Europarecht

Schadensersatz, Berufung, Software, Hauptverhandlung, Laufleistung, PKW, Erstattung, Haftung, Fahrzeug, Form, Beweisaufnahme, Verfahren, Anspruch, Anklage, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg, nicht ausreichend

Aktenzeichen  14 U 4666/20

Datum:
3.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56031
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

23 O 2396/19 2020-07-24 Urt LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 24.07.2020, Az. 23 O 2396/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Gründe

1. Die Klägerin begehrt aufgrund des Kaufs eines gebrauchten PKW Audi A 3 vom 2.11.2013 mit einem Dieselmotor mit der Bezeichnung EA 189 (Erstzulassung 30.10.2012, Laufleistung beim Kauf 8.130 km) von der Beklagten aus unerlaubter Handlung großen Schadensersatz in Form einer Erstattung des Kaufpreises von 20.800,00 Euro nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs.
Sie bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 25.5.2020 zur Haftung der V. AG und vertritt die Ansicht, dass „die getroffenen Feststellungen auf das hiesige Verfahren zu übertragen“ seien.
Die Beklagte hat u.a. darauf hingewiesen, dass sie den streitgegenständlichen Motor nicht entwickelt habe und dass die Klagepartei ihre streitgegenständliche Ansprüche am 26.4.2018 an die f. GmbH abgetreten habe, die diese auch für die Klägerin in einer Sammelklage beim LG Ingolstadt geltend gemacht und noch nicht rückabgetreten habe.
Die Ankündigung einer Klagerücknahme in Ingolstadt und einer Rückabtretung mit E-Mail vom 3.7.2020 wurde erst nach der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vorgelegt (Anlage K 4).
Der Senat nimmt im Übrigen Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Das Landgericht hat die Klage vom 20.12.2019, die aufgrund einer Falscheingabe der Beklagtenpartei durch das Erstgericht und notwendiger nachträglicher Korrektur erst am 7.2.2020 zugestellt wurde, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.6.2020 ohne Beweisaufnahme abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass deliktische Ansprüche gegen die Beklagte daran scheitern würden, dass der Beklagten keine Täuschung zurechenbar sei. Es fehle an konkretem Vortrag, wer wann und auf welcher Grundlage was gewusst haben soll. Die Klägerin beschränke sich auf eine völlig unsubstantiierte und in keiner Weise unter Beweis gestellte Behauptung, dass die grundlegende strategische Entscheidung vom Leiter der Entwicklungsabteilung und den verantwortlichen vormaligen Vorständen, wenn nicht selbst, dann jedenfalls mit deren Kenntnis und Billigung getroffen bzw. umgesetzt worden sei. Anhaltspunkte für Beweiserleichterungen oder gar einen Anscheinsbeweis seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auch zu den Voraussetzungen von § 831 BGB habe die Klagepartei nicht ausreichend substantiiert vorgetragen.
Mit ihrer Berufung rügt die Klägerin, dass das Erstgericht die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin überspannt habe.
Der Klägerin sei es nicht möglich, Details über konzerninterne Vorgänge bei der Beklagten vorzutragen. Mittlerweile habe das Landgericht München I die Betrugsanklage gegen den Ex-Chef der Beklagten R. S. zugelassen.
Diesem werde vorgeworfen, Kenntnis vom Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung bei Dieselmotoren des Typs EA 189 gehabt zu haben.
Der Klägerin stünden gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche gemäß §§ 826, 31 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu, da das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik – was näher ausgeführt wird – eine unzulässige Abschalteinrichtung und eine konkludente Täuschung darstellen würde.
Die Entscheidung der Beklagten, den hier in Streit stehenden Motor EA 189, in den die oben genannte Software eingebaut gewesen sei, mit der erschlichenen Typengenehmigung in Verkehr zu bringen, stelle eine sittenwidrige Handlung dar.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts seien auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte zu bejahen. Zudem müsse sich die Beklagte das Verhalten ihrer Repräsentanten zurechnen lassen.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kämen der Klägerin auch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast der Beklagten zugute.
Bereits aufgrund der Verheimlichung des Einsatzes der Software gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt ergebe sich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Repräsentanten der Beklagten in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typgenehmigung und der Betriebszulassung führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die mit derartigen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden.
Die Täuschung sei auch kausal für den Abschluss des Kaufvertrags durch die Klägerin geworden, die einen Vermögensschaden in Form des Abschlusses eines Kaufvertrags und der Zahlung des Kaufpreises für einen mangelhaften PKW erlitten habe.
Der Abzug einer Nutzungsentschädigung für die bis zum erstinstanzlichen Termin gefahrenen 117.663 km sei nach deutschem Recht keineswegs zwingend und dürfe den Schädiger nicht unangemessen entlasten.
Die vom europäischen Zulassungs- und Emissionsrecht verfolgten Ziele und Zwecke würden nur dann praktische Wirksamkeit erlangen, wenn begangene Verstöße sanktioniert und künftige verhindert würden.
Eine Saldierung habe jedenfalls zu unterbleiben, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Hersteller die Käufer vorsätzlich und in sittenwidriger Weise geschädigt habe.
Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter und beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Kempten vom 24.07.2020, Az. 23 O 2396/19, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 20.800,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zugum-Zug gegen Übereignung und Übergabe des PKW Audi A 3, Fahrzeugidentifikationsnummer …288.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und übergebenen Anlagen Bezug genommen.
2. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs im angefochtenen Urteil ist frei von Rechtsfehlern. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verspricht keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse und ist auch nicht wegen der Bedeutung der Rechtsverfolgung für den Berufungsführer erforderlich.
Abgesehen davon, dass die Klägerin jedenfalls bis zum Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung aufgrund der erfolgten Abtretung ihrer Ansprüche nicht aktiv legitimiert war und die abgetretenen Ansprüche anderweitig rechtshängig waren und mögliccherweise immer noch sind, hat das Erstgericht die klägerischen Ansprüche gegen die hiesige Beklagte in der Sache zutreffend abgewiesen.
1. Die Beklagte hat von Anfang an bestritten, den streitgegenständlichen Motor EA 189 entwickelt zu haben. Unstreitig ist, dass das streitgegenständlichen Fahrzeug mit dem beanstandeten Motor von der Beklagten hergestellt und vor der Erstzulassung vom 30.10.2012 in Verkehr gebracht wurde.
Dass die hiesige Beklagte – was auf S. 3 der Klage behauptet wurde – in von ihr hergestellten Dieselmotoren des Typs EA 189 eine Manipulationssoftware eingebaut hätte bzw. den streitgegenständlichen Motor entwickelt und oder gebaut hätte, hat die Klägerin nicht unter Beweis gestellt.
Die klägerische Behauptung widerspricht auch den Feststellungen des OLG Koblenz, die Grundlage der Ausführungen des Bundesgerichtshofs in den von der Klagepartei zitierten Entscheidung vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19, waren. Danach hat die dortige Beklagte, die V. AG, auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung den streitgegenständlichen Motor mit der beanstandeten Software im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse entwickelt, wobei dieser nicht nur bei der V. AG, sondern auch bei mehreren Tochterunternehmen in verschiedenen Fahrzeugmodelle zum Einsatz kam (vgl. Dort Tz. 16, 19, 25 und 39, zitiert nach Juris).
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die damaligen Vorstände oder Repräsentanten der hiesigen Beklagten in den Jahren 2012 und 2013 Kenntnis von den technischen Details und der streitgegenständlichen Problematik dieses Motors gehabt hätten, wurden von der Klagepartei erstinstanzlich nicht vorgetragen und sind auch nicht überwiegend wahrscheinlich.
Soweit die Klagepartei nunmehr auf die Anklage und zwischenzeitlich bereits laufende Hauptverhandlung gegen den vormaligen Vorstandsvorsitzenden der hiesigen Beklagten Dr. S. verweist, wird diesem nach dem Inhalt der Medienberichterstattung insbesondere vorgeworfen, dass er trotz der Meldung der US-Umweltbehörde vom 18.9.2015 über einen Rechtsverstoß gegen den „Clean Air Act“ in Form einer Softwaremanipulation durch die V. AG weiterhin Fahrzeuge mit dem beanstandeten Motor EA 189 verkauft bzw. deren weiteren Verkauf trotz Kenntnis von der Manipulation nicht verhindert habe.
Da die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug jedoch bereits am 2.11.2013 erworben hat, käme es auf die Bösgläubigkeit des Vorstands der Beklagten oder anderer Repräsentanten zu dieser Zeit an, wozu klägerseits nichts vorgetragen wurde und auch anderweitig keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 25.5.2020, dort unter Tz. 39, zitiert nach Juris, eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten bejaht, weil die dortige Klagepartei hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands der dortigen Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen hatte. Insoweit ist der hiesige Sachverhalt nicht vergleichbar. Und sind die rechtlichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs – entgegen der Ansicht der Klagepartei – auf die hiesige Klage nicht ohne weiteres übertragbar.
Die Berufungsführerin kann sich zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zustellung äußern.
Dabei sollte aus Kostengründen (Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0) auch eine Rücknahme der Berufung geprüft werden.
Außerdem wird eine Überprüfung des Beklagtenrubrums angeregt: Dr. D. ist nach Kenntnis des Senats Vorstandsvorsitzenden der V. AG, nicht aber der verklagten A. AG.


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