Europarecht

Schadensersatzanspruch, Marke, Kaufpreis, Fahrzeug, Berufung, Verletzung, Staatsanwaltschaft, Anspruch, Kenntnis, Betrieb, Form, Verwendung, Anlage, Klage, ins Blaue hinein, abweichenden Beurteilung

Aktenzeichen  3 U 95/21

Datum:
4.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52655
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

13 O 618/20 2021-03-08 LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 08.03.2021, Aktenzeichen 13 O 618/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Schweinfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.524,43 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 21.06.2013 zu einem Kaufpreis von 30.456,06 € einen Neuwagen der Marke X., Typ G. von einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 288 der Abgasnorm EU 5 ausgestattet. Das Fahrzeug verfügt weder über einen NOx-Speicherkatalysator (NSK) noch über einen SCR-Katalysator (AdBlue). Für das Fahrzeug existiert kein Rückrufbescheid des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und es gibt kein (verpflichtendes) Software-Update.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, die Beklagte habe in sein Fahrzeug mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut und zuletzt die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, den Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie die Feststellung des Annahmeverzugs beantragt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Vortrag des Klägers im Wesentlichen ins Blaue hinein erfolge. Die bloße Verwendung eines „Thermofensters“ reiche zudem nicht aus, einen Schadensersatzanspruch zu begründen.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes in erster Instanz im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 08.03.2021 Bezug genommen.
Gegen das vorgenannte Urteil wendet sich die Berufung des Klägers, der seine Sachanträge weiterverfolgt. Er trägt vor: Das Landgericht habe den Vortrag des Klägers bezüglich der weiteren, neben dem Thermofenster vom dem Kläger angeführten Abschaltvorrichtungen weitestgehend ignoriert. Der Kläger rüge daher die Verletzung rechtlichen Gehörs. Das Gericht habe auch insoweit den Anspruch der Klagepartei auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, da es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt habe, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klagepartei in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben. Die Klagepartei habe „die Mängel“ hinreichend genau beschrieben. Das Landgericht hätte daher zum Tatsachenvortrag der Klagepartei, dass in das klägerische Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien, zumindest ein Sachverständigengutachten einholen müssen.
Das Fahrzeug verfügt über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007:
– Abgasrückführung: Im Prüfstand sei die Abgasaufbereitung so programmiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) ausgestoßen werden. Zu diesem Zwecke würden die Abgase wieder der Verbrennung zugeführt. Hierdurch würden die Stickoxidemissionen verringert, die Bildung von Rußpartikeln werde jedoch durch die zusätzliche Verbrennung gefördert. Zusätzlich finde eine Leistungsreduzierung statt, um den Verbrauch und damit die streitgegenständlichen CO₂ – Werte deutlich zu senken. Erkenne das Fahrzeug, dass es länger im normalen Betrieb auf der Straße fährt, würden Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt. So werde die Abgasrückführungsrate heruntergefahren, wodurch weniger Abgase erneut der Verbrennung zugeführt und in der Folge mehr Stickoxide ausgestoßen würden.
– Des Weiteren sei die Abgasreinigung auch nicht innerhalb eines Temperaturfensters von -24°C bis +70°C zu 100% aktiv, sondern werde insbesondere unter einem Temperaturbereich von 20°C kontinuierlich reduziert. Die von der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) durchgeführte Testreihe an einem Audi A3 2,0 TDI mit dem hier streitgegenständlichen EA288-Motor und Euro 5-Abgasnorm sowie DPF-Technologie, zeige deutlich auf, dass die Funktionalität der AGR mit sinkender Temperatur abnehme, wodurch folglich die vom Fahrzeug emittierten NOx-Werte zunehmen würden (Anlage BB1). Ein von Dr. M. durchgeführtes Gutachten an einem VW Golf 2.0 TDI Euro 5 mit dem hier streitgegenständlichen EA288-Dieselmotor der Beklagten bestätige die Messergebnisse, welche mit über 350 bis über 450 mg NOx / km deutlich über dem gesetzlich vorgeschriebenen NOx-Grenzwert von 180 mg / km lägen (Anlage BB2). Auch bestätigten die auf Seite 8 der Anlage K3 dargestellten Messergebnisse eine Reduzierung der AGR-Rate bei sinkender Außentemperatur sowie eine damit einhergehende Steigerung der NOx-Emissionen und deutliche Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte.
– Umschaltlogik: In dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei außerdem eine Umschaltlogik in Form der sog. Akustikfunktion verbaut. Das gehe auch aus dem Anschreiben der Beklagten an das Kraftfahrt-Bundesamt vom 29.Dezember 2015 hervor (Anlage K3).
– Implementierte Prüfstandserkennung: Das Motorsteuergerät des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei auf Grund der darauf installierten Software in der Lage, mit Hilfe vorgeschriebener „Fahrkurven“ und Messgrößen den Prüfzyklus (NEFZ) zu erkennen und daraufhin vorangepasste „Fahrmodi“ anzusteuern, welche wiederum auf dem Prüfstand für eine kurzzeitige Optimierung der Abgasnachbehandlung sorgten. In dem Motorsteuergerät des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei eine Funktion implementiert worden, die das Vorkonditionieren des Fahrzeugs für die Prüfstandsanordnung und somit den darauffolgenden Testzyklus erkenne. Habe das Fahrzeug erkannt, dass es auf den Prüfstand vorbereitet werde, schalte es während der darauffolgenden Prüfstandsanordnung in einen für den Prüfstand optimierten Abgasreinigungsmodus. Dazu erkenne das Fahrzeug, wenn die Umgebungstemperatur über einen der Prüfstandsanordnung vorausgehenden Zeitraum (ca. 6 Stunden) konstant zwischen 20 und 30 °C betrage. Dabei handele es sich um die sog. Konditionierungsphase. Darüber hinaus richte sich das Motorsteuergerät bei Aktivierung des „Modus 1“ nach weiteren konkreten – ebenfalls temperaturabhängigen – Messgrößen (Kühlmitteltemperatur, Kraftstofftemperatur, Motoröltemperatur, sowie atmosphärischer Umgebungsdruck als eingrenzende Parameter, vgl. Anlage K 3).
Zudem habe die Staatsanwaltschaft Braunschweig am 13.06.2018 einen Bußgeldbescheid in Höhe von 1.000.000.000 EUR gegen die Beklagte auf Grund fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht erlassen, der auch auf den Motor EA288 bzw. Aufsichtspflichtverletzungen im Bereich „Aggregateentwicklung“ gestützt gewesen sei (Anlage BB 3). Auch gebe es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der Beklagten (Anlage BB 4).
Im Übrigen werde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf den erstinstanzlichen Vortrag nebst den dortigen Beweisantritten ausdrücklich Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Schweinfurt, Az: 13 O 618/20 vom 08.03.2021 wird
1. die Beklagte verurteilt, an die Klägerpartei EUR 30.456,05 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 5.931,62 Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke G. mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.
2. festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 13.05.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. die Beklagte verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.851,36 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2020 zu zahlen.
hilfsweise:
Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt, Az: 13 O 618/20 vom 08.03.2021 wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Sie trägt insbesondere vor, das KBA habe den streitgegenständlichen Motor in der verfahrensgegenständlichen Spezifikation bereits überprüft und keine unzulässigen Abschalteinrichtungen gefunden (vgl. Anlagen BE 11 und BE 26). Im Übrigen sei der Vortrag des Klägers zu unzulässigen Abschalteinrichtungen unsubstantiiert und ins Blaue hinein.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird Bezug genommen auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 08.03.2021, Aktenzeichen 13 O 618/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 08.07.2021 Bezug genommen. Die Ausführungen des Klägers in der Stellungnahme vom 26.07.2021 zu dem Hinweisbeschluss des Senats, die der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen hat, geben auch nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Insoweit ist nur die nachfolgende ergänzende Anmerkungen veranlasst:
Die Erwägungen des OLG Naumburg im Urteil vom 09.04.2021, Az. 8 U 68/20 sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil das streitgegenständliche Fahrzeug – worauf die Beklagte im Schriftsatz vom 30.07.2021 zu Recht hinweist – mit einem vollkommen anderen Motortyp (Abgasklasse EU 5 statt EU 6) ausgestattet ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde nach Anhörung der Parteien in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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