Europarecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerb in Litauen

Aktenzeichen  AN 18 K 18.50471

Datum:
19.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34336
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Art. 12 Abs. 4
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 31 Abs. 3 S. 1, § 77 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, 7 S. 1
VO (EU) Art. 12 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 5, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 166

 

Leitsatz

Das litauische Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber weisen keine systemischen Mängel auf, sodass keine Umstände vorliegen, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Bundesrepublik rechtfertigen. (Rn. 15 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis beider Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO. Der Kläger erklärte sein Einverständnis hierzu mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 13. Juni 2019, die Beklagte mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017.
Die Klage bleibt – bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) – ohne Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
A. Die Klage ist hinsichtlich beider Klageanträge (Ziffer 1 – Anfechtungsbegehren; Ziffer 2 -Verpflichtungsbegehren) zulässig. Die Anfechtungsklage ist gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrages nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die alleinige statthafte Klageart (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9.17 – juris). Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur weiteren Prüfung der Anträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtschutzziel. Diese Überlegungen stehen indes nicht der Zulässigkeit einer (hilfsweise) gestellten Verpflichtungsklage hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen, da insoweit durch das Bundesamt bereits eine Sachprüfung stattgefunden hat. Die Feststellung von Abschiebungsverboten stellt einen eigenen Streitgegenstand dar, über dessen Vorliegen das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG neben der Unzulässigkeitsentscheidung zu befinden hat. Dementsprechend kann dieser Streitgegenstand durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage (hilfsweise) mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris, Rn. 20).
Trotz der zwischenzeitlichen Überstellung nach Litauen hat der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Insbesondere hat sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Ziffern 3) nicht erledigt. Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist. Dies ist hinsichtlich der Abschiebungsanordnung, wie sich schon aus § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG ergibt, nicht der Fall. Diese ist auch weiterhin Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung. Ist diese Abschiebung rechtswidrig, kann dies einen Folgenbeseitigungsanspruch auslösen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22. September 2016 – 13 A 2448/15. A -, BeckRS 2016, 52566 m.w.N.). Im Falle einer Überstellung in einen europäischen Mitgliedstaat folgt dies auch aus Art. 29 Abs. 3 Dublin III-​Verordnung, wonach dann, wenn eine Person irrtümlich überstellt worden ist oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellungsentscheidung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird, die Person von dem Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, unverzüglich wieder aufgenommen wird. Schließlich kann allein aus der Tatsache, dass die Abschiebung durchgeführt worden ist, ohne nähere Anhaltspunkte nicht geschlossen werden, dass der betroffene Ausländer kein Interesse mehr am Ausgang des Verfahrens hat. Der Kläger möchte das Verfahren gerade fortführen.
B. Die Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1) Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Litauen ist zuständiger Mitgliedstaat für das Asylverfahren des Klägers.
Zuständiger Staat ist nach Art. 3 Abs. 1 der Dublin III-VO der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Die ebenfalls in Deutschland befindlichen Eltern und Geschwister sowie der Onkel des volljährigen Klägers können eine Zuständigkeit Deutschlands nicht begründen, denn hierbei handelt es sich nicht um Familienangehörige im Sinne von Art. 2 g) Dublin III-VO, so dass keine vorrangige Anwendung der Art. 8 ff. Dublin III-VO in Betracht kommt.
Vorliegend ist vielmehr Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO einschlägig. Litauen hat für den Antragssteller am 7. September 2017 ein litauisches Schengen-Visum mit Gültigkeit vom 7. September 2017 bis 19. Oktober 2017 ausstellen lassen. Bei Stellung des Asylgesuchs (Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) besaß der Kläger demnach kein gültiges, von Litauen ausgestelltes Visum im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO. Die Zuständigkeit Litauens ergibt sich jedoch aus Art. 12 Abs. 4 Unterabs. 1 Dublin III-VO, denn der Kläger besaß bei Stellung des Asylgesuchs (Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) ein von Litauen ausgestelltes Visum, welches seit weniger als sechs Monaten abgelaufen war, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen konnte. Der Kläger hat das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auch nicht verlassen. Unbehelflich ist diesbezüglich der Vortrag des Bevollmächtigten, dass die Voraussetzungen für die Unzulässigkeit des Asylantrages nicht vorlägen, da das von Litauen ausgestellte Visum nicht ordnungsgemäß und somit unwirksam sei. Gründe hierfür wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
Die Beklagte hat das Aufnahmegesuch am 8. März 2018 und damit innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO gestellt, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO, so dass die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf Deutschland übergegangen ist. Litauen hat mit Schreiben vom 8. Mai 2018 im Rahmen des Aufnahmeverfahrens seine Zustimmung zur Rückübernahme des Klägers fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Gesuchs erklärt, Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO.
Ebenso wenig ergibt sich eine Zuständigkeit Deutschlands aus Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO, wonach die Überstellung spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs, hier am 8. Mai 2018, durch einen anderen Mitgliedstaat, hier Litauen, oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 aufschiebende Wirkung hat, zu erfolgen hat (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO). Der vor Ablauf der Überstellungsfrist gestellte, zulässige Eilantrag gegen die Abschiebungsanordnung hat den Lauf der Überstellungsfrist unterbrochen, weil dann bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Überstellung kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Die Überstellungsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vollständig neu zu laufen (BVerwG, B.v. 27.4.2016 – 1 C 22.15 und U.v. 26.5.2016 – 1 C 15.15 – beide juris; OVG NRW – B.v. 7.7.2016 -13 A 2302/15.A – juris). Der ablehnende Eilbeschluss vom 16. November 2018 (Az.: AN 18 S 18.50470) wurde am 22. November 2018 zugestellt. Der Kläger wurde demnach am 28. Januar 2019 fristgerecht innerhalb der Überstellungsfrist nach Litauen überstellt.
Es liegen keine Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO oder Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO begründen, noch zur Verpflichtung hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden.
So liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit Litauens in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen ließen. Besondere Umstände, die zum Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO führen würden, sind seitens des Klägers weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C 4 11/10 und C 493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) entspricht. Diese Vermutung kann widerlegt werden, weshalb den nationalen Gerichten die Prüfung obliegt, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gefahr für die Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. sowie Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO). An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. Einzelne Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK der zuständigen Mitgliedstaaten genügen nicht. Von systemischen Mängeln ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris; B.v. 6.6.2014, 10 B 25/14 – juris).
Ausgehend davon bestehen nach dem der Kammer vorliegenden Erkenntnismaterial im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger in Litauen auf Grund dort vorhandener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK drohen würde. Auch der Vortrag des Klägers im Verfahren vor dem Bundesamt oder im gerichtlichen Verfahren liefert keine Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Schwachstellen in Litauen.
Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO zu einer Familienzusammenführung des volljährigen Klägers mit dessen Eltern oder volljährigen Geschwistern verpflichtet. Die Anwendung der Vorschrift scheitert bereits an der schriftlichen Kundgabe dieses Wunsches. Auch wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich, inwiefern die Eltern oder Geschwister, welche sich überdies rechtmäßig in Deutschland aufhalten müssen, in der Lage sind, den Kläger im Sinne der Vorschrift zu unterstützen. Doch auch die geforderte schwere Krankheikt wurde weder substantiiert vorgetragen noch ist diese ersichtlich. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter 2 b) verwiesen. Für den substantiierten Tatsachenvortrag und die schlüssige Darlegung seines Schicksals ist der Kläger selbst verantwortlich (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 13 a ZB 15.30073 – juris; BVerwG, B.v. 28.12.1999 – 9 B 46799 – juris).
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, sind ebenso weder vorgetragen noch ersichtlich. Daher kann es vorliegend dahinstehen, ob sich der Kläger auf eine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt überhaupt berufen kann.
2) Es liegen keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
a) Als zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kommt zwar grundsätzlich ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Gründen, die ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. EMRK rechtfertigen, sind nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die Kläger im Falle ihrer Abschiebung tatsächlich Gefahr laufen im Ausnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Dies ist hinsichtlich Litauens nicht der Fall. Auch individuelle Gründe vermögen kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG zu begründen. Insbesondere kann der Wunsch des Klägers, bei seiner Familie bleiben zu wollen, ein Abschiebeverbot nicht zu begründen. Auch der Vortrag, in Litauen sei es gefährlich, weil es dort viele Tadschiken gäbe, führt nicht zu einem Abschiebeverbot. Es wurde nichts vorgetragen, was die Annahme einer Verletzung des Art. 3 EMRK rechtfertigen könnte. Auch sind keine Anhaltspunkte diesbezüglich ersichtlich. Vielmehr sind nach den Erkenntnisquellen des Gerichts die litauischen Behörden willens und in der Lage, den Kläger zu schützen.
b) Ebenso ergibt sich aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kein Abschiebeverbot. So führen auch die vorgetragenen Erkrankungen des Klägers nicht zu einem Abschiebeverbot. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, wobei nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vorliegt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich eine vorhandene lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht, ohne dass es jedenfalls in einem Teil des Zielstaats eine ausreichende medizinische Versorgung gäbe (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87/16 – juris – sowie noch zur alten, aber übertragbaren Rechtslage BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – juris).
Nach diesen Maßstäben ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass hinsichtlich des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der von ihm geltend gemachten Erkrankungen vorliegt. Für den substantiierten Tatsachenvortrag und die schlüssige Darlegung seines Schicksals ist der Kläger selbst verantwortlich (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 13 a ZB 15.30073 – juris; BVerwG, B.v. 28.12.1999 – 9 B 46799 – juris). Die Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht der Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhaltes mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – juris). Das erkennende Gericht wertet und bewertet die vorgelegten ärztlichen Atteste und überprüft die darin getroffenen Feststellungen und Schlussfolgerungen auf ihre Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 9 ZB 13.30236 – juris). Das fachärztliche Attest muss nachvollziehbar darstellen, auf welcher Grundlage der Arzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 22.08.2014 – 5 C 14.1664 – juris).
Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt zwar angegeben, nicht gut schlafen zu können und überdies an Asthma zu leiden. Außerdem gab der Bevollmächtigte an, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Dieser habe lange Zeit unbegründet Angst, könne keine geordneten Arbeiten durchführen und habe Kopfschmerzen. Außerdem wurde ein Attest von Dr. …, Praxisgemeinschaft … – Dr. med. …, Ärzte für Allgemeinmedizin, …, vom 29. Mai 2018 vorgelegt, wonach der Kläger aus medizinischen Gründen (akute Asthmaerkrankung, Belastungsdyspnoe, Angstsyndrom) nicht reise- (und abschiebungs) fähig sei. Langfristige Duldung und Familienzusammenführung sei medizinisch indiziert.
Ein Abschiebeverbot aufgrund einer psychischen Erkrankung (Angstsyndrom bzw. posttraumatische Belastungsstörung) ergibt sich aus alledem nicht. Hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung wurde schon das angekündigte fachärztliche Attest nicht eingereicht, § 60 a Abs. 2 c AufenthG. Bezüglich des Angstsyndroms wurde zwar ein Attest vorgelegt. Dieses müsste nachvollziehbar darstellen, auf welcher Grundlage der Facharzt bzw. Fachmann seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt; dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat, welche Art von Befunderhebung stattgefunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden; des Weiteren soll das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 13 a ZB 17.30063; BVerwG, B.v. 26.7.2012 – 10 B 21.12; BayVGH, B.v. 22.8.2014 – 5 C 14.1664; VG Augsburg, U.v. 7.12.2016 – Au 5 K 16.31980 – alle juris). Neben der Darstellung der Symptomatik ist eine gesundheitliche Prognose der gesundheitlichen Folgen einer Abschiebung erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2018 – 11 ZB 17.31939 – juris, Rn. 5) erforderlich. Das Attest, welches schon kein fachärztliches Attest ist, genügt diesen Anforderungen in keinster Weise, denn es begnügt sich mit einer Diagnose sowie der Feststellung, dass der Kläger deswegen nicht reise- (und abschiebungsfähig) und außerdem die langfristige Duldung und Familienzusammenführung medizinisch indiziert sei. Das Vorbringen stellt keinen ausreichenden substantiierten Vortrag, insbesondere mit Blick auf die gesetzlich geforderte erhebliche konkrete Gefahr, dar. Es ist schon nicht ersichtlich, ob und inwieweit es sich um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit handelt, noch wird dargelegt, ob sich der Zustand bei einer Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Auch bezüglich des übrigen Vortrages des Klägers, er schlafe schlecht, habe regelmäßig lange Zeit unbegründet Angst, könne keine geordneten Arbeiten dürfen und habe Kopfschmerzen sowie der im Attest diagnostizierten körperlichen Erkrankungen akutes Asthma, Belastungsdyspnoe gilt nichts anderes, § 60 a Abs. 2 c AufenthG. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG ergibt sich hieraus ebenso wenig.
Sämtliche Erkrankungen des Klägers sind überdies in Litauen behandelbar und der Kläger hat auch Zugang zur medizinischen Versorgung in Litauen. Asylbewerber erhalten in Litauen im Rahmen der allgemeinen Krankenversorgung die notwendige medizinische Versorgung. Vulnerable Kläger haben Zugang zu psychologischer Unterstützung. Im Übrigen bearbeitet MedCOI grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Litauen, Gesamtaktualisierung am 2. November 2018, S. 9 f.). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat Litauen mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Ausreichend ist weiter, wenn die medizinische Versorgung nur in einem Teil Litauens zur Verfügung stünde, § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG.
3) Gegen die Rechtmäßigkeit der auf § 34a Abs. 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen keine Bedenken. So muss einerseits feststehen, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung u.a. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427, und B.v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257; ebenso OVG Lüneburg, U.v. 4.7.2012, 2 LB 163/10; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.2.2012, OVG 2 S 6.12, alle juris), dass die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse (inlandsbezogene Abschiebungshindernisse) zu prüfen sind.
Wie bereits ausgeführt liegen zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nicht vor. Doch auch der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse (inlandsbezogene Abschiebungshindernisse), wie etwa eine fehlende Reisefähigkeit, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich (auf die Ausführungen unter 2 b) zu § 60 Abs. 7 AufenthG wird diesbezüglich verwiesen). Ebenso war die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen (vgl. 1).
4) Die festgesetzte Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes begegnet keinen Bedenken.
Das Gericht sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Gründe ab, da es den Feststellungen und der ausführlichen Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts im Übrigen argumentativ folgt.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.


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