Europarecht

Untersagung der (Teil-)Öffnung eines Elektronikfachmarkts mangels “sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfts”

Aktenzeichen  AN 18 E 21.00209

Datum:
8.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2139
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6, § 123
11. BayIfSMV § 12 Abs. 1 S. 2, § 28 Nr. 11
IfSG § 73 Abs. 1a Nr. 24
ZPO § 811, § 811a
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Ausnahmebestimmung in § 12 Abs. 1 S. 2  11. BayIfSMV unterfallen nur solche Ladengeschäfte, bei denen mit Blick auf die Eigenart des dort schwerpunktmäßig angebotenen Sortiments zur angemessenen Versorgung typischerweise ein besonderes Bedürfnis nach einer ständigen Verfügbarkeit dieser Waren und damit nach einer täglichen Geschäftsöffnung besteht. Ein Elektronikfachhandel wird von ihr nicht erfasst (unter Hinweis auf VGH München BeckRS 2020, 39080). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um die Auslegung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV).
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt an den Standorten …, und …, Ladengeschäfte des Elektronikfachhandels. Ihr Warensortiment umfasst unter anderem sog. „Weiße Ware“, Küchen- und Elektrogeräte sowie Waren aus den Bereichen der Medien- und Kommunikationstechnik. Beide Ladengeschäfte der Antragstellerin sind seit dem Inkrafttreten der 11. BayIfSMV am 16. Dezember 2020 geschlossen.
Mit E-Mail an das Landratsamt … vom 22. Januar 2021 kündigte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner die Absicht an, ihre Ladengeschäfte zum Zweck der Ausstellung und des Verkaufs „Weißer Ware“ und dergleichen wiederzueröffnen, und bat um Bestätigung der Zulässigkeit dieses Vorhabens bis zum 26. Januar 2021. Sie sei zur Öffnung befugt, weil es sich bei den von ihr betriebenen Elektrofachmärkten um „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV handle.
Mit Schreiben des Landratsamts … vom 26. Januar 2021 erwiderte der Antragsgegner, ausdrücklich an seiner bereits im Dezember 2020 geäußerten Rechtauffassung festzuhalten, wonach die von der Antragstellerin betriebenen Geschäfte des Elektronikfachhandels nicht als „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ anzusehen seien und mithin dem Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV nicht unterfallen würden.
Am 3. Februar 2021 hat die Antragstellerin das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht.
Zur Begründung führt sie aus, ihre beiden Geschäftsstandorte seien als „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. Bay-IfSMV auch mit Blick auf die derzeit gültige Rechtslage zur Öffnung befugt. Das von ihr vertriebene Warenangebot sei nämlich für die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs in ähnlicher Weise wichtig wie das der ausdrücklich in § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV genannten Geschäfte. Insoweit könne es auch auf die Auflistungen der „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege nicht ankommen, zumal diese für Normadressaten und Gerichte ohnehin keine Bindungswirkung entfalten würden.
Die nach dem Wortlaut der Verordnung vorausgesetzte Unverzichtbarkeit ihrer Ladengeschäfte für die tägliche Versorgung ergebe sich zunächst daraus, dass ein Großteil der von ihr angebotenen Waren gemäß § 811 ZPO nicht der Pfändung unterliegen würden. Darüber hinaus sei eine Vielzahl der vertriebenen Gerätschaften für die Ausübung von Grundrechten relevant; dies gelte etwa mit Blick auf die Informationsfreiheit, die Berufsausübung im „Homeoffice“ sowie die Schulbildung im Distanzunterricht.
Darüber hinaus sei durch die Rechtsprechung inzwischen geklärt, dass der Verordnungsgeber mit der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV nicht nur den Bedarf habe regeln wollen, den jedermann an Grundbedürfnissen habe, sondern auch spezielle Bedürfnisse von bestimmten Personengruppen. In diesem Zusammenhang seien etwa ältere Mitbürger zu nennen, denen es häufig an Erfahrung im Umgang mit technischen Gerätschaften sowie dem Einkaufen im Internet mangele und die deshalb in besonderem Maße auf eine fachkundige Beratung und Einweisung angewiesen seien. Doch auch Berufstätige, Schüler und Studenten seien in Zeiten von – politisch ausdrücklich gewünschtem – „Homeoffice“ und Distanzunterricht auf eine Versorgung mit Geräten wie Computern, Tabletts und Druckern angewiesen.
Schließlich verstoße das vom Antragsgegner gefundene Auslegungsergebnis, wonach ihre Ladengeschäfte nicht unter die Öffnungsklausel des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV fallen sollen, in erheblicher Art und Weise gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG bzw. die Wettbewerbsgleichheit. So sei es inzwischen den Supermärkten und Drogerien gestattet worden, Haushaltswaren und technische Geräte zu verkaufen. Das von Seiten des Antragsgegners gegen eine Öffnung von Geschäften des Elektronikfachhands ins Feld geführte Hauptargument der Infektionsgefahr im Zuge von persönlichen Beratungsgesprächen sei dort aber in gleicher Weise gegeben.
Die Antragstellerin beantragt,
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass § 12 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) unter Berücksichtigung der Änderungen der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 8. Januar 2021 dem Betrieb der Ladengeschäfte der Antragstellerin für den Verkauf von
1. Backöfen, Kochfeldern, Mikrowellen, Babykostwärmern, Brotbackautomaten, Fritteusen, Kaffeemaschinen, Küchenmaschinen, Toastern, Töpfen, Pfannen, Geschirr, Besteck und sonstigen Waren, die der Lebensmittelverarbeitung bzw. -zubereitung dienen,
2. Waschmaschinen, Wäschetrocknen, Geschirrspülern, Staubsaugern, elektrischen Rasieren, elektrischen Zahnbürsten und sonstigen Waren, die der Grundhygiene dienen,
3. Radios, Fernsehern, Smart-Home-Geräten und sonstigen Waren, die dem Empfang von Rundfunk, Fernsehen und Internet dienen,
4. Telefonen, Faxgeräten, Mobiltelefonen und sonstigen Waren, die der Fernkommunikation dienen,
5. PCs, Monitoren, Laptops, Tabletts, Druckern und sonstigen Waren, die dem Homeschooling und Homeoffice dienen,
6. etwaig erforderlichem Zubehör für die unter Ziffer 1 bis 5 genannten Waren und
7. etwaig erforderlichen Softwareprodukten für die unter Ziffer 1 bis 6 genannten Waren am* … und in* … im Rahmen eines für den Kunden geöffneten Ladengeschäfts nicht entgegensteht, sofern die geltenden Vorgaben des § 12 Abs. 1 Satz 4 11. Bay-IfSMV und zum sonstigen öffentlichen Infektionsschutz sowie sonstige einschlägige gesetzliche Vorgaben eingehalten werden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er tritt den Ausführungen der Antragsschrift entgegen. Die Antragsgegnerin gehe fälschlicherweise davon aus, dass Güter, die von Menschen – ganz gleich aus welcher Motivation – täglich genutzt würden, auch täglich im Ladengeschäft verfügbar sein müssten. Jedoch spreche § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV gerade nicht von Ladengeschäften, die der Versorgung der Bevölkerung mit täglich benötigten Gütern dienen würden. Ein solches Verständnis hätte wiederum zur Folge, dass alle Ladengeschäfte öffnen könnten, solange ihre Produkte von den Kunden nur täglich oder ausreichend regelmäßig benötigt würden und dieser Bedarf von einigem Gewicht sei. Die in der Verordnung gewählte Formulierung „für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ sei vielmehr so zu verstehen, dass neben der Bedeutung des Guts an sich die tägliche Öffnung des Ladengeschäfts erforderlich sein müsse; die betreffenden Artikel müssten also gerade deshalb täglich im Laden verfügbar sein, weil ihre Anschaffung unaufschiebbar ist. Unterschieden werden müsse daher zwischen Gegenständen der täglichen Versorgung, die zwingend täglich verfügbar sein müssten, und solchen, die zwar vom Verbraucher täglich genutzt würden, deren Anschaffung mit Blick auf die Pandemie aber in zumutbarer Weise auf dem Bestellweg erfolgen oder aufgeschoben werden könne. Letzteres gelte auch mit Blick auf die von der Antragstellerin angebotenen Waren. Auch wenn diese ggf. täglich benutzt würden, handle es sich mitnichten um Artikel, die deshalb täglich im Ladengeschäft verfügbar sein müssten. Dies gelte schon deshalb, weil die von der Antragstellerin verkauften Waren üblicherweise eine lange bis sehr lange Nutzungsdauer aufweisen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.
Er ist insbesondere statthaft. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Ein in diesem Sinne streitiges Rechtsverhältnis besteht auch zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens. Die Antragstellerin, die als Betreiberin zweier Ladengeschäfte des Elektronikfachhandels mit Kundenverkehr als Normadressatin des § 12 Abs. 1 11. BayIfSMV einzustufen ist, und der gemäß § 65 Satz 1 ZustV durch die staatliche Kreisverwaltungsbehörde für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständige Antragsgegner streiten um die Auslegung der vorstehend bezeichneten Bestimmung. Konkret geht es dabei um die Frage, ob die Verkaufsstätten der Antragstellerin dem Öffnungsverbot des § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV unterfallen oder als „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ vom Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV Gebrauch machen können und damit zur Öffnung befugt sind.
Einem Vorgehen im Wege der einstweiligen Anordnung steht auch der Vorrang des Verfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht entgegen. Eine Umgehung der besonderen Voraussetzungen und Wirkungen dieses Rechtsschutzverfahrens droht nämlich nicht, wenn der Normadressat – wie hier – unter Weitergeltung der Norm lediglich die Feststellung begehrt, ein bestimmter Sachverhalt falle (gegebenenfalls auch nach Auslegung der Norm) nicht in ihren Anwendungsbereich (BayVGH, B.v. 18.6.2020 – 20 CE 20.1388 – juris Rn. 6).
Des Weiteren verfügt die Antragstellerin über das als allgemeine Verfahrensvoraussetzung notwendige Rechtsschutzbedürfnis. So hat sich die Antragstellerin vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes mit E-Mail vom 22. Januar 2021 zunächst an den Antragsgegner gewandt und das Begehren einer Öffnung ihrer Ladengeschäfte nach der Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV erfolglos an diesen herangetragen. Im Übrigen kann der Antragstellerin mit Blick auf § 28 Nr. 11 11. BayIfSMV, der Verstöße gegen die Bestimmung des § 12 11. BayIfSMV in den Rang einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG erhebt, nicht zugemutet werden, die betreffenden Ladengeschäfte auf Grundlage der von ihr vertretenen Rechtsauffassung zu öffnen und erst gegen ein etwaiges sicherheitsrechtliches bzw. polizeiliches Einschreiten oder einen Bußgeldbescheid Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (ebenso VG München, B.v. 29.12.2020 – M 26a E 20.6704 – BeckRS 2020, 39081 Rn. 21; VG Sigmaringen, B.v. 21.4.2020 – 14 K 1360/20 – juris Rn. 12).
2.
In der Sache jedoch erweist sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet.
Hierzu ist es erforderlich, dass die Antragstellerin sowohl das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. das Bestehen des in Streit stehenden materiellen Anspruchs, als auch eines Anordnungsgrundes, d.h. eine besondere Dringlichkeit, glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile des Antragstellers unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären sowie ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, der Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (vgl. etwa BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5, 7).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs; damit kann bei summarischer Prüfung nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin in einem – hier noch einzuleitenden – Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würde. Im Gegenteil bliebe eine in der Hauptsache zu erhebende Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) aller Voraussicht nach erfolglos, denn es spricht bei summarischer Prüfung Überwiegendes dafür, dass die von der Antragstellerin betriebenen Ladengeschäfte des Elektronikfachhandels – wie vom Antragsgegner zutreffend angenommen – dem grundsätzlichen Öffnungsverbot des § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV unterfallen und sich auf keinen der Ausnahmetatbestände des 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV berufen können.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr untersagt. Hiervon ausgenommen sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken, Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermitteln und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel. Die von der Antragsgegnerin betriebenen Läden des Elektronikfachhandels können keinem der vom Verordnungsgeber ausdrücklich aufgezählten Geschäftsfelder zugeordnet werden, so dass diese allenfalls bei einer Einstufung als „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ zur Öffnung befugt wären.
Der Begriff der „sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfte“ wird durch § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV zwar nicht ausdrücklich definiert. Im Wege der Auslegung mithilfe der üblichen Methoden – insbesondere anhand von Wortlaut sowie dem unter Heranziehung der Materialien des Normsetzungsverfahrens ermittelten Sinn und Zweck – ergibt sich aber, dass dieser Ausnahmevorschrift nur solche Ladengeschäfte unterfallen sollen, bei denen mit Blick auf die Eigenart des dort schwerpunktmäßig angebotenen Sortiments zur angemessenen Versorgung typischerweise ein besonderes Bedürfnis nach einer ständigen Verfügbarkeit dieser Waren und damit nach einer täglichen Geschäftsöffnung besteht (dazu a). Solches ist in Bezug auf die Ladengschäfte der Antragstellerin, die auf den Verkauf von elektronischen Geräten spezialisiert sind, jedoch nicht der Fall (dazu b).
a)
Die Auslegung des in § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV verwendeten Begriffs der „sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfte“ ergibt, dass die nach diesem Ausnahmetatbestand vorgesehene Öffnungsbefugnis auf das kumulative Vorliegen zweier Voraussetzungen beschränkt sein soll. Zum einen müssen die betreffenden Ladengeschäfte Waren anbieten, die entweder den unabweisbar täglich notwendigen Lebensbedarf oder zumindest den täglichen Bedarf bestimmter Personengruppen mit besonderen Bedürfnissen abdecken. Zum anderen muss aufgrund der Eigenart dieser Produkte – etwa, weil es sich um Verbrauchsgüter oder medizinische Produkte handelt – gerade eine besondere Notwendigkeit nach einer alltäglichen Verfügbarkeit bestehen, was wiederum das Erfordernis nach einer täglichen Öffnung der sie vertreibenden Ladengeschäfte begründet.
aa)
Für ein solches Verständnis spricht zunächst der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV.
Die zuerst genannte Voraussetzung hat bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 14.1.2021 – 20 CE 21.30 – BeckRS 2020, 39080 Rn. 9) in seinen Ausführungen zum Wortlaut der Norm herausgestellt:
„Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV ist dabei nicht eindeutig. So lässt die Verwendung der Begriffe „für die tägliche Versorgung unverzichtbar“ zwar den Schluss auf eine enge Auslegung zu. Festgehalten werden kann jedoch, dass es sich offenbar um Güter des täglichen Lebensbedarfs handeln muss, denn nur diese sind für die tägliche Versorgung notwendig. Bei der Frage, wann es sich hierbei auch um einen unverzichtbaren Bedarf handelt, lässt der Wortlaut der Vorschrift aber offen, ob hierbei eine objektive oder eine subjektive Betrachtungsweise gelten soll. Blickt man auf die enumerativ genannten Geschäfte so fällt zunächst auf, dass mit Fahrradwerkstätten, Kfz-Werkstätten sowie Banken und Sparkassen dort Betriebe genannt werden, die bereits dem Wortsinn nach keine Ladengeschäfte im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV sind. Die Aufzählung des Satzes 2 lässt aber auch nicht den Schluss zu, dass es sich bei den genannten Betrieben um Geschäfte handelt, welche nur einen unabweisbar täglich notwendigen Lebensbedarf im objektiv engeren Sinne decken. Beispielhaft seien hier genannt die bereits erwähnten Banken und Sparkassen, Läden für Tierbedarf im allgemeinen sowie in der Vorweihnachtszeit der Verkauf von Weihnachtsbäumen. Hierbei kann auch konstatiert werden, dass der Verordnungsgeber offensichtlich nicht nur den Bedarf, den jedermann an Grundbedürfnissen hat, regeln wollte, sondern auch spezielle Bedürfnisse von Personengruppen wie solche mit bestimmten Ernährungsbedürfnissen (Reformhäuser) oder mit Haustieren (Tierbedarf).“
Diesem Verständnis folgt im Ausgangspunkt auch das erkennende Gericht.
Dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV kann darüber hinaus aber noch eine weitere Voraussetzung für die Annahme eines „für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfts“ entnommen werden. Wie sich aus den beispielhaft in den Verordnungstext ausdrücklich aufgenommenen Geschäftsarten ergibt, muss in Bezug auf die obengenannten Güter des täglichen Bedarfs ferner ein durch die Eigenart der betreffenden Waren begründetes Bedürfnis nach einer täglichen Verfügbarkeit in einem hierfür geöffneten Ladengeschäft bestehen. So finden sich in der (nicht abschließenden) Aufzählung des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV zunächst solche Geschäfte, deren Warensortiment überwiegend Verbrauchsgüter oder sonstige schnell verderbliche Produkte umfasst; hierzu zählen etwa der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Drogerien, Tankstellen, der Verkauf von Futtermitteln und Presseartikeln sowie Filialen des Brief- und Versandhandels. Das besondere Bedürfnis nach einer täglichen Verfügbarkeit im Ladengeschäft folgt hierbei aus der üblicherweise nur einmaligen Gebrauchsmöglichkeit (so etwa beim Verzehr von Lebensmitteln oder der Verwendung von Versandartikeln). Für die ebenfalls ausdrücklich genannten Babyfachmärkte und den Verkauf von Tierbedarf gilt dies zumindest insoweit, als dort etwa Windeln und Nahrungsmittel für Säuglinge und Kleinkinder bzw. Tierfutter vertrieben werden. Einer weiteren Gruppe können daneben solche Geschäfte zugeordnet werden, deren Waren- und Dienstleistungsangebot schwerpunktmäßig medizinische Produkte und Hilfsmittel umfasst; hierunter fallen namentlich Apotheken, Sanitätshäuser, Optiker sowie Hörgeräteakustiker. Ein gesteigertes Bedürfnis nach einer täglichen Verfügbarkeit dieser Produkte im Ladengeschäft folgt hier bereits daraus, dass deren Erwerb in der Regel auf (zwingenden) medizinischen Gründen beruht und den betroffenen Verbrauchern Einschränkungen in Bezug auf die Anschaffung solcher Gegenstände schon aus diesem Grund nicht zugemutet werden können. Eine letzte Kategorie bilden Betriebe, die – wie bereits ausgeführt – schon begrifflich keine Ladengeschäfte darstellen, weil dort gerade nicht der Verkauf von Waren, sondern vielmehr die Erbringung von (handwerklichen) Dienstleistungen im Vordergrund steht; dies ist etwa in Bezug auf Kfz- und Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen sowie Waschsalons der Fall. Ungeachtet der Frage, inwieweit die Nennung dieser Betriebe bei der Auslegung des Begriffs der „sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfte“ dennoch eine Rolle spielen mag, besteht auch insoweit ein nicht unerhebliches Bedürfnis nach einer täglichen Verfügbarkeit dieser Dienstleistungen. Dieses wird namentlich durch die weitere Gewährleistung der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs (unaufschiebbare Reparaturen an Kfz oder Fahrrädern), die eigenwirtschaftliche Lebensführung (Abhebung vor Bargeld) sowie grundlegende Hygienestandards (Waschgelegenheiten für Personen ohne eigene Waschmaschine) begründet.
Ein derartiges Verständnis vom Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV stellt schließlich keinen Widerspruch zu der oben angeführten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs dar. Für diesbezügliche Ausführungen bestand dort schon deshalb kein Anlass, weil in dem Ladengeschäft der dortigen Antragstellerin neben elektronischen Zigaretten auch Flüssigkeiten zum Befüllen derselben angeboten (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2021 – 20 CE 21.30 – BeckRS 2020, 39080 Rn. 3) und mithin zumindest insoweit typische Verbrauchsgüter verkauft wurden.
bb)
Für das vorstehend aufgezeigte Verständnis der „sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfte“ sprechen des Weiteren der Sinn und Zweck der Vorschrift.
Ausweislich der Begründung zur 11. BayIfSMV besteht das Ziel der Untersagungen hinsichtlich des Einzelhandels darin, die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zu flankieren und auf diese Weise das Infektionsgeschehen einzudämmen. Dahinter steht die Erwägung, dass es gerade in diesem Bereich zu zahlreichen zufälligen Kontakten unterschiedlichster Personen kommt und eine Nachvollziehbarkeit von Kontaktpersonen unter diesen Rahmenbedingungen kaum möglich erscheint. So soll die Schließung von Ladengeschäften mit Ausnahmen dazu führen, zahlreiche zufällige Kontakte zu vermeiden, und auf diese Weise dazu beitragen, die Infektionsdynamik einzugrenzen (siehe zum Ganzen BayMBl. 2020 Nr. 738, S. 4). Im Hinblick auf diese Zielsetzung des Verordnungsgebers sowie die Konzeption des § 12 Abs. 1 11. BayIfSMV, dessen Satz 1 in Bezug auf die Öffnung von Ladengeschäften ein repressives Verbot begründet und in Satz 2 bestimmte Geschäftsarten hiervon ausnimmt, ist diese Bestimmung grundsätzlich eng auszulegen (BayVGH, B.v. 14.1.2021 – 20 CE 21.30 – BeckRS 2020, 39080 Rn. 10).
Um das durch den Verordnungsgeber verfolgte Ziel nicht zu unterlaufen, ist auch hinsichtlich des Begriffs der „sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfte“ ein enges Verständnis angezeigt. Für die Annahme einer solchen Unverzichtbarkeit kann es demnach noch nicht ausreichen, dass ein Ladengeschäft Produkte anbietet, die von den Verbrauchern mit wiederkehrender Regelmäßigkeit bzw. unter Umständen sogar täglich genutzt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass es sich insoweit gerade um Waren handelt, die aufgrund ihrer Eigenart – etwa als Verbrauchsgegenstände oder medizinische Produkte und Hilfsmittel – gerade eine tägliche Verfügbarkeit in den hierfür zulässigerweise geöffneten Ladengeschäften erfordern. Eine gegenteilige – im Ergebnis weitere – Auslegung des Terminus der „sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfte“ hätte indes zur Folge, dass sich eine Vielzahl an Einzelhändlern auf diese Ausnahme berufen könnte. Richtigerweise müssten dann neben den hier relevanten Märkten des Elektronikfachhandels außerdem Bekleidungs- und Schuhgeschäfte, Möbelhäuser, Matratzengeschäfte, Baumärkte sowie der Kfz- und Fahrradhandel zur Öffnung befugt sein. Der Großteil der dort vertriebenen Gegenstände ist nämlich ebenfalls für eine regelmäßige – wenn nicht gar alltägliche – Benutzung durch den Verbraucher bestimmt. Es würde in einem solchen Fall aber nicht nur der Zweck des § 12 Abs. 1 11. Bay-IfSMV gefährdet, zufällige Kontakte einer Vielzahl von Personen im Bereich des Einzelhandels und damit den Fortgang des Infektionsgeschehens möglichst weitgehend einzudämmen, sondern auch das durch die Sätze 1 und 2 vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt.
b)
Unter Zugrundelegung des vorstehend aufgezeigten Normverständnisses handelt es sich bei den von der Antragstellerin betriebenen Geschäften des Elektronikfachhandels nicht um „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV, so dass es diesbezüglich bei dem grundsätzlichen Öffnungsverbot des § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV verbleibt. Insbesondere kann die von der Antragstellerseite vorgebrachte gegenteilige Argumentation in der Sache nicht durchgreifen.
Ohne Erfolg versucht die Antragstellerin, eine Unverzichtbarkeit ihrer Ladengeschäfte für die tägliche Versorgung aus der Bestimmung des § 811 ZPO herzuleiten. Zwar mögen bestimmte der in den Ladengeschäften der Antragstellerin vertriebenen Elektrogeräte dem Grunde nach der Bestimmung des § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unterfallen und damit der Pfändung nicht oder allenfalls im Rahmen der sog. Austauschpfändung des § 811a Abs. 1 ZPO unterliegen. Dies kann etwa für Kühlschränke, Waschmaschinen, Staubsauger, Radio- und Fernsehgeräte sowie Computer gelten (Thomas/Putzo/Seiler, 39. Aufl. 2018, ZPO, § 811 Rn. 8). Allerdings betreffen die §§ 811, 811a ZPO, die als Schuldnerschutzvorschriften im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts ausgestaltet sind, alleine das bereits vorhandene Vermögen des Schuldners. Es lassen sich hieraus keine Ansprüche auf den Erwerb bestimmter – im Vermögen der betreffenden Person gerade noch nicht befindlicher – Gegenstände ableiten. Erst recht nicht ergeben sich daraus Ansprüche auf das Vorhandensein bestimmter Arten von Erwerbsmöglichkeiten wie des hier in Streit stehenden Verkaufs solcher Gegenstände in den Ladengeschäften der Antragstellerin.
Nicht weiterhelfen kann der Antragstellerin auch der Hinweis auf verschiedene Personengruppen wie etwa ältere Mitbürger, Berufstätige oder Schüler, bei denen mitunter ein Bedürfnis nach einer kurzfristigen Beschaffung bestimmter elektronischer Gerätschaften vor Ort bestehen mag, weil es diesen etwa an der technischen Ausstattung für einen Einkauf im Internet mangelt (fehlender Internetzugang) oder die zur Anschaffung vorgesehenen Produkte dringend benötigte Arbeitsmittel darstellen. Zwar soll – worauf die Antragsschrift zutreffend hinweist – die Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV nach der Auslegung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 14.1.2021 – 20 CE 21.30 – BeckRS 2020, 39080 Rn. 9) explizit auch den Sonderbedarf von Personengruppen mit besonderen Bedürfnissen umfassen. Dieser Umstand aber kann für sich genommen die weitere Voraussetzung des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV – nämlich ein aus der Eigenart der betreffenden Waren resultierendes Bedürfnis nach einer täglichen Verfügbarkeit in einem hierzu geöffneten Ladengeschäft – nicht ersetzen. Daran fehlt es mit Blick die Ladengeschäfte der Antragstellerin grundsätzlich bereits deshalb, weil es sich bei den dort angebotenen Waren regelmäßig nicht um Verbrauchsgüter oder aus medizinischen Gründen notwendige Produkte bzw. Hilfsmittel handelt, sondern vielmehr um Gebrauchsgegenstände, die üblicherweise eine längere Nutzungsdauer aufweisen. Mithin stellt auch der Kauf solcher Produkte durch den Verbraucher – besonders unter Berücksichtigung des oftmals bestehenden Erfordernisses fachkundiger Kaufberatung und/oder Einweisung – in aller Regel gerade kein täglich wiederkehrendes Massengeschäft, sondern stattdessen ein eher singuläres Erwerbsgeschäft dar. Das Gericht verkennt nicht, dass in bestimmten Einzelfällen – namentlich im Fall eines unvorhergesehenen Defekts – auch in Bezug auf derartige Gebrauchsgüter ein akutes Bedürfnis nach einer umgehenden Ersatzbeschaffung bestehen kann. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn es sich bei dem betroffenen Gerät um ein für die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse zwingend notwendiges Haushaltsgerät (so etwa der Herd für die Zubereitung einer warmen Mahlzeit) oder ein aus beruflichen oder schulischen Gründen benötigtes Arbeitsmittel (so etwa der Computer bzw. Laptop für die Arbeit oder den Fernunterricht von zu Hause aus) handelt. Mit Blick auf die aktuelle Pandemielage kann den Betroffenen jedoch zugemutet werden, die benötigten Produkte in derartigen Ausnahmefällen entweder auf dem Bestellweg (ggf. per Expressversand) bzw. durch Nutzung des inzwischen zulässigen „Click and Collect“ (Bestellung über das Internet/Telefon, Abholung vor Ort) zu erwerben oder aber in zulässigerweise geöffneten Ladengeschäften – wie etwa des Lebensmittel- und Drogeriehandels – einzukaufen, deren Warensortiment derartige Gerätschaften mitunter ebenfalls umfasst. Dass hierbei ggf. auf eine fachkundige Kaufberatung und Gebrauchseinweisung vor Ort – wie diese aufgrund der Spezialisierung auf den Elektronikfachhandel in den Ladengeschäften der Antragstellerin angeboten werden mag – verzichtet werden muss, kann angesichts der aktuellen Pandemiesituation ebenfalls zugemutet werden.
Ebenso wenig kann die Antragstellerin mit ihrer Rüge des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem Hinweis auf eine Verzerrung des wirtschaftlichen Wettbewerbs durchdringen. Dies gilt namentlich mit Blick auf die bemängelte Ungleichbehandlung mit solchen Einzelhandelsgeschäften wie etwa dem Lebensmittelhandel oder Drogeriemärkten, denen es nach dem Verständnis des Verordnungsgebers gestattet ist, in ihren Verkaufsräumen auch elektronische Gerätschaften (etwa Haushaltsgeräte, Fernseher oder Computer) zu verkaufen, solange diese dort zum üblichen Sortiment zählen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG steht insoweit schon deshalb nicht zu befürchten, weil es sich – jedenfalls nach den hier maßgeblichen Kriterien des Infektionsschutzes – um zwei grundverschiedene und nicht miteinander vergleichbare Sachverhalte handelt. Während die Ladenschäfte der Antragstellerin jeweils Spezialmärkte des Elektrofachhandels darstellen, besteht der schwerpunktmäßige Geschäftsbetrieb des Lebensmittelhandels bzw. von Drogeriemärkten im Verkauf von Waren, die weit überwiegend als Verbrauchsgüter in den Rahmen der täglichen Lebensführung fallen, wohingegen einem daneben ggf. angebotenen Verkauf von Elektrogeräten eine allenfalls untergeordnete Rolle zukommt. Letztere werden von den Kunden somit in aller Regel vorrangig zum Zweck des Einkaufs von Lebensmitteln bzw. Hygiene- oder Kosmetikprodukten aufgesucht, wobei der Erwerb von Elektronikartikeln mehrheitlich nur bei Gelegenheit eines solchen, durch die Beschaffung von Verbrauchsgütern veranlassten Einkaufs erfolgt. In anderen Worten ausgedrückt halten sich die betreffenden Kunden ohnehin schon aus anderen Gründen in den Ladengeschäften des Lebensmittel- bzw. Drogerieeinzelhandels auf; in solchen Fällen aber ist es für die Infektionsgefahr unerheblich, ob die Kunden dort ausschließlich Lebensmittel bzw. Drogerieartikel oder bei dieser Gelegenheit auch andere Produkte – wie etwa Elektronikartikel – einkaufen. Demgegenüber bestünde bei einer Öffnung der Ladengeschäfte der Antragstellerin, die schwerpunktmäßig dem Elektronikfachhandel zuzurechnen sind und von den Kunden ausschließlich zum Zweck des Erwerbs solcher Produkte aufgesucht werden, die zusätzliche Gefahr weiterer persönlicher Begegnungen einer unbestimmten Vielzahl von Personen in einem geschlossenen Raum; es würde damit ein weiterer potentieller Infektionsherd geschaffen. Dass im konkreten Einzelfall bestimmte Personen die Ladengeschäfte des Lebensmittel- oder Drogeriehandels gleichwohl vorrangig oder gar ausschließlich zum Zweck des Erwerbs eines elektronischen Geräts aufsuchen können, steht dieser Differenzierung nicht entgegen. Angesichts der vielfältigen und in den wenigsten Fällen nur einer bestimmten Kategorie zuordenbaren Geschäftsmodellen im Bereich des Einzelhandels darf zur Erreichung der infektionsschutzrechtlichen Zielbestimmung zulässigerweise auf einen pauschalierenden und an der schwerpunktmäßigen Geschäftsausrichtung orientierten Bewertungsmaßstab zurückgegriffen werden (vgl. dazu OVG NRW, B.v. 11.11.2020 – 13 B 1635/20.NE – juris Rn. 65). Daraus für den konkreten Einzelfall resultierende Nachteile sind im Rahmen des Zumutbaren hinzunehmen. Für eine solche Zumutbarkeit spricht im vorliegenden Fall insbesondere der Umstand, dass der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin auch bei der von der Kammer gefundenen engen Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV nicht vollständig zum Erliegen gelangt. Dieser steht namentlich die Möglichkeit des Verkaufs ihrer Produkte über das Internet mit anschließender Auslieferung an den Kunden ebenso offen wie ein Vertrieb im Rahmen des sog. „Click and Collect“. Dass die Antragstellerin den Großteil ihrer Einnahmen nicht über die genannten Wege des Fernabsatzes, sondern durch den Verkauf ihrer Waren vor Ort in den von ihr betriebenen Ladengeschäften erzielen mag, ist hierbei ihrem eigenen unternehmerischen Risiko zuzuordnen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt. Eine Orientierung an dem in Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 für gewerberechtliche Untersagungsverfahren angenommenen Wert von 15.000 EUR erfolgte aufgrund der hier nur begrenzten Dauer der Maßnahme nicht.


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