Europarecht

Krankenhausrecht: Festsetzung von Mehrleistungsabschlag

Aktenzeichen  W 8 K 16.1284

Datum:
22.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36342
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KHEntgG § 4 Abs. 1, Abs. 2a, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 14 Abs. 1 S. 1, § 18
SGB V § 85, § 121 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Von der Genehmigungspflicht nach § 14 Abs. 1 KHEntgG ist im Gegensatz zur früheren Rechtslage der Mehrleistungsabschlag umfasst. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit ist zu beachten, dass die Genehmigung der Festsetzungen der Schiedsstelle nur insgesamt erteilt werden darf (Anschluss an BVerwG BeckRS 2014, 49107). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Umwandlung einer Belegbettenabteilung in eine Hauptabteilung erfüllt nicht die Voraussetzung einer Leistung im Sinne des § 4 Abs. 2a KHEntgG, die im Vergleich zur Vereinbarung für das laufende Kalenderjahr zusätzlich im Erlösbudget berücksichtigt wird. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zusätzliche Kapazitäten sind durch die Landeskrankenhausplanung begründet, wenn sich ihre Bereitstellung durch das Krankenhaus der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde zurechnen lässt. Dazu bedarf es entweder einer Ausweisung der Kapazitätserweiterung im Krankenhausplan oder einer sonstigen Erklärung der Krankenhausplanungsbehörde, aus der sich ihr Einverständnis mit der Kapazitätserweiterung ergibt (Anschluss an BVerwG BeckRS 2016, 40248). (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Verpflichtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Genehmigung des Schiedsspruchs vom 8. Juli 2015 bezüglich der Krankenhausentgelte der Beigeladenen für den Pflegesatzzeitraum 2014. Durch die Ablehnung der Genehmigung werden die Klägerinnen daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig.
Statthafte Klageart ist aufgrund des klägerischen Begehrens (§ 88 VwGO) die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 2 Alt. 2 VwGO. Im Streit um die Genehmigung von Krankenhausentgelten ist die Verpflichtungsklage statthaft gegen die Ablehnung oder Nichterteilung einer Genehmigung mit dem Ziel, eine dem Antrag entsprechende Genehmigung herbeizuführen (BVerwG U.v. 30. Mai 2013 – 3 C 16/12 – BVerwGE 146, 369-377, Rn. 15). Die Klägerinnen begehren die Genehmigung des Schiedsspruchs vom 8. Juli 2015, da sie der Auffassung sind, dass der Schiedsspruch in vollem Umfang rechtmäßig ist, insbesondere auch in Bezug auf die zwischen den Beteiligten streitige Festsetzung eines Teils des Mehrleistungsabschlags in Höhe von 444.725,75 EUR aufgrund der Umwandlung von Belegbettenabteilungen in Hauptabteilungen. Durch die Verpflichtung der Beklagten unter Aufhebung der Nr. 2 des Bescheids der Regierung von Unterfranken vom 14. November 2016 den Schiedsspruch in vollem Umfang zu genehmigen, erreichen die Klägerinnen ihr verfolgtes Ziel. Einer Aufhebung der Nr. 1 des Bescheids der Regierung von Unterfranken vom 14. November 2016 bedarf es hierfür nicht. Denn würde die Nr. 1 des Bescheids der Regierung von Unterfranken vom 14. November 2016 aufgehoben, dann würde der Bescheid vom 30. November 2015 wieder wirksam. Dies würde jedoch entgegen dem klägerischen Begehren dazu führen, dass der nach der maßgeblichen Rechtslage im Jahr 2014 gemäß § 14 Abs. 1 KHEntgG genehmigungspflichtige Mehrleistungsabschlag (vgl. BT-Drs. 18/2909 S. 47) dann gerade nicht genehmigt wäre, da der Bescheid vom 30. November 2015 hierzu keine Aussage trifft.
Die Klägerinnen als Körperschaften des öffentlichen Rechts und zwingende Vertragsparteien sind klagebefugt und beteiligungsfähig nach § 42 Abs. 2 VwGO, § 61 VwGO i.V.m. § 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 KHG i.V.m. den jeweiligen Satzungen der Klägerinnen (vgl. BVerwG, U.v. 11.11.1999 – 3 C 33/98 – juris; VG Würzburg, U.v. 8.3.2012 – W 3 K 11.652 – juris).
2. Die Beiladung der Krankenhausträgerin war notwendig nach § 65 Abs. 2 VwGO, da eine Entscheidung in dem streitigen Rechtsverhältnis nur einheitlich ergehen kann. Denn die Beigeladene als Vertragspartei des streitgegenständlichen Schiedsspruches müsste im Falle einer Genehmigung des Schiedsspruchs die Festsetzung des Mehrleistungsabschlags in dieser Höhe gegen sich gelten lassen und würde in der Konsequenz ein erheblich geringeres Entgelt von der Klägerin zu 1) für den Pflegesatzzeitraum 2014 erhalten.
3. Die Klage ist jedoch in der Sache unbegründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die Genehmigung des Schiedsspruchs vom 8. Juli 2015 und werden daher durch die Ablehnung der Genehmigung nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die nach § 14 KHEntgG genehmigungspflichtigen Festsetzungen des Schiedsspruchs vom 8. Juli 2015 sind nicht in vollem Umfang genehmigungsfähig. Denn der von der Schiedsstelle festgesetzte Mehrleistungsabschlag, soweit er einen Mehrleistungsabschlag in Höhe von 444.725,75 EUR aufgrund der Umwandlung von Belegbettenabteilungen in Hauptabteilungen betrifft, entspricht nicht § 4 Abs. 2a KHEntgG. Zur Begründung wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 14. November 2016 verwiesen, denen das Gericht im Wesentlichen folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
Nach § 14 Abs. 1 KHEntgG hat die Regierung von Unterfranken als zuständige Landesbehörde den vereinbarten oder von der Schiedsstelle nach § 13 festgesetzten landesweit geltenden Basisfallwerts nach § 10, den Fixkostendegressionsabschlags nach § 10 Absatz 13, das Erlösbudgets nach § 4, die Entgelte nach § 6 und die krankenhausindividuell ermittelten Zu- und Abschläge zu genehmigen, wenn die Vereinbarung oder Festsetzung den Vorschriften dieses Gesetzes sowie sonstigem Recht entspricht. Umfasst ist von der Genehmigungspflicht ausweislich des eindeutigen Wortlauts inzwischen auch im Gegensatz zur früheren Rechtslage der Mehrleistungsabschlag (vgl. Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2018, § 4 KHEntgG Rn. 33; zur alten Fassung des § 14 KHEntgG: BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 3 C 16/12 – BVerwGE 146, 369-377 – juris; BT-Drs. 18/2909 S. 47). Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit ist zu beachten, dass die Genehmigung der Festsetzungen der Schiedsstelle nur insgesamt erteilt werden darf (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 3 C 16/13 – BVerwGE 146, 369-377 Rn. 17), d.h. in der Konsequenz für den vorliegenden Prüfungsumfang, dass der Schiedsspruch vom 8. Juli 2015 bereits allein aufgrund der rechtswidrigen Festsetzung des Mehrleistungsabschlags in Höhe von 444.725,75 EUR insgesamt nicht genehmigungsfähig ist.
Im vorliegenden Fall ist die Festsetzung des Mehrleistungsabschlags in Höhe von 444.725,75 EUR im Schiedsspruch vom 8. Juli 2018 rechtswidrig und somit nicht genehmigungsfähig, da die Festsetzung eines Mehrleistungsabschlags für die Umwandlung von Belegbettenabteilungen in Hauptabteilungen nicht der Vorschrift des § 4 Abs. 2a KHEntgG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG entspricht. Dies ergibt sich daraus, dass diese Umwandlung nach der teleologischen Auslegung des § 4 Abs. 2a KHEntgG nicht als Mehrleistung im Sinne dieser Vorschrift einzuordnen ist.
Nach § 4 Abs. 2a KHEntgG gilt abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 für Leistungen, die im Vergleich zur Vereinbarung für das laufende Kalenderjahr zusätzlich im Erlösbudget berücksichtigt werden, ab dem Jahr 2013 ein Vergütungsabschlag von 25 Prozent (Mehrleistungsabschlag). Wesentliche Voraussetzung des Vergütungsabschlags ist folglich das Vorliegen von Leistungen, die im Vergleich zur Vereinbarung für das laufende Kalenderjahr zusätzlich im Erlösbudget berücksichtigt werden, eine sogenannte Mehrleistung. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Umwandlung einer Belegbettenabteilung in eine Hauptabteilung erfüllt nicht die Voraussetzung einer Leistung im Sinne des § 4 Abs. 2a KHEntgG, die im Vergleich zur Vereinbarung für das laufende Kalenderjahr zusätzlich im Erlösbudget berücksichtigt wird. Die Regierung von Unterfranken hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass § 4 Abs. 2a Satz 1 KHEntgG im Hinblick auf seinen Schutzzweck im Wege teleologischer Reduktion eng auszulegen ist, da es mit dem Sinn und Zweck des Mehrleistungsabschlags nicht zu vereinbaren ist, eine Umwandlung von Belegbetten in Hauptabteilungsbetten, die zu einer Leistungsverlagerung und nicht zu einer Mengensteigerung führt, mit einem Abschlag zu belegen.
Sinn und Zweck des Mehrleistungsabschlags ist es, die mit zusätzlichen Leistungen verbundenen Mehrausgaben für die Sozialleistungsträger zu dämpfen (Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2018, § 4 KHEntgG Rn. 12). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3040 S. 18, 34) ist er ein „Instrument zur Verminderung des Ausgabenzuwachses für Krankenhausleistungen“. Er soll den Zuwachs der Krankenhausausgaben und damit den Druck auf die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wie auch der privaten Krankenversicherungen vermindern und ist zur finanziellen Stabilisierung der Kostenträger erforderlich. Die neue Regelung dient der „nachhaltigen Finanzierung“ der gesetzlichen Krankenversicherung (Gamperl in PdK Bund, KHEntgG, Stand: August 2016, § 4 IV.1; Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 4 KHG, Rn. 6).
Legt man diesen Zweck der Auslegung des § 4 Abs. 2a KHEntgG zugrunde, ergibt sich, dass die streitgegenständliche Umwandlung nicht mit einem Mehrleistungsabschlag zu belegen ist. Diese Umwandlung führt gerade nicht dazu, dass für die Klägerin zu 1) als Sozialleistungsträger mit zusätzlichen Leistungen verbundene Mehrausgaben entstehen. Denn die Umwandlung der Belegbettenabteilung in eine Hauptabteilung führt zwar zu Leistungen, die neu „im Erlösbudget“ vereinbart werden, jedoch schon bislang am Krankenhaus erbracht wurden. Durch die Umwandlung ändert sich an den Leistungen als solches jedoch nichts. Vielmehr ändert sich nur die Vergütungsform (vgl. Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2018, § 4 KHEntgG Rn. 16).
Dass sich lediglich die Vergütungsform ändert, ergibt sich aus den Besonderheiten des Vergütungssystems. Das Vergütungssystem bezüglich der Zahlung der Krankenhausentgelte ist derart ausgestaltet, dass die Vertreter von Krankenhäusern und Kassen auf Bundesebene gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG jeweils für das laufende Jahr Fallpauschalen-Kataloge vereinbaren müssen. Dabei werden ein Katalog für Hauptabteilungen und ein anderer, separater Katalog für Leistungen von Belegabteilungen mit niedrigeren Bewertungsrelationen vereinbart (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG, Teil a) und b) der Anlage 1 der Fallpauschalenvereinbarung). Diese Kataloge unterscheiden sich dadurch, dass der Katalog für die Leistungen von Belegabteilungen gegenüber dem normalen Hauptabteilungskatalog nicht den Vergütungsanteil für die belegärztlichen Leistungen enthält. Die Leistungen des Belegarztes werden vielmehr gemäß § 121 Abs. 2 SGB V direkt vom Belegarzt gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet. Die Kassenärztliche Vereinigung rechnet dann wiederum mit den Sozialleistungsträgern ab. Im Fall der Umwandlung von einer Belegbettenabteilung in eine Hauptabteilung führt dieses Vergütungssystem dann in der Folge zu einer zwingenden Erhöhung der Summe der Bewertungsrelationen, aber nicht zu einem Zuwachs an Mehrausgaben für die Sozialleistungsträger durch tatsächliche Mehrleistungen, da in Folge der Umwandlung keine Mehrleistungen wie etwa die Behandlung zusätzlicher oder schwerer erkrankter Patienten erbracht werden (vgl. Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2018, § 4 KHEntgG Rn. 15 ff.; Gamperl in PdK Bund, KHEntgG, Stand August 2016, § 4 IV.7). Die ärztlichen Leistungen, die im Krankenhaus erbracht werden, mehren sich allein durch die Umwandlung nicht. Vielmehr muss der Sozialleistungsträger nur die ärztliche Leistungen anstatt wie vor der Umwandlung durch Zahlungen an die Kassenärztliche Vereinigung, nunmehr nach der Umwandlung durch Zahlungen direkt an den Krankenhausträger vergüten. Es ändert sich letztlich nur der Empfänger der Entgelte für die ärztlichen Leistungen.
Der hiergegen gerichtete Einwand der Vertreter der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung ändert an dieser Einschätzung des Gerichts nichts. Denn soweit die Klägerinnen vorbringen ließen, die Krankenkassen könnten sich bei der vorliegenden Umwandlung nichts einsparen, da sie mehr an den Krankenhausträger zahlen müssten, aber sich der an die Kassenärztliche Vereinigung pro Patient zu zahlende Pauschbetrag nicht dadurch reduziere, dass es weniger Belegärzte gebe und auch im laufenden Verfahren kein Geld von dem Betrag an die Kassenärztliche Vereinigung abgezogen worden sei, ist dem entgegen zu halten, – wie der Vertreter der Beigeladenen zutreffend ausführte – dass nach § 85 SGB V auf Mengenentwicklungen reagiert und die Vergütung der Kassenärztlichen Vereinigung dementsprechend angepasst werden kann. Wenn die Krankenkasse von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, kann dies nicht zu Lasten des Krankenhausträgers, der hierauf keinen Einfluss hat, gehen. Auch wenn entsprechend dem Einwand der Vertreter der Klägerinnen die Anpassung erst später erfolgen kann, ändert dies nichts an der rechtlichen Möglichkeit, diese Anpassung vorzunehmen und dadurch die Belastung der Krankenkasse durch die höheren Zahlungen an den Krankenhausträger durch niedrigere Zahlungen an die Kassenärztliche Vereinigung auszugleichen.
Diese Beurteilung wird auch durch das Ergebnis eines Vergleichs der Folgen einer Umwandlung von einer Belegbettenabteilung in eine Hauptabteilung mit den Folgen der anderen Fälle, die vom Gesetzeszweck her vom Mehrleistungsabschlag erfasst werden sollen, bestätigt. Der Mehrleistungsabschlag erfasst vor allem die Fälle, bei denen in einem Krankenhaus eine neue Fachabteilung oder ein neuer Operationssaal eröffnet wird. Diese Fälle führen tatsächlich dazu, dass die Sozialleistungsträger am Ende stärker mit Mehrausgaben, hervorgerufen durch tatsächliche Mehrleistungen, belastet werden. Denn diese Fälle führen aufgrund von teureren oder häufigeren Operationen und der Behandlung zusätzlicher oder schwerer erkrankter Patienten (vgl. Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2018, § 4 KHEntgG Rn. 15 ff.; Gamperl in PdK Bund, KHEntgG, Stand August 2016, § 4 IV.7) zu Kosten, die die Sozialträger zuvor nicht zu tragen hatten und für die auch keine Ausgleichsmöglichkeiten bestehen. Diese durch Mehrleistungen veranlassten Mehrausgaben/Mehrkosten kann ein Sozialleistungsträger dann nur noch durch Beitragserhöhungen wieder ausgleichen. Anders verhält es sich im Fall der Umwandlung einer Belegbettenabteilung in eine Hauptabteilung. Sozialleistungsträger können in diesem Fall, wie bereits dargestellt, die Mehrausgaben durch Verringerung der an die Kassenärztliche Vereinigung für die Belegärzte zu zahlende Vergütung wieder ausgleichen, wodurch in der Konsequenz dann die nachhaltige Finanzierung auf Dauer nicht gefährdet ist. Zudem ist nicht ersichtlich, inwiefern die Erbringung der ärztlichen Leistung anstatt durch einen Belegarzt durch einen Krankenhausarzt dazu führen könnte, dass mehr ärztliche Leistungen oder aufwendigere ärztliche Leistungen verursacht würden, die dann kausal zu Mehrausgaben beim Sozialträger führen.
Dem weiteren in der mündlichen Verhandlung anhand einer Beispielsrechnung dargestellten Einwand der Klägerseite, eine Leistungssteigerung ergebe sich nicht ausschließlich aufgrund einer Fallzahlmehrung und eine Mehrleistung könne auch dann vorliegen, wenn die Fallzahlen sänken, ist entgegenzuhalten, dass die oben dargestellte Auslegung der Vorschrift sich nicht allein auf eine (fehlende) Fallzahlmehrung stützt, sondern hauptsächlich auf die Veränderung der Vergütungsform und des Vergütungsempfängers. Zutreffend an dieser klägerischen Auffassung ist zwar, dass die tatsächliche Anzahl der Behandlungsfälle allein nicht der Bestimmung der Mehrleistung zugrunde gelegt werden kann, da die Anzahl der tatsächlichen Behandlungsfälle von einer Vielzahl nicht bestimmbarer Faktoren und auch letztlich von Zufällen abhängig ist und es daher auch im Falle einer neuen Fachabteilung denkbar möglich ist, dass die Anzahl der Behandlungsfälle im Krankenhaus sinkt, jedoch sind die Fälle der Mehrleistungen meistens zugleich mit einer Fallzahlmehrung verbunden, so dass dies durchaus als Indiz, wenn auch nicht als allein maßgebliches, herangezogen werden kann.
Soweit in diesem Zusammenhang von der Klägerseite auch ausgeführt wurde, dass aus dem Wortlaut eine reine Anknüpfung an Behandlungsfälle nicht hergeleitet werden kann, ist dies zwar zutreffend, da der Wortlaut des § 4 Abs. 2a KHEntgG von Leistungen und nicht von Behandlungsfällen spricht. Jedoch ist auch diesem Einwand entgegenzuhalten, dass, wie bereits dargestellt, der teleologischen Auslegung nicht eine rein tatsächlich fehlende Steigerung der Anzahl der Behandlungsfälle bzw. Fallzahlen zugrunde gelegt wurde, sondern dies als ein Indiz im Rahmen der teleologischen Auslegung herangezogen werden kann.
Zudem kann, da die teleologische Auslegung ergibt, dass die streitgegenständliche Umwandlung vom Zweck des Mehrleistungsabschlags nicht erfasst wird, diesem Ergebnis auch nicht der reine Wortlaut und die Systematik der Vorschriften entgegengehalten werden. Daher ist der Begründung im Schiedsspruch vom 8. Juli 2015 und der Klägerseite, die sich maßgeblich auf den Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG stützt, der Normzweck entgegenzuhalten.
Zudem ist einer strengen Wortlautauslegung bereits entgegenzuhalten, dass § 4 Abs. 2a KHEntgG nicht den Begriff der Krankenhausleistung verwendet, sondern lediglich von Leistungen spricht, in § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG aber der Begriff der Krankenhausleistung verwendet wird. Unabhängig hiervon ist jedoch das stärkere Argument, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG eine völlig andere Zielrichtung als § 4 Abs. 2a KHEntgG verfolgt. Denn betrachtet man § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG im Zusammenhang mit § 18 KHEntgG ergibt sich, dass die ärztliche Behandlung durch die Belegärzte vom Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes ausgenommen wird, um hierdurch zu verhindern, dass die ärztliche Tätigkeit doppelt vergütet wird. Denn die Belegärzte erhalten nach § 18 Abs. 1 KHEntgG keine Vergütung vom Krankenhaus für ihre ärztliche Tätigkeit, sondern von der Kassenärztlichen Vereinigung, die wiederum für die Tätigkeit der Belegärzte Zahlungen von der Krankenkasse erhält. Würde § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG nicht klarstellen, dass die ärztliche Leistung der Belegärzte keine Krankenhausleistung ist, würde dies dazu führen, dass die Krankenkasse hierfür sozusagen nochmals bezahlen müsste. Daher kann zur Frage, ob eine Mehrleistung im Sinne des § 4 Abs. 2a KHEntgG vorliegt, der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG nicht herangezogen werden. Insbesondere bringt auch § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG damit, dass auch grundsätzlich die ärztliche Behandlung von nicht fest im Krankenhaus angestellten Ärzten über das Krankenhausentgeltgesetz mitvergütet werden kann, zum Ausdruck, dass § 2 Abs. 1 KHEntgG Regelungen dazu trifft, wer letztlich der Vergütungsempfänger ist. Gerade dies soll, wie bereits dargestellt, nicht durch den Mehrleistungsabschlag reguliert werden.
Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt, wären selbst bei Annahme des Vorliegens einer Mehrleistung auch die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes – zusätzliche Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung des Landes – nach § 4 Abs. 2a Satz 3 Halbsatz 1 Alt. 3 KHEntgG erfüllt.
Nach § 4 Abs. 2a Satz 3 Halbsatz 1 KHEntgG gilt der Mehrleistungsabschlag nach Satz 1 oder 2 nicht für zusätzlich vereinbarte Entgelte mit einem Sachkostenanteil von mehr als zwei Dritteln, bei Transplantationen sowie bei zusätzlichen Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung oder des Investitionsprogramms des Landes. Der hier allein in Betracht kommende Ausnahmetatbestand „der zusätzlichen Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung des Landes“ verlangt, dass die zusätzlichen Kapazitäten durch die Landeskrankenhausplanung begründet sind. Das ist der Fall, wenn sich die Bereitstellung der zusätzlichen Kapazitäten durch das Krankenhaus der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde zurechnen lässt. Dazu bedarf es entweder einer Ausweisung der Kapazitätserweiterung im Krankenhausplan oder einer sonstigen Erklärung der Krankenhausplanungsbehörde, aus der sich ihr Einverständnis mit der Kapazitätserweiterung ergibt (BVerwG, U.v. 16.9.2015 – 3 C 9/14 – juris Rn. 26 ff.).
Unabhängig davon, ob das Schweigen des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege als billigender Akt zu werten ist, ist die vom Ausnahmetatbestand geforderte zurechenbare Erklärung im vorliegenden Fall durch das Schreiben des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 8. Oktober 2015 gegeben. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der billigende Akt in Form der Zustimmung nachträglich vorgenommen wurde. Denn dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2015 (BVerwG, U.v. 16.9.2015 – 3 C 9/14 – juris Rn. 26 ff.) lässt sich nicht entnehmen, dass eine Zurechnung nur möglich ist, wenn der geforderte billigende Akt der zuständigen Landesplanungsbehörde vor der tatsächlichen Kapazitätserweiterung vorgenommen wurde. Vielmehr wird hierzu ausgeführt, dass es für die Zurechnung nicht darauf ankommt, ob die zusätzlichen Kapazitäten durch die Krankenhausplanung „verursacht“ sind, also die Krankenhausplanung den Anstoß für die Erweiterung der Kapazitäten gegeben hat. Entscheidend für den Zurechnungszusammenhang ist, dass die Krankenhausplanungsbehörde die zusätzlichen Kapazitäten gebilligt und damit bestätigt hat, dass die Maßnahme aus Sicht der Krankenhausplanung erwünscht ist (BVerwG, U.v. 16.9.2015 – 3 C 9/14 – juris Rn. 28; Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2018, § 4 KHEntgG Rn. 25). Insbesondere dadurch, dass es für die Zurechnung nicht darauf ankommen soll, ob die zusätzlichen Kapazitäten durch die Krankenhausplanung „verursacht“ sind, wird zum Ausdruck gebracht, dass kein klassischer rechtlicher Kausalzusammenhang gefordert wird, sondern in der Konsequenz auch ein billigender Akt, der nach der Kapazitätserweiterung erfolgt, die Voraussetzung des Zurechnungszusammenhangs im Sinne des § 4 Abs. 2a Satz 3 Halbsatz 1 Alt. 3 KHEntgG erfüllt.
Ergänzend ist anzumerken, dass eine solche Handhabung – anders beim bloßen Schweigen – nicht geeignet ist, erhebliche Rechtsunsicherheiten hervorzurufen. Durch die nachträgliche Zustimmung wird das Recht eindeutig gestaltet, zwar zu einem späteren Zeitpunkt, jedoch ist auch dann eindeutig ersichtlich, ob das Staatsministerium der Gesundheit und Pflege die zusätzlichen Kapazitäten gebilligt hat oder nicht. Überdies führt alleine die Möglichkeit der nachträglichen Zustimmung nicht zu einer ungewollten Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Der Gesetzgeber hat bereits durch die Schaffung des Ausnahmetatbestandes der zusätzlichen Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung seine Grundentscheidung dahingehend getroffen, dass die Entscheidungsbefugnis, ob durch die Krankenhausplanung zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden und hierdurch die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes erfüllt werden, bei der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde liegt. Anhaltspunkte dafür, dass die Krankenhausplanungsbehörde allein dadurch, dass sie nachträglich zustimmt, eine andere Entscheidung trifft, und es dadurch auch zu einer unzulässige Bevorzugung derjenigen Krankenhäuser kommen würde, die in einem Bundesland mit einer Rahmenplanung liegen, sind nicht ersichtlich.
Zudem genügt das Schreiben des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 8. Oktober 2015, mit dem es der streitgegenständlichen Umwandlung zugestimmt hat, den Anforderungen an den billigenden Akt, da neben Ausweisungen und Festlegungen im Landeskrankenhausplan jede sonstige Erklärung der Krankenhausplanungsbehörde ausreicht, sofern sich daraus die Billigung der zusätzlichen Kapazitäten entnehmen lässt (BVerwG, U.v. 16.9.2015 – 3 C 9/14 – juris Rn. 29).
Das Schreiben des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege als nachträgliche Zustimmung ist auch noch im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, da aufgrund der Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Rechts- und Sachlage die letzte mündliche Verhandlung ist.
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Das Schiedsgericht ist in der Folge auf Antrag verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde bzw. des Gerichts erneut zu entscheiden, § 14 Abs. 3 KHEntgG.
4. Die Klägerinnen tragen als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1VwGO die Kosten des Verfahrens. Sie tragen diese Kosten nach § 159 Satz 2 VwGO als Gesamtschuldner, weil sie im Hinblick auf § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG notwendige Streitgenossen sind. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenenseite waren nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen ebenfalls der Klägerseite aufzuerlegen, weil sich die Beigeladenenseite durch Stellung eines Sachantrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben