Familienrecht

Auslegung unzulässiger Kostenbeschwerde als Erinnerung

Aktenzeichen  2 T 7568/20

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37367
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RPflG § 11 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Die wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts unzulässige sofortige Beschwerde einer Partei gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist als Erinnerung auszulegen; die fehlerhafte Bezeichnung als sofortige Beschwerde ist unschädlich (Bestätigung BGH BeckRS 2013, 5417). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hält das Beschwerdegericht eine ihm vorgelegte Beschwerde gegen die Entscheidung eines Rechtspflegers für nicht statthaft, hat es durch Beschluss die Vorlage an das Erstgericht zur Entscheidung im Erinnerungsverfahren zurückzuweisen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 C 197/18 2020-11-11 AGSCHWABACH AG Schwabach

Tenor

Die Vorlage des AG Schwabach vom 11.11.2020 wird an das AG Schwabach zur Entscheidung im Erinnerungsverfahren – auch hinsichtlich dessen Kosten – zurückverwiesen.

Gründe

A.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.03.2020 setzte das Amtsgericht Schwabach (Rechtspfleger) die an die Klagepartei zu erstattenden Kosten auf 1.043,45 € fest. Einer Beschwerde des Klägervertreters hiergegen unter Hinweis darauf, dass Sachverständigenkosten des Berufungsverfahrens nicht berücksichtigt worden seien, half das Amtsgericht mit weiterem „Kostenfestsetzungsbeschluss“ vom 12.06.2020 ab, in dem es den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.03.2020 aufhob und die zu erstattenden Kosten auf 3.378,75 € festsetzte. Gegen diesen ihm formlos mitgeteilten Beschluss wendete sich der Klägervertreter am 15.07.2020 mit einem „Antrag auf ergänzende Entscheidung, entspr. § 321 ZPO“. Er beantragt hierin „hinsichtlich der am 26.03.2020 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss … eingelegten sofortigen Beschwerde den fehlenden Kostenausspruch nachzuholen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens den Beklagten als Gesamtschuldnern aufzuerlegen.“ Nachdem den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, erließ das Amtsgericht (Rechtspfleger) am 16.09.2020 einen Beschluss mit dem Tenor: „Im Erinnerungsverfahren werden keine Kosten erhoben und ausgezahlt.“. Gegen diesen ihm formlos mitgeteilten Beschluss wendet sich der Klägervertreter mit seinem als „Sofortige Beschwerde“ bezeichneten Rechtsmittel vom 22.09.2020. Nach Gewährung rechtlichen Gehörs für die Beklagten erließ das Amtsgericht (Rechtspfleger) am 11.11.2020 einen Nichtabhilfebeschluss und legte die Akten dem Beschwerdegericht vor.
B.
Das Rechtsmittel des Klägervertreters vom 22.09.2020 ist als sofortige Beschwerde unzulässig, jedoch als Erinnerung auszulegen und als solche zulässig. Die Vorlage des Amtsgerichts Schwabach ist deshalb an dieses zur Entscheidung im Erinnerungsverfahren zurückzuverweisen.
I. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde unzulässig.
Mit seinem Rechtsmittel vom 22.09.2020 wendet sich der Klägervertreter gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 16.09.2020, mit dem in der Sache sein Antrag auf Ergänzung des Kostenfestsetzungsbeschlusses um eine Kostenentscheidung zurückgewiesen worden war. Dieser Ergänzungsantrag war in entsprechender Anwendung des § 321 Abs. 1 ZPO statthaft (BGH Beschluss vom 16.11.2016 – VII ZB 59/14, BeckRS 2016, 20998 Rn. 4). Er war auch fristgerecht eingereicht (vgl. § 329 Abs. 3, § 189 ZPO; BGH Beschluss vom 18.12.2018 – II ZB 21/16, BeckRS 2018, 39576).
Der Ergänzungsbeschluss – bzw. im Streitfall: der Beschluss, mit dem die beantragte Ergänzung zurückgewiesen wurde – ist eine selbständige Entscheidung, für die die gleichen Verfahrensregeln gelten wie für andere Beschlüsse. Dementsprechend richtet sich die Statthaftigkeit und Zulässigkeit von Rechtsmitteln allein nach den für Beschlüsse geltenden Regelungen (BGH Beschluss vom 16.11.2016 – VII ZB 59/14, BeckRS 2016, 20998 Rn. 5). Dies bedeutet, dass nach § 11 Abs. 1 RPflG gegen die Entscheidung des Rechtspflegers vom 16.09.2020 das Rechtsmittel gegeben ist, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
Dies wäre an sich infolge der Zurückweisung des Ergänzungsgesuchs die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Diese ist allerdings im konkreten Fall unzulässig, da nach § 567 Abs. 2 ZPO eine Beschwerde gegen Entscheidungen über Kosten nur zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € übersteigt. Kosten ist dabei der Oberbegriff für alle Gebühren und Auslagen einschließlich der Vergütung für die anwaltliche Tätigkeit (Diehm in: Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 567 ZPO Rn. 9; § 1 GKG, § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Damit ist die verfahrensgegenständliche Konstellation (Ablehnung der Ergänzung um eine Kostengrundentscheidung) von § 567 Abs. 2 ZPO erfasst. Denn eine „Entscheidung über Kosten“ liegt auch dann vor, wenn eine Entscheidung über Kosten bereits dem Grunde nach zurückgewiesen wird (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl. § 567 Rn. 18; a.A. Heßler in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 567 ZPO Rn. 38). Gründe, die insoweit eine abweichende Behandlung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
In der konkreten Fallkonstellation besteht die Beschwer in der fehlenden Möglichkeit, entstandene Kosten des Beschwerdeverfahrens betreffend das Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Beklagten durchsetzen zu können. Diese entstandenen Kosten belaufen sich auf eine 0,5 Gebühr des Beschwerdeverfahrens mit einem Gegenstandswert von 2.038,30 €, also 100,50 € netto. Die Wertgrenze des § 567 Abs. 2 ZPO wird deshalb selbst bei Berücksichtigung von Umsatzsteuer (vgl. BeckOK ZPO/Wulf, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 567 Rn. 33) nicht erreicht. Gerichtskosten sind wegen des vollen Erfolgs der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung nicht entstanden (BeckOK KostR/Stix, 31. Ed. 1.9.2020, GKG KV 1812 Rn. 12).
Der in diesem Zusammenhang ergangene Hinweis des Amtsgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 16.09.2020, wonach dem Klägervertreter für eine Tätigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren als Teil des Hauptverfahrens nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RVG keine gesonderte Gebühr entstanden sei, ist nur grundsätzlich richtig. Mit Kostenfestsetzung i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RVG ist die Festsetzung oder Kostenausgleichung gegen den in die Kosten verurteilten Gegner nach §§ 104-107 ZPO gemeint (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG § 19 Rn. 138). Hier geht es aber um die Kosten für ein Rechtsmittel gegen die Kostenfestsetzungsentscheidung. Dieses Beschwerdeverfahren stellt nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG eine besondere Angelegenheit dar (vgl. Riedel/Sußbauer RVG/Pankatz, 10. Aufl. 2015, RVG § 18 Rn. 17), die nach RVG KV 3500 eine 0,5 Verfahrensgebühr auslöst.
II. Das Rechtsmittel des Klägers ist allerdings als Erinnerung statthaft (§ 11 Abs. 2 S. 1 RPflG).
Die Rechtspflegererinnerung ist immer dann eröffnet, wenn die Entscheidung, hätte sie der Richter erlassen, im konkreten Fall unanfechtbar wäre. Die wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts unzulässige sofortige Beschwerde ist deshalb als Erinnerung auszulegen; die fehlerhafte Bezeichnung als sofortige Beschwerde ist unschädlich (BGH Beschluss vom 30.1.2013 – III ZB 58/12, BeckRS 2013, 5417; OLG Nürnberg Beschluss vom 24.6.2004 – 7 WF 1719/04, BeckRS 2005, 00789).
Hält das Beschwerdegericht die vorgelegte Beschwerde gegen die Entscheidung eines Rechtspflegers für nicht statthaft, hat es durch Beschluss die Vorlage an das Erstgericht zur Entscheidung im Erinnerungsverfahren zurückzuweisen (BGH Beschluss vom 30.1.2013 – III ZB 58/12, BeckRS 2013, 5417). Da das Amtsgericht (Rechtspfleger) mit Beschluss vom 16.09.2020 eine Abhilfe abgelehnt hat, ist die Erinnerung dem/der Richter/in zur Entscheidung vorzulegen (§ 11 RPflG Abs. 2 S. 5, 6 RPflG).
III. Der/die zuständige Richter/in beim Amtsgericht Schwabach wird seine/ihre Entscheidung in eigener richterlicher Unabhängigkeit zu treffen haben. Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgenden Ausführungen lediglich als unverbindliche Überlegungen zu verstehen:
Die Entscheidung des Amtsgerichts Schwabach (Rechtspfleger) vom 12.06.2020, die in der Sache eine vollumfängliche Abhilfe der Beschwerde vom 26.03.2020 darstellt, erging als Abhilfeentscheidung nicht im Erinnerungsverfahren, sondern im Verfahren der sofortigen Beschwerde. Nach § 11 Abs. 1 RPflG ist gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers das Rechtsmittel gegeben, dass nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Dies ist nach § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO. Diese war auch nach § 567 Abs. 2 ZPO statthaft, da sich der Wert des Beschwerdegegenstandes auf 2.038,30 € belief, die Differenz zwischen der begehrten und tatsächlichen Kostenerstattung (vgl. BGH Beschluss vom 30.1.2013 – III ZB 58/12, BeckRS 2013, 5417).
Folglich stellt sich die Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts vom 12.06.2020 als eine solche nach § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO dar. Wird der Beschwerde – wie hier – abgeholfen, so hat das Ausgangsgericht aber auch eine erforderliche Kostenentscheidung zu treffen (OLG Celle Beschluss vom 23.12.2008 – 2 W 277/08, BeckRS 2009, 3098; BeckOK ZPO/Wulf, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 572 Rn. 9; Musielak/Voit/Ball, 17. Aufl. 2020, ZPO § 572 Rn. 23). Die für die anwaltlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG und RVG KV 3500; s.o. B.I.) maßgebliche Kostengrundentscheidung hat nach § § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu ergehen und richtet sich nach den §§ 91, 92 ff., 269 Abs. 3 S. 2, 516 Abs. 3 ZPO. Das gilt nach überzeugender Ansicht auch dann, wenn der Gegner der Beschwerde nicht entgegentritt (OLG Karlsruhe BeckRS 2000, 30092260; OLGR Jena 2000, 38; OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 362).
Dies würde wegen des Erfolges der sofortigen Beschwerde des Klägers im Abhilfeverfahren die Kostenlast zum Nachteil der Beklagten bedeuten.
C.
Die abschließende Entscheidung über die Kosten dieses Beschwerde- bzw. Erinnerungsverfahrens, zu dem auch etwaige Kosten der hiesigen Entscheidung rechnen, bleibt dem Amtsgericht vorbehalten.


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