Europarecht

Zweijahresfrist nach § 9 Abs. 6 IntV, Versäumnis wegen Betreuung minderjähriger Kinder, Ausschlussfrist ohne Wiedereinsetzungsmöglichkeit, Nachsichtgewährung bei höherer Gewalt (hier im Einzelfall verneint)

Aktenzeichen  AN 6 K 20.01780

Datum:
28.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3265
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IntV § 9 Abs. 6

 

Leitsatz

1. § 9 Abs. 6 der Integrationskursverordnung (IntV) ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
2. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Frage des Verschuldens des Fristversäumnisses bei der Rückerstattung der Hälfte des Kurskostenbeitrages in aller Regel keine Rolle spielt. Die Frist des § 9 Abs. 6 IntV ist nach ihrem Sinn und Zweck als materielle Ausschlussfrist angelegt, sodass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch bei schuldloser Säumnis nicht gewährt werden kann. Nur höchst ausnahmsweise, im Falle höherer Gewalt, kann eine schuldlose Fristversäumnis unbeachtlich sein.
3. Stehen Teilnehmerinnen oder Teilnehmern an dem Integrationskurs tatsächlich weder familiäre noch andere Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung und müssen sie somit ihre betreuungsbedürftigen Kinder selbst betreuen, so kann dies – vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung des Schutzes der Familie in Art. 6 Abs. 1 GG – im Einzelfall unter Umständen als unüberwindbares und von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht zu beeinflussendes Hindernis einer zeitgerechten Teilnahme im Sinne des § 9 Abs. 6 IntV entgegenstehen, sodass ihnen die bloße Fristversäumnis nicht entgegengehalten werden kann. Davon kann jedoch nicht ohne Weiteres und etwa nur auf den pauschalen Vortrag hin, solche Probleme habe es gegeben, ausgegangen werden. Erforderlich sind der nachvollziehbare Vortrag, dass und warum eine innerfamiliäre Lösung nicht erreichbar war, und sodann der Nachweis, dass Betreuungsmöglichkeiten außerhalb der Familie nicht in Frage gekommen sind oder dass ernsthafte Bemühungen darum gescheitert sind; umgekehrt vermag das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Einwand durch den Nachweis, im fraglichen Zeitraum seien Kursplätze in Kursen mit Kinderbetreuungsangebot frei gewesen, die für die Teilnehmerin beziehungsweise den Teilnehmer zumutbar erreichbar gewesen sind, entkräften.
4. Über das Versäumnis der Zweijahresfrist hinwegzusehen, wenn der Nachweis höherer Gewalt in diesem Sinne gelingt, stellt auch den von § 9 Abs. 6 IntV verfolgten Zweck nicht grundsätzlich infrage, solange die Teilnehmerin oder der Teilnehmer die erste zumutbare Möglichkeit, die Abschlusstests nach § 17 Abs. 1 IntV abzulegen, erfolgreich wahrnehmen. Nur in diesem Umfang ist auch Nachsichtgewährung angezeigt

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.Die Berufung wird zugelassen.  

Gründe

I. Gemäß § 102 Abs. 2 VwGO konnte auch in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden, da die Klägerin in der Ladung zum Termin mündlicher Verhandlung hierauf hingewiesen worden war.
II. Die zulässige Klage, mit der die Klägerin bei sinngemäßer Auslegung ihres Klageschriftsatzes die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der Rückerstattung ihres hälftigen Kostenbeitrags zu dem von ihr absolvierten Integrationskurs begehrt, ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
1. Gemäß § 9 Abs. 6 der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationskursverordnung – IntV) vom 13. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3370), die zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436) geändert worden ist, kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Teilnahmeberechtigten, die innerhalb von zwei Jahren nach Ausstellung der Teilnahmeberechtigung nach § 5 Abs. 3 IntV und § 6 Abs. 1 IntV die erfolgreiche Teilnahme an dem Integrationskurs nachweisen, 50 Prozent des Kostenbeitrags nach § 9 Absatz 1 IntV erstatten.
2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin legte zwar die Prüfungen nach § 17 IntV erfolgreich ab, dies jedoch nicht innerhalb der zweijährigen Frist des § 9 Abs. 6 IntV.
Die Teilnahmeberechtigung der Klägerin wurde am 15. März 2017 ausgestellt; die Zweijahresfrist begann demnach am 16. März 2017, 0:00 Uhr, zu laufen (§ 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB) und endete am 15. März 2019, 24:00 Uhr (§ 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin den Integrationskurs nicht im Sinne des § 17 Abs. 2 IntV abgeschlossen.
3. Der Einwand der Klägerin, sie sei ohne ihr Verschulden aufgrund fehlender Möglichkeiten der Kinderbetreuung daran gehindert gewesen, den Integrationskurs fristgerecht zu absolvieren, kann dem streitgegenständlichen Bescheid in der Fassung des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids im Ergebnis nicht entgegengehalten werden.
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Frage des Verschuldens des Fristversäumnisses bei der Rückerstattung der Hälfte des Kurskostenbeitrages in aller Regel keine Rolle spielt. Die Frist des § 9 Abs. 6 IntV ist nach ihrem Sinn und Zweck als materielle Ausschlussfrist angelegt, sodass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch bei schuldloser Säumnis nicht gewährt werden kann.
aa) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach Sinn und Zweck des § 9 Abs. 6 IntV ausgeschlossen (§ 32 Abs. 5 VwVfG). Mit der Möglichkeit der hälftigen Rückerstattung verfolgt der Verordnungsgeber den Zweck, die schnelle und erfolgreiche Teilnahme an dem Integrationskurs besonders zu fördern (vgl. Ziffer 43.4.9.6. der AVwV AufenthG 2009). Vor allem das Ziel des erfolgreichen Spracherwerbs setzt eine konzentrierte und zeitlich gedrängte, intensive Phase des Lernens voraus, die eine streng zu verstehende Fristbestimmung in besonderer Weise unterstützt. Hierfür wird mittels des Angebots der teilweisen Rückerstattung des Eigenbeitrags ein besonderer Anreiz gesetzt; dieser entfaltet seine Wirkung jedoch nur dann, wenn seine Voraussetzungen restriktiv verstanden werden. Dass dies Absicht des Verordnungsgebers war, zeigt auch der Vergleich des § 9 Abs. 6 IntV mit § 9 Abs. 1 und 2 IntV. Würde es, wie bei der Befreiungsmöglichkeit von dem Kurskostenbeitrag, um die Deckung einer sozialen Bedarfslage gehen, hätte der Verordnungsgeber, ähnlich wie er es mit § 9 Abs. 2 IntV getan hat, eine Härtefallklausel vorgesehen (vgl. zu alledem VG Ansbach, U.v. 22.10.2015 – AN 6 K 14.01032 – BeckRS 2015, 55396; vgl. VG Ansbach, U.v. 9.12.2011 – AN 14 K 11.01138 – BeckRS 2012, 46737).
bb) § 9 Abs. 6 IntV ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Verordnungsermächtigung des § 43 Abs. 4 Satz 1 AufenthG fordert die anteilige Rückerstattung des Kurskostenbeitrages nicht, steht einer solchen Leistung als freiwilliger Leistung aber auch nicht entgegen (vgl. VG Ansbach, U.v. 9.9.2010 – AN 14 K 10.00654 – BeckRS 2010, 34723). Da es sich um eine freiwillige, nicht zur Deckung eines sozialrechtlich gebotenen Bedarfs vorgesehene Leistung handelt, steht dem Verordnungsgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2005 – 4 BV 04.482 – BeckRS 2005, 17890); dazu kann auch zählen, eine Ausschlussfrist ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung vorzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 38/95 – NJW 1997, 2966 ff). Dabei kann dann lediglich hindernde höhere Gewalt, auch in Gestalt einer Unzumutbarkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen, eine Leistungsgewährung trotz Versäumnisses ermöglichen. Mit dieser Maßgabe ist ein Verstoß gegen Art. 3 GG oder Art. 6 GG durch die so verstandene Gesetzesvorschrift auch nicht zu erkennen (vgl. VG Ansbach, U.v. 9.9.2010 – AN 14 K 10.00654 – BeckRS 2010, 34723).
b) Nur höchst ausnahmsweise, im Falle höherer Gewalt, kann eine schuldlose Fristversäumnis unbeachtlich sein. Davon ist im vorliegenden Fall aber nicht auszugehen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich eine Behörde in bestimmten, eng begrenzten Fällen, nicht auf die Tatsache des Fristversäumnisses berufen, auch dann, wenn im Sinne einer Ausschlussfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2013 – 8 C 25/12 – NVwZ 2014, 1237 ff; vgl. BVerwG, U.v. 29.4.2004 – 3 C 27/03 – NVwZ 2004, 995 ff; vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 38/95 – NJW 1997, 2966 ff; vgl. BVerwG, U.v. 28.3.1996 – 7 C 28/95 – DtZ 1996, 250 ff; vgl. BVerwG, 23.4.1985 – 9 C 7/85 – NJW 1986, 207 ff). Voraussetzung dafür ist, dass ein Fall höherer Gewalt (oder ein relevanter Fehler der Behörde) vorliegt (zum Überblick vgl. Baer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsverfahrensgesetz: VwVfG, Stand: Grundwerk Juli 2020, § 31 VwVfG, Rn. 79) und die Gewährung von Nachsicht den Zweck der Ausschlussfrist noch wahrt (vgl. insbesondere BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 38/95 – NJW 1997, 2966 ff).
bb) Höhere Gewalt in diesem Sinne ist ein Ereignis, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 16.10.2007 – 2 BvR 51/05 – NJW 2008, 429 ff; vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 38/95 – NJW 1997, 2966 ff; vgl. BVerwG, U.v. 29.4.2004 – 3 C 27/03 – NVwZ 2004, 995 ff).
Bislang hat das Gericht in seiner Rechtsprechung in den von ihm zu entscheidenden Fällen das Fehlen von Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht als einen Fall höherer Gewalt angesehen. Dies wurde nicht zuletzt darauf gestützt, dass § 9 Abs. 6 IntV die Elternschaft selbst nicht betrifft und ein Integrationskurs in der Regel innerhalb eines halben Jahres bzw. (bei Teilzeitkursen) innerhalb eines Jahres absolviert werden könne (vgl. VG Ansbach, U.v. 9.9.2010 – AN 14 K 10.00654 – BeckRS 2010, 34723).
Das Gericht kommt in diesem Punkt nunmehr zu einer differenzierten Einschätzung. Stehen Teilnehmerinnen oder Teilnehmern an dem Integrationskurs tatsächlich weder familiäre noch andere Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung und müssen sie somit ihre betreuungsbedürftigen Kinder selbst betreuen, so kann dies – vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung des Schutzes der Familie in Art. 6 Abs. 1 GG – im Einzelfall unter Umständen als unüberwindbares und von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht zu beeinflussendes Hindernis einer zeitgerechten Teilnahme im Sinne des § 9 Abs. 6 IntV entgegenstehen, sodass ihnen die bloße Fristversäumnis nicht entgegengehalten werden kann. Die Integrationskursverordnung kennt mit § 4a Abs. 2 IntV lediglich einen Förderauftrag; ein Anspruch auf eine den Kurs begleitende Kinderbetreuung besteht nicht und auch in tatsächlicher Hinsicht kann nicht davon gesprochen werden, dass ausreichende Betreuungsmöglichkeiten durch die die Kurse durchführenden Kursträger bereitgestellt werden. Abhilfe kann häufig auch nicht durch das allgemeine öffentliche Angebot an Kindertagesstätten und Kindergärten geschaffen werden. Ein Anspruch auf einen Betreuungsplatz besteht nach § 24 Abs. 1, 2 SGB VIII grundsätzlich erst nach Vollendung des ersten Lebensjahres und auch dann bestehen oft rein tatsächliche Schwierigkeiten, diesen Anspruch durchzusetzen. Rechtzeitig eine ausreichende Betreuungsmöglichkeit außerhalb der Familie zu schaffen, kann also durchaus eine für eine Teilnehmerin oder einen Teilnehmer unlösbare Aufgabe sein. Hinzu kommt, dass bereits vor der Pandemie vor allem spezielle Integrationskurse wie Eltern- oder Frauenintegrationskurse aufgrund des nach § 13 IntV größeren Stundenvolumens nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge durchschnittlich bis zu gut 18 Monaten dauerten. Der Spielraum, den der Verordnungsgeber für unerwartete Probleme vorgesehen hat, ist also weitaus knapper bemessen, als das Gericht in seiner bisherigen Entscheidungspraxis angenommen hat. Werden aufgrund Schwangerschaft, Geburt und/oder anschließender Betreuungsplatzknappheit Unterbrechungen eines Kurses nötig oder gebieten diese Umstände einen späteren Beginn des Integrationskurses, so kann es der Teilnehmerin oder dem Teilnehmer durchaus unmöglich sein, diesen Problemen so rechtzeitig abzuhelfen, dass sie den Integrationskurs innerhalb von zwei Jahren abschließen können. Auch wenn diese Schwierigkeiten von der Sphäre der Kursteilnehmer ausgehen, so können äußere Umstände (fehlende Betreuungsmöglichkeiten) sie angesichts der grundgesetzlichen Wertungen zu Ursachen machen, deren Überwindung dem Betroffenen auch bei Anwendung größerer Sorgfalt nicht angesonnen werden kann.
Davon kann jedoch nicht ohne Weiteres und etwa nur auf den pauschalen Vortrag hin, solche Probleme habe es gegeben, ausgegangen werden. Erforderlich sind der nachvollziehbare Vortrag, dass und warum eine innerfamiliäre Lösung nicht erreichbar war, und sodann der Nachweis, dass Betreuungsmöglichkeiten außerhalb der Familie nicht in Frage gekommen sind oder dass ernsthafte Bemühungen darum gescheitert sind; umgekehrt vermag das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Einwand durch den Nachweis, im fraglichen Zeitraum seien Kursplätze in Kursen mit Kinderbetreuungsangebot frei gewesen, die für die Teilnehmerin beziehungsweise den Teilnehmer zumutbar erreichbar gewesen sind, entkräften.
cc) Über die Versäumnis der Zweijahresfrist hinwegzusehen, wenn der Nachweis höherer Gewalt in diesem Sinne gelingt, stellt auch den von § 9 Abs. 6 IntV verfolgten Zweck nicht grundsätzlich infrage, solange die Teilnehmerin oder der Teilnehmer die erste Möglichkeit, die Abschlusstests nach § 17 Abs. 1 IntV abzulegen, erfolgreich wahrnehmen. Einerseits fördert eine großzügige Handhabung der Frist des § 9 Abs. 6 IntV den Spracherwerb des kinderbetreuenden Elternteils und beeinflusst damit auch den Spracherwerb des Kindes, was sich auf die Integrations- und Teilhabechancen der gesamten Familie positiv auswirkt. Dies kann andererseits aber nicht so weit reichen, dass die in § 9 Abs. 6 IntV festgesetzte Frist durch die Nachsichtgewährung gänzlich gegenstandslos wird. Denn auch dann, wenn sich die Teilnahme des kinderbetreuenden Elternteils in der genannten Weise auswirkt, so ist der von dem Verordnungsgeber verfolgte Zweck nach oben Ausgeführtem letztlich nur hinreichend gewahrt, wenn der Kurs dennoch in möglichst konzentrierter und zeitlich gedrängter Form absolviert wird. Über das schuldlose Nichteinhalten der Frist kann also nur hinweggesehen werden, wenn der erstmögliche zumutbare Termin zum Absolvieren der Tests nach § 17 Abs. 1 IntV erfolgreich wahrgenommen wird.
dd) Im vorliegenden Fall kann über das Versäumen der Zweijahresfrist nicht hinweggesehen werden. Offenbleiben kann dabei, ob hier tatsächlich ein Fall höherer Gewalt vorlag. Vieles spricht dafür, dass die Klägerin ausreichende Bemühungen um einen Betreuungsplatz unternahm, und das Gericht ist durchaus geneigt, die vorgelegten Nachweise als hinreichend anzuerkennen. Es ist aus Sicht des Gerichts wohl nicht zumutbar, von der Klägerin zu erwarten, sich über einen Zeitraum von vielen Monaten hinweg an eine große Vielzahl von Kinderbetreuungseinrichtungen zu wenden, zumal Regelungen zu Bewerbungsfristen und Wartelisten bestehen können. Hier im Einzelfall zu hohe Anforderungen zu stellen, ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 und Art. 6 GG und im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand, der mit der Nachprüfung des Vortrages der Kursteilnehmenden verbunden wäre, nicht angezeigt. Die Klägerin hat andererseits aber nicht näher dargelegt, warum eine Betreuung durch ihren Ehemann selbst in der Weise unmöglich oder unzumutbar gewesen sein soll, dass auch der Besuch eines Teilzeitkurses nicht in Betracht kam. Dies kann aber offenbleiben, da die Voraussetzungen der Nachsichtgewährung schon deshalb nicht erfüllt sind, weil die Klägerin den Sprachtest nicht im ersten erreichbaren Versuch erfolgreich absolviert hat. Sie nahm erstmals am 5. Juli 2019 daran teil und erzielte dabei lediglich das Sprachniveau A2. Erst bei der Wiederholung des Tests am 6. Dezember 2019 wies sie dann das nach § 17 Abs. 2 IntV erforderliche Sprachniveau B1 nach.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708, 711 ZPO.
IV. Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in der hier vorliegenden Fallgruppe das Versäumen der Zweijahresfrist unbeachtlich ist, weist über den vorliegenden Fall hinaus und ist schon jetzt für etliche Fälle, die dem Gericht bereits vorliegen, von maßgeblicher Bedeutung.


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