Europarecht

Verlust des Freizügigkeitsrechts für Unionsbürger wegen unzureichender Existenzmittel

Aktenzeichen  10 ZB 19.155

Datum:
4.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2728
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4
FreizügG/EU § 4 S. 1, § 5 Abs. 4
RL 2004/38/EG Art. 7 Abs. 1 lit. b
AsylbLG §§ 1 ff.

 

Leitsatz

1. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§§ 1 ff. AsylbLG) ebenso wie solche aufgrund des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs – Sozialhilfe – (SGB XII) oder des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) können ohne weiteres als Sozialhilfeleistung angesehen werden, deren Bezug im Aufnahmestaat zum Verlust des Freizügigkeitsrechts führen kann. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einer zum Verlust führenden unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen kann nicht ohne eine umfassende Beurteilung der Frage ausgegangen werden, welche Belastung dem nationalen Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit aus der Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage des Betroffenen kennzeichnend sind, konkret entstünde (Anschluss an BVerwG BeckRS 2015, 50492). (Rn. 11) (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einem dauerhaften Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ohne dass eine eigenständige Existenzsicherung auch nur absehbar wäre, kann von lediglich „vorübergehenden Schwierigkeiten“ keine Rede sein. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 18.2223 2018-11-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihre in erster Instanz erfolglose Klage weiter, mit der unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 10. April 2018 in der Fassung vom 19. April 2018 festgestellt werden soll, dass sie das Recht auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland haben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 15. November 2018 abgewiesen. Der Kläger zu 2, ein zum Entscheidungszeitpunkt eineinhalbjähriger britischer Staatsangehöriger, sei nicht freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 oder Nr. 6 FreizügG/EU, weil bei ihm die Voraussetzungen nach § 4 FreizügG/EU nicht vorlägen. Er verfüge weder über ausreichenden Krankenversicherungsschutz noch über ausreichende Existenzmittel. Die Klägerin zu 1, seine Mutter, eine nigerianische Staatsangehörige, besitze ebenfalls keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und keine ausreichenden Existenzmittel und begleite keinen freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger. Die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU sei rechtmäßig.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO); auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2020 – 10 ZB 19.2235 – Rn. 4; B.v. 14.2.2019 – 10 ZB 18.1967 – juris Rn. 10; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
Klärungsbedürftig sind solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend ober- und höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2011 – 1 BvR 3007/07 – juris Rn. 21; Roth in Posser/Wolff BeckOK, VwGO, Stand: 1.10.2019, § 124 Rn. 55 m.w.N; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 38). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr, BVerwG, B.v. 9.4.2014 – 2 B 107.13 – juris Rn. 9 m.w.N.; BVerfG, B.v. 29.7.2010 – 1 BvR 1634/04 – juris Rn. 64). So verhält es sich hier.
Die Kläger formulieren als klärungsbedürftige Rechtsfrage: „Ist die Leistung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dem allgemeinen Sozialleistungsbezug im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG als unangemessene Leistung des Aufnahmestaates gleichzusetzen?“ Die Frage bezieht sich darauf, dass die Klägerin zu 1 für sich, für den Kläger zu 2 und für zwei weitere Kinder seit April 2017 Leistungen aufgrund des Asylbewerberleistungsgesetzes bezieht. Das Verwaltungsgericht hat dies als Bezug von Sozialhilfeleistungen gewertet und das Vorliegen ausreichender Existenzmittel im Sinn von § 4 Satz 1 FreizügG/EU verneint.
Diese Frage ist im Wesentlichen bereits geklärt und kann im Übrigen auch ohne die Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden.
Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG (sog. Freizügigkeitsrichtlinie), der mit § 4 Satz 1 FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt wurde, muss der Unionsbürger, der das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten wahrnehmen will, für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen. Diese Bestimmung soll nicht erwerbstätige Unionsbürger daran hindern, das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes in Anspruch zu nehmen (EuGH, U.v. 11.11.2014 – C-333/13, Dano – juris Rn. 76). Folglich ist bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG in Anspruch nehmen zu können, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die jeweiligen Sozialleistungen zu berücksichtigen (EuGH, U.v. 11.11.2014 – C-333/13, Dano – juris Rn. 80).
Wie der Begriff der „Sozialhilfeleistungen“ in diesem Zusammenhang auszulegen ist, ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt. Danach ist der Begriff so zu verstehen, dass er sich auf sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme bezieht, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, U.v. 19.9.2013 – C-140/12, Brey – juris Rn. 61; ebenso zu Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG: EuGH, U.v. 15.9.2015 – C-67/14, Alimanovic – juris Rn. 44; EuGH, U.v. 11.11.2014 – C-333/13, Dano – juris Rn. 63; jew. m.w.N.). Es handelt sich um Leistungen, deren überwiegende Funktion gerade darin besteht, das Minimum an Existenzmitteln zu gewährleisten, das erforderlich ist, um ein Leben zu führen, das der Menschenwürde entspricht (EuGH, U.v. 15.9.2015 – C-67/14, Alimanovic – juris Rn. 45).
Hiervon ausgehend können Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§§ 1 ff. AsylbLG) ebenso wie solche aufgrund des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs – Sozialhilfe – (SGB XII) oder des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) ohne weiteres als Sozialhilfeleistung in diesem Sinn angesehen werden. Denn auch hierbei handelt es sich um steuerfinanzierte Leistungen, die der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dienen (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris); das Asylbewerberleistungsgesetz hat dabei eine eigenständige Regelung des Mindestunterhalts für besondere Personengruppen geschaffen (HessVGH, B.v. 5.3.2007 – 3 UE 2823/06 – juris Rn. 18: „Sonder-Sozialhilferecht“), die gleichwohl zum materiellen Sozialhilferecht gehört (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, Einleitung zum AsylbLG Rn. 14-16 und § 1 AsylbLG Rn. 2 ff. m.w.N.). Den sozialhilferechtlichen Charakter des Asylbewerberleistungsgesetzes bringt auch das in §§ 7 und 8 AsylbLG festgelegte Nachrangprinzip zum Ausdruck, wonach ein Leistungsberechtigter zunächst eigenes Einkommen und Vermögen einzusetzen hat und vorrangig Verpflichtungen Dritter heranzuziehen sind (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 7 AsylbLG Rn. 3; Treichel in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar Sozialrechtsberatung, 2. Aufl. 2018, § 1 AsylbLG Rn. 12).
Auch soweit in der aufgeworfenen Frage die (Un-)Angemessenheit eines Sozialhilfebezugs angesprochen wird, ist die hiermit zusammenhängende Rechtslage, soweit sie einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist, bereits geklärt. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen vermag nämlich nicht automatisch einen Verlust des Freizügigkeitsrechts zu begründen, vielmehr muss die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen unangemessen sein (vgl. zuletzt EuGH, U.v. 2.10.2019 – C-93/18, Bajratari – juris Rn. 34). Denn der Umstand, dass ein nicht erwerbstätiger Unionsbürger zum Bezug von Sozialhilfeleistungen berechtigt ist, kann zwar einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt; insbesondere dem 10. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38/EG ist zu entnehmen, dass die Voraussetzung der Existenzsicherung vor allem verhindern soll, dass die hierin genannten Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen (BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – juris Rn. 21 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH). Nach dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38/EG aber sollte der Aufnahmemitgliedstaat dazu „prüfen, ob es sich bei dem betreffenden Fall um vorübergehende Schwierigkeiten handelt, und die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände und den gewährten Sozialhilfebetrag berücksichtigen“. Von einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen kann zudem nicht ohne eine umfassende Beurteilung der Frage ausgegangen werden, welche Belastung dem nationalen Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit aus der Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage des Betroffenen kennzeichnend sind, konkret entstünde (BVerwG, U.v.16.7.2015 – 1 C 22.14 -, juris Rn. 21 unter Verweis auf EuGH, U.v. 19.9.2013 – C-140/12, Brey – juris Rn. 67; BayVGH, B.v. 27.11.2018 – 10 CS 18.2180, 10 C 18.2181 – juris Rn. 17).
2. Eine Divergenz im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist bereits nicht hinreichend dargelegt. Aus der Begründung des Zulassungsantrags geht nicht hervor, welchen tragenden abstrakten Rechtssatz das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt haben sollte, der einem Rechtssatz eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte widersprechen würde. Soweit auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. September 2013 (C-140/12, Brey – juris) Bezug genommen wird, wird keine Abweichung seitens des Verwaltungsgerichts dargelegt, sondern allenfalls eine unrichtige Rechtsanwendung gerügt; außerdem gehört der Europäischen Gerichtshof nicht zu den in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichten.
3. Auch der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, den die Kläger zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach geltend machen, liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel bestünden dann, wenn die Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätten (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Es müsste dargelegt sein, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat (siehe dazu Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2019, § 124a Rn. 72 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 ff.). Dies ist nicht der Fall.
Insbesondere begründet im vorliegenden Fall der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auch nach Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage der Kläger kennzeichnend sind (vgl. EuGH, U.v. 19.9.2013 – C-140/12, Brey – juris Rn. 64), eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Kläger beziehen nach Aktenlage seit Einreise ins Bundesgebiet bzw. seit Geburt Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ohne dass eine eigenständige Existenzsicherung auch nur absehbar wäre; von lediglich „vor-übergehenden Schwierigkeiten“ kann keine Rede sein. Bezüglich der angeblichen – nach dem Vorbringen der Klägerin zu 1 ohnehin allenfalls sporadischen und geringfügigen – Unterhaltsleistungen des Vaters des Klägers zu 2 liegen, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, keinerlei Belege vor. Auch würde es eine unangemessene Belastung für das nationale Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit bedeuten, wenn es gleichermaßen für sämtliche Unionsbürger in der Lage der Kläger geöffnet und damit faktisch so etwas wie eine „Sozialleistungsfreizügigkeit“ begründet würde (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2017 – 19 C 16.1719 – juris Rn. 21; OVG RhPf, B.v. 20.9.2016 – 7 B 10406/16 – juris Rn. 46). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs soll Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG nicht erwerbstätige Unionsbürger gerade daran hindern, das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH, U.v. 11.11.2014 – C-333/13, Dano – juris, Rn. 76). Die Notwendigkeit, die Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats zu schützen, reicht grundsätzlich aus, um die Möglichkeit zu rechtfertigen, zum Zeitpunkt der Gewährung einer Sozialleistung insbesondere an Personen anderer Mitgliedstaaten, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts durchzuführen, da diese Gewährung geeignet ist, sich auf das gesamte Niveau der Beihilfe auszuwirken, die dieser Staat gewähren kann (vgl. EuGH, U.v. 14.6.2016 – C-308/14, Kommission/Vereinigtes Königreich – juris Rn. 80 m.w.N.).
Da die Kläger nicht über ausreichende Existenzmittel im Sinn des § 4 Satz 1 FreizügG/EU verfügen, kann dahingestellt bleiben, ob sie (mittlerweile) ausreichenden Krankenversicherungsschutz besitzen; die Beiträge zur Krankenversicherung werden im Übrigen nach Angaben des Beklagten durch das Asylmanagement des zuständigen Landratsamtes entrichtet (vgl. § 4 AsylbLG; zu den entsprechenden Vereinbarungen mit den Krankenkassen siehe Treichel in Ehmann/Karmanski/ Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar Sozialrechtsberatung, 2. Aufl. 2018, § 4 AsylbLG Rn. 22), weshalb es sich insoweit ebenfalls um eine Sozialhilfeleistung handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren war abzulehnen, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung aus den dargelegten Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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