Europarecht

Versagungsgegenklage, Zuwendungsrecht, Corona-Pflegebonus, ambulante Dialyseeinrichtung, keine Auslegung der Richtlinie, keine willkürliche Verwaltungspraxis, kein atypischer Ausnahmefall

Aktenzeichen  Au 8 K 20.2083

Datum:
14.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1797
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23
GG Art. 3 Abs. 1
Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie – CoBoR) vom 30. April 2020, in Kraft seit dem 7. April 2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 15. Mai 2020, diese Änderung in Kraft seit dem 12. Mai 2020

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung und Auszahlung des beantragten Corona-Pflegebonus (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 29. September 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Beklagten. So wird in der Vorbemerkung der Corona-Pflegebonusrichtlinie ausdrücklich klargestellt, dass der Bonus eine freiwillige Leistung ist und nach Maßgabe der Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Freistaats Bayern als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird.
Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 27.1.2020 – M 31 K 19.4697 – juris Rn. 22; U.v. 28.8.2019 – M 31 K 19.203 – juris Rn. 15).
Ein Anspruch auf Förderung kann daher im Einzelfall dann bestehen, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Zuwendungsgebers auch gefördert werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; vgl. auch VG München, U.v. 28.8.2019 – M 31 K 19.203 – juris Rn. 15; im Zusammenhang der Corona-Pflegebonusrichtlinie VG Regensburg, GB v. 20.1.2021 – RO 6 K 20.1523 – BeckRS 2021, 705 Rn. 19).
Ausgangspunkt ist demnach die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 41 ff.).
2. Nach den dargelegten Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung des begehrten Corona-Pflegebonus. Weder die Richtlinie selbst noch ihre Handhabung in ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten sind vorliegend zu beanstanden.
Die Klägerin ist ausweislich der vorgelegten Arbeitgeberbescheinigung vom 25. April 2020 als Fachkraft Nephrologie – ambulante Dialyse bei der MVZ … GmbH – ambulante Dialyse tätig. Diese Tätigkeit führt nicht zu einer Anspruchsberechtigung der Klägerin auf Bewilligung eines Corona-Pflegebonus nach der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten aufgrund der CoBoR, weil die Klägerin nicht in einer der nach der hierfür maßgeblichen Förderrichtlinie begünstigten Einrichtung tätig ist. Bei der Einrichtung, in der die Klägerin tätig ist, handelt es sich auch nicht um einen ambulanten Pflegedienst im Sinn der Richtlinie, da dort die Patienten im Wesentlichen nicht pflegerisch betreut, sondern ambulant therapeutisch behandelt werden.
a) Nach der Förderpraxis des Beklagten wird bei der Bearbeitung von Zuwendungsanträgen eine zweistufige Prüfung vorgenommen: Zunächst kommt es darauf an, ob der jeweilige Antragsteller in einer begünstigungsfähigen Einrichtung im Sinn von Nr. 2 Satz 1 CoBoR tätig ist, und (erst) bejahendenfalls, ob die konkrete Tätigkeit eine pflegerische Tätigkeit nach Maßgabe der Corona-Pflegebonusrichtlinie darstellt (Nr. 2 Satz 3 bis 5, Anlagen 1 bis 3 CoBoR).
Nach Nr. 2 CoBoR sind begünstigt im Sinne der Richtlinie Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten (Nr. 2 Satz 1). Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist (Nr. 2 Satz 2) sowie in stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen alle Beschäftigten, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiten (Nr. 2 Satz 3) und daneben auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst (Nr. 2 Satz 4). Beispielhafte Aufzählungen der Begünstigten sind in den Anlagen 1, 2 und 3 zu den CoBoR näher ausgeführt (Nr. 2 Satz 5).
Maßgeblich für eine Förderung ist nach ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten, dass der jeweilige Antragsteller in einer begünstigungsfähigen Einrichtung tätig ist und kumulativ, dass die konkrete Tätigkeit nach Maßgabe der CoBoR im Sinne einer pflegerischen Tätigkeit förderfähig ist (vgl. auch BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 8; VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.5587, M 31 K 20.4504 – juris Rn. 25 ff. und VG Würzburg, U.v. 15.3.2021 – W 8 K 20.1115, W 8 K 20.1261 – juris).
Die Aufzählung der begünstigungsfähigen Einrichtungen in Nr. 2 Satz 1 CoBoR (Krankenhäuser einschließlich der in diese integrierten Tageskliniken, Polikliniken und Ambulanzen, Rehabilitationskliniken, stationäre Alten- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulante Pflegedienste) wird vom Beklagten nach dessen nachvollziehbaren Angaben in ständiger Praxis als abschließend verstanden und gehandhabt (vgl. auch BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 9). Zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungspraxis hat das Bayerische Landesamt für Pflege im Lauf des Antragszeitraums ein Handout für die Sachbearbeitung im Hinblick auf den Umgang mit Krankenhäusern mit Dialysestationen und ambulanten Dialysezentren erstellt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass nur diejenigen Antragsteller anspruchsberechtigt sind, die auf stationären Dialysestationen eines der dort aufgelisteten Arbeitgeber/Krankenhäuser arbeiten (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 8 ff.). Die Tätigkeit in einer ambulanten Dialyseeinrichtung führt hiernach nicht zu einer Anspruchsberechtigung für den Corona-Pflegebonus, da die ambulanten Dialyseeinrichtungen nicht zu den begünstigungsfähigen Einrichtungen im Sinne der CoBoR zählen (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4504 – juris; VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.5587 – juris; VG Würzburg, U.v. 17.3.2021 – W 8 K 20.1261 – juris jeweils zu Tätigkeiten in der ambulanten Dialyse).
b) Diese richtliniengeleitete Verwaltungspraxis begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere orientiert sich die Verwaltungspraxis und der Ausschluss ambulanter Dialyseeinrichtungen in ermessensfehlerfreier Weise an sachlich vertretbaren Maßstäben und überschreitet nicht die Grenzen des Willkürverbotes (Art. 3 Abs. 1 GG).
(1) Es ist allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung festzulegen, seine Richtlinien auszulegen und den Förderzweck zu bestimmen (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris m.w.N.) und seine Förderpraxis nach seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – DVBl 2013, 1402). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. VG Köln, G.v. 17.8.2015 – 16 K 6804/14 – juris m.w.N.; siehe auch VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris Rn. 48 m.w.N.).
(2) Daher kommt es nicht auf eine objektive – gerichtliche – Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und in der Praxis angewandt worden sind. Es ist allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung festzulegen. Er bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet und wer konkret begünstigt werden soll. Außerdem obliegt ihm allein die Ausgestaltung des Förderverfahrens (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 19; VG Würzburg, U.v. 14.6.2021 – W 8 K 20.2138 – juris Rn. 30; VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4309 – juris Rn. 30). Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris Rn. 9). Ein Zuwendungsempfänger kann lediglich unter Berufung auf den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG beanspruchen, dass die zuständige Behörde ihr Ermessen bei der Prüfung seines Antrags entsprechend ihrer ständigen Verwaltungspraxis ausübt.
Das Gericht hat nicht die Befugnis, zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung solcher Richtlinien (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 20; SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 – 10 A 1481/11 – juris). Die gerichtliche Überprüfung auf Grundlage solcher Richtlinien getroffener behördlicher Entscheidungen dient vielmehr nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9). Es kommt daher allein darauf an, ob die dem Ablehnungsbescheid zugrundeliegende Anwendung der Richtlinie dem Verständnis und der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten entspricht.
(3) Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien bestehen unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin und des Beklagten keine Anhaltspunkte.
Wie der Beklagte im Verfahren, in der mündlichen Verhandlung und in anderen gerichtsbekannten Verfahren ausgeführt hat, habe man die Tätigkeit in einer ambulanten Dialyseeinrichtung bei Aufstellung der Richtlinien im Blick gehabt und sich bewusst dafür entschieden, den geleisteten überobligatorischen Aufwand nur in bestimmten Bereichen zu fördern. Insbesondere differenziert der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zwischen dem ambulanten und stationären Bereich. Der Pflegebonus ist entsprechend der Ausführungen des Beklagten in ständiger Praxis keine Gefahrenzulage aufgrund eines erhöhten Risikos pflegender Personen sich mit dem Coronavirus zu infizieren und wird – wie andere Klageverfahren belegen (vgl. schon VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 – W 8 K 20.1567 – BeckRS 2021, 2886 Rn. 36; sowie konkret zu ambulanten Dialyseeinrichtungen VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.4504 – juris Rn. 30; VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.5587 – juris Rn. 29) – in ständiger Praxis auch nicht als solche verstanden. Maßgebliche Zielsetzung der Förderung ist die Würdigung und Anerkennung des überdurchschnittlichen Engagements der in Bayern in der professionellen Pflege, im Rettungsdienst und in den stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Tätigen vor allem im Hinblick auf den Ersatz von Angehörigenkontakten in der Zeit pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen (vgl. Vorbemerkung zur CoBoR Nr. 1; Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine Schriftliche Anfrage des Abg. Krahl, LT-Drs. 18/11079 vom 15.1.2021). Es steht im Einklang mit dieser Zielsetzung, wenn der Richtliniengeber den Kreis der Begünstigten anhand bestimmter Einrichtungen und näher umrissener Berufsbilder abgrenzt, die er mit Blick auf diese für besonders relevant erachten durfte. Der Beklagte geht dabei von einer typisierend betrachteten Pflegesituation aus. Seine Wertung, dass es sich bei den in der Richtlinie aufgezählten stationären Einrichtungen, namentlich Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen um solche handelt, in denen der vorgenannte Grundgedanke einer Substitution der Präsenz naher Angehöriger in der Zeit pandemiebedingter umfassender Besuchseinschränkungen ohne weiteres greift, ist von sachlichen Gründen getragen (einhellige Auffassung, vgl. BayVGH, B.v. 7.12.2021 – 6 ZB 21.2723 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris; VG Würzburg, U.v. 15.3.2021 – W 8 K 20.1261 – juris; VG München, U.v. 16.3.2021 – M 31 K 20.5824 – juris; VG Bayreuth, GB.v. 25.5.2021 – B 8 K 21.107 – juris).
Entscheidend für eine Begünstigung sind somit weniger die konkreten „technischen“ Erschwernisse und Herausforderungen, denen sich die in der Pflege Tätigen aufgrund der Pandemiesituation gegenübersahen und -sehen, wie etwa die erhöhten Hygieneanforderungen und Vorsichtsmaßnahmen. In erster Linie nimmt die Förderung durch den Pflegebonus vielmehr typisierend eine bestimmte Situation der zu pflegenden Patienten in den Blick, die durch die zusätzlich zu leistende Substitution sozialer Kontakte zu erhöhten menschlichen Anforderungen führt. Mit anderen Worten setzt der Corona-Pflegebonus nicht an den unmittelbaren Folgen der Covid-19-Pandemie für die Pflegekräfte an, sondern an den für sie entstandenen zusätzlichen Aufgaben und Herausforderungen, die sich aus den sozialen Auswirkungen der Beschränkungsmaßnahmen auf die Patienten und deren Bewältigung durch die Pflegekräfte während des ersten „Lockdown“ ergaben (vgl. VG München, U.v. 16.3.2021 – M 31 K 20.5824 – juris Rn. 30).
Vor diesem Hintergrund ist es sachlich begründet, den Kreis der Begünstigten in einem ersten Schritt durch einen abschließenden Kanon von Einrichtungen abzugrenzen, in dem der Zuwendungsgeber diese zusätzlichen Aufgaben für in besonderer Weise gegeben erachtet. Es erscheint insoweit nachvollziehbar, dass im Schwerpunkt der Bereich stationärer Einrichtungen begünstigt wird, da sich hier die Besuchsverbote und damit der Verlust sozialer Kontakte für die zu Pflegenden der Natur der Sache nach am stärksten manifestierten. Dass der Zuwendungsgeber in seiner Bewilligungspraxis eine dergestalt typisierende Betrachtung der Pflegsituation zur Abgrenzung des Kreises der Begünstigten heranzieht, ist nicht zu beanstanden und von sachlichen Gründen getragen.
(4) Diese bereits an sich nicht zu beanstandende Vorgehensweise begegnet auch konkret mit Blick auf den aus dieser Praxis folgenden Ausschluss insbesondere ambulanter Dialysezentren keinen Bedenken. Der Beklagte kann sich jedenfalls auf einen sachlichen Grund berufen, wenn er davon ausgeht, dass sich die für die Gewährung des Pflegebonus relevante Pflegesituation im Bereich der ambulanten Dialyse typischerweise so nicht ergibt. Wenngleich ohne Zweifel – wie aus dem klägerischen Vortrag ersichtlich – auch in diesem Bereich erheblicher pflegerischer Einsatz gefordert ist, der gerade in Zeiten der Corona-Pandemie nochmals erhöhte Anforderungen mit sich bringt, findet die Pflegetätigkeit in der ambulanten Dialyse regelmäßig nicht in der gleichen Dauerhaftigkeit und einer die Beschäftigungssituation prägenden Weise statt, wie dies insbesondere bei ambulanten Pflegediensten oder in den stationären Einrichtungen der Fall ist. Auch wenn in der konkreten Anwendungssituation der Dialyse davon auszugehen ist, dass in diesem Zeitraum eine pflegerische Versorgung entsprechend disponierter Patienten erforderlich sein kann, so handelt es sich doch insgesamt um eine nur zeitweise stattfindende Maßnahme mit therapeutischem Zweck. Ziel einer (ambulanten) Dialyse ist weniger die pflegerische Versorgung der Patienten, vielmehr handelt es sich um eine medizinische Behandlung. Mit dieser durch den Beklagten vorgenommenen Grenzziehung, die letztlich gezielt nur pflegerische Tätigkeiten und institutionelle Einsatzfelder begünstigt, nicht aber Pflege- und Versorgungstätigkeiten, die gleichsam anlässlich oder im Zuge anderweitiger (ambulanter) medizinisch-therapeutischer Behandlungen erbracht werden, liegt jedenfalls eine durch sachliche Gründe gerechtfertigte Differenzierung vor.
(5) Daran ändert auch der Vortrag der Klägerin nichts, es sei eine teilstationäre Covid-Station eingerichtet gewesen, in der positiv getestete Dialyse-Patienten z.T. auch über eine längere Zeit untergebracht gewesen seien. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass Dialysepatienten diese Station im Schnitt nach vier bis sechs Stunden wieder verlassen hätten. Wegen der Corona-Situation hätten zusätzlich Temperaturmessungen und eine Messung der Sauerstoffsättigung während der Dialyse durchgeführt werden müssen. Dies sei pandemiebedingt in Schutzkleidung erfolgt und mit einem deutlich erhöhten Aufwand verbunden gewesen (vgl. S. 2 des Protokolls über die mündliche Verhandlung). Im Ergebnis schilderte die Klägerin die Abläufe in einer rein ambulanten Dialyseeinrichtung. Es liegt weder eine der als abschließend verstandenen Einrichtungen vor, noch ist unter Anwendung des Gleichheitssatzes die Handhabung der Richtlinie in ständiger Verwaltungspraxis zu beanstanden.
Soweit die Klägerin damit darauf hinweist, dass sie bei ihrer Tätigkeit in dem ambulanten Dialysezentrum gerade in dem Bereich tätig war, in dem Covid-19-positiven Dialysepatienten unter strengen Hygienemaßnahmen behandelt wurden und damit der der pflegerische Aufwand besonders hoch gewesen sei, geht der Beklagte, wie ausgeführt, in seiner Förderpraxis bei der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises von einer typisierend betrachteten Pflegesituation aus. Er hält die maßgebliche Zielsetzung der Förderung, nämlich die Würdigung des Ersatzes von Angehörigenkontakten durch Pflegekräfte in der Zeit pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen, in einem Kanon bestimmter Einrichtungen und ferner in einer Reihe bestimmter Qualifikationen für in besonderer Weise gegeben und beschränkt den Kreis der Begünstigten folglich auf Pflegende, die diese Kriterien erfüllen. Es ist daher jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Beklagte bei seiner Abgrenzung des begünstigten Personenkreises im Einzelfall maßstäblich nicht auf ein konkretes Kontaktverhältnis und/oder eine Gefährdungssituation für den Antragsteller abstellt bzw. nicht jegliche Personen begünstigt, die in irgendeiner Form unter Umständen einem höheren Risiko einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus ausgesetzt sind (vgl. VG München, U.v. 16.3.2021 – M 31 K 20.5824 – juris Rn. 35; VG Würzburg U.v. 8.2.2021 – W 8 K 20.1567 – BeckRS 2021, 2886 Rn. 36).
(6) Bildet – wie hier – die Willkürgrenze den gerichtlichen Prüfungsmaßstab, kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gibt. Willkür ist vielmehr bereits dann zu verneinen, wenn sich die Behörde überhaupt von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen (OVG MV, U.v. 27.6.2001 – 2 L 39/99 – juris Rn. 31). Ausgehend hiervon liegt ein hinreichender sachlicher Grund dafür vor, den Kreis der Begünstigten durch eine in ständiger Praxis als abschließend angesehene Auflistung von begünstigungsfähigen Einrichtungen abzugrenzen und insoweit ambulante Einrichtungen, speziell auch solche, in denen Dialysebehandlungen durchgeführt werden – auch wenn in diesen auch Patienten eines Krankenhauses behandelt werden -, von der Begünstigung auszuschließen. Nach dem maßgeblichen Verständnis des Richtliniengebers und der entsprechenden Vollzugspraxis ist insoweit auch willkürfrei mit den in CoBoR Anlage 2 zu Nr. 2 Satz 4 erwähnten Begriffen „Tagesklinik, Poliklinik oder Ambulanz“ lediglich ein von einem Krankenhaus selbst bereitgestelltes und betriebenes Angebot an solchen Leistungen gemeint, nicht dagegen eine in der Nähe eines Krankenhauses von anderen Trägern betriebene Einrichtung (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 13). Die Vornahme einer entsprechenden Typisierung ist mithin von sachlichen Gründen getragen und vor dem Hintergrund des Willkürverbotes nicht zu beanstanden.
(7) Auch soweit die Klägerin vortragen lässt, die CoBoR verfolge einen (rein) tätigkeitsbezogenen Ansatz, mag dies eine mögliche Auslegung der Richtlinien sein, entspricht jedoch erkennbar nicht der ständigen Verwaltungspraxis. Dem Gericht ist eine eigenständige oder gar erweiternde Auslegung solcher Richtlinien verwehrt (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 20; SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 – 10 A 1481/11 – juris).
(8) Das Gericht verkennt dabei nicht, dass auch die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit einem erhöhten Risiko einer Corona-Infektion ausgesetzt war bzw. immer noch ist. Ausgehend von obigen Ausführungen führt dies aber nicht zu einer Anspruchsberechtigung im Hinblick auf den Pflegebonus nach den CoBoR und der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten. Selbst wenn möglicherweise gute Gründe dafürsprechen, Personen, die – wie die Klägerin – im Antragszeitraum in ambulanten Dialyseeinrichtungen tätig waren, in den Kreis der Begünstigten miteinzubeziehen, überschreitet allein dies nach Vorstehendem noch nicht die Grenzen des Willkürverbots, sondern vielmehr ist die gegenteilige bewusst getroffene Entscheidung des Beklagten Ausdruck seines weiten Ermessensspielraums bei Aufstellung der Richtlinien und deren Handhabung in ständiger Praxis.
c) Vor diesem Hintergrund ist auch kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine Abweichung von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge erfordern. Anhaltspunkte dafür, dass gerade bei der Klägerin ein derart atypischer Fall vorliegt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr betrifft die Nichtbegünstigung ambulanter Dialyseeinrichtungen keine atypische Besonderheit, die eine abweichende Behandlung gebietet, sondern betrifft eine gängige Praxis in einer typischen Fallkonstellation, die nach Ausgestaltung der Förderpraxis und des praktizierten Förderverfahrens gerade nicht gefördert werden sollte.
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Hiernach trägt die Klägerin als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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