Europarecht

Überschwemmungsgebiet, Vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets, Dauer der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets, Verlängerung der Dauer der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets, Erneute vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets, Neue selbständige vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets

Aktenzeichen  M 2 K 17.5547

Datum:
28.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49248
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 76 Abs. 3
BayWG Art. 47 Abs. 2 S. 1
BayWG Art. 47 Abs. 3
BayWG Art. 47 Abs. 4 S. 1
BayWG Art. 47 Abs. 4 S. 2
BayWG Art. 47 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die vorläufige Sicherung des vom Wasserwirtschaftsamt … ermittelten Überschwemmungsgebiets des …bachs im Landkreis … gemäß Bekanntmachung des Landratsamts … vom 27. Oktober 2017 wird aufgehoben. 
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
a. Unabhängig von der umstrittenen Rechtsnatur der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets (vgl. hierzu Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 47 Rn. 6 sowie 6c, jeweils mit zahlreichen Nachweisen, sowie Drost/Ell, Das neue Wasserrecht, 3. Auflage, S. 316 f; offengelassen von BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 8 C 18.456 – juris Rn. 7) bzw. genauer gesagt, gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 und Satz 2 BayWG deren Bekanntmachung, ist anerkannt, dass Rechtsbehelfe gegen eine veröffentlichte Bekanntmachung zur vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets möglich sind (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 47 Rn. 7), und zwar anders als im Fall der Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets als Verordnung nicht als Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO, sondern entweder als Anfechtungsklage, ordnet man die vorläufige Sicherung bzw. deren Bekanntmachung als Allgemeinverfügung i.S.v. Art. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG ein, oder alternativ als Feststellungsklage. Zwar wird auch vertreten, dass es sich bei der Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets um eine behördliche Verfahrenshandlung handelt, die wegen § 44a Satz 1 VwGO nur gleichzeitig mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf angegriffen werden kann, hier also (erst) mit dem Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 1 VwGO gegen die Festsetzung des jeweiligen Überschwemmungsgebiets (so Drost/Ell, Das neue Wasserrecht, 3. Auflage, S. 317). Letztere Auffassung ist jedenfalls im vorliegenden Fall, dessen Besonderheit eine erneute vorläufige Sicherung über den Zeitraum hinaus, den das Gesetz hierfür höchstens vorsieht, Art. 47 Abs. 4 Sätze 2 und 3 BayWG, jedoch keine überzeugende Lösung, da sich die – in der Station der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen zumindest möglicherweise – gesetzeswidrige Überschreitung der maximal vorgesehenen Zeitdauer einer vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets mit einem Rechtsbehelf gegen die (zukünftige) Festsetzung des jeweiligen Überschwemmungsgebiets nicht mehr ausgleichen ließe. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, nämlich der erneuten Bekanntmachung einer vorläufigen Sicherung, liegt im damit verbundenen bewussten oder unbewussten Annahme, dass es hierfür überhaupt eine gesetzliche Grundlage gibt, eine Regelung näher als sonst bei der Bekanntmachung einer vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets, die materiell-rechtlich, so, wie in § 76 Abs. 3 WHG geregelt, an sich nicht einer Regelung, sondern eher der Darstellung bzw. Publizierung eines fachlich determinierten Erkenntnisakts entspricht. Das Gericht hält daher jedenfalls hier an der Auffassung, dass die richtige Klageart die Anfechtungsklage ist (VG München, U.v. 12.7.2016 – M 2 K 15.3956 – juris Rn. 12 m.w.N.) fest. Die vom Kläger im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO, ist statthaft.
b. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist der Kläger klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er durch die vorläufige Sicherung eines großen Teils seines Gemeindegebiets und eines überwiegenden Teils seines bebauten Gemeindegebiets sowie der an das bebaute Gebiet unmittelbar angrenzenden Flächen in seiner vom gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV, umfassten Planungshoheit verletzt wird; insbesondere ist der Kläger in seinem Recht zur Bauleitplanung als wichtigstem Ausschnitt der Planungshoheit wegen der gesetzlichen Rechtsfolge gemäß § 78 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 WHG stark eingeschränkt.
2. Die Klage ist begründet.
Die streitgegenständliche erneute vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die der streitgegenständlichen Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung des Überschwemmungsgebiets am …bach vorhergehende frühere Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung (von 2012 bis 2017) ist beendet (nachfolgend unter a.), ohne dass sie bis zum Entscheidungszeitpunkt verlängert wurde. Für die erneute Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung des Überschwemmungsgebiets am …bach gibt es keine Rechtsgrundlage (nachfolgend unter b.). Es liegt auch keine neue selbständige vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebietsvor, die neu hätte bekanntgemacht werden dürfen (nachfolgend unter c.).
a. Nach § 76 Abs. 3 WHG sind die noch nicht nach § 76 Abs. 2 WHG festgesetzten Überschwemmungsgebiete (§ 76 Abs. 1 Satz 1 WHG) zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern. Ermittelte und kartierte Überschwemmungsgebiete, die noch nicht als Überschwemmungsgebiete festgesetzt sind, gelten als vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete, wenn sie als solche ortsüblich bekanntgemacht sind (Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayWG).
Allerdings regelt Art. 47 Abs. 4 Satz 2 BayWG, dass die vorläufige Sicherung spätestens nach Ablauf von fünf Jahren endet, wenn nicht ohnehin der gesetzlich vorgesehene Regelfall des Art. 47 Abs. 4 Satz 1 BayWG, das Ende der vorläufigen Sicherung mit Inkrafttreten der Rechtsverordnung zur Festsetzung des Überschwemmungsgebiets oder mit Einstellung des Festsetzungsverfahrens eintritt.
Hier endete die vorläufige Sicherung des streitgegenständlichen Überschwemmungsgebiets mit Bekanntmachung vom 5. Oktober 2012 (vgl. hierzu die beigezogene Gerichtsakte des Verfahrens Az. M 2 K 13.4054) nach fünf Jahren mit Ablauf des 5. Oktobers 2017, da keine der beiden Varianten des Art. 47 Abs. 4 Satz 1 BayWG bis dahin eingetreten war.
b. Für die hier streitgegenständliche Bekanntmachung (vom 27.10.2017) der (erneuten) vorläufigen Sicherung gibt es keine gesetzliche Grundlage.
Die gesetzliche Regelung gemäß § 47 Abs. 4 Satz 3 BayWG sieht lediglich die Möglichkeit einer Verlängerung einer vorläufigen Sicherung im begründeten Einzelfall höchstens um zwei weitere Jahre vor. Hiervon hat die Behörde des Beklagten ersichtlich keinen Gebrauch gemacht. Sie macht vielmehr geltend, dass sie eine erneute bzw. gemeint ist eine neue (dazu sogleich unter c.) vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets bekannt gemacht hat, die erneut für einen Zeitraum von weiteren fünf Jahren gültig sein soll.
Das ist jedoch im vorliegenden Fall rechtswirksam nicht möglich. Eine erneute vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets nach einer bereits erfolgten erstmaligen Sicherung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Vielmehr zeigt die Regelung der Vorschriften von Art. 47 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 BayWG im Zusammenhang, dass in Ansehung ein- und desselben Überschwemmungsgebiets eine Maximalfrist einer vorläufigen Sicherung von sieben Jahren nicht überschritten werden darf. Eine längere Frist als siebe Jahre ist gesetzlich nicht vorgesehen; dabei kann das sechste und siebte Jahr nach den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen (lediglich) im begründeten Einzelfall bekanntgemacht werden. Ob letzteres hier möglich gewesen wäre, kann dahinstehen, da erstens kein begründeter Einzelfall geltend gemacht wurde und zweitens auch zwei weitere Jahre im Entscheidungszeitpunkt längst abgelaufen sind. Die Maximalfrist von sieben Jahren entspricht nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch dem gesetzgeberischen Willen sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung (vgl. LT-Drs. 15/8876, S. 17 zur insofern wortgleichen Vorgängerregelung § 61g Abs. 3 BayWG a.F.; für die aktuelle Gesetzesfassung enthält die Gesetzesbegründung hierzu nichts neues, vgl. LT-Drs 16/2868, S. 45). Danach wird „im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Regelung […] dafür [scill. für die vorläufige Sicherung] eine Frist von fünf Jahren bestimmt, die im Einzelfall, z. B. wenn ein in Gang gesetztes Festsetzungsverfahren innerhalb dieser Frist nicht zum Abschluss gebracht werden kann, um maximal zwei Jahre verlängert werden kann“. Der Gesetzgeber geht demnach davon aus, dass das Verfahren zum Verordnungserlass für die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets innerhalb von höchstens sieben Jahren abgeschlossen werden kann und abzuschließen ist.
Die vom Beklagten verfügte erneute vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets am …bach ist, da die gesetzliche Regelung die maximal zulässige (eine Verlängerung unterstellt) Frist im Entscheidungszeitpunkt bereits um fast zwei Jahre übersteigt und bereits fast neun Jahre beträgt, somit nicht rechtswirksam erfolgt.
c. In der streitgegenständlichen Bekanntmachung liegt auch keine neue selbständige vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets, die strukturell von einer erneuten vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets zu unterscheiden ist.
Ob in Anlehnung insbesondere an die bauplanungsrechtliche Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB, die dort entwickelten Grundsätze für die Möglichkeit eines Erlasses einer neuen selbständigen in Abgrenzung zu einer erneuten Veränderungssperre (vgl. zu dieser Abgrenzung statt vieler Schiwy, BauGB, § 17 Rn. 28 ff. und insbesondere Rn. 43 m.w.N.) auf die Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets übertragen werden können, muss nicht abschließend entschieden werden.
In der zur vorläufigen Sicherung von Überschwemmungsgebieten vorhandenen Rechtsprechung und Kommentarliteratur finden sich Bezugnahmen auf die bauplanungsrechtliche Veränderungssperre (z.B. BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 8 C 18.456 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 31.7.2019 – 8 ZB 16.2558 – juris Rn. 20, allerdings für den Fall einer wasserrechtlichen Veränderungssperre zur Sicherung von Hochwasserschutzplanungen gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. WHG). Auch wenn der baurechtlichen Veränderungssperre eine Planungsentscheidung zu Grunde liegt – der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan -, was bei der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets bzw. deren Bekanntmachung gerade nicht der Fall ist, da es sich bei letzterer um die Veröffentlichung eines Erkenntnisakts, der die Wirklichkeit abbildet, handelt, ähneln sich beide Rechtsinstitute in ihren Wirkungen (§ 14 Abs. 1 BauGB i.V.m. den Regelungen der jeweiligen Veränderungssperrensatzung als Rechtsnorm im materiellen Sinn einerseits, § 78 WHG, im Vergleich zur Veränderungssperre insbesondere dessen Absatz 4 andererseits).
Denn auch, wenn man diese Parallele nicht zieht, ist davon auszugehen, dass einer neuen selbständigen Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung eines anderen Überschwemmungsgebiets Art. 47 Abs. 4 BayWG nicht entgegensteht.
Das liegt auf der Hand bei einem neuen Überschwemmungsgebiet, das mit der früheren Bekanntmachung (deren Geltungsdauer abgelaufen ist), nichts zu tun hat, insbesondere, wenn es sich räumlich um ein ganz anderes Überschwemmungsgebiet handelt. Das ist hier jedoch nicht der Fall. In den beiden Bekanntmachungen handelt es sich um die vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets des …bachs im in etwa dem selben räumlichen Bereich (vgl. zum räumlichen Umgriff beispielsweise die Übersichtspläne „10“ sowie „18“ im vom Beklagten mit den Behördenakten vorgelegten Aktenordner des WWA …); dass die erste Bekanntmachung mit Geltungsdauer von 2012 bis 2017 noch als Überschwemmungsgebiet …bach/ …bach bezeichnet wurde, ist dabei unerheblich, da es sich trotzdem in beiden Fällen in etwa um dasselbe Gebiet handelt.
Inwieweit Detailabweichungen im räumlichen Umgriff dazu führen können, dass eine neue, selbständige vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets angenommen werden kann, muss unter Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Regelungen bestimmt werden. Klar ist dabei, dass nicht jede Veränderung des räumlichen Umgriffs dazu führen kann, eine neue selbständige vorläufige Sicherung anzunehmen. Denn in diesem Fall könnte die gesetzliche Entscheidung, dass nach dem Ablauf von fünf bzw. im Fall einer begründeten Verlängerung spätestens sieben Jahren die vorläufige Sicherung zwingend endet, ohne weiteres und auch mehrfach umgangen werden. Vielmehr kann von einer neuen selbständigen vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets am selben Gewässer allenfalls dann ausgegangen werden, wenn das neue, vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiet in keiner inhaltlichen und verfahrensmäßigen Kontinuität zu einem bisher bereits vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet steht. Das dürfte allerdings deshalb kaum einmal möglich sein, weil es sich bei der Bekanntgabe der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets nach den gesetzlichen Regelungen nicht um die Umsetzung eines Willens- oder Planungsakts, sondern um die Veröffentlichung eines Erkenntnisakts handelt. Das Vorliegen einer neuen selbständigen vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebiets in dem Fall, dass es sich um dasselbe Gewässer, von dem das Hochwasser ausgehen kann, und im Wesentlichen dasselbe räumliche Gebiet handelt, könnte demnach allenfalls bei Vorliegen ganz besonderer Umstände, die ausnahmsweise, trotzdem es sich ja denknotwendig um ein- und dasselbe Überschwemmungsgebiet handeln muss – möglicherweise ist seine genaue Ausdehnung im „ersten Durchgang“ nicht richtig erkannt worden -, die Annahme zulassen, dass eine neue selbständige vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets vorliegt.
Hier spricht jedoch nichts dafür, dass letzteres der Fall ist.
Aus den Plan- und Kartenunterlagen geht, wie oben schon ausgeführt, eindeutig hervor, dass es sich um ein und dasselbe Überschwemmungsgebiet des …bachs in dem (in etwa) selben räumlichen Bereich handelt, gleiches geht aus den jeweiligen Modellbeschreibungen hervor (vgl. das bei den Gerichtsakten des Verfahrens M 2 K 13.4054 befindliche Gutachten des Ingenieurbüros … vom 29.6.20210, dort S. 1 einerseits, der mit den Behördenakten im hiesigen Verfahren vorgelegte Projektbericht … vom Mai 2017, dort S. 3 andererseits) oder auch aus den vom Kläger vorgelegten Gutachten von Prof. … … (vgl. Gutachten vom Mai 2013, dort S. 9f. im Gerichtsakt des Verfahrens M 2 K 13.4054 einerseits, Gutachten vom Januar 2019, dort S. 10f., vorgelegt im hiesigen Gerichtsverfahren, andererseits).
Auch die Ausführungen der Beklagtenvertreter hierzu in der mündlichen Verhandlung (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4, zweiter Absatz von unten) – vorher wurde schriftsätzlich zu dieser Problematik nichts ausgeführt – sind nicht geeignet, Zweifel an der oben vorgenommenen Bewertung zu wecken.
Zunächst ist zu bemerken, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass es, wie von der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, keine Aktenteile geben soll bzw. „keine gefunden worden seien“ (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4, dritter Absatz), die darüber Aufschluss geben, ob bzw. dass gegen Ende der Laufzeit der „ersten“ bekanntgemachten vorläufigen Sicherung von 2012 bis 2017 geprüft wurde, ob eine erneute, „zweite“ vorläufige Sicherung, trotz der damals wortgleich wie heute geltenden Höchstfrist in § 47 Abs. 4 BayWG, möglich ist. An anderer Stelle (Sitzungsprotokoll S. 5) hat die Beklagtenvertreterin angegeben, dass man gegen Ende 2017 davon ausgegangen sei, dass man wegen der in Kürze auslaufenden ersten vorläufigen Sicherung eine weitere verfügen könne.
Unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände ist es eindeutig, dass die zwischenzeitlich aufgetretenen Änderungen von Daten, die der Ermittlung des Überschwemmungsgebiets zu Grunde liegen, nicht die Annahme rechtfertigen, dass es sich bei der zweiten, hier streitgegenständlichen Bekanntmachung der (erneuten) vorläufigen Sicherung des Überschwemmungsgebiets um eine neue selbständige vorläufige Sicherung in dem oben beschriebenen Sinn handelt.
Denn zunächst ändert der Umstand, dass zwischenzeitlich neue Daten ermittelt wurden, nichts daran, dass es sich gegenständlich um ein und dasselbe Überschwemmungsgebiet handelt. Der Umstand, dass es sich beim Festsetzungsprozess eines Überschwemmungsgebiets um einen Erkenntnisakt handelt, bringt die Änderung von Ausgangsdaten zur Ermittlung eines Überschwemmungsgebiets maßgeblich mit sich und rechtfertigt es nicht, deswegen anzunehmen, es handele sich um ein „anderes“ Überschwemmungsgebiet. Entsprechend hat die Vertreterin des amtlich sachverständigen Wasserwirtschaftsamts ausgeführt, dass die zwischenzeitliche Änderung von zu Grunde liegenden Daten normal ist, auch im Vergleich mit anderen Fällen. Die Stellungnahmen der Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts haben außerdem ergeben, dass es sich nicht etwa um so erhebliche Änderungen in den Datengrundlagen handelt, dass deswegen die Schlussfolgerung gerechtfertigt wäre, dass es sich gleichsam nicht mehr um das bisherige Überschwemmungsgebiet handelt. Die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts hat angegeben, dass es Flächenänderungen im Vergleich von „erster“ und „zweiter“ vorläufiger Sicherung gebe. Diese rühren aus veränderten Geländedaten, die ursprünglich aus photogrammetischen Befliegungsdaten stammten, später aus Laserscandaten, wodurch sich die Überschwemmungsfläche in Randbereichen verändert und sich ebenso die Abflussmenge reduziert habe. Mithin handelt es sich nicht um grundlegende Änderungen. Außerdem ist die Überschwemmungsfläche wegen der niedrigeren Abflussmenge in der Tendenz kleiner geworden, so dass jedenfalls weitgehend die Fläche der „zweiten“ vorläufigen Sicherung auch bereits Teil der „ersten“ war. Dazu kommt noch, dass, wie den Angaben der Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist, die neuen Daten bereits ab 2014 Eingang in das Verfahren zur Ermittlung des Überschwemmungsgebiets gefunden haben. Es handelt sich also nicht um Daten, die erst gegen Ende des ersten Zeitraums oder gar nach dessen Ablauf bekannt geworden wären. Daher wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die neuen Daten während der Geltungsdauer der „ersten“ Bekanntmachung bei der weiteren Bearbeitung des Überschwemmungsgebiets zu berücksichtigen. Falls das – wobei hierzu seitens des Beklagten nichts vorgetragen ist – wirklich nicht möglich gewesen wäre, hätte, um gesetzeskonform eine weitere vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets zu gewährleisten, von der Möglichkeit des Art. 47 Abs. 4 Satz 3 BayWG Gebrauch gemacht werden können und unter Erläuterung, warum die „neuen“ Daten zur Verarbeitung mehr Zeit benötigen, die fünfjährige Frist der bekanntgemachten vorläufigen Sicherung verlängert werden können.
Schließlich hat die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts angegeben, dass zwischenzeitliche Veränderungen in den Datengrundlagen, die dann auch zu Änderungen in der Erkenntnis des Überschwemmungsgebiets führen – z.B. hinsichtlich dessen Lage und Umfang – nichts Ungewöhnliches seien, und zwar sowohl bei vorläufigen Sicherungen als auch bei bereits festgesetzten Überschwemmungsgebieten. Aus dem letzteren Gesichtspunkt erhellt, dass die erneute Bekanntgabe einer vorläufigen Sicherung des Überschwemmungsgebiets am …bach gar nicht nötig war, auch nicht, um „mehr“ als den sogenannten Grundschutz gemäß § 77 WHG zur Verfügung zu haben. Der Beklagte hätte lediglich die Festsetzung des Überschwemmungsgebiets am …bach vorantreiben und abschließen müssen, wofür genug Zeit gewesen wäre. Spätere Flächenänderungen hätten jederzeit per Änderung der Verordnung normativ umgesetzt werden können. Dagegen war bzw. genauer gesagt ist – eine Festsetzung des Überschwemmungsgebiets ist bis heute nicht erfolgt, die Angaben der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung lassen nicht den Schluss zu, dass die Festsetzung unmittelbar bevorsteht, so dass durchaus zu besorgen ist, dass der Beklagte, falls die Festsetzung nicht bis Oktober 2022 erfolgt ist, noch eine dritte Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung erwägt – es nicht so, dass das Festsetzungsverfahren für ein Überschwemmungsgebiet erst dann weiterbetrieben oder abgeschlossen werden darf, wenn alle Einwendungen gegen eine vorläufige Sicherung abgearbeitet sind.
Nach alledem wird die streitgegenständliche Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung des Überschwemmungsgebiets des …bach, die der Kläger als rechtswidrige Verletzung seiner Planungshoheit nicht hinzunehmen hat, aufgehoben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 sowie Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.


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