Europarecht

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch unzulässige Abschalteinrichtung “Abgasskandal” Motor Typ EA 189

Aktenzeichen  29 O 2250/18

Datum:
25.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40367
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 249 Abs. 1, § 295, § 434 Abs. 1 S. 2, § 826
StGB § 263

 

Leitsatz

1 Ein Schaden gemäß § 826 BGB liegt vor, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende „ungewollte“ Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Üblicherweise ist nach dem Erwartungshorizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers bei Kraftfahrzeugen eine softwaregesteuerte Differenzierung zwischen dem Betrieb im Prüfzyklus und der übrigen Verwendung nicht vorhanden. (Rn. 37 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
3 An einem Schaden in Form des ungewollten Vertragsschlusses ändert sich durch eine zwischenzeitlich technische Überarbeitungsmöglichkeit („Software-Update“) des Fahrzeugs nichts. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4 Das Inverkehrbringen vorsätzlich mangelhafter Fahrzeuge unter Geheimhaltung einer bewusst eingebauten Funktion zur Manipulation der Emissionswerte stellt sich als sittenwidrig dar. (Rn. 45 – 49) (redaktioneller Leitsatz)
5 Den Fahrzeughersteller – hier eine Aktiengesellschaft – trifft hinsichtlich der Frage, welches seiner Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, eine sekundäre Darlegungslast. (Rn. 60 – 64) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.813,14 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2018 Zug-um-Zug gegen Rückgewähr des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.171,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.09.2018 zu tragen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 38.342,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 21.813,14 € Zug um Zug gegen Übereignung des im Tenor bezeichneten Fahrzeugs gemäß § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB.
Die Beklagte hat der Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.
1. Die Beklagte hat der Klägerin einen Schaden i.S.v. § 826 BGB zugefügt.
Ein Schaden gemäß § 826 BGB liegt nicht nur vor, wenn sich bei einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt, sondern auch dann, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende „ungewollte“ Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, Az. VI ZR 15/14 Rz. 19 mit zahlreichen w.N. = NJW-RR 2015, 275, 276 Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 41; Förster in BeckOK BGB, 43. Edition, Stand 15.06.2017, § 826 Rn. 25). Entscheidend ist daher, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, a.a.O., Rz. 18 m.w.N.).
a. Nach diesen Grundsätzen liegt der Schaden der Klägerin in dem Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags über ein mangelhaftes Fahrzeug.
Das Fahrzeug ist mit einem Sachmangel behaftet. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Dies ist vorliegend nicht der Fall, weshalb es auf die Frage, ob die Parteien im Hinblick auf bestimmte Emissionswerte oder dergleichen eine Beschaffenheit des Fahrzeugs (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder im Vertrag eine bestimmte Verwendung vereinbart haben und ob sich das Fahrzeug für diese Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), nicht ankommt.
Das Fahrzeug ist mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Üblicherweise ist nach dem Erwartungshorizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers bei Kraftfahrzeugen eine softwaregesteuerte Differenzierung zwischen dem Betrieb im Prüfzyklus und der übrigen Verwendung nicht vorhanden.
Die Stickoxidgrenzwerte, die Grundlage der Typengenehmigung und damit mittelbar der Betriebserlaubnis des einzelnen Fahrzeuges sind, können nur hier mit Hilfe einer Motorsteuerungssoftware und nur im Prüfzyklus eingehalten werden (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 53 nach juris). Die Motorsteuerungssoftware ist so programmiert, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte, bei dem eine umfangreichere Abgasrückführung erfolgte, die im Übrigen außer Kraft gesetzt wurde. Der Käufer eines Fahrzeugs muss jedoch berechtigterweise nicht mit einer wirkungsvollen Begrenzung des Schadenstoffausstoßes nur im Prüfzyklus rechnen.
Eine Differenzierung zwischen dem Straßenbetrieb und dem NEFZ darf indes nicht erfolgen. Dies zeigt bereits Art. 4 Abs. 2 VO (EU) 715/2007 wonach die Auspuff- und Verdunstungsgase unter „normalen Nutzungsbedingungen“ in Bezug genommen werden. Auch systematische Gesichtspunkte rechtfertigen dieses Verständnis. So nimmt Art. 5 Abs. 1 der vorgenannten Verordnung auf das durch Bauteile beeinflusste Emissionsverhalten unter „normalen Betriebsbedingungen“ Bezug und untersagt ein abweichendes Emissionsverhalten, indem es die Bauteile und Software, die eine Differenzierung zulassen, als grundsätzlich unzulässige Abschalteinrichtungen bewertet, unabhängig davon, an welcher Stelle sie den Schadenstoffausstoß beeinflussen. Der Begriff des Emissionskontrollsystems ist nicht definiert und nach dem Zweck der Begrenzung des Schadenstoffausstoßes auf einzelne Bauteile begrenzt. Genau diese Begrenzung insbesondere des Stickoxidausstoßes verhindert aber die Softwareprogrammierung des Motors EA 189 (vgl. LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017, 6 O 119/16, Rn. 36 nach juris).
b. Das Inverkehrbringenlassen von mangelhaften Fahrzeugen dieser Bauart unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Funktion zur Manipulation der Emissionswerte auf dem Prüfstand durch die Beklagte war ursächlich für den Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Klägerin. Wären mangelhafte Fahrzeuge dieser Art nicht in Verkehr gebracht worden, hätte die Klägerin ein solches Fahrzeug nicht erwerben können.
Die Klägerin hätte den Kaufvertrag in Kenntnis des Mangels auch nicht geschlossen. Davon ist das Gericht überzeugt. Dass die klagende Partei mit der Manipulation des Schadstoffausstoßes im Prüfstand nicht einverstanden gewesen wäre, ist hier besonders glaubhaft, weil sie eigens ein Fahrzeug mit „BlueMotion-Technologie“, also mit geringerem Verbrauch und Schadstoffausstoß, ausgewählt hat. Hätte die Beklagte die Funktionsweise der Software bei Markteinführung des Motors EA 189 im Jahr 2010 offen gelegt, wäre ohnehin das von der Klägerin in 2010 gekaufte Fahrzeug in dieser Form wegen zeitnahen Einschreitens der zuständigen Behörden nicht mehr verkauft worden, wie die Entwicklung nach dem tatsächlichen Bekanntwerden der Manipulation im Jahr 2015 zeigt. Jedenfalls wären der Klägerin, die mit dem Erwerb eines betroffenen Fahrzeugs verbundenen Risiken für Hauptuntersuchung und Zulassung infolge öffentlicher Diskussion so deutlich vor Augen gestanden, dass sie von dem Kauf des mangelhaften Fahrzeugs abgesehen hätte. Kein vernünftiger Käufer würde sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der Zulassung einlassen und ein solches Fahrzeug erwerben. Der Käufer eines Neuwagens will vernünftigerweise auch nicht die Unsicherheiten und Unannehmlichkeiten einer erforderlichen technischen Überarbeitung in Kauf nehmen, sondern erwartet ein im ausgelieferten Zustand dauerhaft nutzbares Fahrzeug.
c. Der Schaden der klagenden Partei in Form des ungewollten Vertrags ist zudem unabhängig davon eingetreten, ob das streitgegenständliche Fahrzeug durch die verwendete Software einen Wertverlust erlitten hat oder ob das streitgegenständliche Fahrzeug, verglichen mit vergleichbaren Modellen anderer Hersteller, im realen Fahrbetrieb vergleichsweise emissionsarm und kraftstoffsparend ist.
An dem Schaden in Form des ungewollten Vertragsschlusses ändert sich auch durch die zwischenzeitlich technische Überarbeitungsmöglichkeit („Software-Update“) des Fahrzeugs nichts. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich der arglistig getäuschte Käufer einer mangelhaften Sache nicht auf eine Beseitigung des Mangels verweisen lassen muss. Gerade der Käufer eines Neuwagens will nach der Lebenserfahrung kein mangelhaftes Fahrzeug erwerben, auch wenn der Mangel noch beseitigt werden soll. Insoweit kommt es auch gar nicht an, ob das Software Update eine geeignete Nacherfüllung darstellen würde oder zu denen von der Klagepartei behaupteten weiteren Mängeln führen würde.
2. Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu werten.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15.10.2013, Az. VI ZR 124/12 Rz. 8 mit zahlreichen w.N. = NJW 2014, 1380). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, a.a.O.).
Dies ist hier der Fall:
a. Grundsätzlich führt eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses – insbesondere unwahre Angaben über vertragswesentliche Umstände – regelmäßig zur Sittenwidrigkeit des Vertrages (Palandt, BGB, 77. Aufl., § 826 Rn. 20). Dies hat die Rechtsprechung, insbesondere für das arglistige Verschweigen eines Mangels durch Verkäufer, angenommen (BGH, Urteil vom 20. April 1988 – VIII ZR 35/87 -, Rn. 12; vgl. auch Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826, Rn. 184). Ebenso als sittenwidrig anerkannt ist die vorsätzliche Herbeiführung eines (Sach-)Mangels (Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826, Rn. 184 m.w.N.). Dass Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich mangelhafte Fahrzeuge unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Funktion zur Manipulation der Emissionswerte auf dem Prüfstand in Verkehr bringen lassen haben, stellt sich danach als sittenwidrig dar.
Die Beklagte hat durch den Einbau einer Erkennungssoftware bei den von ihr hergestellten Motoren bewirkt, dass diese erkannte, wenn sich das Fahrzeug im Prüfstand befand, um dann ein speziell nur für den Prüfzyklus vorgesehenes Abgasrückführungsverfahren einzuleiten, bei dem die gesetzlichen Grenzwerte der EU-Verordnung 715/2007/EG über die Typengenehmigung von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen für Abgase eingehalten werden, um die Zulassung des Fahrzeugs zu erreichen. Hierbei ist irrelevant, ob die erteilte EG-Typengenehmigung wirksam erteilt wurde und dass allgemein bekannt sein mag, dass die unter Laborbedingungen ermittelten Herstellerangaben nicht den Emissionswerten im normalen Straßenverkehr entsprechen. Vielmehr ist für die Entscheidung, ob das Verhalten der Beklagten verwerflich ist, darauf abzustellen, dass die Beklagte für das Zulassungsverfahren einen Betriebsmodus entwickelt und eingebaut hat, dessen alleiniger Zweck in der Manipulation des Schadstoffausstoßes im Genehmigungsverfahren bestand. Wenn üblicherweise im Labor andere Messwerte erzielt werden als im realen Fahrbetrieb, so liegt dies daran, dass die äußeren Rahmenbedingungen eben nicht dem normalen Fahrbetrieb entsprechen, nicht jedoch an einer gezielten Manipulation, die dem Verbraucher bewusst verschwiegen wird.
b. Das schädigende Verhalten der Beklagten ist sowohl wegen seines Zwecks als auch wegen des angewandten Mittels als auch mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung als verwerflich anzusehen.
Die Beklagte hat mit dem Einsatz der Manipulationssoftware massenhaft und mit erheblichem technischem Aufwand gesetzliche Vorschriften zum Umwelt- und Gesundheitsschutz ausgehebelt und zugleich Kunden getäuscht. Sie hat damit nicht einfach nur Abgasvorschriften außer Acht gelassen und erhebliche Umweltverschmutzung herbeigeführt, sondern zugleich eine planmäßige Verschleierung dieses Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden, den Verbrauchern und Mitwettbewerbern vorgenommen, um der Beklagten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder sie wettbewerbsfähig zu halten, weil sie entweder nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil sie aus Gewinnstreben den Einbau der ansonsten notwendigen teureren Vorrichtungen unterließ. Die hieraus abzuleitende Gesinnung, aus Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Fahrzeuge bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und die Umwelt zu schädigen, lässt das Verhalten insgesamt als sittenwidrig erscheinen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Anschaffung eines Fahrzeugs für einen Verbraucher in der Regel um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht handelt und ein Verbraucher als technischer Laie die Manipulation nicht erkennen kann. Die Beklagte hat die Ahnungslosigkeit des Verbrauchers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt, was eine besonders verwerfliche Vorgehensweise darstellt.
Die Beklagte hat bewusst das ihr entgegengebrachte Vertrauen der Verbraucher ausgenutzt. Sie verfügt über ein über viele Jahre gewachsenes überdurchschnittliches Vertrauen, das auf einer in der Vergangenheit erfolgreichen Unternehmenspolitik sowie einem Qualitätsanspruch beruhte, von dem der Durchschnittsbürger annahm, dass die Beklagte ihm überwiegend gerecht wird. Dieses Vertrauen hat sie genutzt, als sie in der jüngeren Vergangenheit mit der besonderen Umweltverträglichkeit der von ihr entwickelten Dieselmotoren geworben hat. Verbraucher haben die dort angepriesenen technischen Merkmale und aufgezeigten Grenzwerte insbesondere auch deshalb nicht infrage gestellt, weil die Beklagte insofern als glaubwürdig galt. Tatsächlich erfüllten die beworbenen Motoren ohne die Software allerdings nicht einmal die gesetzlichen Anforderungen. Dieses Verhalten ist als verwerflich einzuordnen. Zwar ist es nicht schon verwerflich, wenn ein Unternehmen seinen eigenen Ansprüchen oder denjenigen der Verbraucher nicht genügt. Die unternehmerische Freiheit muss ihre Grenze jedoch dort finden, wo – wie hier – das besondere Vertrauen unter Inkaufnahme einer essenziellen Schädigung der potentiellen Kunden ausgenutzt wird, um aus Gewinnstreben sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Die Beklagte ist ein bedeutender Fahrzeughersteller und -exporteur Deutschlands, so dass von ihr vorgenommene gezielte Manipulationen in Genehmigungsverfahren geeignet sind, das Vertrauen einer Vielzahl von Kunden in die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu untergraben. Aus der Konzerngröße der Beklagten können sich aus einer solchen gezielten Manipulation des Genehmigungsverfahrens Risiken in volkswirtschaftlich relevanter Dimension ergeben. Wenn die Beklagte behauptet, dass die Folgen des Einsatzes der Software für die klagende Partei (und andere Käufer betroffener Fahrzeuge) nicht spürbar seien, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte ein solches Risiko negativer Entwicklungen mit volkswirtschaftlich messbaren Auswirkungen jedenfalls ihrem mit missbräuchlichen Mitteln verfolgten eigenen Gewinnstreben untergeordnet hat und damit verwerflich handelte.
3. Die Beklagte handelte im Hinblick auf die Schadenszufügung auch vorsätzlich. Der Beklagten ist das vorsätzliche Handeln ihrer Mitarbeiter auch gemäß § 31 BGB zuzurechnen.
a. Der Vorsatz muss sich auf die Tatsachen beziehen, die den konkreten Tatbestand ausmachen. Bei § 826 BGB ist somit zu fordern, dass der Täter Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände hat (vgl. nur Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 25). Hierbei reicht es aus, dass der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 20.11.1990, Az. VI ZR 6/90 = NJW 1991, 634, 636).
Zunächst steht fest, dass die Abschalteinrichtung willentlich entwickelt und eingesetzt wurde; sie war keineswegs die Folge eines „Fehlers“ oder gar zufälliger Natur. Etwas Gegenteiliges wird auch von der Beklagtenseite nicht vorgetragen. Unter gebotener lebensnaher Betrachtung und Bewertung der Gesamtumstände schließt das Gericht aus, dass die unzulässige Abschalteinrichtung aus anderen Gründen entwickelt und eingesetzt wurde, als sich einen Wettbewerbs- und Kostenvorteil zu verschaffen. Entweder war der Druck auf die Entwickler bzw. die Beklagte als Unternehmen deshalb so groß, weil sie jedenfalls damals technisch nicht in der Lage waren, die Anforderungen zu erfüllen, die an sie von Gesetzesseite gestellt wurden oder die Erfüllung der notwendigen Vorgaben war im Hinblick auf den notwendigen Erfolg im Wettbewerb mit anderen Kraftfahrzeugherstellern unwirtschaftlich, d.h. die Entwicklung und bzw. oder Umsetzung einer gesetzesentsprechenden Technologie zu teuer.
Welche dieser Varianten tatsächlich der maßgebliche Antrieb der Verantwortlichen waren, kann dahinstehen, weil diesen in beiden Fällen jedenfalls klar sein musste, dass aufgrund der Täuschung gegenüber der Genehmigungsbehörde im schlimmsten Fall Rücknahme oder Widerruf der gesamten EG-Typengenehmigung droht, mit allen bereits zuvor erörterten essentiellen wirtschaftlichen Risiken der Fahrzeugkäufer.
Weil die Verantwortlichen im Bewusstsein dessen die Täuschung dennoch vornahmen, ist davon auszugehen, dass sie mindestens billigend in Kauf nahmen, dass ihre eigenen Kunden in erheblicher Weise wirtschaftlich durch das Verhalten geschädigt werden. Weiterhin ist davon auszugehen, dass den Verantwortlichen bewusst war, dass das eigene Verhalten nicht nur unredlich im Verhältnis zu den potentiellen Kunden sondern nach der Verkehrsanschauung auch als besonders verwerflich einzuordnen ist.
Schließlich war den Verantwortlichen bewusst, dass das Verschweigen dieser maßgeblichen Eigenschaften des streitgegenständlichen Fahrzeugs für den Kläger desselben entscheidungserheblich war. Bei lebensnaher Betrachtung ist nämlich kaum davon auszugehen, dass diese selbst an seiner Stelle zum damaligen Zeitpunkt in Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände das streitgegenständliche Fahrzeug gekauft hätten.
b. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15, Rn. 13, 27 nach juris).
Da es sich bei der Beklagten um eine Aktiengesellschaft handelt, haftet diese für deliktischen Handlungen analog § 31 BGB nur für solche Handlungen ihrer „Organe“. Zwar gilt § 31 BGB unmittelbar nur für Vereine (vgl. Buch 1, Abschnitt 1, Titel 2, Untertitel 1, Kapitel 1 des BGB). Es ist jedoch anerkannt, dass diese Vorschrift analog für alle juristischen Personen Anwendung findet, da insoweit eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage besteht.
Nach dieser Vorschrift haftet die juristische Person nicht für jedes deliktische Handeln eines ihrer Mitarbeiter, sondern nur für das deliktische Handeln solcher Personen, bei denen es sich um ein Mitglied des Vorstandes oder eines anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreter handelt (LG München Urteil vom 15.11.2016, 12 O 1482/16, Rn 103 nach juris).
Die Klägerin konnte nicht substantiiert vortragen, dass konkret eines der Mitglieder des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten eine Täuschungshandlung ihr gegenüber vorgenommen hat oder ihm ein Unterlassen zur Last legen. Zwar behauptet die Klägerin, dass die spätere Manipulationssoftware von dem späteren …-Vorstandsvorsitzenden M. W. bei der Firma … GmbH im Jahr 2004 beauftragt worden sei. Weiter sei der frühere Markenvorstand Wo. Ha. federführend an der Entwicklung der Betrugssoftware für den 3.0 Liter V.6 für den europäischen Markt im Jahr 2011 verantwortlich gewesen. Auch sei das Mitglied der Geschäftsleitung der Beklagten Ol. Sch. für die Betrugssoftware von den USA verantwortlich gemacht worden und verbüße eine Haftstrafe dafür. Weiter hat sie auf Seite 22 ihres Schriftsatzes vom 13.09.2018 Beweis durch mehrere Zeugen angeboten. Die Beklagte bestreitet den Klägervortrag und beruft sich darauf, dass die Ermittlungsergebnisse aus den USA im streitgegenständlichen Verfahren nicht verwertbar seien. Im Übrigen wird den Behauptungen der Klagepartei entgegen getreten. Die Klägerin hat ihre dahingehende Behauptungen mehr oder weniger ins Blaue aufgestellt und lediglich hinsichtlich verantwortlicher Ingenieure u.a. Ulrich Hackenberg und James Liang präzisiert. Nach Überzeugung des Gerichts genügt der Vortrag der Klägerin nicht aus, um eine Beweiserhebung durchzuführen. Mangels konkreter Anknüpfungstatsachen bestünde die Gefahr einer Ausforschung.
Jedoch ist ein weitergehender Vortrag vom Käufer von der Software betroffenen Fahrzeugs aber nicht zu verlangen, da es sich um Tatsachen handelt, die alleine im Organisations- und Kenntnisbereich der Beklagten liegen. Die Klägerin hat naturgemäß keinerlei Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Sie hat den ihm insoweit zuzumutenden Vortrag erbracht (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 38). Die Beklagte trifft hinsichtlich der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, eine sekundäre Darlegungslast. Der Gegner der (primär) darlegungspflichtigen Partei darf sich in diesen Fällen nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGHZ 140, 156, 158 f, juris; LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn 37 LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017, 3 O 252/16, Rn. 85 nach juris). Daher kann man es der Klägerin nicht anlasten, dass sie ihre Behauptung nicht konkreter fassen kann. Es handelt sich um Umstände aus ihrem Bereich, für die eine sekundäre Darlegungslast besteht. (LG Karlsruhe, Urteil vom 22.03.2017, 4 O 118/16, Rn. 57 nach juris; LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 35 nach juris LG München Urteil vom 15.11.2016, 12 O 1482/16 Rn. 105 nach juris). Eine sekundäre Darlegungslast erfordert, dass es der darlegungs- und beweisbelasteten Partei nicht möglich ist oder unzumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 10.02.2015, VI ZR 343/13 BGH, Urteil vom 22.10.2014, VIII ZR 41/14).
Anders als im Fall der Anlagehaftung, wo eine solche Erleichterung der Darlegungslast zu Gunsten der Kenntnisse der Fondinitiatoren im Hinblick auf Eigenschaften des Anlageobjektes nicht angenommen wurde, liegt die Konstellation hier. Es geht vorliegend um die Beschaffenheit unmittelbar des selbst hergestellten Veräußerungsobjektes und nicht lediglich den Bezugspunkt eines Anlageobjekts. Es ist davon auszugehen, dass der Vorstand von der gezielten Verwendung der Softwaresteuerung für zwei Betriebsmodi zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2014 Kenntnis hatte. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. „Compliance“ vgl. MüKoAktG/Spindler AktG § 91 Rn. 52-53). Im Hinblick auf gesetzliche Pflichten (vgl. etwa §§ 76, 77, 91 Abs. 2 AktG) ist davon auszugehen, dass bei der Beklagten organisatorische Maßnahmen (u.a. etwa durch Einrichtung von Innenrevision und Controlling, vgl. Hüffer/Koch AktG § 91 Rn 10) in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist. Die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer ganzen Motorenreihe speziell für den NEFZ-Prüfstand erscheint – auch unter Berücksichtigung des bei Entwicklung gegebenen Blickwinkels – als eine derart wesentliche Entscheidung. Wenn die Entwicklung einer Elektroniksteuerungssoftware mit einem größeren finanziellen Aufwand verbunden ist, müssen hierfür auch entsprechende Budgets in Anspruch genommen sein.“ (LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017, 3 O 252/16, Rn. 89 nach juris).
Der Beklagten wäre es auch ohne weiteres möglich, die überschaubare Anzahl von Vorstandsmitgliedern und verfassungsmäßig berufenen Vertretern für den Zeitraum zu benennen, in dem die wesentlichen Entscheidungen für die Entwicklung des hier streitigen Motors – genauer mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software – getroffen worden sind und die internen Entscheidungsabläufe und Kenntnisse offen zu legen. Dann hätte die Klägerin weitergehende Darlegungen zur Person des Wissensinhabers und Beweisantritte vornehmen können und müssen. Es fehlen substantiierte Darlegung der Beklagten zu den Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozessen in ihrem Unternehmen (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 55 nach juris). Sie hätte es andernfalls durch fehlende Offenlegung in der Hand, ihre Haftung auf einfache Weise zu verhindern.
Demgegenüber vermag es auch nicht zu überzeugen, sich auf die Unkenntnis der Einzelheiten aufgrund der Zeitspanne seit der Motorenentwicklung berufen zu können, wie es vom Landgericht München in seiner Entscheidung vom 15.11.2016 (Az. 12 O 1482/16, Rn. 106 nach juris) für zulässig erachtet wird. Die Entwicklung von Motoren moderner Bauart erfordert unbestritten ein komplexes Zusammenwirken einer Vielzahl von Personen aus unterschiedlichen technischen Zweigen, jedoch gerade bei einer gezielten und gewollten Abweichung bei der Abgasrückführung und damit den Emissionen zwischen Prüfungszyklus und Betrieb im Straßenverkehr sind eigenverantwortliche Entscheidungen einzelner Mitarbeiter nicht zu erwarten, zumal die Produktion der Motoren für eine ganze Fahrzeugpalette sogar durch Drittfirmen – hier Bosch – im Raum steht.
„Es ist daher lebensfremd anzunehmen, dass die Entscheidung von bloßen Ingenieuren ohne (dokumentierte) Kenntnis und Billigung zumindest eines Teil des Vorstands getroffen wurde.“ (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 39 nach juris).
Insoweit greift auch der Verweis der Beklagten auf andauernde Ermittlungen nicht. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sie bereits feststehende Ermittlungsergebnisse wie den Abschlussbericht von Jo. Da. bewusst nicht offenlegen will. Der Beklagten sind die Grundsätze der sekundären Darlegungslast aus Parallelverfahren bekannt. Die Beklagte hat hierzu schon in der Klageerwiderung als im Schriftsatz vom 24.09.2018 Stellung genommen. Ein weiterer Hinweis des Gerichts war insoweit entbehrlich.
II.
Als Rechtsfolge kann die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 21.813,14 Euro Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.
1. Die Beklagte hat gemäß § 249 S. 1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Die Klägerin ist daher vorliegend so zu stellen, wie wenn er den Vertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen hätte. In diesem Fall hätte die Klägerin den Kaufpreis in Höhe von 38.342,12 € für das Fahrzeug nicht gezahlt.
Die Klägerin hätte allerdings auch keine Vermögensvorteile in Form der während der Besitzzeit gezogenen Nutzungen erzielt. Diese sind auf den Ersatzbetrag anzurechnen, weil andernfalls eine vom Schadensrecht nicht gedeckte Überkompensation stattfinden würde. Die Berechnung des Nutzungswerts erfolgt, indem der Bruttokaufpreis mit den gefahrenen Kilometern multipliziert und das Produkt durch die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs dividiert wird.
Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (ebenso für einen VW Touran mit Dieselmotor LG Berlin, Urteil vom 05. Dezember 2017 – 4 O 150/16 – LG Baden-Baden, Urteil vom 27. April 2017 – 3 O 163/16 – LG Bielefeld, Urteil vom 30. Juni 2017 – 7 O 201/16 – LG Bochum, Urteil vom 17. August 2017 – 8 O 26/17 – LG Arnsberg, Urteil vom 08. September 2017 – 2 O 101/17 – für 300.000 km dagegen LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17. Juli 2017 – 13 O 174/16 – LG Krefeld, Urteil vom 12. Juli 2017 – 7 O 159/16 – LG Trier, Urteil vom 07. Juni 2017 – 5 O 298/16 -). Es handelt sich um den Mittelwert der in der neueren Rechtsprechung zumeist angenommenen Gesamtlaufleistungen zwischen 200.000 und 300.000 km (Nachweise bei Staudinger/Dagmar Kaiser (2012) BGB § 346, Rn. 260). Von der Beauftragung eines Sachverständigen sieht das Gericht nach § 287 ZPO ab, weil auch ein Sachverständiger nur eine eigene, subjektive Schätzung der Gesamtlaufleistung vornehmen könnte. Empirische Studien über die durchschnittliche Laufleistung am Ende der Lebensdauer von Fahrzeugen der streitgegenständlichen Art werden mangels statistischer Erfassung der Fahrleistung zum Ende der Lebensdauer auch Sachverständigen nicht vorliegen.
Die von der Klägerin auszugleichenden Vorteile errechnen sich daher wie folgt:
„38.342,12 Euro × 107.773 km/250.000 km = 16.528,91 €“
2. Zu verzinsen ist die Forderung ab dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung, § 291 BGB. In der letzten mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Laufleistung ihres Pkw mitgeteilt, so dass die Beklagte den von ihr geschuldeten Schadenersatz ermitteln kann. Ob die Klägerin der Beklagten das Fahrzeug in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat, wenn er im Gegenzug eine höhere Schadensersatzleistung fordert als ihr zusteht, ist unerheblich. Bei einem Schadensersatzanspruch, der Zug um Zug gegen Rückgewähr einer Leistung zu erfüllen ist, steht eine Zuvielforderung der Pflicht zur Zinszahlung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – III ZR 323/03 -, Rn. 7; anders für Fälle des § 348 BGB BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04 -, BGHZ 163, 381-391, Rn. 30). Die Pflicht zur Zinszahlung kann der Beklagten billigerweise auferlegt werden, nachdem sie die Klageforderung schon dem Grunde nach bestreitet und nicht einmal zur Zahlung des tatsächlich geschuldeten Geldbetrags bereit ist.“
3. Die Klägerin hat dagegen keinen Anspruch auf Verzinsung der Geldschuld ab einem früheren Zeitpunkt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Verzug ist vorgerichtlich nicht eingetreten, denn die Klägerin bot die Rückzahlung des Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung an. Die Beklagte hätte aber die mögliche Nutzungsentschädigung mitgeteilt bzw. eine Berechnung ermöglicht werden müssen. Eine Mahnung setzt die bestimmbare Bezeichnung der geforderten Leistung voraus.
Aus demselben Grund schuldet die Beklagte auch keine Prozesszinsen aus § 291 BGB ab Rechtshängigkeit. Die Vorschrift setzt bei unbezifferten Forderungen voraus, dass die Grundlagen für die Bemessung im Zeitpunkt der Klagerhebung mitgeteilt werden (vgl. Staudinger/Manfred Löwisch/Cornelia Feldmann (2014) BGB § 291, Rn. 8), was hier mangels Mitteilung der Laufleistung in der Klageschrift nicht der Fall gewesen ist.
4. Das mit dem Klageantrag zu Ziffer 2. verfolgte Feststellungsbegehren ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte ist nicht gemäß den §§ 293, 298, 295 BGB mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug.
Mit vorprozessualem anwaltlichem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 22.01.2018 bot der Kläger zwar die Bereitstellung des streitgegenständlichen Fahrzeuges zur Abholung an, Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises. Ein wörtliches Angebot der Leistung gemäß § 295 BGB war geeignet, Annahmeverzug zu begründen, da die Beklagte die Abholung des Fahrzeugs an dem Ort, an dem es sich vertragsgemäß befindet, schuldet. Annahmeverzug ist aber nicht eingetreten, weil der Beklagten weder der Abzug des Nutzungsausgleichs angeboten noch dessen Bezifferung ermöglicht worden ist. Annahmeverzug hätte gemäß § 298 BGB voraus gesetzt, dass die klagende Partei von der Beklagten die geschuldete Zahlung verlangt, was eine der Höhe nach bestimmte oder jedenfalls bestimmbare Forderung voraus setzt.
In der letzten mündlichen Verhandlung teilte die Klägerin die Laufleistung zwar mit; Annahmeverzug scheitert nunmehr aber daran, dass die klagende Partei ohne Anrechnung eines Vorteilsausgleichs eine weitaus höhere Zahlung fordert als geschuldet. Eine solche Zuvielforderung hindert den Eintritt des Annahmeverzugs (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04 -, BGHZ 163, 381-391, Rn. 27 ff.; KG Berlin, Urteil vom 19. Oktober 2017 – 8 U 230/15 -, Rn. 111; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.07.2016 – 17 U 144/15 OLG Koblenz, Urteil vom 19. Juni 2008 – 6 U 1424/07 – OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.09.2007 – 7 U 169/06 MüKoBGB/Ernst BGB § 295 Rn. 4 a.A. Hager in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 298 BGB, Rn. 3; Niemeyer/König, NJW 2013, 3213). Die potenziell weit reichenden Folgen des Annahmeverzugs (§§ 300 ff. BGB) können dem Gläubiger billigerweise dann nicht aufgebürdet werden, wenn sich der Schuldner zur Herausgabe selbst gegen Erhalt der ihm seinerseits zustehenden Leistung nicht bereit erklärt. Wäre die klagende Partei entgegen ihres Klageantrags zur Herausgabe auch gegen Zahlung eines geringeren Betrags bereit, hätte sie der Beklagten ohne Schwierigkeiten ein entsprechendes wörtliches Angebot zukommen lassen können. Ohne ein solches Angebot kann eine solche Bereitschaft nicht unterstellt werden.
5. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € aus den §§ 826, 249 Abs. 1 BGB zu. Selbst wenn sie die Anwaltskosten noch nicht gezahlt haben sollte, hätte sich ihr Freistellungsanspruch infolge des Antrags auf Klageabweisung und der Weigerung durch die Beklagte schon dem Grunde nach in einen Zahlungsanspruch gewandelt. Entsprechend § 281 Abs. 2 BGB ist die an sich nach § 250 BGB erforderliche Fristsetzung (MüKoBGB/Oetker BGB § 250 Rn. 13) entbehrlich, wenn der Schuldner durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er eine Freistellung ablehnt (vgl. MüKoBGB/Oetker BGB § 250 Rn. 7 m.w.N.).
a. Die erforderlichen Anwaltskosten ergeben sich der Höhe nach aus einer 1,3 Geschäftsgebühr nach einem berechtigten Wert von 21.813,14 Euro in Höhe von 964,60 €, zuzüglich Auslagenpauschale von 20 € und 19 % Mehrwertsteuer = 958,19 €. Eine über eine 1,3 Geschäftsgebühr hinausgehende Geschäftsgebühr zu zahlen darf die klagende Partei nicht für erforderlich halten. Es handelt sich vorliegend sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch hinsichtlich des rechtlichen Schwierigkeitsgrades nicht um einen überdurchschnittlichen Fall. Die diskutierten Rechtsfragen sind Gegenstand unzähliger Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsentscheidungen, die Beteiligten verwenden standardisierte Schreiben und Textbausteinsteine formularmäßig in einer Vielzahl von Fällen.
b. Die Beklagte schuldet den Ersatz auch dieses Schadens nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.
c. Zu verzinsen ist der Anspruch ab dem Tag der mündlichen Verhandlung, s.v.
II.
Ob der Klägerin aus anderen Gründen, also aus Gewährleistungsrecht oder aus anderen deliktischen Normen oder Bereicherungsrecht ein weiterer Rückzahlungsanspruch zustünde, kann offen gelassen werden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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