Europarecht

Keine Bedeutung der Rechtssache

Aktenzeichen  9 ZB 15.50104

Datum:
24.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 113661
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 27a, § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Die rechtswidrige Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach § 27a AsylG (aF) kann wegen der ungünstigeren Rechtsfolgen nicht in eine (negative) Zweitantragsentscheidung nach § 71a AsylG – oder in eine andere (rechtmäßige) Entscheidung – umgedeutet werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist ein Mitgliedstaat nach den einschlägigen Dublin-Bestimmungen für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig, kann sich der Schutzsuchende im gerichtlichen Verfahren gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylG (aF) jedenfalls dann auf die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaats berufen, wenn die (Wieder-) Aufnahmebereitschaft eines anderen (unzuständigen) Mitgliedstaats nicht positiv feststeht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 5 K 15.50118 2015-03-13 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) hat keinen Erfolg.
1. Die Frage,
„ob sich eine in der Bescheidsbegründung (nur) auf § 27a AsylVfG (Anm.: a.F.) beziehende asylrechtliche Ablehnungsentscheidung nach ihrem Regelungsgehalt in der bloßen Feststellung der internationalen Verfahrenszuständigkeit und einer darauf gründenden Antragsablehnung erschöpft
oder
darüber hinausgehend eine solche Antragsablehnung vielmehr, weil auf die Verneinung eines inhaltlichen Prüfungsanspruchs gerichtet, einen insgesamt diesen ablehnenden Verwaltungsakt darstellt“
ist nicht klärungsbedürftig.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die rechtswidrige Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach § 27a AsylG (a.F.) wegen der ungünstigeren Rechtsfolgen nicht in eine (negative) Zweitantragsentscheidung nach § 71a AsylG – oder in eine andere (rechtmäßige) Entscheidung – umgedeutet werden kann. Eine Entscheidung nach § 27a AsylG (a.F.) führt nur zur Überstellung des Asylsuchenden in einen anderen – zur Prüfung seines Asylantrags zuständigen – „sicheren“ Dublin-Staat (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2015 – 1 C 4.15 – BVerwGE 153, 234 = juris Rn. 32; ebs. U.v. 9.8.2016 – 1 C 6.16 – NVwZ 2016, 1492 = juris Rn. 21).
2. Die Frage,
„ob der Asylantragsteller überhaupt gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG (Anm.: a.F.) deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist
und
ob dies insbesondere bereits dann gilt, wenn in tatsächlicher Hinsicht noch gar nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt“
ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenfalls geklärt.
Nach den nicht bestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ging die Zuständigkeit für die Prüfung des klägerischen Antrags auf internationalen Schutz mit Ablauf der Überstellungsfrist auf die Bundesrepublik Deutschland über. Ist aber ein Mitgliedstaat nach den einschlägigen Dublin-Bestimmungen für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig, kann sich der Schutzsuchende im gerichtlichen Verfahren gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylG (a.F.) jedenfalls dann auf die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaats berufen, wenn die (Wieder-)Aufnahmebereitschaft eines anderen (unzuständigen) Mitgliedstaats nicht p o s i t i v feststeht (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – NVwZ 2016, 1495 = juris Rn. 20 ff.). Hiervon ausgehend bedurfte es keiner eigenen Ermittlungen des Verwaltungsgerichts zu einer möglicherweise noch fortbestehenden Übernahmebereitschaft des unzuständigen Mitgliedstaats; eine tatsächlich bestehende (Wieder-) Aufnahmebereitschaft wurde auch im Zulassungsverfahren nicht substantiiert dargelegt.
3. Die Frage,
„ob dem Bundesamt die für die Zulässigkeit eines Antrags auf Zulassung der Berufung nötige Beschwer bei erfolgter gerichtlicher Aufhebung eines sog. Dublin-Bescheids in Ziffer 1 wegen Ablaufs der Frist zur Überstellung in den bislang zuständigen Mitgliedstaat fehlt“
führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsverfahren dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124 Rn. 36 m.w.N.). Daran fehlt es, weil die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage – wie sie selbst einräumt – für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich war und auch nicht sein konnte. Davon abgesehen hat der Senat den gegenständlichen Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung nicht wegen fehlender Beschwer abgelehnt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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