Europarecht

Schadensersatz wegen Verkehrsunfall auf Truppengelände der US-Army

Aktenzeichen  14 O 435/17

Datum:
6.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 164121
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Amberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
NTS Art. VIII Abs. 5
NTSG Art. 6 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der bei der US Army angestellte Zivilist kann als Schädiger im Sinne des Art. VIII Abs. 5 NTS angesehen werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind als Entsendestaat verantwortlich.  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die rein interne Schadensregulierung ist nicht geboten. Trotz der Nähe der Klägerin zur Truppe aufgrund ihres  Arbeitsverhältnisses und der Beschäftigungsausübung auf dem Truppengelände, ist die noch nicht ausreichend, die Behandlung als Mitglied der Truppe oder des zivilen Gefolges zu rechtfertigen.  (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 846,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.07.2017 zu zahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin weitere Schadenspositionen, die im Zusammenhang stehen mit dem Unfall vom 20.09.2016, der sich an der Ausfahrt der Highschool im Lager der … ereignet hat, zu ersetzen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht Amberg ist insbesondere nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GVG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 NTSG sachlich zuständig. Dies ergibt sich daraus, dass vorliegend Ansprüche auf Grundlage von Verletzungshandlungen eines Mitglieds einer Truppe oder eines zivilen Gefolges der Vereinigten Staaten von Amerika in Ausübung ihres Dienstes geltend gemacht werden. Dies ist im haftungsrechtlichem Sinne insoweit als Amtspflichtverletzung eines Beamten anzusehen.
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO.
Die Klage wurde auch rechtzeitig erhoben.
Die Mitteilung der Entschließung der Bundesanstalt für Immobilien vom 17.03.2017 wurde der Klägerin am 21.03.2017 zugestellt. Die Klage ist am 22.05.2017 bei Gericht eingegangen. Hiernach ist die zweimonatige Frist nach Art. 12 Abs. 3 NSTG gewahrt.
Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Feststellung einer umfassenden Ersatzpflicht der Beklagten im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 20.09.2016 besteht. Derzeit befindet sich der schadensbegründende Sachverhalt noch in der Entwicklung und ist insbesondere hinsichtlich Nutzungsausfallschäden noch nicht bezifferbar.
Die Prozessführungsbefugnis der Beklagten folgt aus Art. I 12 Abs. 1, 2 NTSG.
II.
Hinsichtlich der Klage zu 1. und 2. liegen die Voraussetzungen für eine nach § 260 ZPO zulässige Klagehäufung vor.
III.
Die Klage ist begründet.
Der Antrag zu 1. ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung des ihr entstandenen Schadens.
Die Anspruchsvoraussetzungen des Art. VIII Abs. 5 NTS liegen vor.
Die vorgenannte Vorschrift begründet Ansprüche, die sich daraus ergeben, dass durch Handlungen oder Unterlassungen von Mitgliedern einer Truppe oder eines zivilen Gefolges in Ausübung des Dienstes oder durch eine andere Handlung, Unterlassen oder Begebenheit, für die eine Truppe oder ein ziviles Gefolge rechtlich verantwortlich ist, in dem Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates, einem Dritten mit Ausnahme der Vertragsparteien, ein Schaden zugefügt worden ist. Der Anwendungsbereich erfasst demnach Ansprüche aus Schädigung natürlicher oder juristischer Personen, die durch fremde Nato-Truppen entstehen. Ausgeschlossen sind jedoch nach Art. 41 Abs. 6 ZA-NTS, Schäden, die Mitgliedern einer Truppe oder ihres zivilen Gefolges durch Handlungen oder Unterlassen anderer Mitglieder der gleichen Truppe oder ihres zivilen Gefolges oder durch andere Begebenheiten verursacht worden sind, für welche die genannte Truppe oder ihr ziviles Gefolge haftbar ist.
Die Beklagte ist passivlegitimiert.
Der Unfall, bei dem der Pkw der Klägerin beschädigt wurde, wurde durch ein im Eigentum der US-Regierung befindliches Fahrzeug (Fiat Transporter mit dem Kennzeichen …) verursacht. Der Fahrzeugführer Herr … fuhr, ohne auf das hinter ihm stehende Fahrzeug der Klägerin zu achten, rückwärts an das Auto der Klägerin und verursachte so den genannten Schaden. Auch als ein bei der US Army angestellter Zivilist ist er Schädiger im Sinne des Art. VIII Abs. 5 NTS, was sich aus Art. 6 Abs. 1 NTSG ergibt: Hier werden, außerhalb der Truppe und des zivilen Gefolges, ausdrücklich auch Bedienstete einer Truppe oder eines Zivilgefolges in den Kreis der Schadensverursacher im Sinne der Anspruchsgrundlage genannt. Aus diesen Gründen ergibt sich hier die Verantwortlichkeit der Vereinigten Staaten von Amerika als Entsendestaat aus Art. VIII Abs. 5 NTS. Die Beklagte ist gemäß Art. 112 Abs. 1, 2 NTSG in Prozessstandschaft für die Vereinigten Staaten von Amerika in Anspruch zu nehmen.
Das Unfallgeschehen trug sich auch auf dem Gelände des Lagers … und so im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates der Bundesrepublik Deutschland zu.
Die Klägerin ist „Dritte“ im Sinne des Art. VIII Abs. 5 NTS, sodass der Anwendungsbereich diesbezüglich eröffnet und sie somit aktivlegitimiert ist.
Sinn und Zweck der anspruchsbegründenden Norm ist es, Schadensfälle im externen Bereich des Entsendestaates sachgerecht und geordnet zu regulieren. Es soll externen Geschädigten die Möglichkeit gegeben werden, zentral und wie im Aufnahmestaat – vorliegend der Bundesrepublik Deutschland – üblich, ihre Schäden geltend machen zu können. So soll der gesteigerten Schutzbedürftigkeit externer Geschädigter in einer solchen Konstellation Rechnung getragen werden. Dies zeigt auch deutlich Art. 141 Abs. 6 ZA-NTS, der ausdrücklich Schäden ausnimmt, die sich Truppenmitglieder oder Mitglieder des zivilen Gefolges derselben Truppe gegenseitig zugefügt haben.
Die Klägerin ist per definition nicht als Teil der Truppe oder des zivilen Gefolges der Vereinigten Staaten von Amerika im Sinne von Art. I Abs. 1 lit. a und b NTS einzuordnen, weil sie deutsche Staatsangehörige ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Gemäß Abs. 4 lit. a des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. I Abs. 1 lit. a NTS ist sie als Angestellte der Fa. … Südlager … zwar sehr wohl als Arbeitnehmerin der amerikanischen Streitkräfte zu qualifizieren, jedoch steht dies ihrem Status als „Dritte“ im Sinne des Art. VIII Abs. 5 NTS nicht entgegen.
Die Eigenschaft als zivile Arbeitnehmerin bei den US-Streitkräften begründet nicht per se ein solch besonderes Näheverhältnis, dass von einem internen Schadensfall ausgegangen werden muss. Als Mitarbeiterin der Schulküche der Highschoo… ist die Klägerin in den Betrieb der Schule und in gewissem Maße auch in den Betrieb der Streitkräfte eingegliedert, was allerdings weniger ein Moment der Nähe zu den Streitkräften begründet als vielmehr die Konsequenz einer sinnvollen Arbeitsorganisation ist Insbesondere der Wortlaut des Art. I IX Abs. 4 S. 3 NTS unterscheidet deutlich, noch über den Wortlaut des Art. VIII Abs. 5 NTS hinaus, zwischen zivilem Gefolge und zivilen Arbeitskräften. Demnach resultiert aus einem zivilen Arbeitsverhältnis zwischen Staatsangehörigen des Aufnahmestaates mit dem Entsendestaat als vermeintliches Näheverhältnis gerade nicht der Status als Truppenmitglied oder Mitglied des zivilen Gefolges. Wenn dem so wäre, wäre die Trennung der Begrifflichkeiten „zivilem Gefolge“ und „zivilem Arbeitnehmer“ beziehungsweise die Definition des zivilen Gefolges im Hinblick auf Schadensregulierungen nach Art. VII Abs. 5 NTS per se nicht relevant, sondern rein wertungsabhängig. Eine solche Wertung ist mit den vorgenannten Vorschriften nicht in Einklang zu bringen. Die rechtliche Gleichsetzung des „zivilen Arbeitnehmers“ mit dem „zivilen Gefolge“ einer Truppe widerspricht demnach sowohl der Begriffsdefinition als auch dem Wortlaut des NTS sowie des dazugehörigen Zusatzabkommens.
Auch die Tatsache, dass die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit die Berechtigung für den Zugang zum Gelände des Lagers der US Army … hat, vermag keine solche Nähebeziehung zu begründen, dass eine rein interne Schadensregulierung geboten wäre. Vielmehr berührt der Ort des Unfallgeschehens die Externenstellung der Klägerin in keiner Weise. Als zivile Arbeitnehmerin in der Schulküche der Highschool liegt es in der Natur der Tätigkeit, dass sie sich auf dem Gelände des Stützpunktes bewegt, was aber auf die fehlende Zugehörigkeit zur Truppe oder zum Zivilgefolge keinen Einfluss hat. Auch wenn sie aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses der Truppe nähersteht als Zivilisten, die keinerlei Beziehung zu den Vereinigten Staaten besitzen, so rechtfertigt dies gerade noch nicht die Behandlung als Mitglied der Truppe oder des Gefolges. Die Klägerin ist als deutsche Staatsangehörige mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland nach dem Sinn und Zweck der Anspruchsnorm schutzbedürftig und somit anspruchsberechtigt.
Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs bei der zuständigen deutschen Behörde, namentlich hier der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, erfolgte außerdem fristgerecht und ordnungsgemäß nach Art. 6 NTSG.
Die Klägerin hat den Anspruch entsprechend dem eingeholten Kostenvoranschlag auch der Höhe nach geltend gemacht. Der Betrag von 846,10 € ist unstreitig die vorerst feststellbare Schadenshöhe und der Klägerin zu erstatten.
IV.
Der Antrag zu 2. ist begründet.
Die Klägerin hat die Reparatur bisher noch nicht ausführen lassen, sondern einen Kostenvoranschlag eingeholt. Erfahrungsgemäß lassen sich oftmals erst bei der Reparatur weitere Schäden erkennen beziehungsweise der tatsächliche Arbeitsumfang und – aufwand erst dann genau beziffern. Demnach ist der Antrag auf Feststellung einer umfassenden Ersatzpflicht aus dem Unfallereignis begründet.
V.
Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens.
VI.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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