Familienrecht

Statthaftigkeit der Beschwerde bei einstweiliger Anordnung der Kindesherausgabe gegenüber Nichteltern mit zusätzlichen Durchführungsanordnungen

Aktenzeichen  2 UF 192/21

Datum:
11.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 303
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 49 Abs. 2 S. 3, § 57 S. 2 Nr. 2, § 59 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Richtet sich das Verlangen auf Herausgabe eines Kindes an ein Elternteil in einer einstweiligen Anordnung gegen einen Dritten, so eröffnet § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG nicht den Beschwerdeweg. (Rn. 4)
2. Enthält die einstweilige Anordnung zu ihrer Durchsetzung flankierende Maßnahmen gem. § 49 Abs. 2 Satz 3 FamFG wie etwa eine Durchsuchungserlaubnis und die Gestattung der Anwendung unmittelbaren Zwanges, sind diese nicht außerhalb der für die Anfechtung der einstweiligen Anordnung geltenden Vorschriften isoliert anfechtbar. (Rn. 6)
3. Nicht sorgeberechtigte Großeltern sind durch eine einstweilige Übertragung der elterlichen Sorge von der Kindsmutter auf den Kindsvater nicht in ihren Rechten beeinträchtigt. (Rn. 7)

Verfahrensgang

0207 F 1098/21 2021-10-14 Bes AGBAMBERG AG Bamberg

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten O gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bamberg vom 14.10.2021 (0207 F 1098/21) wird verworfen.
2. Die Beteiligte O hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt.

Gründe

I.
Mit einstweiliger Anordnung vom 14.10.2021 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bamberg der allein sorgeberechtigten Kindsmutter die elterliche Sorge für das Kind K, geb. 2017, entzogen und die elterliche Sorge vorläufig dem Kindsvater übertragen. Weiterhin hat es die Herausgabe des Kindes durch die Beschwerdeführerin, die Großmutter des Kindes und Mutter der Kindsmutter, angeordnet sowie zur Durchsetzung der Anordnung die Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers und der Polizei zur Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführerin erlaubt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 14.10.2021 (Bl. 30 ff. d.A.) Bezug genommen. Soweit in Ziff. 4 des Beschlusses die Herausgabe des Kindes durch die Beschwerdeführerin angeordnet wurde, erfolgte dies aufgrund von nach Schluss des Erörterungstermins am 14.10.2021 zur Verfügung gestellten Informationen hinsichtlich des Aufenthaltsortes der Beschwerdeführerin mit dem Kind. Das Amtsgericht hat daraufhin die aufgrund des Erörterungstermins vom 14.10.2021 erfolgte Entscheidung über die vorläufige Entziehung der elterlichen Sorge mit der Entscheidung über den Herausgabeanspruch gegen die Beschwerdeführerin verbunden.
Die Großmutter des Kindes und Beschwerdeführerin hat hiergegen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.10.2021, eingegangen beim Amtsgericht am 28.10.2021, befristete Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die einstweilige Anordnung vom 14.10.2021 aufzuheben. Mit Verfügung vom 02.11.2021 hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Herausgabeanordnung allein ein Antrag auf erneute Entscheidung nach mündlicher Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG statthaft sei, da die Entscheidung nicht gemäß § 57 Satz 2 FamFG aufgrund mündlicher Erörterung ergangen sei. Mit Schriftsatz vom 09.11.2021 teilte hierauf die anwaltliche Vertreterin der Beschwerdeführerin mit, dass die Beschwerdeführerin von ihr nicht mehr vertreten werde. Von der mit weiterem Schreiben des Amtsgerichts vom 10./15.11.2021 aufgezeigten Möglichkeit, statt der Beschwerdeeinlegung einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu stellen, hat die Beschwerdeführerin keinen Gebrauch gemacht. Das Amtsgericht hat nach fruchtlosem Ablauf der der Beschwerdeführerin gesetzten Frist zur Beantragung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde entsprechend seiner Mitteilung mit Schreiben vom 10./15.11.2021 an die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.
Die Beschwerde ist unstatthaft, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Herausgabeanordnung gemäß Ziff. 4 des Beschlusses wendet. Die Beschwerde ist gegen einstweilige Herausgabeanordnungen gemäß § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG nur dem Elternteil eröffnet, der das Kind an das andere Elternteil herausgeben soll. Eine Beschwerde steht bei einstweiligen Kinds-Herausgabeanordnungen damit nicht Dritten zu, also nicht anderen Obhutspersonen, gegen die sich ein Herausgabeanspruch richtet. Beschwerdefähig ist somit nur eine einstweilige Anordnung, die die Herausgabe durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil an den sorgeberechtigten Elternteil, § 1632 Abs. 1 BGB, regelt (Heiß in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl. 2022, § 57 FamFG, Rn. 10). Richtet sich das Herausgabeverlangen gegen einen Dritten, so eröffnet § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG nicht den Beschwerdeweg (Socha in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 57 Rn. 10). In diesen Fällen ist die einstweilige Anordnung nach der Grundsatzregel des § 57 S. 1 FamFG als Familiensache nicht anfechtbar. § 57 S. 2 Nr. 2 FamFG ist auch nicht erweiternd analog auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Dies würde den klaren Wortlaut der Norm überschreiten. Für die analoge Anwendung der Sondervorschrift besteht auch kein zwingendes Bedürfnis. Der Beschwerdeführerin steht eine Rechtsschutzmöglichkeit nach § 54 FamFG offen. Mit den ausdrücklichen Bestimmungen des § 57 FamFG fehlt es schließlich an einer planwidrigen Regelungslücke (OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 1180). Letztlich ist keine vergleichbare Sachlage wie bei Herausgaben von Kindern zwischen Elternteilen gegeben. Der Beschwerdeführerin kommt als Großmutter keine einem Elternteil gegenüber dem anderen Elternteil vergleichbare tatsächliche oder rechtliche Stellung zu.
Zudem erging die einstweilige Herausgabeanordnung auch nicht aufgrund mündlicher Erörterung gemäß § 57 Satz 2 FamFG, so dass selbst bei (abzulehnender, s.o.) analoger Anwendung des § 57 S. 2 Nr. 2 FamFG nur ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG statthaft gewesen wäre.
Eine Auslegung der mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.10.2021 ausdrücklich erhobenen Beschwerde als Antrag gemäß § 54 Abs. 2 FamFG kommt im konkreten Einzelfall aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Antrags nicht in Betracht, zumal die Beschwerdeführerin auch nach diesbezüglichen wiederholten Hinweisen des Amtsgerichts keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellte, also an ihrer Antragsstellung festhielt. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich hier auch nicht aus §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO. Denn bei den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Anordnungen (unmittelbarer Zwang und Wohnungsdurchsuchung) handelt es sich nicht um eigenständige Vollstreckungsmaßnahmen im Sinne der §§ 86 ff. FamFG, sondern um zur Durchführung der einstweiligen Anordnung getroffene Anordnungen nach § 49 Abs. 2 Satz 3 FamFG. Derartige die einstweilige Anordnung flankierende Maßnahmen sind nicht außerhalb der für die Anfechtung der einstweiligen Anordnung geltenden Vorschriften isoliert anfechtbar (OLG Koblenz FamRZ 2014, 496; Feskorn in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 49 FamFG Rn. 12; Seiler in: Thomas/Putzo, § 49 FamFG Rn. 12).
Soweit sich die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag gegen die weiteren Anordnungen gemäß Ziff. 1 bis 3 des Beschlusses wendet und die Aufhebung der einstweiligen Anordnung beantragt, fehlt es hingegen bereits an der Beschwerdeberechtigung gemäß § 59 Abs. 1 FamFG, da die nicht sorgeberechtigte Beschwerdeführerin durch diesen Teil der Entscheidung (einstweilige Übertragung der elterlichen Sorge von der Kindsmutter auf den Kindsvater) nicht in ihren Rechten beeinträchtigt ist. Als Großmutter des Kindes steht ihr kein Elternrecht zu. Ihre Rechte als Großmutter sind von der Übertragung der elterlichen Sorge unberührt.
Damit ist die Beschwerde insgesamt unzulässig und zu verwerfen, § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, die Wertfestsetzung aus §§ 40, 41, 45 Abs. 1 Nr. 1, 4 FamGKG.
Die Rechtsbeschwerde findet im einstweiligen Anordnungsverfahren gem. § 70 Abs. 4 FamFG nicht statt.


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