist vielmehr ein eigenverantwortliches Handeln der Klägerin in Kenntnis aller Umstände.
IV.
Da ein Anspruch auf Schadensersatz nicht besteht, ist auch der über die auf Grund der widersprochenen teilweisen Erledigterklärung zu entscheidende Antrag auf Feststellung der Erledigung unbegründet.
Da ein Anspruch auf Schadensersatz und Rückabwicklung nicht besteht, besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Feststellung eines Annahmeverzugs bzw. des Herrührens aus einer unerlaubten Handlung.
Aus den gleichen Gründen war auch der Hilfsantrag abzuweisen.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 ZPO.
C.
Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO, 63 GKG festgesetzt.
Verkündet am 24.02.2020


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