Europarecht

Standortbescheinigung, Einstweiliger Rechtsschutz (Nachbarin), Gesundheitsgefahren durch Mobilfunk, Überprüfung der Eignung aktueller Grenzwerte, Uneinheitlicher wissenschaftlicher Erkenntnisstand, Evidenzschwelle, Vorsorgegrundsatz

Aktenzeichen  M 28 S 21.6108

Datum:
21.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12085
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
GG Art. 12
GG Art. 13
GG Art. 20a
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a
BEMFV § 3, 5
26. BImSchV
FuAG § 36

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 30. Juni 2021 (Az. M 28 K 21.3469), mit der sie sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) wendet.
Die Beigeladene beantragte unter dem 2. Juni 2020 eine Standortbescheinigung für den Standort „R.“. Als vorgesehene Betriebsfrequenz wurden Werte zwischen 758 und 1.835 Megahertz (MHz) angegeben. Die Leistung pro Kanal am Sendeausgang wurde mit 120 bzw. 160 Watt angegeben. Am 5. Juni 2020 erteilte die Außenstelle Augsburg die begehrte Standortbescheinigung für die Sendeanlage … …, Gemarkung …, Flurstück 1408/14 unter der Bescheinigungsnummer … … 24. Darin sind folgende standortbezogene Sicherheitsabstände angegeben:
Standort
Hauptstrahlrichtung Meter
vertikal (90°)
Meter
Montagehöhe der Bezugsantenne über Grund [Meter]
Gesamtstandort
19,30
4,75
32,50
Die Antragstellerin ist Mieterin einer Wohnung in der R. Straße 1 in …, Fl.Nr. 405, in der sie auch eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt. Die Wohnung befindet sich bei Messung mittels „BayernAtlas“ Luftlinie circa 740 m von der Sendeanlage entfernt.
Gegen die Standortbescheinigung legte die Antragstellerin mit Schreiben vom … April 2021 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2021 zurückgewiesen. Die festgelegten Sicherheitsabstände seien auf der Grundlage der nach § 3 BEMFV einzuhaltenden Grenzwerte überprüft worden. Dabei seien keine Fehler festgestellt worden.
Unter dem 19. Februar 2020 hatte die Beigeladene auch die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Funkübertragungsstelle auf der FlNr. 1408/14 Gem. … beantragt, die ihr mit Bescheid vom 17. Dezember 2020 erteilt wurde. Gegen diese Genehmigung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom … Januar 2021 Klage erhoben, die bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht München noch unter dem Aktenzeichen M 1 K 21.302 anhängig ist. Mit Schriftsatz vom … Mai 2021 hat die Antragstellerin zudem um einstweiligen Rechtschutz ersucht mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom … Januar 2021 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2020 anzuordnen. Diesen Antrag mit dem Aktenzeichen M 1 SN 21.2740 hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. August 2021 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist dort noch unter dem Aktenzeichen 1 CS 21.2386 anhängig.
Der Klageantrag im hiesigen Hauptsacheverfahren lautet: Die Standortbescheinigung der Beklagten vom 5. Juni 2020 und der Widerspruchsbescheid der Außenstelle Nürnberg vom 31. Mai 2021, Az. … …21, zugestellt am 2. Juni 2021, werden aufgehoben.
Zur Begründung der Klage führte die Antragstellerin aus, sie halte sich an sechs Tagen der Woche circa 20 Stunden lang im Arbeitszimmer der Wohnung auf. In diesem Raum würde durch die Inbetriebnahme des Funkmastes die stärkste zu erwartende Strahlenbelastung auftreten. Die Wohnung befinde sich im 30°-Winkel zur streitgegenständlichen Anlage, was bedeute, dass vier Antennen auf sie gerichtet seien.
Die Standortbescheinigung sei rechtswidrig. Sie beruhe auf der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV). Die Festsetzung der Abstandsflächen erfolge nach § 3 Nr. 1 BEMFV i.V.m. Anlage 1 der 26. BImSchV, welche nichtig sei aufgrund ihrer formellen und materiellen Rechtswidrigkeit.
Der von der Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren in Bezug genommene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2002 (Az. 1 BvR 1676/01) zur Gültigkeit der 26. BImSchV sei nach fast 20 Jahren intensiver Forschung über die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlen auf den Menschen nicht länger aktuell. Die 26. BImSchV sei mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG unvereinbar. Sie hätte aufgrund der Ermächtigungsgrundlage § 7 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht erlassen werden dürfen, da durch ihre Umsetzung nicht sichergestellt sei, dass genehmigungsbedürftige Anlagen so betrieben werden, dass Gefahren für die Nachbarschaft und die Allgemeinheit nicht hervorgerufen werden können. Dies sei nach Auffassung der Antragstellerin zu folgern aus der tumorfördernden Wirkung von Mobilfunkstrahlen, den Warnungen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) auf dessen Internetseiten zu Gesundheitsgefahren von Mobilfunkstrahlen auch bei Einhaltung der Grenzwerte, der Forderung des BfS nach Aussparung von sensiblen Orten von Mobilfunkstrahlung auch bei Einhaltung der Grenzwerte, konkludent aus der Anerkennung von sensiblen Orten gemäß Vorsorgerechtsprechung, aus der anerkanntermaßen kalziumkanalöffnenden Wirkung von Mobilfunkstrahlen unterhalb der Grenzwerte, wegen der ausschließlichen Berücksichtigung thermischer Effekte und wegen der aus der Verwendung adaptiver Antennen resultierenden Gefahren. Hierzu wird z.T. unter Berufung auf eine Reihe wissenschaftlicher Studien jeweils Näheres ausgeführt: So sei erwiesen, dass Mobilfunkstrahlen bei Mäusen eine tumorfördernde Wirkung hätten. Aufgrund dieses Versuchsergebnisses stehe fest, dass die hochfrequenten Strahlen auch Gefahren für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorrufen könnten, also für Menschen. Tierversuche würden gerade zu dem Zweck durchgeführt, Gefahrenlagen für Menschen erkennen zu können. Ihnen sei deshalb eine große Aussagekraft für Risikoeinschätzungen in Bezug auf den Menschen beizumessen. Wenn das Bundesamt einwende, die Übertragbarkeit von Tierversuchen auf Menschen sei nicht erwiesen, widerspreche es sich selbst, da es die „Mäusestudie“ gerade zu diesem Zweck in Auftrag gegeben habe.
Das BfS benenne auf seinen Internetseiten Gefahren für die Nachbarschaft und die Allgemeinheit, welche eine Unvereinbarkeit der Anlage 1 zur 26. BImSchV mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG belegten. Es gebe Hinweise auf Störungen des Immunsystems, des Hormonhaushalts, auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu dem Verdacht, dass die Felder des Mobilfunks Krebs auslösen oder vorhandene Krebserkrankungen verschlimmern könnten sowie Unsicherheiten hinsichtlich möglicher langfristiger Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder (EMF) auf den Menschen und insbesondere auf Kinder. Dosimetrische Studien hätten gezeigt, dass vor allem bei jüngeren Kindern bestimmte Gewebe und Hirnareale beim Telefonieren vergleichsweise höher exponiert sein können als bei Erwachsenen. Das BfS fordere eine Minimierung der Strahlenbelastung für Kinder und generell bis zur endgültigen Klärung der offenen Fragen eine vorsorgliche Verringerung der individuellen Belastung und eine umfassende Information der Bevölkerung neben den bestehenden Vorschriften zur Gefahrenabwehr. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Strahlenexpositionsverringerung seien offensichtlich ungeeignet, den Gesundheitsschutz der Bevölkerung sicherzustellen. Insbesondere gelte dies für die Einhaltung der Grenzwerte, da trotzdem gewarnt werde.
Weiter führt sie an, die Präsidentin des BfS fordere in einem Interview mit nano (3 Sat), besonders schutzwürdige Personengruppen (Kinder unter 14 und Senioren über 65 Jahren) von einer 5G-Bestrahlung auszunehmen. Nach Auffassung der Antragstellerin seien zudem Kranke zu berücksichtigen. Eine von derUniversität B.beauftragte Review komme zu dem Ergebnis, dass Mobilfunkstrahlen eine Erhöhung des oxidativen Zellstresses bewirkten und dass dieser DNAschädigende Effekt bereits bei sehr niedriger Mobilfunkbestrahlungsintensität, deutlich unterhalb der Grenzwerte, sowie unabhängig von thermischer Wirkung auftrete. Während ein gesunder Mechanismus sich daran nach einer kurzen Erholungsphase anpassen könne, sei bei Schutzbedürftigen das Risiko nachteiliger gesundheitlicher Auswirkungen wesentlich erhöht. Wenn zu dieser Personengruppe all diejenigen zu zählen sind, die sich gegen oxidativen Stress nur eingeschränkt zur Wehr setzen können, sei ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung auf ca. 40% zu schätzen. Durch eine Aussparung lediglich sensibler Orte (Kindergärten, Krankenhäuser, Altenheime etc.) von der 5G-Bestrahlung könne ein Schutz dieser Bevölkerungsgruppe nicht zuverlässig gewährleistet werden; zumal beispielsweise nur 4,3% der Senioren in Altenheimen lebten und Kinder sich nicht überwiegend in Schulen sondern zu Hause aufhielten. Der Review zufolge sei eine Erhöhung oxidativen Stresses auch nicht nur bei Bestrahlung mit 5G sondern auch im 2G- bis 4G- Bereich aufgetreten. Ein Schutz seit somit nur mit einer Anpassung der Grenzwerte zu erreichen.
Die auf den Internetseiten des BfS zum Ausdruck gebrachten Zweifel an der Unbedenklichkeit von Mobilfunkstrahlen für die Gesundheit hätten zur Entwicklung der „Vorsorgerechtsprechung“ durch das Bundesverwaltungsgericht geführt, aus welcher folge, dass auch die Rechtsprechung die Grenzwerte der 26. BImSchV nicht als solche anerkenne. Es komme zum Ausdruck, dass die Rechtsprechung die Grenzwerte gemäß der 26. BImSchV nicht als solche anerkenne, sondern vielmehr aufweiche.
Gemäß einem Bericht der Strahlenschutzkommission (SSK) vom 12. Dezember 1991 trete bei einem SAR-Wert von 0,01 W/kg, also 1/8 des zulässigen Ganzkörper-SARGrenzwertes, bei amplitudenmodulierten Frequenzen, wie sie im Mobilfunk im 4G- und 5G-Bereich zu einer Steigerung der Datenübertragung verwendet werden, eine Erhöhung der Permeabilität von Zellmembranen auf, was zu einer Kalziumausstromerhöhung zwischen 10 und 12% führe. Diese Abweichung vom Normalzustand sei so erheblich, dass der Eintritt von negativen Konsequenzen für den Stoffwechsel nicht in Frage gestellt werden könne. Intrazellulärer Kalziumüberschuss führe zu aktivierter Signalübertragung und dies wiederum zu Herzkrankheiten und Demenz, Alzheimer, ADHS und Autismus.
Die vorgenannten Wirkungen von Mobilfunkstrahlung unterhalb der Grenzwerte seien nicht mit einer rein thermischen Wirkung in Einklang zu bringen. Es müsse als erwiesen angesehen werden, dass Mobilfunkstrahlen auch eine athermische Wirkung entfalteten. Daher seien auf eine rein thermische Wirkung abstellende Grenzwerte unzutreffend. Dies ergebe sich auch aus der Empfehlung an Personen mit implantierten Defibrillatoren, nicht weniger als 1 km von einem Funkturm entfernt zu wohnen. Zum Beweis der Existenz auch einer athermischen Wirkung wurde ein Sachverständigengutachten angeboten.
Bei der Verwendung von adaptiven Antennen sei die Einhaltung von Grenzwerten aus technischen Gründen nicht sichergestellt. Befänden sich nämlich mehrere Mobilfunknutzer mit hohem Datenverbrauch in derselben Strahlrichtung, so könnten sogenannte „Beams“ auftreten, also sogar grenzwertüberschreitende und deswegen mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erst recht nicht zu vereinbarende Emissionen.
Der Wandel in der wissenschaftlichen Erkenntnislage manifestiere sich auch in der veränderten internationalen Bewertung von Mobilfunkstrahlung, wofür etliche Einzelnachweise angeboten werden; unter anderem eine Entscheidung des USBundesgerichts von Columbia vom 13. August 2021. Die 26. BImSchV sei wegen neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse nichtig, auf ihr beruhende Standortbescheinigungen rechtswidrig.
Die Antragstellerin sei durch die rechtswidrige Standortbescheinigung in ihren Rechten verletzt. Zunächst sei sie Nachbarin, weshalb sie sich auf die drittschützende Wirkung von § 4 Abs. 1 BEMFV berufen könne. Weiter sei ihre körperliche Unversehrtheit verletzt, einerseits wegen der generellen Wirkungen der Nähe der Sendeanlage zum anderen auch wegen persönlicher Dispositionen.
Insbesondere ergebe sich aus epidemiologischen Studien, dass im Umkreis von 500 m von Mobilfunkmasten innerhalb von fünf Jahren eine stark erhöhte Krebsrate zu verzeichnen sei. Außerhalb dieses Umkreises nehme die Erkrankungsrate ab, sei aber bis zu einer Entfernung von einem Kilometer immer noch erhöht. In diesem Entfernungsradius ergäben sich Auswirkungen auf die Abläufe im Körper aus den zuvor genannten Herstellerangaben des Defibrillators. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in der Entfernung von nur 430 m von einem Funkmast eine signifikante Erhöhung von oxidativem Stress stattfinde.
Die Versäumnisse des BfS, trotz der anerkanntermaßen weit unterhalb der Grenzwerte eintretenden tumorfördernden Wirkung von Mobilfunkstrahlen keine genaueren Forschungen zu betreiben, ab welcher Strahlungserhöhung genau die Erhöhung des oxidativen Stresses einsetzt, könnten nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen.
Da sich aus der Erhöhung der Funkstrahlung mit Sicherheit eine Erhöhung des oxidativen Stresses ergeben werde, sei die Antragstellerin Kranke im Sinne der Klassifizierung des BfS und gehöre damit der Personengruppe der Sensiblen an. Es bestehe bei ihr wegen diverser, auf einen Gendefekt zurückzuführender Überempfindlichkeiten, also wegen einer Schwächung des Immunsystems eine 20%-ige Behinderung. Der Gendefekt führe zu einem um 50% erhöhten oxidativen Zellstress. Bei dieser Disposition könne die von der gegenständlichen Anlage ausgehende Strahlung auch Krebs auslösen, da nicht kompensierter oxidativer Stress dazu im Stande sei. Die erhöhte Krebsgefahr ergebe sich auch aus der sog. „Mäusestudie“. Hinzu komme eine erbliche Vorbelastung der Antragstellerin: beide Elternteile verstarben an bzw. mit Krebs. Zusätzliche Brisanz bestehe wegen einer im Juli 2021 erhaltenen Tumordiagnose. Der Tumor sei zwar vollständig entfernt. Jedoch bestehe eine Anfälligkeit für weitere Tumorerkrankungen. Aus alledem folge, dass die in der Wohnung der Antragstellerin zu erwartende Strahlungserhöhung zu einer Erhöhung des oxidativen Stresspegels führen werde. Dieser werde sich wegen des durch ihre genetische Disposition ohnehin vorliegenden erhöhten oxidativen Stresspegels mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesundheitlich nachteilig auswirken, was ein Sachverständigengutachten beweisen werde. Die Inbetriebnahme des Funkmastes werde daher zu einer Körperverletzung führen, jedenfalls aber einen rechtswidrigen Eingriff in Art. 2 GG mit sich bringen.
Nochmals erhöht sei das Erkrankungsrisiko wegen der stark erhöhten Radonstrahlung in … Radon könne Lungenkrebs verursachen, eine Krebsart, die sich auch in der Mäusestudie als stark reagierend erwiesen habe. Die erhöhte Radonstrahlung sei ggf. mitursächlich dafür, dass in … die Krebsrate überdurchschnittlich hoch liege.
Eine Verletzung von Art. 12 GG ergebe sich aus der zu erwartenden Reduzierung der Belastbarkeit der Antragstellerin. Die Gefahr sei hinreichend konkret.
Weiter werde gegen das sich aus Art. 13 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK ergebende Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen.
Mit Schriftsatz vom 17. September 2021 traten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin diesem Vorbringen entgegen. Die Klage sei bereits unzulässig, da es an der Möglichkeit einer Rechtsverletzung fehle. Die Wohnung der Antragstellerin liege so erheblich außerhalb des standortbezogenen Sicherheitsbereichs, der in Hauptstrahlrichtung 19,30 m beträgt, dass eine Überschreitung der Grenzwerte dort nicht möglich erscheine. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Grenzwerte massiv zu hoch und die Sicherheitsabstände damit zu niedrig angesetzt wären, würden die Effekte der Strahlung gleichwohl mit zunehmender Entfernung vom Standort abnehmen und zwar umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands. Die sog. Leistungsflussdichte betrage demnach in einer Entfernung von 740 m nurmehr 1/740²tel, also 1/547.600tel.
In jedem Fall sei die Klage unbegründet. Im Standortbescheinigungsverfahren werde zunächst geprüft, ob der standortbezogene Sicherheitsabstand eingehalten ist, innerhalb dessen die Grenzwerte der 26. BImSchV überschritten werden dürfen. Zur Ermittlung des Sicherheitsabstands stünden messtechnische und rechnerische Verfahren zur Verfügung, wobei die Verordnung die rechnerische Ermittlung als Regelverfahren vorsehe. Die verwendeten Formeln enthielten hohe Sicherheitszuschläge, sodass die rechnerisch ermittelten Abstände regelmäßig sehr viel größer seien als die tatsächlich erforderlichen Abstände. In einem zweiten Schritt werde kontrolliert, ob der standortbezogene Sicherheitsabstand den kontrollierbaren Bereich überragt. Antennen strahlten regelmäßig in eine Hauptstrahlrichtung, veranschaulichbar als Strahlungskeule, deren Höhe, Länge und Breite maßgeblich abhänge von den Eigenschaften der Antenne aber auch beeinflusst werde von weiteren Antennen am gleichen und an anderen Standorten. Wenn nämlich die Strahlungskeule in großer Höhe über die umliegenden Gebäude hinweg- oder in mehreren Metern Höhe über unbebautes Land hinausgehe, seien Gefahren für Menschen ausgeschlossen und der Standort müsse immissionsschutzrechtlich genehmigt werden.
Die Grenzwerte der 26. BImSchV seien entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht unzureichend. Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch das Bundesverfassungsgericht und die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gingen davon aus, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV der Schutzpflicht staatlicher Organe gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch elektromagnetische Felder ausreichend Rechnung tragen. Bei Einhaltung dieser Grenzwerte könne daher derzeit nicht von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Mobilfunksendeanlagen ausgegangen werden. Gerade weil in der Forschung unbestritten sei, dass elektromagnetische Felder, wie sie von Mobilfunkantennen erzeugt werden, gesundheitsschädigende Effekte für den Menschen haben können, seien Grenzwerte vonnöten. Es sei auch anerkannt, dass es neben thermischen auch athermische Effekte gebe. Umstritten sei aber, ab welchen Grenzwerten sich schädliche Effekte zeigten. Es gebe hierzu eine Vielzahl von Studien. Ein Sachverständigengutachten, wie es die Antragstellerin fordert, würde deren Zahl lediglich um 1 erhöhen. Durch die Betrachtung einzelner wissenschaftlicher Studien könne kein konsistentes Bild über die Gefährdungslage erlangt werden.
Die Bundesregierung als Verordnungsgeberin stütze sich bei ihrer Tätigkeit auf Forschungsergebnisse des BfS, der SSK sowie des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms (DMF). Ferner begleite die Bundesregierung aktiv die Forschung zu hochfrequenten elektromagnetischen Feldern, und unterrichte den Bundestag regelmäßig auf Grundlage des Jahresberichts des BfS über Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung. Die auf dieser Basis erfolgende Auswertung des Forschungsstandes habe bis zuletzt keine Erkenntnisse ergeben, welche die Grenzwerte der 26. BImSchV in Frage stellen würden. Der Bundestag werde von der Bundesregierung ferner regelmäßig auch über den internationalen Forschungsstand unterrichtet. Insbesondere habe sie sich in ihrem letzten Bericht ausführlich mit der von der Antragstellerin zitierten NTP- und Ramazzini-Studie und deren Schwächen auseinandergesetzt.
Die Antragstellerin setze dem Erkenntnisse aus einer einzigen Studie zur tumorfördernden Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder bei Mäusen entgegen. Das BfS schließe aus dieser Studie aber gerade nicht auf eine tumorwachstumsfördernde Wirkung beim Menschen. Allerdings habe es „um zu prüfen, ob es sich bei den Beobachtungen in dem einen Mausstamm um einen Tiermodellspezifischen Effekt handelt, der nur unter spezifischen Versuchsbedingungen zum Tragen kommt, oder ob ein bisher unbekannter und möglicherweise allgemein relevanter Wirkmechanismus zugrunde liegen könnte“ weitere Forschung vergeben.
Mit den weiteren von der Antragstellerin angeführten Studien (REFLEX-Studie, AUVAStudie, Interphone-Studie) hätte eine kritische Auseinandersetzung insbesondere der Bundesregierung stattgefunden, welche zu dem Fazit geführt habe, dass der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand insgesamt keinen Anlass gebe, die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen, jedoch wissenschaftliche Unsicherheiten nur bestünden hinsichtlich der – körpernahen – Endgerätenutzung, wohingegen Mobilfunkbasisstationen in der Regel mehrere hundert Meter entfernt seien.
Die „Warnungen“ des BfS vor den gesundheitsschädlichen Folgen, welche der Betrieb von Mobilfunkanlagen und Mobilfunkendgeräten haben könne, würden nicht bestritten. Eben wegen dieser Gefahren gebe es Grenzwerte.
Da die Antragstellerin nur eine Verletzung eigener Rechte geltend machen könne, seien die Ausführungen zum Schutzbedürfnis von Kindern und anderer vulnerabler Personengruppen offensichtlich irrelevant. Die zitierten Aussagen der Präsidentin des BfS in einem 3satnano-Beitrag bezögen sich auf 5G-Anwendungen, welche weit oberhalb der am streitgegenständlichen Standort eingesetzten Frequenzen lägen. Letztere betrügen 700-, 800-, 900- sowie 1.800 MHz, während die erwähnten Körperscanner im Terahertzbereich oberhalb von 3,5 GHz arbeiteten.
Zu der seitens der Antragstellerin angeführten kalziumkanalöffnenden Wirkung von Mobilfunkstrahlen wird entgegnet, dass die in Bezug genommenen Ausführungen der SSK aus dem Jahr 1991 stammten und in diesem Themenkomplex seither intensiv weiter geforscht worden sei. Die Bundesregierung habe die gewonnenen Erkenntnisse 2019 dahingehend zusammengefasst, dass sich frühere Hinweise auf Risiken nicht bestätigt hätten.
Es sei zudem falsch, dass die 26. BImSchV athermische Effekte nicht berücksichtige. Ihr § 1 Abs. 1 treffe insoweit gerade keine Unterscheidung, die Verordnung stelle generelle Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder. Die festgelegten Grenzwerte orientierten sich deshalb nur an thermisch bedingten Reaktionen, weil diese bei einer weit geringeren Feldstärke einträten als nachgewiesene athermische Reaktionen. Jedoch schlussfolgere das BfS, dass die Existenz nichtthermischer biologischer Wirkungen unterhalb der Grenzwerte durch die Ergebnisse des DMF und weiterer aktueller nationaler und internationaler Studien nicht betätigt werden könne. Sie gäben keinen Anlass, die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen.
Adaptive Antennen und Beamforming würden am streitgegenständlichen Standort nicht eingesetzt.
Die internationalen Studien, auf die die Antragstellerin hinweist, zeigten lediglich, dass die Frage nach einer angemessenen Vorsorge vor den unbestrittenen Gefahren der „Mobilfunkstrahlung“ auch international umstritten sei. Die Studie, welche eine Einstufung als „wahrscheinlich krebserregend“ vornehme, sei nicht dem Europäischen Parlament zuzurechnen. Vielmehr komme die Autorin einer Studie, die vom Europäischen Parlament in Auftrag gegeben worden sei, zu diesem Ergebnis. Diese Studie stelle aber lediglich eine weitere Einzelstimme im wissenschaftlichen Diskurs dar und sehe zudem das primäre Risiko in der Endgerätenutzung.
Zutreffend sei, dass die WHO, genauer die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO (IARC) im Jahr 2011 die Wirkung hochfrequenter Felder als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft hat. Auch diese beziehe sich aber auf die Benutzung von Mobilfunkendgeräten am Körper und nicht auf Mobilfunkbasisstationen.
Zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 GG durch Erhöhung des oxidativen Stresses wird ausgeführt, dass sich sowohl das BfS als auch die Bundesregierung mit diesem Themenkomplex auseinandergesetzt hätten. Die von der Antragstellerin zur Untermauerung herangezogenen Studien im oberfränkischen Naila und im brasilianischen Belo Horizonte seien bekannt, wiesen aber schwere methodische Schwächen auf und könnten daher keinen Erkenntnisgewinn liefern. Zu den Symptomen “Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Verkrampfungen, Nervosität und Schlaflosigkeit“ wird das BfS zitiert, welches allenfalls bei der Exposition mit Mobiltelefonen eine geringfügige Auswirkung im normalen physiologischen Bereich, im Übrigen aber keine Ursächlichkeit insbesondere von Mobilfunkbasisstationen erkennt.
Hinsichtlich der Verletzung von Art. 13 GG und 8 EMRK sei bereits der Schutzbereich nicht eröffnet, weil bei Einhaltung der Grenzwerte von dem streitgegenständlichen Standort keine gesundheitsschädlichen Immissionen ausgingen.
Die Antragstellerin vertiefte ihr Vorbringen mit Schriftsätzen vom *. und … Oktober 2021: Zum Beweis für die Tatsache, dass bei adaptiven Antennen in Beams nicht die technischen Voraussetzungen für die Grenzwerteinhaltung bestehen weist sie hin auf die Bundestagsdrucksache 19/27327 vom 26. Februar 2021, dort S. 8, woraus sich ergebe, dass wegen der noch nicht ausgereiften Technik weder die Strahlungsemissionen noch die -immissionen von adaptiven Mobilfunkantennen gesteuert bzw. kontrolliert werden könnten. In der Konsequenz sei also eine Überschreitung der Grenzwerte nach der 26. BImSchV durchaus möglich. Der Einsatz adaptiver Antennen sei daher rechtswidrig.
Mit Schriftsatz vom … Oktober 2021 wurde der Sachvortrag dahingehend korrigiert, dass der Funkmast 730 m von der Wohnung der Antragstellerin entfernt liege. Weiter wurde ausgeführt, dass der Niederländische Gesundheitsrat verfügt habe, dass die 5G-Frequenz von 26 GHz nicht mehr verwendet werden sollte. Es wird noch hingewiesen auf den 4. Mobilfunkbericht der Deutschen Bundesregierung, wonach feststehe, dass die Absorptionsrate bei Kindern zumindest im hohen Frequenzbereich, wie er im 5G-Bereich verwendet werde, um 50% überschritten sei. Folglich müssten die Grenzwerte, damit sie auch für Kinder G. beanspruchen könnten, um 50% „erhöht oder gesenkt“ werden.
Die Antragstellerin zitiert noch aus Auswertungen der Reviews derUniversität B.und des Arbeitskreises Zukunft der Wissenschaft und Technologie des Europäischen Parlaments, welche eine Erhöhung des oxidativen Stresses und die Wahrscheinlichkeit Krebs zu erregen belegten.
Der EGMR habe am 3. Juli 2007 entschieden, dass die Mobilfunkstrahlung des streitgegenständlichen Funkmasts nicht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK vereinbar sei. Die planmäßige und durchdringende Bestrahlung aller Innenräume bedürfe der gesetzlichen Rechtfertigung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK. Eine Rechtsgrundlage bestehe aber nicht. Ferner verstoße die Inbetriebnahme des Funkmasts auch gegen Rechte aus internationalen Verträgen. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der Schlussakte von Helsinki und anderen internationalen Verträgen werde gemäß dem wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments in einer Untersuchung der Auswirkungen der drahtlosen 5G-Kommunikation auf die menschliche Gesundheit anerkannt, dass im Vorfeld von Maßnahmen, die die menschliche Gesundheit beeinträchtigen könnten, die Zustimmung nach Inkenntnissetzung ein wesentliches, grundlegendes Menschenrecht sei, das noch brisanter werde, wenn es um die Exposition von Kindern und Jugendlichen gehe. Die Antragstellerin widerspreche der Inbetriebnahme. Es gehe vorliegend auch um die Exposition von Kindern.
Die Antragsgegnerin erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2021, weder adaptive Antennen noch die 5G-Frequenz von 16 GHz kämen am Standort zum Einsatz. Der Niederländische Gesundheitsrat spreche lediglich eine Empfehlung aus. Der Emissionsminderungsbericht der Bundesregierung (BT-Drs. 17/4408) komme zu dem Ergebnis, dass aktuell kein Strahlenschutzproblem für die allgemeine Bevölkerung bestehe. Die Studie zu den Auswirkungen von 5G stelle nicht die Einschätzung des Parlamentsausschusses dar, sondern die seiner Autorin. Darin hieße es im Übrigen, dass die größte Belastung von den eigenen Mobiltelefonen ausgehe.
Mit Schriftsatz vom 24. November 2021 stellte die Antragstellerin
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der bereits anhängigen Anfechtungsklage, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Die Begründung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Standortbescheinigung werde um die Verstöße gegen die Normen der Regionalplanung, des Bayerischen Naturschutzgesetzes, des Waldschutzgesetzes und des Bayerischen Klimaschutzgesetzes ergänzt. Diese Normen konkretisierten angesichts des planetaren Notstandes das Recht der Antragstellerin auf körperliche Unversehrtheit. Die Verletzung dieser Vorschriften sei bislang nur im baurechtlichen Gerichtsverfahren geltend gemacht worden. Dort habe eine Überprüfung im erstinstanzlichen Eilverfahren aber nicht stattgefunden. Auf die diesen Normen zukommende drittschützende bzw. Art. 2 GG konkretisierende Wirkung sei das Gericht nicht eingegangen. Die Gegenseite habe im Beschwerdeverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgetragen, sämtliche gesundheitsrelevante Vorschriften seien im Standortbescheinigungsverfahren zu prüfen. Daher finde nun eine Ergänzung des Vorbringens statt, wobei die Antragstellerin hiervon selbst nicht überzeugt sei. Die Ergänzung des Vorbringens erfolge höchst vorsorglich.
Da für die Errichtung des Funkmasts Bäume gefällt wurden, die wegen ihrer Fähigkeit CO₂ aufzunehmen einer Klimaerwärmung entgegenwirken und der Funkmast in einem Landschaftsschutzgebiet, einem Auwald errichtet wurde, sei in diesem Zusammenhang auch der Waldzustand von ausgesprochener Relevanz. Da dieser deutlich schlechter sei als im Klimareport Bayern dargestellt, sei diesem gegenüber von einer noch stärkeren Klimaerwärmung und damit einer noch stärkeren Lebensbedrohung für die Antragstellerin auszugehen. Zudem sei auch prognostisch von einem geringeren CO₂-senkenden Potenzial des Waldes auszugehen. Aufgrund in Deutschland bereits eingetretener klimaerwärmungsbedingter lebensbedrohlicher Ereignisse ergebe sich eine konkrete Gefahrenlage für die Antragstellerin; als Beispiele werden etliche Tausend Hitzetote sowie die Flutkatastrophe im Ahrtal angeführt und Tornadowarnungen. Ein Schutz könne nur durch die Einhaltung der Umweltvorschriften gewährleistet werden.
Ferner enthält die Antragsbegründung Vertiefungen der Klagebegründung, welche kongruent erscheinen zur Begründung der Beschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. August 2021 im Verfahren M 1 SN 21.2740. Es sei widerlegt, dass Tierversuche keine Aussagekraft für den Menschen hätten. Die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) treffe in einer ihrer Publikationen, welche vorgelegt wurde, die Grundannahme der Übertragbarkeit. Die Haltung des BfS, wonach die durch Tierversuche erwiesene tumorfördernde Wirkung nicht auf den Menschen übertragbar sei, stehe im Widerspruch zur Beauftragung der Studie eben durch das BfS. Eine tumorwachstumsfördernde Wirkung auch weit unterhalb der Grenzwerte sei außerdem widerlegt durch das bereits in der Klagebegründung mehrfach erwähnte Review der Universität Basel. Aus diesem Review gehe auch hervor, dass es nicht nur bei vulnerablen Personen zu einer Erhöhung des oxidativen Stresses komme. Die getroffene Schlussfolgerung, dass weitere Untersuchungen unter standardisierten Bedingungen notwendig seien, stelle die ausgewerteten Studien nicht in Frage. Vielmehr lägen die darin identifizierten Gesundheitsgefahren auf der Hand.
Es sei durch den 4. Mobilfunkbericht der Deutschen Bundesregierung widerlegt, dass es beim Menschen zu einer völlig anderen Feldverteilung komme als bei Tieren. Nach den dortigen Ausführungen stehe fest, dass das als die Aussagekraft von Tierversuchen widerlegend angeführte Argument der unterschiedlichen Feldverteilung der Strahlen bei Mensch und Tier unzutreffend ist. Das BfS selbst habe anhand von Ganzkörpermodellen die Feldverteilung beim Menschen überprüft. Es habe sich ergeben, dass sich bei Erwachsenen dieselbe Gesundheitsgefahr realisiere wie bei Tieren und bei Kindern sogar eine um 50% höhere. Durch das Review derUniversität B.sei die Behauptung des BfS widerlegt, dass sich in der Gesamtschau keine tumorwachstumsfördernde Wirkung von elektromagnetischen Strahlen ergebe. Die Erkenntnisse über weitere Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkstrahlen unterhalb der geltenden Grenzwerte, welche im Einzelnen benannt werden, dürften nicht ignoriert werden. Sie führten zur Nichtigkeit der Grenzwertfestsetzungen der 26. BImSchV. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass von der Nutzung von Mobiltelefonen gegenüber Funkmasten die größere Gefahr ausginge. Während die Nutzung von Mobiltelefonen eigenverantwortlich erfolge, könne man sich der Strahlung von Funkmasten nicht ohne Weiteres entziehen. Die Antragstellerin weist abermals auf die athermischen Gesundheitsgefahren hin, welche von der für die Grenzwertfestsetzung verantwortlichen International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) nicht beachtet würden. Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2020 (4 A 13/18) sei die tumorfördernde Wirkung von Mobilfunkstrahlen und deren Feldausbreitung bei Kindern fehlerhaft nicht berücksichtigt, da die Reviews der Schweizer Regierung und des Europaparlaments im Entscheidungszeitpunkt noch nicht veröffentlicht und das in der Klagebegründung in Bezug genommene Urteil eines US-Gerichts noch nicht ergangen gewesen seien. Das Urteil, welches davon ausgehe, dass noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über komplexe Gefährdungslagen vorlägen, sei deshalb als überholt anzusehen. Der Gesetzgeber müsse tätig werden. Dem Gericht sei es bis dahin aber verwehrt, selbst Grenzwerte festzulegen oder eine Unbedenklichkeit auszusprechen. Die Inbetriebnahme des Funkmastes stehe im Widerspruch zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der Schlussakte von Helsinki und anderen internationalen Verträgen.
Unabhängig von der Rechtswidrigkeit der Standortbescheinigung bestehe ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, da die Inbetriebnahme eine irreversible Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit bedeuten könne.
Dass ihr im Hinblick auf die Umweltschutzvorschriften keine Antragsbefugnis zukommen solle, stehe im Widerspruch zu Unions- und Völkerrecht. Die maßgebliche EGRichtlinie (2003/35/EG) zur Implementierung der Aarhus-Konvention habe im Umweltrechtsbehelfsgesetz, welches nur anerkannten Umweltvereinigungen eine Klageberechtigung zuerkenne, keine ordnungsgemäße Umsetzung erfahren.
Die Antragsgegnerin entgegnete darauf mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2021 und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Sie weist auf den Zweck des Standortverfahrens hin, der gem. § 1 BEMFV der Schutz von Personen in den durch den Betrieb von ortsfesten Funkanlagen entstehenden elektromagnetischen Feldern sei. Der Prüfungsumfang der Antragsgegnerin sei nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BEMFV darauf beschränkt, ob der standortbezogene Sicherheitsabstand innerhalb des kontrollierbaren Bereichs liegt. Als Bundesoberbehörde sei sie nicht zuständig für den Vollzug bayerischer Vorschriften. Das Standortverfahren nach der BEMFV werde eindeutig nicht vom UmwRG umfasst.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2021 wurde die … … GmbH & co. OHG als Inhaberin der Standortbescheinigung notwendig zum Verfahren beigeladen.
Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2022 beantragte die Antragstellerin eine Auslegungsvorlage gem. Art. 267 AEUV wegen der nicht ordnungsgemäßen Richtlinienumsetzung. Die Antragsgegnerin äußerte sich hierzu mit Schriftsatz vom 16. Februar 2022.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten im Eil- und im Hauptsacheverfahren Bezug genommen.
II.
Der Antrag, über den gem. § 101 Abs. 3 VwGO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden war, bleibt ohne Erfolg. Er kann als zulässig angesehen werden, ist aber unbegründet.
1. Der Antrag kann im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschut zes anzustellenden summarischen Prüfung als zulässig angesehen werden.
a. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Drittanfechtungs klage vom 30. Juni 2021 ist statthaft gem. § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt (FuAG).
Bei einer nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) vom 20.08.2002 (BGBl. I S. 3366, zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes vom 27.06.2017, BGBl. I S. 1947) erteilten Standortbescheinigung handelt es sich um einen Verwaltungsakt (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, B.v. 30. März 2004 – 21 CS 03.1053, BeckRS 2004, 14579, beckonline).
Laut § 36 Abs. 1 FuAG, welcher auch auf Entscheidungen im Standortbescheinigungsverfahren anwendbar ist (VG Kassel, B.v. 28. Januar 2021 – 7 L 2464/20.KS, BeckRS 2021, 4375, beckonline; VG Stuttgart, B.v. 29. Juni 2021 – 11 K 1585/21 – juris), haben Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur keine aufschiebende Wirkung.
b. Eine Antragsbefugnis infolge der Erteilung der Standortbescheinigung analog § 42 Abs. 2 VwGO kann unter vorläufiger Hintanstellung von Bedenken angenommen werden.
aa. Die Antragstellerin ist zwar nicht antragsbefugt im Hinblick auf die Verletzung eigener Rechte durch behauptete Verstöße gegen die Regionalplanung, die Landschaftsschutzverordnung sowie das Natur-, Wald- und Klimagesetz. Die Normen des Bundesnaturschutzgesetzes, des Bayerischen Naturschutzgesetzes, des Waldschutzgesetzes und des Klimaschutzgesetzes entfalten ebenso wenig wie der Regionalplan und die im Vorhabensgebiet einschlägige Landschaftsschutzgebietsverordnung drittschützende Wirkung.
Die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind dem öffentlichen Interesse zuzuordnen. Das Naturschutzrecht schützt nur die Interessen der Allgemeinheit, es ist nicht dazu bestimmt, dem Schutz einzelner Dritter zu dienen (VG München, B.v. 3. November 2005 – M 9 E 05.3590 – juris Rn. 32). Auch der Tier- und Pflanzenschutz verfolgt vielmehr das objektive, dem Einzelnen nicht zugeordnete Ziel des Gemeinwohls (BVerwG, U.v. 17. Januar 2001 – 6 CN 3.00 – juris Rn. 8).
bb. Eine Antragsbefugnis besteht nicht im Hinblick auf die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG. Dies gilt auch angesichts der von der Antragstellerin proklamierten globalen Notlage und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz des Bundes vom 24. März 2021 (1 BvR 2656/18 – BVerfGE 157, 30-177, juris).
Der in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verankerte Umweltschutz als Staatsziel begründet kein Abwehrrecht. Es handelt sich ausschließlich um objektivrechtlich zu verstehende Verfassungssätze ohne anspruchsbegründende Wirkung.
Ein „Grundrecht auf Natur- und Landschaftsschutz“ existiert nicht. Die natur- und landschaftsschutzrechtlichen Bestimmungen gewähren dem Einzelnen keinen Anspruch auf den Erhalt eines bestimmten Zustands der natürlichen Umgebung (BayVGH, B.v. 27. Juli 2010 – 15 CS 10.37 – juris Rn. 25).
Die Bindungswirkung des sog. Klimaschutz-Beschlusses des Bundesverfas sungsgerichts vom März 2021 für Planungs- und Genehmigungsentscheidungen, aber auch für deren gerichtliche Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 BVerfGG zu beurteilen. Hiernach binden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts alle Gerichte und Behörden. Das Bundesverfassungsgericht betont aber die Konkretisierungsprärogative des Gesetzgebers auch im Hinblick auf die von Art. 20a GG geforderte Treibhausgasminderung mit dem Ziel einer künftigen Klimaneutralität. Die tragenden Entscheidungsgründe besagen eben nicht, ohne ein sofortiges Moratorium wäre der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG (aktuell) verletzt. Der Beschluss adressiert damit den Gesetzgeber, nicht aber die Planungs- oder Genehmigungsbehörden oder Fachgerichte. Es bestehen im Hinblick auf das Demokratieprinzip und den Gewaltenteilungsgrundsatz durchgreifende Bedenken gegen die Annahme, im Lichte des Klimaschutz-Beschlusses obliege es diesen, die zu beurteilenden Nutzungsentscheidungen ausschließlich oder vorrangig im Hinblick auf ihre Klimaverträglichkeit als zulässig oder unzulässig zu bewerten. Bei Planungs- und Genehmigungsentscheidungen haben die zuständigen Behörden dem nach Maßgabe der jeweils anwendbaren Normen Rechnung zu tragen, wenn und soweit das einschlägige Fachrecht „offen“ ist für die Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen. Bei gebundenen Entscheidungen, auf deren Erteilung bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch besteht, kann das Berücksichtigungsgebot schon kraft seiner rechtlichen Struktur der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht „entgegenstehen“, da es auf eine Einstellung als Abwägungsbelang bzw. ermessenserhebliche Berücksichtigungsleitlinie angelegt ist und gerade nicht darauf, durch dessen Einhaltung „sichergestellt“ zu werden. Für eine Berücksichtigung des Klimabeschlusses ist somit nur im Vorsorgebereich – etwa durch Auflagen – Raum. Jedoch können auch hier „allgemeine Klimaschutzerwägungen nicht dazu herangezogen werden, um andere gesetzgeberische Festlegungen zu verschärfen“ (zum Ganzen m.w.N.: Uechtritz/Ruttloff: Der KlimaschutzBeschluss des Bundesverfassungsgerichts – Auswirkungen auf Planungs- und Genehmigungsentscheidungen, NVwZ 2022, 9, beckonline). Hinzu kommt, dass eine Standortbescheinigung weder tatbestandlich noch in ihrer Regelungswirkung den Klimaschutz zum Gegenstand hat (vgl. BayVGH, B.v. 8. Dezember 2021 – 22 CS 21.2284 – juris, Rn. 29).
cc. Ein Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG, kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Ein körperliches oder gar ein planvolles Eindringen in die Wohnung ist mit der behaupteten Strahlungsexposition jedenfalls nicht verbunden. Die Unverletzlichkeit der Wohnung umfasst zwar darüber hinaus auch das Recht, sie unbeeinträchtigt von unsichtbaren oder nicht körperlichen Verletzungen wie Immissionen, Gerüchen, Lärm oder ähnlichen Einwirkungen, wie thermischen und athermischen Strahlen, wie sie von Mobilfunksendern ausgehen, zu benutzen. (v. Mangoldt/Klein/Starck/Gornig, 7. Aufl. 2018, GG Art. 13 Rn. 43). Ein Eingriff ist jedoch erst anzunehmen, wenn eine direkte und erhebliche Beeinträchtigung erfolgt, die das Privatleben des oder der Betroffenen in der Wohnung stören. Dass in der Wohnung der Antragstellerin ein derart kritischer Strahlungswert erreicht werden könnte ist nicht substantiiert vorgetragen und angesichts der großen Entfernung des Mobilfunkmastes von 740 m von der Wohnung auch fernliegend (wird unten näher ausgeführt). Eine aus Besorgnis vor unbelegten Beeinträchtigungen nur subjektiv empfundene Minderung der Aufenthaltsqualität bei voller Einhaltung der Grenzwerte begründet aber schon keinen Eingriff in Art. 13 GG im obigen Sinne.
Aus denselben Gründen ist auch Art. 8 EMRK nicht in einer die Antragsbefugnis begründenden Weise betroffen. Zwar kann nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR v. 3.7.2007 – 32015/02 Gaida/Deutschland – NVwZ 2008, 1215) auch eine nicht körperliche und nicht sichtbare Verletzung, wenn sie schwerwiegend ist, das Recht einer Person auf Achtung ihrer Wohnung verletzen, weil sie sie daran hindert, die Wohnung zu nutzen. Art. 8 EMRK gibt aber kein Recht auf eine saubere und ruhige Umwelt. Die Rüge einer Verletzung des Art. 8 EMRK bleibt ohne Erfolg, wenn – wie im vom EGMR konkret entschiedenen Fall – der zulässige Grenzwert eingehalten ist und dieser festgelegt wurde unter Einhaltung des den Behörden eingeräumten Ermessensspielraums sowie zur Herstellung eines gerechten Ausgleichs zwischen dem Recht der von diesen Regelungen Betroffenen auf Achtung ihres Privatlebens und ihrer Wohnung und den widerstreitenden Interessen Anderer sowie der Allgemeinheit. Hieraus lässt sich bei einem Vergleich der Ausgangssituationen nichts für die Position der Antragstellerin ableiten: Die im Verfahren vor dem EGMR streitgegenständliche Mobilfunkanlage sollte in einer Entfernung von 20 m vom Haus des Beschwerdeführers installiert werden, wohingegen der Abstand zur Wohnung der Antragsgegnerin 740 m, also das 37-Fache, beträgt.
dd. Eine Verletzung von Art. 12 GG ist ebenfalls von vornherein ausgeschlossen.
Die freie Wahl der Arbeitsstätte in räumlicher Hinsicht als Teil der Berufsausübung wird von staatlicher Seite in keinster Weise beeinflusst. Die geminderte Nutzbarkeit der Wohnung beruht allein auf einem subjektiven Empfinden der Antragstellerin, für welches ein objektiver Beleg nicht erbracht wird.
Schon gar nicht ist in der Festlegung von allgemeingültigen Grenzwerten für Mobilfunkstrahlung eine berufsregelnde Tendenz zu erkennen. Dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (von der Antragstellerin befürchteten) Minderung ihrer Leistungsfähigkeit. Eine entsprechende Zielgerichtetheit ist gerade nicht erkennbar.
ee. Die Antragstellerin kann aber wegen des Vorbringens, die Grenzwerte § 2 26.
BImSchV seien ungeeignet zur Gewährleistung des im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu beachtenden Gesundheitsschutzes der Allgemeinheit zumindest im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch als antragsbefugt gelten, obwohl sich ihre Wohnung nicht nur knapp sondern weit außerhalb des in der Standortbescheinigung festgesetzten Sicherheitsabstands befindet. Die Frage, ob auf Grund des erheblichen Abstands der Wohnung der Antragstellerin vom Standort der Mobilfunkanlage schon die Möglichkeit einer diesbezüglichen Rechtsverletzung ausgeschlossen sein könnte, soll dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Bei Eilanträgen nach § 80a Abs. 3 VwGO ist in entsprechenden Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO der Antragsteller als Dritter nur dann antragsbefugt, wenn er mit Erfolg geltend macht, dass der drittbegünstigende Verwaltungsakt ihn möglicherweise in eigenen Rechten verletzt (vgl. Schoch in: Schneider/Schoch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 80a Rn. 69).
Nach der Rechtsprechung ist gemäß der sog. Möglichkeitstheorie eine Antragsbefugnis dann ausgeschlossen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (Schoch/Schneider/Wahl/Schütz, 41. EL Juli 2021, VwGO § 42 Abs. 2 Rn. 67). Insoweit ist eine sehr eingehende Substantiierung dahingehend zu verlangen, etwa ob der Wohnort noch zum Einwirkungsbereich der Anlage gehört oder ob die Dosisgrenzwerte der Strahlenschutzvorschriften überschritten werden können. Diese Anforderungen beziehen sich auf das tatsächliche Element, das bei Schutznormen unter Situationsvorbehalt zum Tatbestand des subjektiven öffentlichen Rechts gehört und auf das sich die Darlegungslast im Rahmen des § 42 Abs. 2 erstreckt (vgl. Schoch/Schneider/Wahl/Schütz, 41. EL Juli 2021, VwGO § 42 Abs. 2 Rn. 68 m.w.N.).
In Bezug auf eine mögliche Rechtsverletzung von Dritten durch eine Standortbescheinigung ist grundsätzlich auf den Einwirkungsbereich der Anlage abzustellen. Nach der Konzeption des Verordnungsgebers dient die Standortbescheinigung insbesondere dazu, die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte der 26. BImSchV im Einwirkungsbereich der Funkanlage zu gewährleisten (vgl. BayVGH, B.v. 30. März 2004 – 21 CS 03.1053 – BayVBl. 2004, 660/662; VG Göttingen, B.v. 6. Juni 2019 – 4 A 345/17 – juris Rn. 28; VG Kassel, B.v. 28. Januar 2021 – 7 L 2464/20.KS – juris). Dienen die festgelegten Grenzwerte und die ihre Einhaltung bestätigende Standortbescheinigung der Sicherheit aller im Einwirkungsbereich der Funkanlage sich regelmäßig aufhaltenden Personen, weil ein solcher Aufenthalt in gesundheitsunschädlicher Weise nur außerhalb des Grenzwertbereichs möglich ist, besteht auch für den gesamten Personenkreis die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die Standortbescheinigung, falls die Funkanlage die festgesetzten Grenzwerte nicht einhält oder gar fehlerhafte Grenzwerte festgesetzt sein sollten, weil insoweit eine weitere Betroffenheit dieser Personen nicht ausgeschlossen ist (vgl. VG Kassel, B.v. 28.1.2021 – 7 L 2464/20.KS, Rn. 24). Zu diesem Personenkreis zählt die Antragstellerin unstreitig nicht. Sie hat nicht geltend gemacht, sich regelmäßig innerhalb des so definierten Einwirkungsbereichs der Anlage oder auch nur in dessen Nähe aufzuhalten. Den der Erteilung zugrundeliegenden Normen kommt grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu (vgl. nur BayVGH, B.v. 30.3.2004 – 21 CS 03.1053 – BeckRS 2004, 14579; VG Göttingen, U.v. 6.7.2019 – 4 A 345/17- juris Rn. 28; VG Minden, B.v. 28.1.2010 – 10 L 516/09 – juris Rn. 23). Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Personen im gesamten Versorgungsbereich einer Funkanlage unterschiedslos antragsbefugt wären. Der für die Antragsbefugnis relevante Einwirkungsbereich ist im Einklang mit der oben zitierten Rechtsprechung enger zu fassen und auf die unmittelbare Nachbarschaft zu beschränken, namentlich auf die Liegenschaften, die an den Sicherheitsabstand heran- oder in ihn hineinreichen. Nur sie sind vom Schutzzweck des § 3 BEMFV erfasst, weil sich eine fehlerhafte Berechnung des Sicherheitsabstands auf sie auswirken kann. Im Hinblick auf den begrenzten Prüfungs- und Regelungsumfang einer Standortbescheinigung besteht nur für solche Personen die Möglichkeit einer Rechtsverletzung, die mit Erfolg geltend machen können, dass durch die Standortbescheinigung möglicherweise der zur Einhaltung der Grenzwerte nach § 3 BEMFV erforderliche standortbezogene Sicherheitsabstand zu ihrem Nachteil fehlerhaft ermittelt worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 30. März 2004 – 21 CS 03.1053 – BayVBl. 2004, 660/662).
Es ist hiernach ernstlich fraglich, zumindest aber im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch vertretbar, der Standortbescheinigung vom 5. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2021 eine potentiell rechtsverletzende Wirkung zu Lasten der Antragstellerin zuzuerkennen. Auf Grund der Entfernung von fast einem dreiviertel Kilometer der Wohnung der Antragstellerin zum Anlagenstandort ist es zwar ausgeschlossen, dass dort die im Rahmen des Standortverfahrens zu prüfenden Grenzwerte überschritten sind und die Antragstellerin somit nicht als Nachbarin im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung zu gelten hat. Die erforderlichen Sicherheitsabstände betragen bei der streitgegenständlichen Anlage 19,30 m in Hauptstrahlrichtung und 4,75 m in vertikaler Richtung. Die Wohnung der Antragstellerin befindet sich weit außerhalb dessen.
Die Antragstellerin hat in ihrer Klagebegründung geltend gemacht, dass sich ihre Wohnung im 30 Grad-Winkel zum streitgegenständlichen Funkmast befinde, was bedeute, dass vier Antennen darauf gerichtet seien. Ihre Argumentation scheint dahin zu gehen, dass das Konzept der Grenzwerte als solches angesichts der vielgestaltigen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung auf die menschliche Gesundheit allgemein als überholt anzusehen ist. Bei Anlegen eines sehr geringen Maßstabs an die Substantiierungsanforderungen kann hieraus eine Beeinträchtigung in tatsächlicher Hinsicht zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gerade noch als möglich erachtet werden.
Eine inzidente Überprüfung (allein) der Grenzwerte in Ausfüllung des in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG enthaltenen Begriffs der schädlichen Umwelteinwirkungen ist erforderlich aber auch ausreichend, um diesem Vorbringen gerecht zu werden, wobei über die Überprüfungstiefe hiermit noch nichts ausgesagt ist.
ff. Das Vorbringen der Antragstellerin ist aber unbeachtlich, soweit sie Bedrohun gen durch Mobilfunkstrahlungen anführt, die nicht konkret auf den streitgegenständlichen Mobilfunkstandort zurückzuführen sind oder sie selbst nicht konkret betreffen. Selbst der – erst noch zu führende – Nachweis einer erwiesenen schädlichen Wirkung von Mobilfunkstrahlung insbesondere für bestimmte Personengruppen könnte ihrer Individualklage gegebenenfalls nicht zum Erfolg verhelfen, da eine eigene Rechtsverletzung von vornherein ausscheidet.
Daher bleibt das Vorbringen unbeachtlich, soweit die Antragstellerin Bezug nimmt auf besonders vulnerable Personengruppen, denen sie selbst nicht angehört, wie Kinder oder Senioren sowie Träger von elektrisch oder elektronisch betriebenen Implantaten. Die 26. BImSchV berücksichtigt zudem ausdrücklich nicht die Wirkungen elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder auf elektrisch oder elektronisch betriebene Implantate.
Gleiches gilt soweit die Antragstellerin die ihrer Auffassung nach (besonders) schädliche Wirkung adaptiver Antennen, von Ganzkörperscannern oder der von Mobilfunkendgeräten sowie der 5G-Technologie zur Begründung ihrer Klage anführt, da nichts davon am streitgegenständlichen Standort zum Einsatz kommt.
2. Im Umfang seiner hiernach noch gegebenen Zulässigkeit erweist sich der An trag jedenfalls als unbegründet.
a. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 30. Juni 2021 nach § 80a Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 FuAG ist unbegründet. Die Klage der Antragstellerin wird in der Hauptsache voraussichtlich jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, da die angefochtene Standortbescheinigung vom 5. Juni 2020 aller Voraussicht nach rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, sodass das Interesse an ihrem Vollzug das von der Antragstellerin geltend gemachte Aussetzungsinteresse überwiegt.
Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Standortbescheinigung Anfechtungsklage, so kann das Gericht der Hauptsache nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn die vorzunehmende, eigene Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Maßgeblich dafür sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt nach vorläufiger Betrachtung hingegen als voraussichtlich rechtmäßig, so überwiegt grundsätzlich das öffentliche Interesse am Vollzug rechtmäßiger Verwaltungsakte das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Nichtvollziehung der Maßnahme.
b. Der angefochtene Verwaltungsakt ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und beruht insbesondere auf einer rechtmäßigen und verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage.
aa. Für die Kammer besteht kein Anlass für Zweifel an der (einfachgesetzlichen)
Rechtmäßigkeit der Standortbescheinigung und insbesondere an der korrekten Berechnung des Sicherheitsabstands.
Gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 BEMFV hat die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen eine Standortbescheinigung zu erteilen, wenn der standortbezogene Sicherheitsabstand innerhalb des kontrollierbaren Bereichs liegt. Nach § 2 Nr. 7 BEMFV ist der kontrollierbare Bereich der Bereich, in dem der Betreiber über den Zutritt oder den Aufenthalt von Personen bestimmen kann oder in dem aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse der Zutritt von Personen ausgeschlossen ist. In der nach § 4 Abs. 1 BEMFV für die streitgegenständliche Mobilfunkanlage notwendigen Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 5. Juni 2020 wird bestätigt, dass außerhalb eines standortbezogenen Sicherheitsabstandes (§ 5 Abs. 1 und 2 BEMFV), der in der Hauptstrahlrichtung horizontal 19,30 m und vertikal 4,75 m bei einer Montagehöhe der Anlage von 32,50 m über Grund beträgt, die für den Betrieb der Antennen festgelegten Grenzwerte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV i.V.m. § 3 BEMFV eingehalten sind. Dass die Sicherheitsabstände zutreffend berechnet wurden und im kontrollierbaren Bereich liegen, wurde von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen.
bb. Die 26. BImSchV, aus deren § 2 i.V.m. Anlage 1 sich die der Erteilung der Standortbescheinigung zugrunde gelegten Grenzwerte ergeben, ist formell rechtmäßig und verfassungskonform. Sie wurde von der Bundesregierung aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 unter Beteiligung des Bundestages gemäß § 48b BImSchG erlassen. Auch wenn die weitere Verordnungsermächtigung in § 12 des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG i.d.F. vom 31. Januar 2001) zum 4. Juli 2017 außer Kraft getreten ist, hat dies grundsätzlich keinen Einfluss auf den Bestand einer bereits in Kraft getretenen Rechtsverordnung (BVerwG, U.v. 31. Januar 1997 – 1 C 20/95, NZA 1997, 482). So auch hier: Das sich aus § 12 FTEG ergebende Schutzbedürfnis besteht nach wie vor und kann von der mit § 23 Abs. 1 BImSchG verbleibenden Rechtsgrundlage ausgefüllt werden.
cc. Die Wohnung der Antragstellerin liegt schon so erheblich außerhalb des stand ortbezogenen Sicherheitsbereichs, dass es vorliegend ausgeschlossen ist, dass auf ihrem Grundstück die nach § 3 BEMFV einzuhaltenden Grenzwerte überschritten sind. Der vorgegebene Sicherheitsabstand ist mehr als 37-fach gewährleistet. Unter Berücksichtigung der technischen Parameter der Mobilfunksendeanlage ist es daher praktisch unmöglich, dass sich eine fehlerhafte Ermittlung des standortbezogenen Sicherheitsabstands zu ihrem Nachteil ausgewirkt haben könnte. Die Antragstellerin hat im Übrigen auch nicht vorgetragen, dass der Antragsgegnerin bei der Berechnung des standortbezogenen Sicherheitsabstands Fehler unterlaufen sein sollen oder auch nur Anhaltspunkte dafür geliefert, dass die nach § 3 BEMFV einzuhaltenden Grenzwerte auf ihrem Grundstück überschritten wären. Ihr Vortrag beschränkt sich vielmehr darauf, pauschal die Tauglichkeit der 26. BImSchV zur Beurteilung der Gesundheitsschädlichkeit von Mobilfunkstrahlung in Abrede zu stellen.
dd. Anders als die Antragstellerin meint, musste die angewandte 26. BImSchV aber nicht unangewendet bleiben wegen gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßender Grenzwerte.
i. Die geltenden Grenzwerte könnten nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar ist, dass sie die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen. Davon kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG, B.v. 28. Februar 2002 – 1 BvR 1676/01, NJW 2002, 1638 /1639, beckonline). Aus dem Vorbringen der Antragstellerin gewinnt die Kammer nicht die Überzeugung, dass die Grenzwerte seitens des Verordnungsgebers zu hoch angesetzt bzw. belassen wurden. Es besteht keine Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische (Gesundheits-)Gefährdungen (BVerfG, a.a.O., 1. Ls.). Dem Verord nungsgeber kommt bei der Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht gebietet nicht, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Deren Verletzung kann vielmehr nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben (BVerfG, a.a.O.).
Es fehlt aber bereits an einem substantiierten Vorbringen, das geeignet wäre, die Tauglichkeit der geltenden Grenzwerte zum Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkstrahlung in Zweifel zu ziehen. So wirft die Antragstellerin der Antragsgegnerin nicht vor, sie würde tatenlos bleiben. Allein stimmt sie mit ihr nicht in der Bewertung der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse überein.
Nach dem immer noch gültigen Maßstab des Bundesverfassungsgerichts besteht kein weitergehender Handlungsbedarf. Die gesicherte Erkenntnislage in der Wissenschaft stellt sich gegenüber der bei Festlegung und Bestätigung – zunächst durch die Verordnungsgeberin und sodann durch die Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 21. September 2010 – 7 A 7/10 – juris Rn. 17f.; B.v. 26.9.2013 – 4 VR 1/13 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 3. Juli 2014 – OVG 6 S 26.14 – juris Rn. 7f.; BayVGH, B.v. 14. Juni 2013 – 15 ZB 13.612 – Rn. 9, zuletzt VG München, B.v. 30. August 2021 – M 1 SN 21.2740, BeckRS 2021, 25814) – der geltenden Grenzwerte als weitgehend unverändert dar.
ii. Bei der Festlegung dieser Grenzwerte in der Verordnungsfassung vom 16. De zember 1996, in Kraft getreten am 1. Januar 1997, stützte sich die Bundesregierung auf die sich aus der EU-Ratsempfehlung 1999/519/EG ergebenden Expositionsgrenzwerte, welche wiederum auf Empfehlungen der ICNIRP sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahre 1998 beruhten. Die Änderungsverordnung aus dem Jahr 2013 berücksichtigte außerdem die überarbeiteten Grenzwertempfehlungen der ICNIRP von 2010 (vgl. BT-Drs. 17/12372, S. 10 und 15). Die ICNIRP ist eine als eingetragener Verein (e.V.) verfasste internationale Vereinigung von Wissenschaftlern zur Erforschung der Auswirkung nichtionisierender Strahlung auf die menschliche Gesundheit. Deren Empfehlungen unterzieht die Bundesregierung einer eigenen fachlichen Bewertung, wobei sie sich nach eigenen Angaben u.a. auf die SSK, wissenschaftliche Fachgespräche und eine öffentliche Diskussion im Rahmen des Risikomanagements bei der Grenzwertdiskussion stützt (vgl. BT-Drs. 14/7907; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage BT-Drs. 14/7636 – konkret: „Warum folgt die Bundesregierung den Empfehlungen der ICNIRP?“). Im Jahr 2001 hat die SSK auf Veranlassung des Bundesumweltministeriums geprüft, ob und inwieweit sich der wissenschaftliche Kenntnisstand über die Wirkungen elektromagnetischer Felder inzwischen verändert hat. Dabei stellte sie fest, dass die geltenden Grenzwerte nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand die Bevölkerung vor nachgewiesenen Gesundheitsgefahren ausreichend schützen. Jedoch wurden seitens der SSK offene Fragen identifiziert und eine Intensivierung der Forschungsaktivitäten auch unterhalb der geltenden Grenzwerte empfohlen. Aus diesem Grunde hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Jahr 2002 das DMF initiiert und das BfS mit der Koordinierung der über 50 Forschungsprojekte in den Bereichen Biologie, Dosimetrie, Epidemiologie und Risikokommunikation beauftragt. Nach Abschluss aller Forschungsprojekte im Frühjahr 2008 haben das BfS und die SSK unabhängig voneinander übereinstimmend festgestellt, dass die vorliegenden Ergebnisse des Forschungsprogramms keine Erkenntnisse erbracht haben, die die geltenden Grenzwerte aus wissenschaftlicher Sicht in Frage stellen. Die zu Beginn des DMF bestehenden Hinweise auf mögliche Risiken konnten nicht bestätigt werden. Vor diesem Hintergrund hält die Bundesregierung weiterhin an den bestehenden Grenzwerten fest. (https://www.bmuv.de/themen/atomenergiestrahlenschutz/strahlenschutz/nichtionisierendestrahlung/strahlenschutzbeimmobilfunk#c21545
iii. Vor diesem Hintergrund berücksichtigt die Kammer bei der Bewertung des an tragstellerseitigen Vorbringens in Bezug auf die Frage, ob der Bundesregierung als Verordnungsgeberin auch angesichts neuester Erkenntnisse ein Zurückbleiben hinter ihrem Schutzauftrag vorzuwerfen ist, neben Äußerungen der Bundesregierung und den Empfehlungen der ICNIRP auch Verlautbarungen der SSK, des DMF und des BfS.
Die letzte offizielle Äußerung der SSK stammt aus dem Jahr 2020 und ist der in deren 307. Sitzung vom 3. Juli 2020 verabschiedete Bericht aus der Klausurtagung 2019. Darin heißt es: „In weiten Teilen des nichtionisierenden Strahlungsspektrums basiert das Schutzkonzept auf den gut verstandenen Wirkungsmechanismen, die erst oberhalb bestimmter Expositionsschwellen gesundheitlich relevant werden. Dieses Konzept steht auch in Einklang mit grundsätzlichen biophysikalischen Betrachtungen. […] Berichte über gesundheitliche Wirkungen bei schwachen Expositionen können mit diesen Konzepten nicht erklärt werden und führten zu einer Diskussion derzeit spekulativer aber als zumindest plausibel erscheinender Wirkungen, deren Aufklärung Gegenstand künftiger Forschung sein sollte. […] Die Frage, inwieweit eine schwache Exposition durch niederfrequente Magnetfelder einen Risikofaktor für die kindliche Leukämie darstellt, ist nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Epidemiologische Untersuchungen stützen diese Theorie, wenngleich ein Wirkmechanismus bisher nicht bekannt ist. Es wird deshalb (durchaus kontrovers) diskutiert, ob eine Aufklärung der grundsätzlichen Entstehungsmechanismen der kindlichen Leukämie unter Beteiligung der Strahlenschutzforschung erfolgversprechend ist. Die bislang vorliegenden epidemiologischen Erkenntnisse über einen eventuellen Zusammenhang elektromagnetischer Exposition und neurodegenerativer Erkrankungen sind nicht eindeutig. Ein entsprechender Wirkungsmechanismus ist ebenfalls nicht etabliert. Es wurde auf S. 4 f die Ansicht vertreten, dass nur Kohortenstudien mit langer Beobachtungszeit und prospektiver Expositionsabschätzung in Zukunft zuverlässigere Daten für diese Frage liefern können.“ Weiter heißt es: „Radiofrequency fields (100 kHz – 300 GHz) may lead to local or wholebody heating and microwave hearing (the latter is not considered an adverse health effect). Despite decades of research, there is still no clarity whether exposure to RF fields may lead to an increased risk of carcinogenesis; some studies provide indications, but most studies don’t.“ (S. 12, PhD Eric van Rongen, International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP), Chairman). Zusammenfassend wird geschlussfolgert, dass es Hinweise für karzinogene und athermische Effekte von nichtionisierender Strahlung durch hochfrequente elektromagnetische Felder gibt, die Datenlage für eine verlässliche Risikoabschätzung aber noch zu dürftig ist (S. 22 Impulsvortrag: Mechanismen – Nichtionisierende Strahlung (NIR) von Rüdiger Matthes, Bundesamt für Strahlenschutz, Neuherberg (i. R.)). Davon unberührt bleibt jedoch die Überzeugung, dass die Grenzwerte nach wie vor ausreichend sind, um erwiesenen Wirkungszusammenhängen und Gesundheitseffekten zu begegnen.
iv. Die auf dieser Basis von der Verordnungsgeberin getroffene Entscheidung, an den bestehenden Grenzwerten festzuhalten ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden; insbesondere bei Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Prüfungsmaßstabs, welches anerkennt, dass die gerichtliche Kontrolle des behördlichen Entscheidungsergebnisses mangels besserer Erkenntnis der Gerichte an objektive Grenzen stoßen kann, wenn es in den einschlägigen Fachkreisen und der einschlägigen Wissenschaft an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die fachliche Beurteilung fehlt (BVerfG, B.v. 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 – NVwZ 2019, 52, Rn. 20, beckonline). Bei Berücksichtigung dieser eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten der Gerichte ist es nur folgerichtig, einmal als tauglich befundene Grenzwerte unangetastet zu lassen, solange nicht evident ist, dass sie auf Grund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor elektromagnetischen Feldern gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich und so verfassungsrechtlich untragbar geworden sind (vgl. BayVGH, B.v. 8. Dezember 2021 – 22 CS 21.2284 – juris, Rn 43).
v. Die von der Antragstellerin angeführten – zumal nicht neuen – Studien und Re views sind nicht geeignet, die Bundesregierung als Verordnungsgeberin einem über die getroffenen Maßnahmen hinausgehenden gesetzgeberischen Handlungsdruck auszusetzen. Ohnehin kann ihnen nur insoweit Aussagekraft zukommen, als sie sich konkret mit dem Streitgegenstand, also einer Mobilfunkanlage im bescheinigten Frequenzbereich und deren Auswirkungen auf in Relation weit entfernte Grundstücke befassen; sonstige Ergebnisse – sei es etwa zu anderen Frequenzbereichen, sei es zu Auswirkungen von 5G-Mobilfelefonen am Körper – sind für den vorliegenden Fall ohne Relevanz, weil die Standortbescheinigung die Antragstellerin insoweit schon nicht in eigenen Rechten verletzen kann (vgl. 1.b.ff. und BayVGH, B.v. 8. Dezember 2021 – 22 CS 21.2284 – juris Rn. 45).
(1) Der als „Mäusestudie“ bezeichneten, vom BfS in Auftrag gegebenen Kontrollstudie für eine Pilotstudie des Fraunhofer Instituts aus dem Jahr 2010 wird von diesem mit für die Kammer nachvollziehbaren Argumenten keine hinreichende Aussagekraft für die Auswirkungen von hochfrequenten Strahlen auf den Menschen zuerkannt.
(2) Der neunte Emissionsminderungsbericht der Bundesregierung vom 26. Februar 2021 (BT-Drs. 19/27327) setzt sich auch mit der von der Antragstellerin nur erwähnten NTPStudie und der Ramazzini-Studie auseinander, welche im Jahr 2018 Anlass gaben, die krebserregende Wirkung von Mobilfunkstrahlung zu diskutieren. Die Bundesregierung schließt sich der Position des BfS zur NTPStudie an, welches nach sorgfältiger Analyse der vielfältigen Ergebnisse zwar Hinweise, aber keine klare oder mäßige Evidenz für eine karzinogene Wirkung bei den in der Studie angewandten hohen Ganzkörperexpositionen sieht (BT-Drs. 19/27327 S. 10). In Bezug auf die Ramazzini-Studie teilt das BfS aufgrund näher benannter Schwächen die Schlussfolgerung der Autoren nicht, dass diese die Ergebnisse der NTP-Studie stütze (BT-Drs. 19/27327 S. 10) und zieht auch angesichts dessen das Fazit, dass die Bevölkerung durch die geltenden Grenzwerte der 26. BImSchV ausreichend vor gesundheitlichen Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder geschützt ist (BTDrs. 19/27327 S. 14).
(3) Dass der Mobilfunkstrahlung teilweise kalziumkanalöffnende Wirkung zuerkannt wurde bzw. immer noch wird, wird von der Bundesregierung ebenfalls nicht ignoriert. Anlässlich einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 2019 setzte sie sich mit der Thematik auseinander, kommt aber unter Berufung auf das BfS und das DMF zu dem Ergebnis, dass die Annahme einer solchen Wirkung nicht den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand widerspiegelt (BT-Drs. 19/10524, S. 2).
(4) Dem Vortrag, dass erst kürzlich die Studie „Health impact of 5G“ vom Juli 2021, in Auftrag gegeben vom Panel for the Future of Science and Technology im Europäischen Parlament, erschienen sei, welche elektromagnetische Felder mit Frequenzen zwischen 450 und 6.000 MHz als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen einstuft, ist zu entgegnen, dass es sich hierbei um eine Evaluation bereits vorher veröffentlichter Studien handelte. Somit stellen die Schlussfolgerungen der Autorin keine neue wissenschaftliche Erkenntnis dar, sondern eine Interpretation der bereits vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, sodass die von der Antragstellerin proklamierte Brisanz nicht besteht. Die Autoren geben bei der Erläuterung der Methode an, die Datenbanken PubMed und EMF Portal im Februar und Juli 2020 nach relevanten Veröffentlichungen durchsucht und den Forschungsstand bis Januar 2021 in Betracht gezogen zu haben (S. 16). Die jüngste berücksichtigte Veröffentlichung stammt aus dem Jahr 2019 und ist ein Kommentar zu einer 2010-2011 in den USA durchgeführten Studie (S. 32). Somit hatten sowohl das BfS als auch die Bundesregierung Gelegenheit, dieselben Studienergebnisse in ihre Erwägungen einfließen zu lassen. Es bedarf keiner eigenen Beurteilung durch das hier erkennende Gericht.
(5) Zu einer solchen sieht sich die Kammer auch nicht aufgrund der Entscheidung des US-Bundesgerichts des Staates Columbia veranlasst. Zum einen erschließt sich schon nicht, welche bindenden Auswirkungen die Entscheidung eines Gerichts einer ausländischen Jurisdiktion für die Bayerische Verwaltungsgerichtsbarkeit haben sollte. Zum anderen sei darauf hingewiesen, dass das US-Gericht in der Entscheidung den Maßstab der Willkür anlegt. Auf S. 3 der beglaubigten Übersetzung heißt es: „Die Kommission hat es unterlassen, eine begründete Erklärung für ihren Beschluss abzugeben, dass ihre Richtlinien einen angemessenen Schutz gegen die schädliche Auswirkung der Exposition gegenüber hochfrequenter Strahlung, die nicht mit Krebs in Verbindung steht, bieten.“ Eine willkürliche Ablehnung der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Forschungsstand kann der Bundesregierung nach Auswertung der Parlamentsdrucksachen nicht vorgeworfen werden.
(6) Die Warnungen des BfS vor den Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkstrahlen in Verbindung mit entsprechenden Verhaltensempfehlungen steht nicht im Widerspruch zur von BfS und Bundesregierung vertretenen Position, dass bei Einhaltung der Grenzwerte außerhalb der Sicherheitsabstände keine Gesundheitsgefahren von Mobilfunkstandorten ausgehen.
Die Argumentation der Antragstellerin blendet aus, dass die Strategie der Bundesregierung beim Gesundheitsschutz in Zusammenhang mit Mobilfunkstrahlung auf mehreren Säulen aufbaut. Eine davon bildet die Festsetzung von Grenzwerten, eine weitere die Forschung und schließlich erfolgt eine begleitende Information der Bevölkerung, die eben auch Warnungen und Offenlegung von Unsicherheiten und Vermutungen beinhaltet. Eine Vielzahl der Handlungsempfehlungen bezieht sich auf das Telefonieren mit Mobilfunkendgeräten, auf welche die Grenzwerte der 26. BImSchV gar keine Anwendung finden. Die Warnungen erfolgen zudem unter Vorsorgegesichtspunkten, überall dort, wo es Hinweise auf eine mögliche Gefährdung aber keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz für konkrete abstraktgenerelle Regelsetzung gibt. So wird seitens der Verantwortlichen weiterer Forschungsbedarf anerkannt in Bezug auf athermische Wirkungen von Mobilfunkstrahlung sowie deren Auswirkung auf Personen mit speziellen körperlichen und gesundheitlichen Dispositionen. Jedoch sind Erforderlichkeit und Nutzen einer abstraktgenerellen Regelung – etwa niedrigerer Grenzwerte – unklar. Sofern die Gefährdung auch durch individuelle Verhaltensanpassung beherrschbar ist, steht es der Bundesregierung frei, vor einer Reduzierung der Grenzwerte entsprechende nichtregulatorische Maßnahmen in Betracht ziehen. Die Antragstellerin verkennt, dass für eine Anpassung der Grenzwerte – auch nach unten – zunächst eine wissenschaftliche Grundlage geschaffen werden muss. Eine Reduzierung aufgrund von sich erst abzeichnenden wissenschaftlichen Erkenntnissen aufs Geratewohl würde unter Vorsorgegesichtspunkten erfolgen und daher einem erhöhten Rechtfertigungsdruck unterliegen, nachdem die Verordnungsgeberin gehalten ist, für einen Interessenausgleich zu sorgen.
(7) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin so bezeichneten „Vorsorgerechtsprechung“ von BayVGH (B.v. 16. Juli 2012 – 1 CS 12.830, juris) und BVerwG (U.v. 30. August 2012 – 4 C 1.11 – juris). Zwar wurde den Selbstverwaltungskörperschaften im Ergebnis ein Mitspracherecht für den Standort von Funkmasten im Wege der Bauleitplanung eingeräumt, auch wenn eine Grenzüberschreitung nicht zu befürchten war, jedoch kommt darin nicht zum Ausdruck, dass auch die Rechtsprechung die Grenzwerte gem. der 26. BImSchV nicht als solche anerkennt oder gar die die Ungeeignetheit der Grenzwerte bestätigt. Im vor dem Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall ging es vornehmlich um die Frage, ob Gemeinden Standortplanung auch dann betreiben dürfen, wenn bauliche Anlagen nach den maßgeblichen immissionsschutzrechtlichen Maßstäben – hier den Grenzwerten der 26. BImSchV – unbedenklich sind (BVerwG, a.a.O., Rn. 17). Das Gericht stellte aber klar heraus, dass diese keine eigene Vorsorgepolitik – etwa durch eigene Grenzwerte betreiben dürfen (BVerwG, a.a.O., Rn. 18). In Zusammenhang mit Mobilfunk bestehende Besorgnisse seien dem „vorsorgerelevanten Risikoniveau“ zuzuordnen und könnten gegenüber „rechtlich irrelevanten Immissionsbefürchtungen“ städtebauliches Gewicht haben (BVerwG, a.a.O. Rn. 19 f.). Dass sie somit im Rahmen der Abwägung Berücksichtigung finden dürfen (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 21f.), ändert nichts an der Zuordnung zum Risikovorsorgebereich. Der BayVGH (a.a.O. Rn. 15) erachtet in diesem Zusammenhang angesichts der vom BfS empfohlene Risikominimierung beim Telefonieren mit Handys eine Risikominimierung im Verhältnis zu den Basisstationen nicht als ausgeschlossen sondern als sinnvoll. Zusammenfassend geht es in den Entscheidungen also mehr um das „Dürfen“ der Gemeinden unter Vorsorgeaspekten, wobei dessen durch die 26. BImSchV gesetzten Grenzen vom BVerwG klar aufgezeigt werden. Von einem „Aufweichen“ der Grenzwerte kann also keine Rede sein.
(8) Es trifft nach Überzeugung der Kammer nicht zu, dass die über die aner kannten thermischen Wirkungen von Mobilfunkstrahlen hinausgehenden Effekte, wie etwa oxidativer Stress, zusammengefasst als athermische Effekte, vom BfS und der Bundesregierung negiert werden. Es stellt sich vielmehr so dar, dass diese Effekte und die diesbezüglichen Forschungsergebnisse zu inhomogen sind, als dass daraus adäquate neue Grenzwerte hergeleitet werden könnten. Der neunte Emissionsminderungsbericht der Bundesregierung vom 26. Februar 2021 (BT-Drs. 19/27327) hat auch nichtthermische Wirkungen zum Gegenstand, statuiert aber unter Berufung auf die Ergebnisse des DMF, dass solche im Bereich niedriger Intensitäten hochfrequenter elektromagnetischer Felder bislang nicht nachgewiesen werden konnten. Das aus dem Forschungsprogramm gezogene Fazit, wonach der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand insgesamt keinen Anlass gebe, die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen, sei nach wie vor gültig. Es werden wissenschaftliche Unsicherheiten eingeräumt hinsichtlich der möglichen Langzeitrisiken intensiver Handynutzung über mehr als 15 Jahre. Hier sprächen tierexperimentelle und invitro-Studien insgesamt zwar gegen ein erhöhtes Risiko, Ergebnisse aus lang angelegten Bevölkerungsstudien stünden aber noch aus.
Weiterer Forschungsbedarf wird auch gesehen zur Klärung noch offener Fragen und zur Reduzierung wissenschaftlicher Unsicherheiten bezüglich der Wirkungen von elektromagnetischen Feldern oberhalb von 20 GHz, Expositionen durch die neuen aktiven und intelligenten Antennentypen, Kleinzellen, und andere komplexe Expositionsszenarien. (BT-Drs. 19/27327 S. 3 f.). Auch setzt sich der Bericht damit auseinander, dass in vielen wissenschaftlichen Studien als möglicher Wirkmechanismus elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder aller Frequenzbereiche sog. „oxidativer Stress“ postuliert wird. Daher wurde eine bewertende Literaturstudie zum Einfluss elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder (inkl. 5G) auf oxidative Prozesse bei Menschen sowie in Tier- und Laborstudien beim Fraunhofer Institut für Toxikologie und experimentelle Medizin in Auftrag gegeben (BT-Drs. 19/27327 S. 7). Entsprechendes gilt für die von der Antragstellerin angegebenen Themen „Beamforming“ (BT-Drs. 19/27327 S. 7 f.) und den Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit (BT-Drs. 19/27327 S. 8).
(9) Bei Berücksichtigung all dessen liefert auch das von der Antragstellerin an geführte Studienreview derUniversität B.(„Manmade Electromagnetic Fields and Oxidative Stress – Biological Effekts and Consequences for Health“ von David Schuerman und Meike Mevissen; veröffentlicht am 6. April 2021 im International Journal of Molecular Sciences) gerade keinen Beleg für eine verfehlte Strategie der Verordnungsgeberin beim Gesundheitsschutz in Bezug auf Mobilfunkstrahlung. Es handelt sich um Auswertungen von an Tieren und Zellen durchgeführten Studien der letzten zehn Jahre zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlen und zur besonderen Gefährdung sensibler Personengruppen. Die Verfasser statuieren zu Beginn: „Obwohl es in experimentellen Studien konsistente Hinweise auf die EMFinduzierte ROS-Bildung gibt, haben sich hinsichtlich der epidemiologischen Assoziation und möglicher negativer und langfristiger Folgen für die Gesundheit noch kein vollständiges Bild und kein wissenschaftlicher Konsens herausgebildet.“ Und sie gelangen zu dem Ergebnis: „Zusammenfassend wurden in der Mehrzahl der Tierstudien und in mehr als der Hälfte der Zellstudien Hinweise auf erhöhten oxidativen Stress durch RF-EMF und ELF-MF berichtet.“ Es zeichne sich ein Trend ab, der auch unter Berücksichtigung festgestellter methodischer Schwächen deutlich wird, dass eine EMF-Exposition auch im niedrigen Dosisbereich durchaus zu Veränderungen des zellulären oxidativen Gleichgewichts führen kann.“ Letztlich seien aber, um diese Phänomene und Beobachtungen besser zu verstehen und zu bestätigen, weitere Untersuchungen unter standardisierten Bedingungen notwendig.
Der von der Antragstellerin referierte Forschungsstand illustriert in der Zusam menschau lediglich, dass hinsichtlich der Gefährlichkeit von Mobilfunkstrahlung eine Vielzahl von Fragen offen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner letzten die Grenzwerte der 26. BImSchV als verfassungsgemäß bestätigenden Entscheidung – welche eine Hochspannungsfreileitung zum Gegenstand hatte – ausgeführt, dass ein vorhandenes wissenschaftliches Klärungsinteresse nicht zeigt, dass die Grenzwerte in verfassungswidriger Weise festgelegt worden sein könnten (BVerwG, Urt. v. 12.11.2020 – 4 A 13.18 – BeckRS 2020, 42599, Rn. 44). Schlussendlich fehlt es an substantiiertem Vortrag, welcher unter Berücksichtigung der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten der Wissenschaft und der daraus folgenden Einschätzungsprärogative der Verordnungsgeberin Zweifel daran begründen könnte, dass die geltenden Grenzwerte mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft zur Schädlichkeit der von Funkmasten ausgehenden Mobilfunkstrahlung und dem angesichts dessen Gebotenen konform gehen. Auch wenn sich möglicherweise aus einigen von der Antragstellerin zitieren Studien Anhaltspunkte ergeben würden, dass über den derzeit geltenden Sicherheitsabstand hinaus konkrete Gefahren für die menschliche Gesundheit durch den vorliegend streitgegenständlichen Anlagentyp bestehen könnten, reicht dies aber eben noch nicht aus, um schon von einer evidenten Missachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse durch die Antragsgegnerin zu sprechen (BayVGH, B.v. 8. Dezember 2021 – 22 CS 21.2284 – juris, Rn. 45).
ee. Ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften, die dem Schutz vor weitergehenden Ge sundheitsgefahren dienen liegt hiernach offensichtlich nicht vor. Namentlich scheidet eine Verletzung des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG, welcher in Übereinstimmung mit dem BayVGH (vgl. B.v. 16.12.2021 – 1 CS 21.2410 – BeckRS 2021, 41387; a.A. z.B. VG Stuttgart B.v. 29. Juni 2021 – 11 K 1585/21 BeckRS 2021, 20737 m.w.N.) im Standortbescheinigungsverfahren zu prüfen ist, aus, da die Literatur in der 26. BImSchV für elektromagnetische Felder im Rahmen ihres Anwendungsbereichs eine ausreichende Konkretisierung der Anforderungen des § 22 BImSchG erkennt (Jarass in: Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 22 Rn. 61). Somit hat es sein Bewenden mit der Feststellung der Kammer, dass die aktuell geltenden Grenzwerte und ihr Zustandekommen nicht zu beanstanden sind.
Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die streitgegenständliche Standortbescheinigung ist nach alledem ausgeschlossen.
c. Überdies hält die Kammer auch eine rein tatsächliche Gesundheitsbeeinträch tigung der Antragstellerin für absolut fernliegend. Dies ergibt eine Betrachtung der konkreten örtlichen Situation:
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 8. Dezember 2021 – 22 CS 21.2284 – juris, Rn. 48) hat in einem Fall, in dem das Grundstück der Antragsteller 152 m von der Mobilfunkanlage entfernt lag und der standortbezogene Sicherheitsabstand in Hauptstrahlrichtung mit ca. 22 m bemessen war, unter detaillierter und schlüssiger Angabe der Berechnung der Strahlungsintensität dargelegt, dass auch bei Annahme zu hoch festgelegter Grenzwerte in § 2 der 26. BImSchV selbst eine vergleichsweise geringe oder entfernte Möglichkeit von Gesundheitsverletzungen/Schäden ausgeschlossen erscheine. Denn im dort entschiedenen und bei summarischer Prüfung hinsichtlich der Leistung der Mobilfunkanlage vergleichbaren Fall hätte der derzeit in § 2 der 26. BImSchV festgelegte Grenzwert mindestens um den Faktor 48 zu hoch angesetzt sein müssen, um eine Rechtsverletzung begründen zu können. Überträgt man diese Überlegungen auf den vorliegenden Fall mit einer maßgeblichen Entfernung von 740 m (und einem festgesetzten Sicherheitsabstand von knapp 20, genau 19,30 m), erscheint eine tatsächliche Gesundheitsbeeinträchtigung durch die streitgegenständliche Mobilfunkanlage auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin jedenfalls absolut fernliegend.
d. Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung der geltend gemach ten individuellen Situation der Antragstellerin und der daraus möglicherweise resultierenden erhöhten Anfälligkeit für oxidativen Stress. Bei der nach allen bisherigen Erkenntnissen in der Wohnung der Antragstellerin ankommenden Strahlung ist eine auf die streitgegenständliche Anlage entfallende Ursächlichkeit weder nachweisbar noch wahrscheinlich.
e. Da eine Verletzung subjektiver Rechtspositionen der Antragstellerin demnach unter allen im Standortprüfungsverfahren relevanten Gesichtspunkten ausscheidet, war der Antrag abzulehnen.
3. Die Kammer sieht weder Veranlassung noch Rechtfertigung für das beantragte Vorabentscheidungsverfahren; bereits eine entscheidungserhebliche Vorlagefrage ist nicht ansatzweise ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin als unterliegende Partei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nachdem sich die Beigeladene zum Antrag nicht geäußert und sich somit keinem Prozessrisiko ausgesetzt hat, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst, vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5, 19.2, 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach der für die Hauptsache anzunehmende Streitwert von EUR 15.000,00 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren war.


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