Handels- und Gesellschaftsrecht

Ansprüche bei Teilzahlungen auf einen Darlehensvertrag

Aktenzeichen  7 U 1875/17

Datum:
31.1.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 741
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 488 Abs. 3, § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 2, § 289 S. 1 u. 2, § 367 Abs. 1 u. 2, § 447, § 195, § 199, § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 212 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Die Darlehensschuld ist keine Entgeltforderung iSv § 288 Abs. 2 BGB. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zu verzinsen ist nur die Hauptsache und nicht die bis zur Fälligkeit aufgelaufenen Darlehenszinsen (§ 289 S. 1 BGB). Zwar kann der Darlehenszins als sonstiger Verzugsschaden verzinslich sein; eine Bank kann diesen Schaden abstrakt aufgrund einer Mischkalkulation ihrer Erträge für ausgegebenes Kapital berechnen (ebenso BGH BeckRS 9998, 164610) ansonsten müsste der entgangene Anlagegewinn konkret dargelegt werden (ebenso BGH BeckRS 2010, 01363). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

20 O 18516/16 2017-05-10 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10.5.2017 (Az.: 20 O 18516/16) im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen neu gefasst wie folgt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.291,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.11.2016 sowie weitere 784,33 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.9.2016 zu bezahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 40% und die Beklagte 60% zu tragen.
4. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Die Parteien streiten um restliche Zahlungsansprüche aus einem Darlehen.
Der Kläger gewährte der Beklagten ein Darlehen über 50.000,- € (vgl. Darlehensvertrag, Anlage K 1). Der Vertrag sollte laufen vom 1.3.2012 – 31.10.2012 (§ 3). Als Zinsen waren 8% vereinbart, die am Ende der Laufzeit zusammen mit der Hauptsache bezahlt werden sollten (§ 2).
Lange nach Ende der Laufzeit erbrachte der Beklagte diverse Teilzahlungen (vgl. Zahlungsaufstellung, Anlage K 2), die in der Summe die Hauptsache von 50.000,- € erreichen. Der Kläger errechnet einen Rückstand an Kapital und Zinsen in Höhe von 13.783,85 € und macht diesen Betrag nebst 8% Zinsen seit 23.11.2016 sowie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten geltend.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.783,85 € nebst 8 Prozent Zinsen per anno seit dem 23.11.2016 sowie weitere 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.9.2016 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die Beklagte wendet mit ihrer Berufung primär Unschlüssigkeit des Klagevortrags ein; die Berechnung der Klageforderung sei nicht nachvollziehbar, die Zahlungsaufstellung Anlage K 2 könne keinen Sachvortrag ersetzen. Die Zahlungen seien zu Unrecht zuerst auf die Zinsen verrechnet worden. Nach Ende der Vertragslaufzeit würden keine Zinsen mehr geschuldet. Die Forderung sei erst am 20.7.2016 angemahnt worden. Die Teilzahlungen hätten keinen Einfluss auf die Verjährung gehabt; es stünden allenfalls noch Zinsen offen, und auf diese sei keine Teilzahlung erfolgt.
B.
Die Berufung der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Dem Kläger steht aus dem Darlehensvertrag zwischen den Parteien noch der zuerkannte Betrag nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten zu.
I.
Für die Berechnung der noch offen stehenden Forderung des Klägers war dabei von folgenden Grundlagen auszugehen.
1. Das Darlehen war befristet und daher mit Fristablauf, also am 31.10.2012 zurückzuzahlen, ohne dass es einer Kündigung bedurft hätte (Umkehrschluss aus § 488 Abs. 3 BGB).
Der Kläger behauptet demgegenüber (Blatt 10 der Akten), er habe das Darlehen bis 31.12.15 „verlängert“. Die Beklagte bestreitet dies (Blatt 18 der Akten). Als Beweis bietet der Kläger nur seine Einvernahme als Partei an (Blatt 10 der Akten). Für seine Einvernahme auf eigenen Antrag (§ 447 BGB) fehlt es an einem ausdrücklich erklärten Einverständnis der Beklagten. Eine Einvernahme von Amts wegen scheitert daran, dass kein „Anbeweis“ erbracht ist (vgl. hierzu z.B. Thomas / Putzo / Reichold, ZPO, 38. Aufl., § 448 Rz. 2 m.w.Nachw.); dass die Beklagte schlicht nicht gezahlt hat, hat noch nicht einmal Indizwirkung für eine tatsächliche Vereinbarung über eine Verlängerung der Laufzeit.
Der Kläger wendet ein, das Bestreiten der Beklagten sei unbeachtlich, da unsubstantiiert. Das trifft nicht zu. Der Kläger hat (Blatt 10) schlicht eine Verlängerung der Laufzeit ohne jegliche nähere Einzelheiten behauptet. Das genügte zwar zunächst als schlüssiger Sachvortrag, hat aber zur Folge, dass sich die Beklagte auf ein schlichtes Bestreiten beschränken konnte.
Damit ist von der vertraglichen Regelung (Fälligkeit 31.10.2012) auszugehen.
2. Der vertraglich vereinbarte Darlehenszins (8%) wurde nur bis zur Fälligkeit, also bis zum 31.10.2012 geschuldet (BGH, Urteil vom 28.4.1988 – III ZR 57/87, Rz. 8; Urteil vom 8.10.1991 – XI ZR 259/90, Rz. 5; Urteil vom 8.2.2000 – XI ZR 313/98, Rz. 11). Das wären für die Laufzeit vom 1.3.2010 – 31.10.2010: 50.000,- x 0,08 x 8 Monate / 12 Monate = 2.666,67 €.
Ab 1.11.2012 werden allerdings Verzugszinsen geschuldet, denn die Rückzahlungspflicht war kalendermäßig bestimmt (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das sind – wie das Landgericht insoweit zutreffend annimmt – 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz, da die Darlehensschuld keine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB ist (Palandt / Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 288 Rz. 8).
Hiernach zu verzinsen ist nur die Hauptsache und nicht die bis zur Fälligkeit aufgelaufenen Darlehenszinsen (§ 289 S. 1 BGB; Zinseszinsverbot). Zwar kann nach § 289 S. 2 BGB auch der Darlehenszins als sonstiger Verzugsschaden verzinslich sein; der Schaden kann sich aus den entgangenen Vorteilen ergeben, die dem Gläubiger zugeflossen wären, wenn er den pünktlich bezahlten Zinsbetrag verzinslich angelegt hätte. Eine Bank, bei der vermutet wird, dass sie das Geld anderweit eingesetzt hätte, kann diesen Schaden abstrakt aufgrund einer Mischkalkulation ihrer Erträge für ausgegebenes Kapital berechnen (dazu vgl. BGH, Urteil vom 28.4.1988 – III ZR 57/87, Rz. 24, 27; Palandt / Grüneberg, a.a.O., § 288 Rz. 11, § 289 Rz. 2). Ansonsten müsste aber der entgangene Anlagegewinn konkret dargelegt werden (BGH, Urteil vom 7.12.2009 – II ZR 15/08, Rz. 30; Palandt / Grüneberg, a.a.O., § 289 Rz. 2). Solche Darlegungen fehlen vorliegend; der Darlehenszins ist daher nicht zu verzinsen.
3. Die Teilzahlungen des Klägers sind nach § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptsache zu verrechnen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Beklagte eine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen hätte (§ 367 Abs. 2 BGB). Dies müsste sie allerdings darlegen und beweisen. Allein aus der Zahlung von runden Summen folgt nicht, dass auf die Hauptsache gezahlt werden sollte. Sonstige Darlegungen finden sich nicht. Es bleibt daher bei der gesetzlichen Tilgungsregel.
4. In der Klageschrift vorgetragen (und nicht bestritten) werden die erfolgten Teilzahlungsbeträge und das Datum der jeweiligen Zahlung. Damit lässt sich nach den vorstehenden Ausführungen die noch offen stehende Forderung des Klägers berechnen. Die Klage ist schlüssig.
II.
Auf der Basis der vorstehend dargestellten rechtlichen Grundlagen ergibt sich folgende Berechnung.
1. Bei der Zahlung 20.000,- € am 12.6.2014 standen offen: Hauptforderung 50.000,- €; Darlehenszinsen 2.666,67 €; Verzugszinsen auf die Hauptforderung (5% über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 1.11.2012 – 12.6.2014) 3.774,72 €, insgesamt also 56.441,39 €.
Durch die Zahlung von 20.000,- € wurden die Darlehenszinsen, die aufgelaufenen Verzugszinsen und ein Teil der Hauptforderung getilgt. Es standen noch 36.441,39 € offen.
2. Bei der Zahlung 10.000,- € am 29.12.2014 standen offen: Hauptforderung 36.441,39 €; Verzugszinsen (vom 13.6.2014 – 29.12.2014) 854,43 €, mithin insgesamt 37.295,82 €.
Durch die Zahlung wurden getilgt die Zinsen und ein Teil der Hauptsache. Es standen noch 27.295,82 € offen.
3. Bei der Zahlung 10.000,- € am 5.6.2015 offen: Hauptforderung 27.295,82 €; Verzugszinsen (vom 30.12.2014 – 5.6.2015) 492,87 €, mithin insgesamt 27.788,69 €.
Durch die Zahlung wurden getilgt die Zinsen und ein Teil der Hauptsache. Es verblieb ein Rest von 17.789,69 €.
4. Bei der Zahlung 5.000,- € am 30.7.2015 standen offen: Hauptforderung 17.789,69 €; Verzugszinsen (vom 6.6.2015 – 30.7.2015) 111,78 €, mithin insgesamt 17.901,47 €.
Durch die Zahlung wurden getilgt die Zinsen und ein Teil der Hauptsache. Es verblieb ein Rest von 12.901,47 €.
5. Bei der Zahlung 5.000,- € am 20.4.2016 standen offen: Hauptforderung 12.901,47 €; Verzugszinsen (vom 31.7.2015 – 20.4.2016) 390,15 €, mithin insgesamt 13.291,62 €.
Durch die Zahlung wurden getilgt die Zinsen und ein Teil der Hauptsache. Es verblieb ein Rest (der Hauptsache) von 8,291,62 €. Dies ist die berechtigte Hauptsacheforderung.
III.
Dieser Betrag wäre sogleich, also ab dem 21.4.2016 zu verzinsen, da sich die Beklagte längst im Verzug befand (vgl. oben). Beantragt sind Zinsen aber erst ab dem 23.11.2016. Daher sind sie erst ab diesem Zeitpunkt zuzuerkennen (§ 308 ZPO).
IV.
Die Klageforderung ist nicht verjährt. Es gelten §§ 195, 199 BGB. Die dreijährige Verjährungsfrist begann daher am 31.12.2012. Durch die Zahlung vom 12.6.2014 (also in unverjährter Zeit) sind die Darlehenszinsen, die bis dahin aufgelaufenen Verzugszinsen und ein Teil der Hauptsache erloschen. Für den offenen Rest der Hauptsache begann die Verjährung neu (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Zahlung vom 12.6.2014 kann nämlich als Abschlagszahlung im dortigen Sinne gesehen werden. Verjährung wäre danach am 12.6.2017 eingetreten. Der Mahnbescheid wurde der Beklagten allerdings schon am 20.9. 2016 zugestellt (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Verjährung ist nicht eingetreten.
V.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Kosten ergibt sich aus § 286 BGB, allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe.
Die Beklagte befand sich seit 1.11.2012 in Verzug. Der Anspruch besteht daher dem Grunde nach. Dass die Klägervertreter vorgerichtlich tätig wurden (was die Beklagte bestreitet), ergibt sich aus dem Anwaltsschreiben K 4 vom 20.7.2015.
Geltend gemacht werden eine 1,3-Gebühr (VV-RVG 2300), die Pauschale von 20,- € (VV-RVG 7002) sowie die Umsatzsteuer (VV-RVG 7008). 1,3 Gebühren aus einem berechtigten Gegenstandswert von 8.291,62 € sind 659,10 €. Zuzüglich Pauschale und 19% Umsatzsteuer ergibt sich ein berechtigter Betrag von 784,33 €.
Dieser Betrag ist erst ab 21.9.2016 zu verzinsen. Verzug der Beklagten mit diesem Anspruch vor Zustellung des Mahnbescheides ist nicht dargetan
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.


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