Europarecht

Revision, Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Anspruch, Auslegung, Fahrzeug, Einstellung, Zulassung, Beurteilung, Kostenentscheidung, Leistung, Verzug, Klage, Zeitpunkt, Zug um Zug, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  24 U 4212/19

Datum:
17.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56358
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

101 O 4156/17 2019-06-27 Urt LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 27.06.2019, Az. 101 O 4156/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil ist ebenso wie das in Nr. 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers, der beim Beklagten am 13.08.2015 einen zuvor noch nicht zugelassenen Pkw Skoda Superb 2,0 TDI (EU-Reimport) erworben hat, auf Nachlieferung eines gleichartigen und gleichwertigen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion, weil das erworbene Fahrzeug mit einem von der V. AG entwickelten Motor des Typs EA 189 ausgestattet und somit vom sogenannten „Dieselskandal“ betroffen ist.
Durch das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.07.2019 zugestellte Endurteil vom 27.06.2019 (Bl. 423/426 d. A.) hat das Landgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil Bezug genommen.
Mit seiner am 01.08.2019 eingegangenen und nach gewährter Fristverlängerung bis zum 01.10.2019 mit am 30.09.2019 eingegangenem Schriftsatz begründeten Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche (mit einem in der Berufungsverhandlung vom 30.10.2020 konkretisierten Antrag) in vollem Umfang weiter. Hinsichtlich des Vortrags des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.09.2019 (Bl. 440/445 d. A.), vom 24.01.2020 (Bl. 480/485 d. A.) und vom 20.11.2020 (Bl. 504 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2020 (Bl. 494/497 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz zuletzt (vgl. Bl. 440 f. und Bl. 496 f. d. A.):
Das Urteil des LG Augsburg vom 27.06.2019, Az. 101 O 4156/17 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Augsburg zurückverwiesen.
Hilfsweise beantragt der Kläger:
1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, der Klägerpartei ein gleichartiges und gleichwertiges Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug Skoda Superb 2,0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …46 gemäß der zu Protokoll übergebenen verbindlichen Bestellung vom 13.08.2015, insbesondere: 5 Türen, 6 Airbags, ABS, Alu-Felgen, Außentemperatur, Außenspiegel beheizbar, Bluetooth, Bordcomputer, Dachreling blank, ESP, Elektr. FH vo. + hi., Elektr. Sitze, Fahrbereit, Freisprechanl., Frontantrieb, Isofix, Klimaautomatik, Kurvenlicht, Laderaumabdeckg., Leder, Lichtsensor, Memorysitz Fahrer, Metallic Mittelarmlehne vo., Multifunktionslenkrad, Navi Groß, Nebelscheinw., PDC vo. + hi., Panoramaschiebedach, Partikelfilter, Radio CD, Regensensor, Reifen-Druck-Kontrolle, Rollo seitlich, SRA, Servolenkung, Sitzheizung vo. +hi., Start-Stop-Automatik, Tagfahrlicht, Tempomat, Traktionskontrolle, Wegfahrsperre, Xenon-Licht, ZV mit FB, mp3-fähig, Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs Skoda Superb 2,0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …46 nachzuliefern.
2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Verzug befindet.
3. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.256,24 freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich seines Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 06.12.2019 (Bl. 450/473 d. A.), vom 22.10.2020 (Bl. 491/493 d. A.) und vom 17.11.2020 (Bl. 500/503 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2020 (Bl. 494/497 d. A.) Bezug genommen.
Der Senat hat zunächst beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen (Hinweisbeschluss vom 09.12.2019, Bl. 474/576 d. A.), hiervon jedoch auf den Schriftsatz der Klägervertreter vom 24.01.2020 (Bl. 480/485 d. A.) hin Abstand genommen; mit Beschluss vom 21.04.2020 (Bl. 486 f. d. A.) hat der Senat die Parteivertreter u. a. darauf hingewiesen, dass die vom Bundesgerichtshof im Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 (VIII ZR 225/19 ‒ juris) niedergelegten Grundsätze für die Entscheidung des vorliegenden Falls maßgeblich sein dürften. Am 30.10.2020 hat der Senat mit dem Kläger und den Parteivertretern ohne Beweisaufnahme verhandelt und den Parteivertretern die Gelegenheit eingeräumt, zu den Hinweisen des Senats in der Berufungsverhandlung bis zum 20.11.2020 Stellung zu nehmen; diese Frist wurde für den Beklagtenvertreter antragsgemäß bis zum 27.11.2020 verlängert. Im Übrigen wird hinsichtlich des Inhalts der Berufungsverhandlung auf das Protokoll (Bl. 494/497 d. A.) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger wegen der Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem Motor des Typs EA 189 aus § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB (nach Einstellung der Produktion des Skoda Superb 2,0 TDI) einen Anspruch gegen den Beklagten auf Nachlieferung eines gleichartigen und gleichwertigen Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion hat, sind die Maßstäbe, die der Bundesgerichtshof in seinem Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 (VIII ZR 225/17 ‒ juris Rn. 4 bis 37) niedergelegt hat. Danach gilt Folgendes:
a) Die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem Motor des Typs EA 189 stellt jedenfalls solange einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar, als das Softwareupdate zur Beseitigung der Prüfstandserkennungssoftware (wie im vorliegenden Fall) nicht aufgespielt wurde (BGH, a. a. O., juris Rn. 4 bis 23).
b) Dass Fahrzeuge des Typs Skoda Superb 2,0 TDI nicht mehr produziert werden, steht einem Anspruch des Klägers auf Nachlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht per se entgegen; der Anspruch richtet sich dann gegebenenfalls auf Lieferung eines Fahrzeugs aus der entsprechenden aktuellen Serienproduktion (vgl. BGH, a. a. O., juris Rn. 29).
c) Für die Frage, ob der Erwerber eines mangelhaften Fahrzeugs nach erfolgtem Modellwechsel im Wege der Nachlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) ein entsprechendes Fahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion verlangen kann, kommt es auf eine interessengerechte Auslegung der Willenserklärungen der Kaufvertragsparteien gemäß §§ 133, 157 BGB an (BGH, a. a. O., juris Rn. 29 f.), aus der sich auch Inhalt und Reichweite der vom Verkäufer übernommenen (Ersatz-)Beschaffungspflicht ergeben (BGH, a. a. O., juris Rn. 31 f.). Da die Pflicht des Verkäufers zur Ersatzbeschaffung nicht darauf beschränkt ist, eine mangelfreie, im Übrigen aber mit dem Kaufgegenstand identische Sache zu liefern, kommt es darauf an, ob die Vertragsparteien die konkrete Leistung nach dem Vertragszweck und ihrem erkennbaren Willen als austauschbar angesehen haben, wobei beim Kauf eines Neufahrzeugs mit der Produktion und dem Markteintritt eines Nachfolgemodells allerdings typischerweise zu rechnen ist (BGH, a. a. O., juris Rn. 33 bis 35). Sofern nach diesen Maßstäben (wie regelmäßig) von der Austauschbarkeit der Leistung nach einem Modellwechsel auszugehen ist, kommt es entscheidend darauf an, ob die Kosten der Ersatzbeschaffung unverhältnismäßig im Sinne des § 439 Abs. 4 BGB (bzw. hier im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB a. F.) sind.
Legt man diese Kriterien auf den vorliegenden Fall an, ergibt sich, dass der Kläger keine Ersatzlieferung aus der aktuellen Serienproduktion verlangen kann.
aa) Wie der Beklagte mit Schriftsatz vom 22.10.2020 (Bl. 491/493 d. A.) vortragen ließ, erwarb der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug gerade mit Blick darauf, dass er es als Auslaufmodell und als EU-Reimport besonders günstig erwerben konnte. Diesen Vortrag bestätigte der Kläger selbst in der Berufungsverhandlung vorbehaltslos (Seite 2 des Protokolls, Bl. 495 d. A.).
bb) Vor diesem Hintergrund ergibt die interessengerechte Auslegung der Willenserklärungen der Vertragsparteien gemäß §§ 133, 157 BGB, dass die Parteien eine Ersatzbeschaffungspflicht des Verkäufers, die sich auch auf Fahrzeuge der (im Zeitpunkt des Kaufvertrags:) künftigen Serienproduktion erstreckt, (ausnahmsweise) nicht vereinbart haben. Dem Kläger ging es als Käufer gerade darum, die Ersparnispotentiale zu nutzen, die sich daraus ergaben, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum einen um einen EU-Reimport und zum anderen um ein Modell einer auslaufenden Produktion handelte. Dann aber ist nicht anzunehmen, dass die Parteien von einer sich auch auf die Produktion eines künftigen (Nachfolge-)Modells erstreckenden Austauschbarkeit der Leistung ausgegangen sind. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (Urteil vom 09.09.2020 ‒ 12 U 773/18 ‒ juris Rn. 46 ff.) und des 1. Senats des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 16.01.2020 ‒ 1 U 1004/18 ‒ BeckRS 2020, 23052 Rn. 19 ff.) an.
cc) Auf die Frage der Unverhältnismäßigkeit der begehrten Nachlieferung im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB a. F. kommt es demnach nicht an, weil die Auslegung ergibt, dass die begehrte Art der Nacherfüllung (ausnahmsweise) per se nicht geschuldet war (vgl. OLG Koblenz, a. a. O., juris Rn. 45 f.; OLG München, a. a. O., BeckRS 2020, 23052 Rn. 22).
2. Mangels Nachlieferungsanspruchs des Klägers gibt es auch keinen Grund für die vom Kläger Zug um Zug gegen Nachlieferung angebotene Rückgabe des Fahrzeugs, so dass der Beklagte mit dessen Rücknahme nicht in Annahmeverzug geraten konnte. Auch ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht mangels Anspruchs in der Hauptsache nicht.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) bestand (auch mit Blick auf das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29.07.2019 ‒ juris) nicht. Nicht schon jede Abweichung der Berufungsgerichte untereinander begründet das Vorliegen von grundsätzlicher Bedeutung oder erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, insbesondere wenn es um eine Einzelfallentscheidung geht (vgl. Heßler in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 543 Rn. 11). So liegt der Fall hier, denn die Frage, wie weit die vertragliche Leistungspflicht eines Verkäufers und die daran anknüpfende gewährleistungsrechtliche Nacherfüllungspflicht reicht, ist von der konkreten Ausgestaltung des Vertrages abhängig und daher nicht in allgemeinverbindlicher Weise zu beurteilen.


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