Europarecht

Unzureichende Reisedokumente

Aktenzeichen  33 T 89/19

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 49111
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 23 Abs. 2, § 416 Abs. 1
AsylG § 18 Abs. 2 Nr. 4
AufenthG § 15 Abs. 5, Abs. 6

 

Leitsatz

1. Die Zurückweisungshaft setzt ebenso wie die Verlängerung des Transitaufenthalts nach Ablauf von 30 Tagen einen Haftgrund nicht voraus. Art. 15 der Rückführungsrichtlinie ist auf die Zurückweisungshaft nicht anwendbar. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist bei der Zurückweisung (§ 15 Abs. 1 AufenthG) – anders als bei der Abschiebung und der Zurückschiebung – nicht erforderlich. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 XIV 3/19 2019-01-07 Bes AGINGOLSTADT AG Ingolstadt

Tenor

1. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 07.01.2019 (Az. 9 XIV 3/19) wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. wird zurückgewiesen.
3. Die Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 5000 €.

Gründe

I.
Die Betroffene ist nigerianische Staatsangehörige. Am 09.12.2018 versuchte die Betroffene als Mitreisende in dem Fernbus Flix-Bus Strecke Verona-Duisburg gegen 0:30 Uhr aus Österreich kommend in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzureisen. Sie wurde am Grenzübergang K. auf der Autobahn A .., Einreise, grenzpolizeilich von der Bundespolizei kontrolliert. Die Betroffene wies sich mit einem nigerianischen Reisepass und einem abgelaufenen italienischen Permesso di Soggiorno sowie einem Verlängerungsantrag aus. Eine Eurodac Recherche lieferte einen positiven Treffer für Italien vom 29.05.2017. Gegenüber den vernehmenden Beamten gab die Betroffene an, sie könne sich in Italien nicht ernähren und wolle nach Deutschland gehen. Der Betroffenen wurde durch Bescheid vom 09.12.2018 die Einreise verweigert, dieser Bescheid ihr bekannt gemacht und übersetzt sowie von ihr unterschrieben (Blatt 19 der Akte).
Die beteiligte Behörde betreibt die Zurückweisung der betroffenen nach Italien auf Grundlage der Dublin III Verordnung. Eine sofortige Zurückweisung nach Österreich scheidet aufgrund Unzuständigkeit Österreichs im Verfahren aus. Die Antragstellerin hat die Betroffene umgehend an das BAMF für eine Wiederaufnahme durch Italien angeboten, die zweiwöchige Antwortfrist lief am 26.12.2018 aus. Eine Antwort der italienischen Behörden lag nicht vor. Die Antragstellerin buchte den nächstmöglichen Flug am 25.01.2019 von München nach Turin.
Durch Antrag der beteiligten Behörde Bundespolizeiinspektion R. vom 09.12.2018 gegenüber dem Amtsgericht Rosenheim wurde Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückweisung für die Dauer von fünf Wochen und zwei Tagen bis zum 14.01.2019 beantragt. Das Amtsgericht Rosenheim hat unter dem 09.12.2018 die Betroffene persönlich angehört und durch Beschluss vom selben Tage die vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum spätestens 14.01.2019 beschlossen (Aktenzeichen 8 XIV 215/18). Der Haftantrag der beteiligten Ausländerbehörde wurde der Betroffenen übersetzt und der Antragsinhalt bekannt gegeben.
Durch Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Traunstein vom 08.02.2019 (Aktenzeichen 4 T 3844/18, 8 XIV 215/18 Amtsgericht Rosenheim) wurde die Beschwerde gegen den zugrundeliegenden Beschluss zurückgewiesen.
Aus den beigezogenen Ausländerakten der Beteiligten geht hervor, dass der Asylantrag der Betroffenen vom 09.12.2018 dem BAMF am 10.12.2018 schriftlich mitgeteilt wurde und durch das BAMF am 27.12.2018 als unzulässig abgelehnt wurde (Geschäftszeichen 7684066-232). Die Betroffene war in der Abschiebehafteinrichtung JVA E. untergebracht.
Durch Antrag der beteiligten Behörde vom 02.01.2019 wird vor dem Amtsgericht Ingolstadt Verlängerung der angeordneten Zurückweisungshaft beantragt bis längstens 29.01.2019 (Blatt 1 der Akten). Hierauf wird verwiesen.
Das Amtsgericht Ingolstadt hat auf Antrag der beteiligten Behörde vom 02.01.2019 Termin zur Anhörung der Betroffenen bestimmt auf 11.01.2019 und diesen sodann vorverlegt auf 07.01.2019 (Blatt 44 der Akten). Zu diesem Zeitpunkt war der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen terminlich verhindert, auch für die möglichen Termine 08.01.2019 und 09.01.2019 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte die berufliche Verhinderung gegenüber dem Amtsgericht Ingolstadt an. Der Verfahrensbevollmächtigte erklärte dort sein Einverständnis, dass der Termin (07.01.2019) ohne sein Beisein durchgeführt wird. Entsprechend ist das Amtsgericht Ingolstadt verfahren und hat die Betroffene am 07.01.2019 persönlich angehört (Blatt 48 folgende der Akten). Hierauf wird verwiesen. Dort gab die Betroffene an, sie wolle so schnell wie möglich zurück nach Italien.
Durch Beschluss vom 07.01.2019 wurde durch das Amtsgericht Ingolstadt die Zurückweisungshaft bis zum 29.01.2019 verlängert (Aktenzeichen 9 XIV 3/19). Die Entscheidung wurde dem Verfahrensbevollmächtigten am 07.01.2019 zugestellt.
Die Betroffene lässt gegen den Beschluss mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 08.01.2019 Beschwerde einlegen mit dem Antrag festzustellen, dass der angefochtene Beschluss die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat, der Betroffenen Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen sowie die Ausländerakten der beteiligten Behörden beizuziehenden und darin Akteneinsicht zu gewähren.
Die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts Ingolstadt stammt vom 14.01.2019.
Die Beschwerdekammer des Landgerichts Ingolstadt hat nach Eingang der Akten bei ihr am 16.01.2019 unverzüglich antragsgemäß die Ausländerakten der Antragstellerin beigezogen und dem Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht darin gewährt. Der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen erhält auf Grundlage der Verfügung vom 28.01.2019 Akteneinsicht in die beigezogenen Unterlagen. Diese liegen dem Verfahren bei.
Nach Mitteilung der Justizvollzugsanstalt E. wurde die Betroffene am 25.01.2019 nach Italien abgeschoben, Blatt 79 folgende der Akten. Eine persönliche Anhörung der Betroffenen konnte deshalb nicht mehr erfolgen.
Die Beschwerde der Betroffenen wird unter dem 04.02.2019 nachfolgend begründet. Dort wird ausgeführt, die Kontrolle der Betroffenen an der Grenze sei unzulässig gewesen, eine Kontrolle an den Binnengrenzen sei nicht den Kontrollen an der Außengrenze gleichzustellen. So sei die Betroffene bereits im europarechtlichen Sinne eingereist gewesen und eine Einreiseverweigerung hätte nicht vorgelegen. Grenzübergangstellen zwischen Deutschland und Österreich würde es derzeit nicht geben. Die Betroffene habe weiter am 09.12.2018 einen Asylantrag gestellt, sie habe dann nicht in Haft genommen werden dürfen, wenn diese vor Erlass der amtsgerichtlichen Haftentscheidung erfolgt sei. Zuletzt wird ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gerügt. Der Haftverlängerungsantrag der beteiligten Behörde sei dem Verfahrensbevollmächtigten nicht vorab, sondern gleichzeitig mit dem Haftverlängerungsbeschluss übersandt worden.
II.
Nach erfolgter Zurückweisung der Betroffenen ist der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zulässig, jedoch nicht begründet, § 62 FamFG.
Die beteiligte Behörde ist zur Antragstellung zuständig, §§ 1 Abs. 2 Bundespolizeigesetz, 2 BPolZV in Verbindung mit § 71 Abs. 3 Nummer 1 e Aufenthaltsgesetz. Für die Entscheidung über die Verlängerung der Freiheitsentziehung war das angegangene Amtsgericht Ingolstadt sachlich und örtlich zuständig, § 416 Abs. 1 Satz zwei FamFG.
Es liegt eine Sachverhaltsgestaltung mit versuchter unerlaubter Einreise und erstrebter Zurückweisung des Betroffenen vor. Eine Einreise des Betroffenen nach § 13 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz ist noch nicht vollendet.
Erforderlich sind bei der Zurückweisungshaft Darlegungen der Antragstellerin dazu, dass dem Betroffenen die Einreise verweigert worden ist und dass und aus welchen Gründen er nicht unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen werden konnte, sowie Darlegungen zur Durchführbarkeit der Zurückweisung in den beabsichtigten Zielstaat und zur notwendigen Haftdauer.
An der deutschösterreichischen Grenze finden derzeit aufgrund einer Entscheidung des Bundesministeriums des Innern auf Basis des Art. 29 Schengener Grenzkodex Grenzkontrollen statt. Bei der Prüfung der Anordnung von Zurückweisung sind sowohl die Einreiseverweigerung als auch die Entschließung der zuständigen Behörden, die Rücküberstellung der Betroffenen in einem bestimmten Mitgliedsstaat zu betreiben, von den Haftgerichten als gegeben hinzunehmen (BGH Beschluss vom 20.09.2017, V ZB 118/17).
Die von der Betroffenen mitgeführten Dokumente reichen für eine Einreise und einen Aufenthalt im Bereich der Bundesrepublik Deutschland nicht aus. Die Betroffene unterliegt als Ausländerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz nach § 3 und 4 Aufenthaltsgesetz der Pass- und Aufenthaltstitelpflicht, Befreiungen hiervon liegen nicht vor. Die Betroffene verfügt über keinen gültigen Pass im Sinne der genannten Vorschriften, sie ist bei Aufgriff im Grenzbereich auch noch nicht in das Bundesgebiet eingereist. Aufgrund des Anwendungsvorranges der Dublin III Verordnung VO EU Nummer 604/2013 waren eine Einreiseverweigerung und Zurückweisung nach Österreich nicht möglich, es bestanden Anhaltspunkte aufgrund des einschlägigen Eurodac Treffers für die Zuständigkeit Italiens. Es lagen die Voraussetzungen für die Anordnung der Zurückweisung nach Art. 14 Schengener Grenzkodex und § 18 Abs. 2 Nummer 2 Asylgesetz vor, eine Zurückweisungsverfügung ist ergangen, sie wurde mitgeteilt und mittels Dolmetscher übersetzt.
Durch Ablauf der Zustimmungsfrist durch Italien ist die Bestimmung des Ziellandes abgeschlossen.
Die beteiligte Behörde hat in ihrem Antrag die Gesamtdauer des Verfahrens auf sieben Wochen und zwei Tage eingeschätzt. Die bisherigen drei Wochen und zwei Tage der Haftdauer der vorläufigen Freiheitsentziehung wurden nach ihren Angaben benötigt für die Bearbeitungszeit bei der Bundespolizei und dem BAMF zwischen aufgriff und Eingang des Wiederaufnahmegesuchs beim zuständigen Mitgliedsstaat sowie der zweiwöchigen Antwortfrist. Die Begründung für den Verlängerungsantrag bis zum 29.01.2019 setzt sich zusammen aus zwei Wochen für die Bescheiderstellung und Übersendung durch das BAMF an die Betroffene,
die Rechtsmittelfrist gemäß § 34 a Asylverfahrensgesetz und die Übersendung der Überstellungsdaten durch den zuständigen Mitgliedsstaat an Deutschland. Nach Zustimmung der italienischen Behörden zur Wiederaufnahme wurde durch die Bundespolizei der nächstmögliche Flug am 25.01.2019 gebucht. Weiter wurde beantragt ein zeitlicher Puffer von vier Tagen bis zum 29.01.2019 für die etwaige Erstellung eines Verlängerungsantrages im Falle des Scheiterns der Zurückweisung.
Die Zurückweisungsentscheidung ist ergangen, kann aber nicht unmittelbar vollzogen werden.
Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein. Sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Gesichtspunkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Zurückweisungshaft nicht angeordnet werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 – V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 9 für Abschiebungshaft, vom 6. Dezember 2012 – V ZB 118/12, juris Rn. 4 und vom 31. Januar 2013 – V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15 beide für Zurückschiebungshaft) (BGH, Beschluss vom 20. September 2017 – V ZB 118/17 -, Rn. 6, juris). Die Zurückweisungshaft setzt ebenso wie die Verlängerung des Transitaufenthalts nach Ablauf von 30 Tagen (dazu Senat, Beschluss vom 10. März 2016 – V ZB 188/14, InfAuslR 2016, 295 Rn. 5) einen Haftgrund nicht voraus (Senat, Beschluss vom 22. Juni 2017 – V ZB 127/16, InfAuslR 2017, 345 Rn. 10). Art. 15 der Rückführungsrichtlinie ist auf die Zurückweisungshaft nicht anwendbar. Deutschland hat mit der Einführung und Beibehaltung der Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG und des Transitaufenthalts gemäß § 15 Abs. 6 AufenthG für die Fälle der unerlaubten Einreise auf dem Luft-, See- oder Landweg ein Sonderregime eingeführt, das die Haftanordnung nicht von dem Vorliegen von Haftgründen abhängig macht; das ist nach Art. 2 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie zulässig (dazu: Senat, Beschluss vom 10. März 2016 – V ZB 188/14, InfAuslR 2016, 295 Rn. 5, 9 f. für Transitaufenthalt).
Auf die Zurückweisungshaft ist Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung nicht anzuwenden. Die Anordnung von Zurückweisungshaft setzt nach § 15 Abs. 5 AufenthG voraus, dass die Zurückweisung an der Grenze nicht unmittelbar vollzogen werden kann, etwa, weil – wie hier – eine Wiederaufnahme durch den Anrainerstaat, von dem aus der Betroffene nach Deutschland unerlaubt einreisen wollte, daran scheitert, dass dieser zu dessen (Wieder-)Aufnahme nicht verpflichtet ist. Die Zurückweisung muss in diesen Fällen entweder ähnlich wie eine Abschiebung durch Wiederaufnahme seitens eines Drittstaats oder ähnlich wie eine Rücküberstellung durch Wiederaufnahme durch den Erstaufnahmestaat oder einen anderen Staat erfolgen, der zur Wiederaufnahme des Betroffenen nach Art. 18 der Dublin-III-Verordnung verpflichtet ist. In dem zweiten Fall unterliegt die Haft aber nicht den Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung. Das ergibt eine legislative Interpretation der Vorschrift (zu dieser Figur im nationalen Recht: Senat, Urteil vom 27. März 2015 – V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rn. 20) durch den Unionsgesetzgeber selbst, was eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entbehrlich macht (sog. acte claire, EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81 C.I.L.F.I.T., ECLI:EU:C:1982:335 Rn. 14 f., 16; Schmidt-Räntsch in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 3. Aufl., § 23 Rn. 27, 29). Die Mitgliedstaaten sind nämlich nach Art. 14 Abs. 4 des Schengener Grenzkodexes und, wenn eine Kontrolle der Binnengrenzen stattfindet, nach Art. 32 i.V.m. Art. 13 Abs. 4 des Schengener Grenzkodexes verpflichtet, die unerlaubte Einreise durch Flüchtlinge zu verhindern. Die Haft zur Sicherung der Prüfung des Rechts auf Einreise bildet nach Art. 8 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie 2013/33/EU (vom 26. Juni 2013, ABl. EU Nr. L 180 S. 96 – Aufnahmerichtlinie) einen eigenständigen Haftgrund, den die Richtlinie von dem Haftgrund zur Sicherung der Rücküberstellung eines unerlaubt eingereisten Ausländers nach Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung unterscheidet (vgl. Art. 8 Abs. 3 Buchstabe f der Aufnahmerichtlinie). Die Prüfung des Rechts des Betroffenen auf Einreise umfasst auch die Prüfung, ob der Staat, in den der Betroffene an sich nicht einreisen darf, nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Dublin-III-Verordnung verpflichtet oder nach Art. 17 der Dublin-III-Verordnung berechtigt ist, die Sachprüfung des Antrags des Betroffenen auf internationalen Schutz zu übernehmen und dem Betroffenen dazu die Einreise zu gestatten (BGH, Beschluss vom 20. September 2017 – V ZB 118/17 -, Rn. 12 – 13, juris).
Für das Zurückweisungsverfahren sind Haftgründe nicht erforderlich, gleichwohl liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 14 Nummer 1 Aufenthaltsgesetz des Entziehen eines behördlichen Zugriffes vor, zumal die Betroffene sich den italienischen Behörden bei laufendem Asylverfahren entzogen hat ohne ihren neuen Aufenthaltsort mitzuteilen. Aufgrund der Äußerung der Betroffenen, nicht nach Italien zurückkehren zu wollen, muss damit gerechnet werden, dass diese sich behördlichen Zugriffen entziehen werde. Hierdurch entzieht sich die Betroffene auch ihre Pflicht zur Mitwirkung nach § 2 Abs. 14 Nummer 3 Aufenthaltsgesetz, sie hat ihre Rückkehrunwilligkeit ausdrücklich formuliert, § 2 Abs. 14 Nummer 5 Aufenthaltsgesetz. Die Betroffene hat im Rahmen ihrer Anhörung angegeben, zum Stand des Asylverfahrens in Italien keine Ahnung zu besitzen, sie hat damit den zuständigen Mitgliedsstaat verlassen, ohne sich nach dem Stand ihres Asylverfahrens in Italien zu erkundigen. Aufgrund ihrer Ausführung ist nicht davon auszugehen, dass der Betroffene sich einer Zurückweisung nach Italien freiwillig stellen würde. Zuletzt hat die Betroffene sich bei laufendem Asylverfahren in Italien dem behördlichen Zugriff entzogen und angegeben, nicht nach Italien zurückkehren zu wollen, § 2 Abs. 15 Aufenthaltsgesetz. Die Anordnung von Zurückweisung ist aus diesem Grunde gegeben. Die Freiheitsentziehung ist erforderlich, mildere Mittel als die Inhaftierung der Betroffenen waren nicht erfolgversprechend. Durchführungshindernisse für die geplante und zuletzt auch durchgeführte Zurückweisung der Betroffenen sind nicht ersichtlich.
Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist bei der Zurückweisung (§ 15 Abs. 1 AufenthG) – anders als bei der Abschiebung und der Zurückschiebung – nicht erforderlich (Abgrenzung zu Senat, Beschluss vom 24. Februar 2011, V ZB 202/10, FGPrax 2011, 146). Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Traunstein wurde am 09.12.2018 eingeholt.
Die beteiligte Behörde nimmt unter dem 15.02.2019 Stellung zum Beschwerdevorbringen und führt aus, eine Entscheidung zur Wirkung der Grenzkontrollen an der Binnengrenze durch den europäischen Gerichtshof sei noch nicht ergangen, derzeit sei lediglich ein Vorabentscheidungsersuchen anhängig. Die Regelungen der Dublin Verordnung stellten zudem spezielle Normen für die Überstellungen im Dublin Verfahren dar, weshalb die Regelungen der Rückführungsrichtlinie nicht anwendbar sind.
Danach ist die Entscheidung der Antragstellerin, eine Einreiseverweigerung auszusprechen von den Haftgerichten als gegeben hinzunehmen.
Der Asylantrag der Betroffenen vom 09.12.2018 ist beim BAMF erst schriftlich am Folgetag eingegangen, wie sich aus dem Bescheid vom 27.12.2018 ergibt. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, zu dem der förmliche Asylantrag (§ 14 AsylG) bei dem zuständigen Bundesamt eingegangen ist. Demgegenüber genügt ein Asylgesuch nach § 13 Abs. 1 AsylG gegenüber der Grenzbehörde noch nicht, um eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylG zu erwerben (vgl. BGH V. Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 19 Beschluss vom 1. März 2012 – V ZB 206/11, FGPrax 2012, 133 Rn. 10 Beschluss vom 25. Februar 2016 – V ZB 171/13, juris Rn. 10).
Die Haftanordnung des Amtsgerichts Rosenheim ist beim BAMF schon am 09.12.2018 eingegangen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Haftgerichte bei der Anordnung von Zurückweisungshaft nicht zu prüfen haben, ob dem Ausländer aufgrund des Asylgesetzes der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet ist (BGH Beschluss vom 12.04.2018, V ZB 164/16). Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylG (= 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG) steht allerdings die Asylantragstellung der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft unter anderem dann nicht entgegen, wenn sich der Ausländer im Zeitpunkt der Antragstellung in Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a bis 5 Aufenthaltsgesetzes befand. Der bloße Polizeigewahrsam genügt hierfür nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 1. März 2012 – V ZB 206/11, FGPrax 2012, 133 Rn. 11).
Die Rüge der Beschwerde, dem Verfahrensbevollmächtigten sei erst nach Haftbeschluss der Verlängerungsantrag der beteiligten Behörde vom 02.01.2019 übersandt worden, begründet die Beschwerde im Hinblick auf die Verletzung von Verfahrensrechten nicht.
Der Haftantrag kann dem Betroffenen zum Zeitpunkt der Anhörung eröffnet werden, wenn er einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu dem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 – V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16 mwN). Dem Betroffenen muss in jedem Fall eine Kopie des Haftantrags ausgehändigt werden und dies in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 – V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8). Der Betroffene ist schon auf Grund der Situation zumeist nicht in der Lage, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen. Er muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können. Das bestätigt ein Blick auf § 41 Abs. 2 Satz 4 FamFG. Danach kann ein Beschluss einem Anwesenden zwar mündlich bekannt gegeben werden. Er muss ihm aber dessen ungeachtet zusätzlich schriftlich bekannt gegeben werden. Das gilt im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes auch für die Übermittlung des Antrags nach § 23 Abs. 2 FamFG. Daraus ist zu folgern, dass die Aushändigung des Haftantrages an die Betroffene und die Übersetzung seines Inhaltes die Rechte auf Inanspruchnahme rechtlichen Gehörs angemessen wahrte. Nach Mitteilung des Verfahrensbevollmächtigten vom 07.01.2019 bestehe Einverständnis mit der Durchführung des Termins ohne seine Anwesenheit (Telefonvermerk Bl. 47 d. A.). Dabei musste dem Verfahrensbevollmächtigten klar sein, dass ihm der aktuelle Haftantrag noch nicht vorlag, er wurde noch am selben Tage und damit schnellstmöglich nach abgesprochener Terminsverlegung übersandt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes stammt aus §§ 61 Abs. 1 Satz eins, 36 Abs. 3 GNotKG. Mangels Erfolgsaussicht des Vorbringens war der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zurückzuweisen, § 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO. Verfahrenskostenhilfe war auch nicht aufgrund der Schwierigkeit bislang noch ungeklärter Rechtsfragen zu gewähren. Solche stellten sich im Beschwerdeverfahren nicht. Die Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe durch die Beschwerdekammer ist nicht anfechtbar (Zöller/Geimer § 127 Rn. 10).


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