Handels- und Gesellschaftsrecht

Bauzeitverzögerung, Teilurteil, Sachverständigenbegutachtung, Privatgutachter, Bauablaufstörungen, Nichtzulassungsbeschwerde, Ergänzungsgutachten, mehrere Pflichtverletzungen, Schuldhafte Pflichtverletzung, Behinderungsanzeige, Behinderungsschaden, Nachtragsangebote, Schlußrechnung, Klageabweisung, Schriftsätze, Auftragnehmer, Anspruchsgrundlage, Klage und Widerklage, Nachtragsvereinbarung, Zinsen

Aktenzeichen  28 U 2834/09

Datum:
26.9.2017
Fundstelle:
BauR – 2021, 266
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 O 2488/03 2009-03-20 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 20.03.2009, Az. 10 O 2488/03, wird zurückgewiesen, soweit sich die Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts München II wegen Schadensersatzansprüchen aufgrund geänderter Bauzeit und Behinderungen in Höhe von 1.796.861,99 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 1 Prozentpunkt über der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank p.a. wendet.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben Krankenhaus A. in H., Landkreis M.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin in erster Linie Zahlungsansprüche, die aus ihrer Sicht aus der gestellten Schlussrechnung noch offen sind. Der Beklagte verfolgt mit seiner Widerklage vor allem Ansprüche auf Rückzahlung aufgrund einer aus seiner Sicht bestehenden Überzahlung.
Dieses Teilurteil betrifft ausschließlich den Teil der Klageforderung, der sich mit Ansprüchen wegen geänderter Bauzeit und Behinderungen befasst (Titel 1.79.0001 der Schlussrechnung).
Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrages war eine im Frühjahr 1994 durchgeführte öffentliche Ausschreibung. Mit Auftragsschreiben des Beklagten vom 04.07.1994, der Klägerin am 11.07.1994 zugegangen, erhielt die Klägerin den Zuschlag. Bestandteil des Bauvertrages sind die Bestimmungen der VOB/B in der Fassung vom 27.11.1992. Die förmliche Abnahme der Werkleistung erfolgte am 30.03.1998.
Die für den Rechtsstreit maßgebliche endgültige Version der Schlussrechnung (Anlage K 163) datiert vom 11.08.2005. Diese Rechnung enthält unter dem Titel 1.79.0001 einen Posten in Höhe von 3.029.617,75 DM netto (entspricht 3.514.356,59 DM brutto, entspricht 1.796.861,99 EUR brutto) wegen geänderter Bauzeit und Behinderungen während der Durchführung des Bauvorhabens. Der Beklagte hat die Position von Anfang an nicht anerkannt und bereits im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung gestrichen. Dieses Teilurteil beschränkt sich ausschließlich auf diese Position.
Die Klägerin trägt vor, Grundlage der Position 1.79.0001 in der Schlussrechnung seien Bauablaufstörungen in ganz außergewöhnlichem Umfang mit erheblichsten Auswirkungen auf Bauzeit und Kosten. Ihr stünden vor diesem Hintergrund Ansprüche in Höhe von mindestens 1.796.861,99 EUR brutto zu.
U.a. seien Pläne mit erheblicher Verspätung geliefert worden. Vor Ausschreibung habe der Beklagte den Baugrund nicht ordnungsgemäß überprüft. Daher habe nachträglich der Einbau eines Drainagesammlers angeordnet werden müssen. Gründungen hätten erheblich tiefer ausgeführt werden müssen. Nachträglicher Bodenaustausch in erheblichem Umfang hätte angeordnet werden müssen. Darüber hinaus seien erhebliche Mehrmengen an Felsaushub angefallen. Die Bewehrungsarbeiten seien nachträglich in erheblichem Umfang von Betonstahlmatten auf Rundstahl umgestellt worden. Die Bauarbeiten hätten wegen der Behinderungen über zwei Winter statt über einen hinweg geführt werden müssen. Der Beklagte habe schließlich eine Vielzahl von Nachtragsleistungen angeordnet, durch die ebenfalls zeitliche Verzögerungen und Bauablaufstörungen entstanden seien.
Wegen der vorgebrachten 68 Bauablaufstörungen ST 0 bis ST 67 im Detail, auf die die Klägerin den Anspruch in Höhe von insgesamt 1.796.861,99 EUR stützt, wird auf die den erstinstanzlichen Vortrag nochmals zusammenfassenden S. 45 bis 65 der Berufungsbegründung vom 13.08.2009 (Bl. 2130/2149 d.A.) Bezug genommen. Jeder Störung könne eine Auswirkung auf die Gesamtbauzeit und damit konkrete Mehrkosten (Gerätekosten, Schalungskosten, Lohnkosten und Baustellengemeinkosten) zugeordnet werden. In der Summe würden sich somit 1.796.861,99 EUR brutto ergeben.
Dass eine massive Störung des Bauablaufs vorgelegen habe, sei auch dem Beklagten bewusst gewesen. Der Bestand des Anspruchs dem Grunde nach besteht, sei vom Beklagten letztlich anerkannt worden. Gleichwohl sei ein Nachtragsangebot der Klägerin, das alle Beschleunigungsmaßnahmen umfasste, von der Beklagten – obwohl auch die Beklagte bei ihrer Prüfung auf Mehrkosten von jedenfalls 1.288.973,22 DM gekommen sei – nicht angenommen worden. Es erscheine daher geradezu rechtsmissbräuchlich, wenn der Beklagte in diesem Rechtsstreit jeglichen Schaden und jegliche Mehrkosten infolge der Bauablaufstörungen bestreiten lasse.
Die Klägerin meint, aufgrund der genannten Bauablaufstörungen würden ihr Ansprüche aus § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B, § 6 Nr. 6 VOB/B sowie § 642 BGB zustehen. Die Gesamtschadenshöhe sei mit der geltend gemachten Position in der Schlussrechnung zutreffend kalkuliert. Die klägerseits vorgelegte Dokumentation, insbesondere die Aufbereitung durch den Privatsachverständigen U. (Anlagen K 132, K 134 und K 142), genüge den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Darlegung eines Anspruchs dem Grunde nach. Eine exakte und detaillierte Darlegung des entstandenen Schadens der Höhe nach sei bei komplexen Bauabläufen der streitgegenständlichen Art regelmäßig nicht möglich, daher könne der Schaden nach § 287 ZPO geschätzt werden.
Die Klägerin stellte erstinstanzlich zuletzt folgende Anträge:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.626.695,62 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9,5%
– aus 2.056.096,16 EUR seit Zustellung des Mahnbescheides bis zur Zustellung des Schriftsatzes vom 24.03.2003 – aus 2.595.864,70 EUR ab Zustellung des Schriftsatzes vom 24.03.2003 bis zur Zustellung des Schriftsatzes vom 04.12.2008 und
– aus 2.626.695,62 EUR ab Zustellung des Schriftsatzes vom 04.12.2008 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Bürgschaftsurkunde Nr. …51-01/160 des Kautionsvereins für das deutsche Baugewerbe VVaG in Berlin vom 03.08.1994 über 2.010.000,- DM – Anlage K 137 – an die Klägerin im Original herauszugeben.
3. Der Beklagte wird verurteilt, die Bürgschaftsurkunde Nr. …51-01/224 des Kautionsvereins für das deutsche Baugewerbe VVaG in Berlin vom 15.10.1998 über 115.577,42 DM – Anlage K 140 – an die ARGE B. Kreiskrankenhaus A. bestehend aus der Klägerin und der Fa. P. & R. GmbH (nachfolgend kurz „ARGE“) zu Händen der Geschäftsführerin der ARGE, der Klägerin, im Original herauszugeben.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin sämtlichen Schaden, der ihr durch das Unterlassen der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde des Kautionsvereins für das deutsche Baugewerbe über 2.010.000,- DM vom 03.08.1994, Nr. 1751-01/160 – Anlage K 137 – entsteht, zu ersetzen hat.
5. Der Beklagte wird verurteilt, an die ARGE zu Händen der Klägerin 2.895,59 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.477,35 EUR ab Zustellung des Schriftsatzes vom 29.12.2004 bis zur Zustellung des Schriftsatzes vom 04.12.2008 und aus 2.895,59 EUR ab Zustellung des Schriftsatzes vom 04.12.2008 zu bezahlen.
6. Es wird festgestellt, dass der Beklagte der ARGE sämtlichen ihr infolge des Unterlassens der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde Nr. …51-01/224 des Kautionsvereins für das deutsche Baugewerbe vom 15.10.1998 über 115.577,42 DM – Anlage K 140 – entstehenden Schaden zu ersetzen hat.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen
Der Beklagte beantragte im Wege der Widerklage:
1. Die Widerbeklagte/Klägerin wird verurteilt, an den Widerkläger/Beklagten 1.400.194 EUR (2.738.541,51 DM)
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 45.247,37 EUR von 25.03.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 166.464,44 EUR von 25.04.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 23.014,66 EUR von 26.05.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 153.164,77 EUR von 24.06.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 120.751,51 EUR von 24.07.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 49.465,76 EUR von 04.09.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 277.673,54 EUR von 24.09.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 206.622,82 EUR von 26.10.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 293.336,58 EUR von 30.11.1998 bis 12.04.2001
zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 48.283,00 EUR von 17.03.1999 bis 12.04.2001
zzgl. 9,26% Zinsen p.a. aus 1.400.194,04 EUR seit 13.04.2001 zu bezahlen.
2. Die Widerbeklagte/Klägerin und die Drittwiderbeklagte werden samtverbindlich verurteilt, an den Widerkläger/Beklagten 118.358,83 EUR (231.489,75 DM) zzgl. 4% Zinsen p.a. aus 102.920,73 EUR von 28.01.199 bis 07.02.2001 zzgl. 9,26% Zinsen p.a. aus 118.358,83 EUR seit 08.02.2001 zu bezahlen.
Die Klägerin und die Drittwiderbeklagte beantragten,
die Widerklage/Drittwiderklage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, die Berechnung der Schadensersatzforderung bezüglich der Bauzeitverzögerung durch die Klägerin entspreche nicht den Voraussetzungen, die der BGH aufgestellt habe, wonach die konkrete Darlegung der Behinderungen erforderlich sei. Eine abstrakte Darstellung reiche nicht aus. Die Klägerin müsse den Schaden im Einzelnen so darlegen, dass die konkreten Mehrkosten, die aus den Behinderungen entstanden sein sollen, nachvollzogen werden können. Soweit ein vergüteter Nachtrag vorliege, seien Schadensersatzansprüche nach § 6 Nr. 6 VOB/B ausgeschlossen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts, der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme und der Prozessgeschichte wird vollumfänglich auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage weit überwiegend, bezüglich des für das Teilurteil relevanten Streitgegenstandes vollumfänglich, abgewiesen (Bl. 1836/1837 d.A.). Lediglich in Bezug auf Avalzinsen erfolgte eine Verurteilung des Beklagten. In Bezug auf die Widerklage erfolgte eine Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 16.451,28 EUR nebst Zinsen. Ferner wurden Klägerin und Drittwiderbeklagte samtverbindlich verurteilt, an den Beklagten 75.052,45 EUR nebst Zinsen zu bezahlen.
Die klageabweisende Entscheidung bezüglich des für das Teilurteil relevanten Bauverzögerungsschadens stützte das Landgericht auf die folgenden Erwägungen (Bl. 1924/1934 d.A.):
Der auf § 6 Nr. 6 VOB/B gestützte Anspruch scheitere bereits daran, dass die Klägerin nicht substantiiert dargelegt habe, welche – angeblichen – Behinderungen zu welcher Verzögerung und Verlängerung der Bauzeit geführt haben und welcher Schaden der Klägerin dadurch entstanden sei. Der Vortrag der Klägerin genüge nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Darstellung und Berechnung der tatsächlichen Behinderungszeiträume sei schon vom Ansatz her falsch. Die tatsächlichen Behinderungszeiten würden – auch vom Privatsachverständigen U. – lediglich abstrakt berechnet, zu den konkreten Auswirkungen auf die Baustelle werde nichts vorgetragen.
Die Klägerin habe ferner auch nicht dargelegt, dass ihr konkret ein Schaden entstanden sei. Es fehle insoweit auch an Anhaltspunkten, die Grundlage einer Schadensschätzung sein könnten. Der Geschädigte müsse im Einzelnen darlegen, welche Schäden ihm konkret durch die Behinderung entstanden seien. Eine abstrakte Berechnung, wie von der Klägerin vorgelegt, sei damit nicht zu vereinbaren. Auch die Verhältnisse auf einer Großbaustelle machten es nicht von vornherein unmöglich, einen Behinderungsschaden konkret darzulegen. Insgesamt gebe die Darstellung der Klägerin, sei sie auch noch so umfangreich, nicht die tatsächlichen Verhältnisse auf der Baustelle wieder. Das Bild sei abstrakt und theoretischer Natur und stelle weder tatsächlich eingetretene Behinderungen noch einen tatsächlich dadurch entstandenen Schaden dar.
Ein Schadensersatzanspruch scheide ferner auch aus, weil die Klägerin die jeweiligen Behinderungen nicht ausreichend im Sinne von § 6 Nr. 1 VOB/B angezeigt habe. Die Anzeigen seien auch nicht wegen Offenkundigkeit entbehrlich gewesen.
Im Einzelnen wird auf Tenor und Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Gegen das landgerichtliche Urteil haben die Klägerin (Bl. 2020 d.A.) und der Beklagte (Bl. 2021 d.A.) Berufung eingelegt. Die Klägerin verfolgt im Wesentlichen ihren Zahlungsanspruch aufgrund der Schlussrechnung weiter. Der darin enthaltene, den Gegenstand dieses Teilurteils bildende, Betrag in Höhe von 1.796.861,99 EUR wegen behaupteter Bauablaufstörungen wird zweitinstanzlich in gleicher Höhe weiter verfolgt. Die Beklagte begehrt vollständige Klageabweisung und verfolgt im Übrigen ihren ursprünglichen Widerklageantrag weiter.
Die Klägerin rügt im Rahmen ihrer Berufungsbegründung (Bl. 2149 / 2165 d.A.) sowie im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens, dass das Landgericht den Sachvortrag zu den Bauablaufstörungen zu Unrecht als unsubstantiiert betrachtet habe. Die Klägerin habe zu jeder Störung konkrete Behauptungen, gestützt auf sämtliche vorhandene Informationsquellen, aufgestellt und unter Beweis gestellt. Sollte der Sachvortrag dennoch in einzelnen Punkten unsubstantiiert gewesen sein, hätte das Landgericht darauf hinweisen und ausführen müssen, welche konkrete Darlegung fehlt. Diesen Anforderungen genügten die erteilten Hinweise nicht.
Das Landgericht lasse ferner die vom BGH vorgenommene Differenzierung zwischen Dauer der konkreten Behinderung und Auswirkung auf die Gesamtbauzeit vermissen, die für die Anwendbarkeit von § 286 ZPO bzw. § 287 ZPO von Bedeutung seien. Für die Schadenshöhe gelte § 287 ZPO, wobei auch die Rentabilitätsvermutung zu beachten sei. Der Auftragnehmer müsse nach § 286 ZPO lediglich die Pflichtverletzung des Auftragnehmers, die hieraus resultierende Behinderung und die Dauer dieser konkreten (Einzel-)Behinderung darlegen und ggf. beweisen, nicht jedoch die zeitliche Auswirkung der konkreten Einzelbehinderung auf die gesamte Bauzeit und den durch die Behinderung entstandenen Schaden. Insoweit genüge Sachvortrag, der im Rahmen von § 287 ZPO ausreichend sei.
Es treffe nicht zu, dass der Privatgutachter U. die Behinderungszeiten „abstrakt“ berechnet habe. Bei den Störungen „Felsaushub“, „Bodenaustausch“ und „Stabstahl statt Betonstahlmatten“ habe der Privatgutachter die zeitliche Verzögerung nach „allgemeinen Erfahrungssätzen“ berechnet. Das vom Landgericht beim Thema „Stabstahl“ aufgestellte Erfordernis einer Darlegung, wie viele Arbeiter in welchem Bauteil wie viel Zeit jeweils täglich länger gebraucht haben, sei faktisch unmöglich. Das Landgericht habe die Darstellung U. nicht vollständig verstanden, es hätte sich eines Sachverständigen bedienen müssen und/oder konkrete Hinweise erteilen müssen. Jedenfalls die Berechnung eines Mindestschadens bzw. einer Mindestvergütung wäre möglich gewesen.
Soweit förmliche Nachträge zwischen den Parteien vereinbart wurden (z.B. im Zusammenhang mit dem Einbau des Drainagesammlers in Höhe von 2.359.620,14 DM), seien Bauzeitauswirkungen – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht Gegenstand des Nachtrags gewesen, was sich aus dem Text des Nachtrags ergebe. Es sei zudem nicht möglich gewesen, die Bauzeitauswirkungen im Zeitpunkt des Nachtragsangebots abzuschätzen. Ein entsprechender Vorbehalt im Fall von Nachträgen sei keine Voraussetzung dafür, dass ergänzend Ansprüche wegen Bauablaufstörungen geltend gemacht werden können.
Bei sämtlichen Störungen sei – entgegen der Auffassung des Landgerichts – die Behinderungsanzeige bzw. die Tatsache, dass die Behinderung offenkundig war, dargelegt worden. Das Landgericht habe zudem bei weitem nicht sämtliche Behinderungsanzeigen behandelt.
Das Landgericht habe es schließlich bei einigen Störungen unterlassen, weitere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen neben § 6 Nr. 6 VOB/B zu prüfen: § 2 Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 8 VOB/B sowie § 642 BGB. Diese Anspruchsgrundlagen seien auch nebeneinander anwendbar. Sofern man der Auffassung folge, bei einzelnen Störungen kämen ausschließlich Ansprüche aus § 2 Nr. 5 ff. VOB/B in Betracht, komme man der Höhe nach zum gleichen Ergebnis.
Die Klägerin beantragt zuletzt mit Schriftsatz vom 06.07.2016 (Bl. 3010/3011 d.A.),
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München II vom 20.03.2009 wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.443.255,32 EUR zuzüglich eines Zinsbetrages in Höhe von 1.226.297,96 EUR für die Zeit vom 03.02.2000 bis einschließlich 05.08.2009, eines Zinsbetrages in Höhe von 500.859,11 EUR für die Zeit vom 06.08.2009 bis 18.12.2012, weitere Zinsen in Höhe von 1 Prozentpunkt über der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank p.a., mindestens jedoch in Höhe von 4% p.a., aus 3.626.938,11 EUR ab dem 19.12.2012 bis einschließlich 16.01.2013, aus 4.127.797, 22 EUR ab dem 17.01.2013 bis zur Zustellung dieses Schriftsatzes zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die ARGE B. Kreiskrankenhaus A. zu Händen der Klägerin 5.213 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 1.477,35 EUR ab Zustellung des Schriftsatzes vom 29.12.2004 bis zur Zustellung des Schriftsatzes vom 04.12.2008, aus 2.895,59 EUR ab Zustellung des Schriftsatzes vom 13.08.2009, aus 3.072,88 EUR ab Zustellung des Schriftsatzes vom 13.08.2009 bis zur Zustellung dieses Schriftsatzes zu bezahlen.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
Der Beklagte beantragt (Bl. 2282 d.A.),
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Der Beklagte beantragt zudem im Rahmen seiner eigenen Berufung (Bl. 2215/2216 und 2269 d.A.):
1. Unter Abänderung des am 20.03.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts München II, Az. 10 O 2488/03, wird die Klage auch zu Ziffer I. und II. des Urteiltenors abgewiesen.
2. Unter Abänderung des am 20.03.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts München II, Az. 10 O 2488/03, wird die Klägerin und Widerbeklagte verurteilt, an den Beklagten 1.400.194,04 EUR
nebst 4% Zinsen p.a. aus 45.247,37 EUR von 25.03.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 166.464,44 EUR von 25.04.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 23.014,66 EUR von 26.05.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 153.164,77 EUR von 24.06.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 120.751,51 EUR von 24.07.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 49.465,76 EUR von 04.09.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 277.673,54 EUR von 24.09.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 206.622,82 EUR von 26.10.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 293.336,58 EUR von 30.11.1998 bis 12.04.2001
nebst 4% Zinsen p.a. aus 48.283,00 EUR von 17.03.1999 bis 12.04.2001
nebst 5%punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 aus 1.400.194,04 EUR seit 13.04.2001 bis 31.12.2001 und in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz des BGB aus 1.400.194,04 EUR seit 01.01.2002 zu bezahlen.
3. Unter Abänderung des am 20.03.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts München II, Az. 10 O 2488/03, wird die Klägerin und Widerbeklagte verurteilt, an den Beklagten 118.358,83 EUR nebst 4% Zinsen p.a. aus 102.920,73 EUR von 28.01.1999 bis 01.02.2001, nebst 5%punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 aus 118.358,83 EUR seit 02.02.2001 bis 31.12.2001 und in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz des BGB hieraus seit 01.01.2002 zu bezahlen.
4. Hilfsweise wird beantragt, die Sache unter Aufhebung des Urteils an das Landgericht München II zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt (Bl. 3011 d.A.),
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Alle vier Streithelfer schließen sich den Anträgen des Beklagten an (Bl. 2280 und 2349 d.A.).
In seiner Berufungserwiderung trägt der Beklagte zum Punkt Bauzeitverzögerungen (Bl. 2292/2301) vor, dass das tatsächliche Auftreten von Bauablaufstörungen bestritten bleibe.
Das Landgericht habe richtig erkannt, dass es an einer bauablaufbezogenen Darstellung und damit an der erforderlichen Substantiierung des Sachvortrages seitens der Klägerin von Anfang an gefehlt habe. Der Sachvortrag sei aufgrund der widersprüchlichen Darstellung des Privatgutachters U. ebenfalls widersprüchlich und dadurch von der bauablaufbezogenen Darstellung der Wirklichkeit weit entfernt. Der Privatgutachter B. habe nachgewiesen, dass die Darstellung des Privatgutachters U. mit der Wirklichkeit auf der Baustelle nichts zu tun haben könne. Erfahrungssätze baubetrieblicher Sachverständiger würden die Wirklichkeit und das Erfordernis deren Darstellung nicht ersetzen. Die ermittelte Dauer der Störungen habe keine Aussagekraft, bei einer Vielzahl der behaupteten Störungen habe deren Dauer anhand der Tagesberichte nicht bestätigt werden können. Die auf dieser Basis errechneten Kosten könnten nur falsch sein. Auch die auf Vertragskalkulationsbasis neu berechneten Beträge seien unzutreffend.
Mangels Anordnung des Beklagten nach § 1 Nr. 3 oder Nr. 4 VOB/B und mangels ordnungsgemäßer Behinderungsanzeigen habe sich das Landgericht auch nicht mit den Anspruchsgrundlagen § 2 Nr. 5 VOB/B und § 642 BGB beschäftigen müssen.
Bei keinem der Nachträge habe die Klägerin ferner einen Vorbehalt bezüglich etwaiger Mehrkosten infolge Bauzeitverlängerung oder Beschleunigungsmaßnahmen angemeldet, was diesbezügliche Schadensersatzansprüche ausschließe.
In Ergänzung des tatsächlichen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat am 16.11.2010, 23.06.2015 und 19.07.2016 mündlich verhandelt. Auf die Verhandlungsprotokolle (Bl. 2438/2445, 2877/2882 und 3019/3034 d.A.) wird Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat in Bezug auf den vom Teilurteil umfassten Streitgegenstand Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen A. Z. Auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 01.07.2014 (Anlage zu Bl. 2773 d.A.), das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 16.01.2017 (Bl. 3072/3090 d.A.) sowie die mündlichen Ausführungen im Rahmen seiner Anhörungen am 16.11.2010 (Bl. 2441/2443 d.A.) und 23.06.2015 (Bl. 2879/2881) wird Bezug genommen.
Die Parteien haben sich mit Schriftsätzen vom 26.06.2017 (Bl. 3171 und 3172 d.A.) mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bezüglich eines Teilurteils zum Komplex „Bauzeitverzögerung“ einverstanden erklärt. Das Berufungsgericht hat daher mit Beschluss vom 07.07.2017 (Bl. 3173/3175) den 28.07.2017 als Zeitpunkt bestimmt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist im Hinblick auf den Teilkomplex „Bauzeitverzögerungsschaden“, der den Teilbetrag von 1.796.861,99 EUR aus dem zuletzt im Berufungsverfahren geltend gemachten Hauptsachebetrag von 2.443.255,32 EUR sowie einen hierauf bezogenen Zins in Höhe von mindestens 1 Prozentpunkt über der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank p.a. umfasst, unbegründet und daher durch Teilurteil nach § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
A.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils nach § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen vor.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage und auch fortgesetzt im Berufungsverfahren bezüglich des streitgegenständlichen Bauvorhabens mehrere Ansprüche geltend gemacht. Der innerhalb der Häufung geltend gemachte Anspruch wegen Bauzeitverzögerungsschadens ist von den übrigen Ansprüchen rechtlich eindeutig abgrenzbar. Teilbarkeit des gesamten Streitgegenstandes liegt somit vor. Der Teilanspruch auf Schadensersatz wegen Bauzeitverzögerung ist nunmehr auch zur Entscheidung reif.
Auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Unabhängigkeit des Teilurteils von der Entscheidung des Rest-Streits, d.h. die Widerspruchsfreiheit zum künftigen Schlussurteil, liegt vor (vgl. hierzu Zöller-Vollkommer, 31. Auflage, § 301 ZPO, Rz. 2 und 7). Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Teil- und Schlussurteil besteht nicht. Keine der im Rahmen eines allfälligen Schlussurteils zu entscheidenden Fragen ist für dieses Teilurteil präjudiziell. Der den Gegenstand des Teilurteils bildende Klageanspruch betrifft auch nach Darlegung der Klägerseite ausschließlich Schadensersatzansprüche wegen Bauzeitverzögerung, die sich aus §§ 2 und 6 VOB/B in der damals gültigen Fassung sowie § 642 BGB ergeben können. Wie im Weiteren noch dargelegt wird, scheitert der Anspruch auf Schadensersatz wegen Bauzeitverzögerung ausschließlich wegen des Nichtvorliegens spezifischer Voraussetzungen dieser im Raum stehenden Anspruchsgrundlagen.
Die Rest-Klage befasst sich dem gegenüber ausschließlich mit anderen Positionen in der Schlussrechnung der Klägerin, die vom Beklagten nicht anerkannt bzw. gekürzt wurden, sowie mit Avalprovisionen und (bis zur übereinstimmenden Teil-Erledigungserklärung) der Herausgabe von Bürgschaftsurkunden, welche sämtlich mit dem Anspruch auf Bauverzögerungsschaden nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen. Die Widerklage wiederum befasst sich mit einer aus Sicht des Beklagten vorliegenden Überzahlung. Der Einzelposten Bauverzögerungsschaden ist dabei von allen anderen Ansprüchen aus Klage und Widerklage klar abgrenzbar, die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen sind unterschiedlich.
2. Der Senat hält den Erlass eines Teilurteils im Hinblick auf die Bestimmung des § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO für geboten.
Wie unter 1. dargestellt, ist der Komplex zur Bauzeitverzögerung entscheidungsreif. Er bildet wertmäßig den zentralen Punkt des Rechtsstreits und ist nach mehrjähriger Sachverständigenbegutachtung daher nunmehr vorab zu entscheiden.
Da nach der mehrfach in der mündlichen Verhandlung von den Parteien übereinstimmend geäußerten Auffassung die Klärung dieses Komplexes unabdingbare Voraussetzung für eine denkbare vergleichsweise Erledigung des seit mehreren Jahren andauernden Rechtsstreits ist, auf die das Gericht nach § 278 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens hinzuwirken hat, ist davon auszugehen, dass die Annahme der Angemessenheit iSv. § 301 Abs. 2 ZPO nicht nur zutrifft, sondern sich sogar aufdrängt.
B.
Die Berufung der Klägerin in Bezug auf den Teilkomplex Bauverzögerungsschaden ist unbegründet, da der Klägerin gegen den Beklagten unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten ein Anspruch auf Schadensersatz infolge der dargelegten „Störungen“ zusteht und daher das abweisende landgerichtliche Urteil zum Teilkomplex jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist.
1. Zum weiteren Verständnis ist vorab eine Einteilung der von Klägerseite ins Feld geführten insgesamt 68 „Störungen“ (nummeriert von 0 bis 67) in drei Gruppen vorzunehmen, wobei der Senat der Auffassung ist, dass die jeweils zu einer Gruppe zugeordneten Sachverhalte rechtlich im Hinblick auf etwaige Ansprüche wegen Bauverzögerungsschaden jeweils gleich zu behandeln sind.
Gruppe 1 bilden jene Sachverhalte, in denen die Klägerin dem Beklagten die gegenüber dem vertraglichen Soll verspätete Lieferung von Plänen vorwirft. Hierzu gehören die „Störungen“ mit den Nummern 0 und 17 bis 19.
Gruppe 2 bilden jene Sachverhalte, in deren Zusammenhang Änderungswünsche des Beklagten als Grundlage der Behinderung genannt werden. Zu den Änderungswünschen liegen dabei teilweise förmliche Nachträge, teilweise einseitige Anordnungen oder „Wünsche“ des Beklagten vor. Hierzu gehören die „Störungen“ mit den Nummern 1 bis 5 (Drainagesammler), 15 (Sprengarbeiten), 16 (Felsaushub), 23 bis 26 (Bodenaustausch), 27 bis 32 (Umstellung auf Stabstahl) und 40 bis 67 (Nachträge 3, 4, 8, 18, 19 und 48).
Gruppe 3 bilden schließlich jene Sachverhalte, die sich als Folge anderer Sachverhalte der Gruppen 1 und 2 ergaben. Hierzu gehören die „Störungen“ 6 bis 14, 20 bis 22 (alle witterungsbedingt) und 33 bis 39 (Erschwernisse durch paralleles Arbeiten).
2. Im Hinblick auf die Sachverhalte der Gruppe 1 (verspätete Planlieferungen) stehen der Klägerin keine Ansprüche auf Schadensersatz wegen Bauzeitverzögerung zu. Die Voraussetzungen der Ansprüche aus §§ 2 und 6 VOB/B in der Fassung vom 27.11.1992 sowie § 642 BGB liegen nicht vor.
a) Es besteht kein Anspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B.
Der Anspruch scheitert daran, dass die Klägerin unter Zugrundelegung der zu § 6 Nr. 6 VOB/B ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung den Beweis hinsichtlich Art und Umfang der konkreten Baubehinderung nicht führen konnte.
aa) Bei seiner Entscheidung orientiert sich der Senat als rechtliche Prämisse an den beiden grundlegenden Entscheidungen des BGH vom 24.02.2005 (Az. VII ZR 141/03, veröffentlicht u.a. in BauR 2005, S. 857 ff., und Az. VII ZR 225/03, veröffentlicht u.a. in BauR 2005, S. 861 ff.; vgl. auch Döring in Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, 19. Auflage, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rz. 40). Der BGH führt in den beiden Urteilen Folgendes aus:
VII ZR 141/03
„Der Auftragnehmer hat in einem Prozess unter anderem schlüssig darzulegen, dass er durch eine Pflichtverletzung des Auftraggebers behindert worden ist. Der Senat hat bereits in seinem ersten Urteil in dieser Sache darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich nicht ausreicht, eine oder mehrere Pflichtverletzungen vorzutragen. Der Auftragnehmer muss vielmehr substantiiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist in der Regel eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich. Demjenigen Auftragnehmer, der sich durch Pflichtverletzungen des Auftraggebers behindert fühlt, ist es zuzumuten, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben. Ist ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung nicht in der Lage, geht das grundsätzlich nicht zu Lasten des Auftraggebers.“
„Der Senat sieht deshalb Anlass klar zu stellen, dass die Frage, ob und inwieweit eine verzögerte Planlieferung zu einer Behinderung führt, nach allgemeinen Regeln der Darlegungsund Beweislast, § 286 ZPO, zu beurteilen ist. Weder der Umstand, dass überhaupt eine Behinderung vorliegt, noch die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Behinderung ist einer einschätzenden Bewertung im Sinne des § 287 ZPO zugänglich. … Die Behinderung ist die Grundlage der Haftung aus § 6 Nr. 6 VOB/B. Erst ihre Beschreibung nach Art und Umfang ermöglicht eine sachgerechte Auseinandersetzung.“
„Zu Recht vermisst das Berufungsgericht widerspruchsfreie detaillierte Angaben dazu, auf Grund welcher Planverzögerungen welche vorgesehenen Arbeiten nicht durchgeführt werden konnten und wie sich die Planverzögerungen konkret auf die Baustelle ausgewirkt haben.“
VII ZR 225/03
„Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass dem Auftraggeber keine Darlegungs- und Beweiserleichterung nach § 287 ZPO zugute kommt, soweit es um die Darlegung und den Nachweis geht, dass die behauptete Pflichtverletzung zu einer Behinderung geführt hat. … Dagegen unterliegen weitere Folgen der konkreten Behinderung der Beurteilung nach § 287 ZPO, soweit sie nicht mehr zum Haftungsgrund gehören, sondern dem durch die Behinderung erlittenen Schaden und damit dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen sind. Es unterliegt deshalb der einschätzenden Bewertung durch den Tatrichter, inwieweit eine konkrete Behinderung von bestimmter Dauer zu einer Verlängerung der gesamten Bauzeit geführt hat, weil sich Anschlussgewerke verzögert haben. Auch ist § 287 ZPO anwendbar, soweit es darum geht, inwieweit verschiedene Behinderungen Einfluss auf eine festgestellte Verlängerung der Gesamtbauzeit genommen haben.“
Legt man diese Grundsätze zugrunde, muss die Klägerin die Pflichtverletzung sowie die daraus resultierende Behinderung und den Ursachenzusammenhang zwischen beiden schlüssig vortragen und ggf. beweisen. Hierfür gilt § 286 ZPO, Beweiserleichterungen stehen nicht zur Verfügung.
Hervorzuheben ist dabei, dass der BGH an mehreren Stellen die Bauablaufbezogenheit der Darstellung betont und den Begriff „Behinderung“ i.S.v. § 6 VOB/B in die beiden Komponenten „Dauer und Umfang“ untergliedert, die beide gleichermaßen darzustellen sind. Dies ist aus Sicht des Senats so zu verstehen, dass es bei störenden Ereignissen wie z.B. verspäteten Planlieferungen gerade nicht ausreicht, die Abweichung zwischen Soll-Planlieferung und Ist-Planlieferung darzulegen sowie die dazwischen liegende Zeitspanne als konkrete kausale bauablaufbezogene Störungsdauer auszugeben, sondern es ist mit den Anforderungen des § 286 ZPO nötig, auch die konkret auf die Baustelle bezogenen Auswirkungen der Verspätung darzustellen und ggf. zu beweisen. Nur in diesem Fall wird auch der Komponente „Umfang“ der Behinderung Rechnung getragen.
bb) Die Klägerin hat den Nachweis konkreter bauablaufbezogener Behinderungen, die den Sachverhalten der Gruppe 1, also den behaupteten verspäteten Planlieferungen, zuzuordnen sind, nicht erbringen können. Die Frage, ob bei den „Störungen“ 0 und 17 bis 19 die Pläne jeweils tatsächlich vertragswidrig zu spät geliefert wurden, kann dabei dahinstehen, denn jedenfalls konnte die Klägerin für keine dieser behaupteten Störungen eine konkret den Bauablauf betreffende Behinderung nachweisen.
Diese Überzeugung gewinnt der Senat aus den Aussagen des Sachverständigen Zeiß in seinem Basisgutachten vom 01.07.2014, seinem Ergänzungsgutachten vom 16.01.2017 sowie seinen mündlichen Einvernahmen am 16.11.2010 und 23.06.2015.
aaa) Der Sachverständige war gemäß Beweisbeschluss vom 05.09.2011 grundsätzlich zu einem dreistufigen Vorgehen beauftragt worden. Zunächst sollte das vertragliche Soll zum Bauablauf aus technischer und baubetrieblicher Sicht ermittelt werden. In einem zweiten Schritt sollte sodann der tatsächliche Ablauf (Ist) rekonstruiert werden. Im dritten Schritt sollten die Folgen der im Ist dargestellten Ereignisse bezogen auf das Soll untersucht werden.
Zum dritten Schritt kam es dann jedoch nicht mehr, weil der Sachverständige bereits im zweiten Schritt feststellte, dass die von Klägerseite vorgelegten Unterlagen nicht ausreichten, um einen konkreten bauablaufbezogenen Istverlauf zu rekonstruieren. Damit kam der im dritten Schritt beabsichtigte Vergleich zwischen Soll und Ist nicht mehr in Betracht. Im Wesentlichen stellte der Sachverständige die folgenden zwei Defizite in der Dokumentation der Klägerin fest:
Zum einen fehlten insgesamt 161 Bautagesberichte. Auf S. 200 (Rz. 360) sowie S. 226 (Rz. 404) des Basisgutachtens stellt der Sachverständige fest, dass bei insgesamt 505 Baustellentagen nur 344 Bautagesberichte vorlägen. Lt. Rz. 358 auf S. 199 fehlten u.a. die Berichte für die Zeitspannen 11.07. bis 27.07.1994, 12.06. bis 14.06.1995, 19.06. bis 21.06.1995 und 03.07. bis 12.09.1995.
Zum anderen seien auch die vorhandenen Bautagesberichte nicht so gestaltet, dass feststellbar wäre, wie viele Arbeitskräfte an diesem oder jenen Tag in einem bestimmten Arbeitspaket in welchem zeitlichen Umfang Leistungen erbracht hatten. Daher könne nicht untersucht werden, wie Leistungsänderungen sich auswirkten, denn ein Vergleich mit Arbeitsstunden und Arbeitskräften im jeweiligen Arbeitspaket bzw. Vorgang von Soll zu Ist sei damit nicht möglich (S. 230, Rz. 412).
Auf der Grundlage dieser beiden Defizite wiederholte der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung am 23.06.2015 nochmals den bereits auf S. 230 des schriftlichen Gutachtens zum Ausdruck kommenden Schluss, dass es aus den vorliegenden Unterlagen nicht möglich sei festzustellen, wie sich das eine oder andere Ereignis – z.B. eine verspätete Planlieferung – im konkreten Fall ausgewirkt habe.
Auch im Rahmen seines Ergänzungsgutachtens hielt der Sachverständige auf verschiedene Vorhalte von Klägerseite hin an seiner Schlussfolgerung fest. Insbesondere könne ein konkreter Bauablaufbezug auch nicht aus den Lohnlisten (vgl. S. 22, 28 f., 35, 38 des Ergänzungsgutachtens) oder einem Betontagebuch (vgl. S. 29 f. des Ergänzungsgutachtens) hergeleitet werden. Allenfalls hypothetische Abläufe könnten hieraus konstruiert werden.
bbb) Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Schlussfolgerungen des Sachverständigen.
Der Sachverständige hat sich gemäß dem gerichtlichen Auftrag intensiv mit den sehr umfangreichen Unterlagen befasst und mit der Konstruktion von konkreten Arbeitspakten einen nachvollziehbaren und an üblichen Projektsteuerungsinstrumenten orientierten Soll-Verlauf entwickelt.
Die zentrale Feststellung im zweiten Schritt der Begutachtung, nämlich das Fehlen einer bestimmten Anzahl von Bautagesberichten sowie das Fehlen bestimmter Detailinformationen in den vorliegenden Bautagesberichten, wird letztlich auch von keiner der Parteien, auch nicht von der Klägerin, in tatsächlicher Hinsicht in Frage gestellt. Die Klägerin hält zwar die fehlende Detailtiefe der vorhandenen Bautagesberichte für rechtlich unerheblich (Bl. 2986 d.A.), die fehlende Detailtiefe selbst wird aber nicht in Abrede gestellt.
Strittig sind damit allein die rechtlichen Schlussfolgerungen aus den Defiziten, die aber nicht dem Sachverständigen obliegen und daher nicht die Schlüssigkeit seines Gutachtens in Frage stellen können. Allein aus diesem Grund scheidet auch eine erneute Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen aus, denn die zentralen tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen werden auch von Klägerseite nicht in Frage gestellt und könnten somit auch von einem anderen Sachverständigen nicht anders getroffen werden.
Soweit der Sachverständige schließlich einen Lückenschluss aus den Lohnlisten oder dem Betontagebuch verneint, ist auch dies für den Senat überzeugend. Der Sachverständige führt hier in seinem Ergänzungsgutachten aus (siehe z.B. Zusammenfassung auf S. 38), dass sich weder aus dem Betontagebuch noch aus den Lohnlisten konkrete Anknüpfungstatsachen zu aufgewendeten Stunden und eingesetzten Arbeitskräften für ein bestimmtes Bauteil ergäben. Der Sachverständige negiert nicht, dass u.a. aufgrund baubetrieblicher Erfahrungssätze hypothetische Überlegungen zum Einsatz von Arbeitskräften nach Art und Ort möglich wären (vgl. S. 32 Ergänzungsgutachten). Das Unterlassen derartiger Überlegungen entwertet jedoch nicht das Gutachten, denn der Sachverständige wurde hierzu vom Senat nicht beauftragt. Ob derartige Überlegungen im Rahmen eines Anspruchs nach § 6 Nr. 6 VOB/B weiterführen, ist eine reine Rechtsfrage und damit nicht vom Sachverständigen zu beantworten.
Soweit die Klägerin ausführt, die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen in der Verhandlung vom 23.06.2015 seien völlig überraschend gewesen, was die Aussagekraft der Begutachtung entwerte, so folgt dem der Senat nicht. Die zentralen Aussagen zu den Defiziten der Dokumentation und auch die fehlende Zuordenbarkeit der geltend gemachten Störungen zu bestimmten Auswirkungen ergeben sich bereits aus dem schriftlichen Gutachten selbst (vgl. die oben zitierten Passagen). Auch wenn die Klägerin diese Aussagen dem Gutachten nicht auf den ersten Blick entnommen haben mag, so ergeben sie sich eindeutig aus dem Text.
Zweifel an den Feststellungen des Sachverständigen Z. ergeben sich für den Senat auch nicht aus den von Klägerseite vorgelegten umfangreichen Unterlagen des Privatgutachters U. Die vom Sachverständigen Z. festgestellten Defizite im Hinblick auf die Bautagesberichte werden auch vom Gutachter U. nicht in Abrede gestellt.
ccc) Aus den vom Sachverständigen gezogenen und vom Senat für überzeugend gewürdigten Schlussfolgerungen ergibt sich in rechtlicher Hinsicht, dass der für einen Anspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B erforderliche Nachweis einer bauablaufbezogenen Behinderung vor allem vom konkreten Umfang her nicht erbracht wurde, weil aufgrund der festgestellten Defizite in der Dokumentation keine Zuordnung konkreter Auswirkungen einer etwaigen Störung auf die Baustelle möglich ist.
Wegen der fehlenden Detailtiefe der vorhandenen Bautagesberichte gilt dies auch für Sachverhalte in Zeiträumen, für die Bautagesberichte vorliegen, insbesondere damit auch zu Beginn der Baumaßnahme. Die Auffassung der Klägerin, die fehlende Detailtiefe der Berichte sei rechtlich unerheblich, vermag der Senat nicht zu teilen. Der BGH fordert eine detaillierte Darstellung und folglich auch den Nachweis, aufgrund welcher Planverzögerung welche vorgesehenen Arbeiten nicht durchgeführt werden konnten und wie sich dies konkret auf die Baustelle ausgewirkt hat. Wenn Bautagesberichte zwar die Anzahl der auf der Baustelle eingesetzten Arbeiter erfassen, nicht aber den konkreten Arbeitsbereich, so kann aus den Berichten von vornherein kein konkreter Bezug zu einem bestimmten Bereich auf der Baustelle und somit auch keine konkrete Auswirkung nachgewiesen werden.
Diese Defizite können auch nicht – wie die Klägerin wiederholt argumentiert – unter Zuhilfenahme von § 287 ZPO geschlossen werden, sie betreffen nämlich die Bauablaufbezogenheit und damit den Umfang der Behinderung, welche – auch nach der vom BGH gezogenen Trennlinie – dem Haftungsgrund und nicht der Haftungsausfüllung zuzuordnen sind. Der Klägerin ist nicht zu folgen, wenn sie im Rahmen von § 6 Nr. 6 VOB/B im Fall von verspäteten Planlieferungen den bloßen Umstand und die Dauer der Verspätung als Darlegung und Beweis im Rahmen von § 286 ZPO ausreichen lassen will, denn auch die konkreten Auswirkungen auf die Baustelle gehören zum Haftungsgrund. Dies hat der BGH durch seine Forderung nach einer konkret bauablaufbezogenen Darstellung deutlich gemacht. Da das Gericht die baustellenbezogenen Auswirkungen auch in tatsächlicher Hinsicht nicht schätzen kann, würde es auch gar keinen Sinn machen, diese Aspekte dem Regime des § 287 ZPO zu unterstellen.
Die von Klägerseite immer wieder geforderten Plausibilitätserwägungen bzw. hypothetischen Erwägungen erfüllen nach Ansicht des Senats nicht die Anforderungen an die Rechtsprechung des BGH. Dies folgt unmittelbar daraus, dass die konkreten Folgen der behaupteten Störung – wie dargestellt – dem Haftungsgrund zuzuordnen sind. Eine auf Plausibilität oder hypothetische Erwägungen gestützte Betrachtung ist keine konkret baustellenbezogene Betrachtung mehr. Daher musste der Sachverständige auch nicht beauftragt werden, derartige Erwägungen anzustellen. Dieses rechtliche Ergebnis findet im Übrigen auch seine Entsprechung im bautechnischen Bereich. So führt der Sachverständige Z. auf S. 113 (Rz. 173) seines Basisgutachtens aus, dass ohne Bauablaufbezogenheit der Betrachtung letztlich nur Pseudosachverhalte untersucht werden können, die an der Wirklichkeit vorbeigehen.
Soweit die Unterlagen des Privatgutachters U. gleichwohl zu einem bezifferbaren Schaden gelangen, legen sie eine Methode zugrunde, die nach Auffassung des Senats nicht mit den Anforderungen der BGH-Rechtsprechung zu vereinbaren ist. Die Klägerin schildert die grundsätzliche Vorgehensweise des Gutachters U. auf den Seiten 42 ff. der Berufungsbegründung vom 13.08.2009 (Bl. 2127 ff. d.A.). Beispielhaft wird für die Störung Nr. 0 die Zeitspanne zwischen Soll-Planlieferung und Ist-Planlieferung herangezogen und diese mit Faktoren für Gerätekosten, Schalungskosten, Lohnkosten und Baustellengemeinkosten multipliziert. Für die Berechnung der Auswirkung auf die Gesamtbauzeit wird § 287 ZPO herangezogen. Diese Methode lässt jedoch das vom BGH herausgearbeitete Erfordernis der konkreten Bauablaufbezogenheit außer Acht. Mit der bloßen Berechnung der Tagesdifferenz zwischen Soll-Planlieferung und Ist-Planlieferung wird suggeriert, der Bauablaufbezogenheit Genüge getan zu haben, was allerdings nicht der Fall ist. Insbesondere fehlt eine Darstellung, welche Auswirkungen die verspätete Planlieferung auf die Abläufe auf der Baustelle konkret gehabt hat. Letztlich beschränkt sich die Methode des Gutachters U. auf eine abstrakte Betrachtung. Dies gilt auch für die zuletzt mit Schriftsatz der Klägerin vom 08.02.2017 durchgeführte Berechnung speziell für die Sachverhalte zu Beginn der Baumaßnahme. Die Klägerin beschränkt sich letztlich auch hier auf eine Darstellung der Dauer der Verzögerung um eine bestimmte Anzahl Tage und eine Multiplikation mit Tagespauschalen für das Vorhalten von Baugeräten bzw. Lohnkosten. Ein Bezug zu den konkreten Auswirkungen auf die Baustelle, die – wie bereits ausgeführt – nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Nachweis einer Bauablaufstörung gehören, fehlt auch hier.
Aus den gleichen Erwägungen heraus scheitert auch die von der Klägerin immer wieder geforderte Kalkulation wenigstens eines Mindestschadens. Die Ermittlung eines Mindestschadens – ggf. unter Mithilfe des Sachverständigen Zeiß – würde voraussetzen, dass eine Haftung dem Grunde nach zu bejahen wäre, was aber – wie dargelegt – nicht der Fall ist. Die Ermittlung eines Mindestschadens, für die auch die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO eingreifen würden, gehört zur Ebene der Haftungsausfüllung. Mangels konkreter bauablaufbezogener Nachweise scheitert ein Anspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B allerdings bereits auf der Ebene der Haftungsbegründung.
ddd) Die Auffassung der Klägerin, mit den dargelegten Anforderungen an Darlegung und Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen im Rahmen von § 6 Nr. 6 VOB/B werde die Zumutbarkeitsgrenze für Unternehmer überspannt, vermag der Senat nicht zu teilen. Es ist richtig, dass die Rechtsprechung zur schlüssigen Darlegung von auf Pflichtverletzungen des Auftraggebers kausal beruhenden Behinderungen des Bauablaufs hohe Anforderungen an den Unternehmer stellt, denen er in der Regel nur durch eine zeitgleich (und nicht erst im Nachhinein gefertigte) Dokumentation des wesentlichen Baustellenablaufs und des tatsächlich erfolgten Personal- und Geräteeinsatzes Genüge wird leisten können. Es trifft weiter zu, dass der Unternehmer in der Regel die bauablaufbezogene Dokumentation wird zu einem Zeitpunkt erstellen müssen, zu dem er noch nicht absehen kann, ob und in welchem Umfang es zu bauherrenbedingten Bauzeitverzögerungen kommen wird.
Gleichwohl kann auf eine aussagekräftige Bauablaufdokumentation jedenfalls bei größeren Baustellen wie der vorliegenden und komplizierten Störungssachverhalten, die auf einer Reihe unterschiedlicher Ursachen beruhen und in ihren Wirkungen interferieren, nicht verzichtet werden. Denn der Anspruchsteller ist nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass die Pflichtverletzung seines Vertragspartners den konkreten Bauablauf tatsächlich behindert hat. So zeigt die Realität, dass es auch bei rechtzeitig gelieferten Planunterlagen häufig zu Verzögerungen im Bauablauf kommt, für die alle möglichen Ursachen, auch und gerade solche aus der Sphäre des Unternehmers, in Betracht kommen.
Erst recht gilt das bei komplexen Störsachverhalten wie im vorliegenden Fall, in dem sich verschiedenste Verzögerungsgründe so überlagern, dass eine Zuordnung der Bauzeitverzögerung zu einzelnen Ereignissen nicht mehr möglich ist.
Zwar mag es sein, dass im Fall unzureichender zeitgleicher Baustellendokumentation sich der Auftragnehmer die erforderlichen Informationen nicht mehr beschaffen kann. Das gilt aber erst recht für den Auftraggeber. Nur der Auftragnehmer ist in der Lage darzulegen, welchen Bauablauf er geplant und kalkuliert hat und wie sich demgegenüber der Bauablauf tatsächlich entwickelt hat. Für den Auftraggeber werden die meisten hierfür relevanten Tatsachen als reine Baustelleninterna häufig nicht einmal erkennbar sein.
eee) Die von Klägerseite beantragte Anordnung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO an die Beklagtenseite, die fehlenden Bautagesberichte vorzulegen, war nicht zu erlassen. Zum einen hat der Beklagte ausgeführt, dass er nicht im Besitz der fehlenden Bautagesberichte sei, so dass schon die Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Zum anderen würde selbst die lückenlose Vorlage aller Bautagesberichte dem Anspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B noch nicht zum Erfolg verhelfen, denn auch den vorliegenden Bautagesberichten fehlt es – wie dargelegt – an der nötigen Detailtiefe, um eine konkret bauablaufbezogene Auswirkung der vorgebrachten Störungen zu ermitteln.
b) Ansprüche aus § 2 VOB/B scheiden für die Sachverhalte der Gruppe 1 von vornherein aus.
Die Nrn. 5, 6 und 8 der Vorschrift betreffen ausschließlich Änderungen im Leistungsumfang gegenüber der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung. Da die Gruppe 1 ausschließlich Fälle der behaupteten Planlieferverzögerung betrifft, kommen die Anspruchsgrundlagen des § 2 VOB/B schon tatbestandlich nicht in Betracht. Auch die Klägerin hat im Rahmen ihrer rechtlichen Einordnung der Störungen (Bl. 2417 ff. und 2498 ff. d.A.) bei den Fällen der Gruppe 1 ausschließlich auf § 6 Nr. 6 VOB/B und § 642 BGB, nicht aber auf § 2 VOB/B abgestellt.
c) Auch Ansprüche aus § 642 BGB scheiden für die Sachverhalte der Gruppe 1 aus.
Die verspätete Lieferung von Plänen kann zwar eine unterlassene Mitwirkungshandlung des Beklagten als Besteller darstellen. Auch § 642 BGB setzt jedoch – wie § 6 Nr. 6 VOB/B – im Rahmen der Haftungsbegründung eine konkret bauablaufbezogene Darstellung der Behinderungen voraus. Die für die hohen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 6 Nr. 6 VOB/B sprechenden Argumente gelten in gleichem Maße für § 642 BGB, denn auch hier kann das Vorliegen sowie Dauer und Umfang einer schadensersatzauslösenden Behinderung im Bauablauf nur dann beurteilt werden, wenn die konkreten Bauablaufstörungen den kalkulierten Bauabläufen nachvollziehbar gegenübergestellt werden (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen Ingenstau / Korbion, 19. Auflage, Rz. 40 zu § 6 Abs. 6 VOB/B; OLG München, Urteil vom 20.11.2007, Az. 9 U 2741/07 und BGH, Beschluss vom 09.10.2009, Az. VII ZR 222/07). Einem Anspruch stehen daher dieselben Erwägungen wie bei § 6 Nr. 6 VOB/B entgegen (siehe oben unter a)).
Auch der hier erkennende Senat hat in einem parallel gelagerten Fall bereits entschieden, dass im Rahmen von § 642 BGB bei behaupteten Bauablaufstörungen dieselben Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast gelten wie bei § 6 Nr. 6 VOB/B (Urteil vom 27.04.2016, Az. 28 U 4738/13 Bau, rechtskräftig infolge Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BGH, Az. VII ZR 141/16).
3. Auch im Hinblick auf die Sachverhalte der Gruppe 2 (Änderungsanordnungen und -forderungen des Beklagten) stehen der Klägerin keine Ansprüche gegen den Beklagten zu.
Auch insofern sind die Voraussetzungen der Ansprüche aus §§ 2 und 6 VOB/B in der Fassung vom 27.11.1992 sowie § 642 BGB nicht gegeben.
a) Ansprüche aus § 2 VOB/B scheiden insgesamt aus.
Die Ansprüche scheitern in Sachverhalten mit förmlichen Nachträgen bereits daran, dass bei keinem der Nachträge weitergehende Ansprüche wegen Bauzeitverzögerungen – und nur um diese geht des der Klägerin hier – vorbehalten wurden. Sie scheitern überdies unabhängig von der Frage des Vorbehalts und unabhängig vom Vorliegen eines förmlichen Nachtrags daran, dass es auch im Hinblick auf die Sachverhalte der Gruppe 2 am Nachweis einer konkreten Bauablaufstörung fehlt.
aa) Ansprüche aus § 2 Nr. 5 und § 2 Nr. 6 VOB/B schließen sich grundsätzlich gegenseitig aus und können daher bezogen auf eine bestimmte Leistungsänderung nicht nebeneinander bestehen.
Während § 2 Nr. 5 VOB/B die Fallgruppe betrifft, dass sich der Auftraggeber mit seiner Änderungsanordnung noch innerhalb der Grenzen des ursprünglichen Bauauftrages bewegt (und die Anordnung lediglich Auswirkungen auf den Preis hat), betrifft § 2 Nr. 6 VOB/B Fälle, in denen eine im ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert wird. Eine genaue Abgrenzung in jedem Einzelfall der Gruppe 2 kann jedoch dahinstehen, da – soweit Ansprüche wegen Bauablaufverzögerungen inmitten stehen – zwischen den besonderen Voraussetzungen im Rahmen von Nr. 5 und Nr. 6 keine Unterschiede bestehen.
bb) Mehrkosten infolge Bauablaufstörungen mögen zwar grundsätzlich auch im Rahmen von Ansprüchen nach § 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B eine Rolle spielen können, beim Vorliegen von förmlichen Nachträgen scheiden aber über die im Nachtrag vereinbarte Vergütung hinausgehende Forderungen wegen allein nachtragsbedingter Verzögerungen im Regelfall aus, wenn diese im Nachtrag nicht erkennbar vorbehalten wurden. Da dies bei den klägerseits ins Feld geführten Sachverhalten mit förmlichem Nachtrag der Gruppe 2 nicht geschah, scheiden bereits aus diesem Grund Ansprüche wegen Bauzeitverzögerungen aus § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B aus.
aaa) Der Senat hat bereits im Lauf des Verfahrens auf das grundsätzliche Erfordernis des Vorbehalts hingewiesen (siehe Bl. 2627 d.A.). Hieran wird auch angesichts der gegenteiligen Ausführungen der Klägerseite festgehalten.
Kommt es wegen Anforderungen des Auftraggebers zum konsensualen Abschluss eines Nachtrages, in dem Umfang der Zusatzanforderung und Vergütung geregelt werden, ist es grundsätzlich eine Frage der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB, ob diese Vereinbarung auch im Hinblick auf etwaige Bauzeitverzögerungsschäden abschließend ist oder noch Raum für derartige Nachforderungen ist. Darauf, ob dem Nachtrag ein förmlicher Verzicht oder Erlass im Hinblick auf Forderungen wegen Bauzeitverzögerung zu entnehmen ist, kommt es dem gegenüber nicht an.
Der Senat ist der Auffassung, dass bei vereinbarten Nachträgen etwaige Kosten einer verlängerten Bauzeit als in der Regel mit der Nachtragsvereinbarung abgegolten anzusehen sind. Dies hat zur Folge, dass sich der Auftragnehmer etwaige Mehrvergütungsansprüche für diese Kosten bereits bei Abschluss der Nachtragsvereinbarung erkennbar vorbehalten muss. Der Empfänger eines Nachtragsangebots seitens des Auftragnehmers wird und kann dies nämlich in der Regel nur so verstehen, dass mit dem Nachtragsangebot alle mit der Leistungsänderung oder Leistungsergänzung entstehenden zusätzlichen Kosten abgedeckt sein sollen. Wäre dem nicht so, würde das Nachtragsangebot dem Auftraggeber keinerlei Sicherheit über die zusätzlichen Vergütungsansprüche und damit keinerlei Entscheidungsgrundlage an die Hand geben. Ein solches unvollständiges Nachtragsangebot wäre für den Bauherrn daher in der Regel wertlos. Würde der Auftragnehmer dagegen ein Nachtragsangebot unterbreiten, gleichzeitig aber erklären, dass dieses Angebot nur einen Teil der zusätzlichen Vergütungsansprüche erfasst und im Nachhinein weitere Ansprüche aus diesen Nachtragsarbeiten hinzu kommen werden oder könnten, wäre für den Auftraggeber ausreichend klar, dass ggf. noch zusätzliche Ansprüche auf ihn zukommen. Er hätte dann eine transparente Entscheidungsgrundlage, ob er das Angebot trotz des Risikos weiterer Kosten annimmt, oder Alternativangebote anderer Unternehmer einholt.
Das hiergegen von Klägerseite vorgebrachte Argument, im Moment des Nachtrages könnten in der Regel die verzögerungsbedingten Schäden noch gar nicht abgeschätzt werden, greift aus Sicht des Senates nicht durch. Würde man dem nämlich folgen, würde das Kalkulationsrisiko einseitig auf den Auftraggeber abgewälzt, der erst recht keinen Überblick darüber hat, welche Auswirkungen die Umsetzung des Nachtrages auf die Arbeitsabläufe beim Auftragnehmer haben. Der Auftragnehmer ist viel eher in der Lage, die bauablaufbezogenen Folgen abzuschätzen, als der Auftraggeber. Diese Interessenlage lässt letztlich nur die Auslegung eines vorbehaltslosen Nachtrags dahingehend zu, dass die Bezifferung der Nachtragskosten abschließend sind und der Auftraggeber nicht mit weiteren Kosten wegen Bauzeitverzögerung zu rechnen hat. Der Empfänger eines Nachtragsangebots darf grundsätzlich davon ausgehen, dass der Anbietende alle mit der Durchführung der Nachtragsarbeiten verbundenen Kosten in sein Nachtragsangebot einkalkuliert hat (vgl. auch OLG Düssdeldorf, Urteil vom 24.10.1995, Az. 21 U 8/95, BauR 1996, 267 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 27.10. 2014, Az. 11 U 70/13, BauR 2015, 850 ff.; OLG München, Urteil im parallel gelagerten Fall vom 27.04.2016, Az. 28 U 4738/13 Bau, rechtskräftig infolge Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BGH, Az. VII ZR 141/16).
bbb) Die zur Gruppe 2 gehörenden Nachträge enthalten schon nach dem schriftsätzlichen Vortrag der Klägerseite keinen erkennbaren Vorbehalt im Hinblick auf etwaige Zusatzkosten wegen Bauzeitverzögerungen. Dies führt nach den oben unter aaa) dargelegten Auslegungsgrundsätzen dazu, dass über die Nachtragsvergütung hinausgehende Ansprüche wegen Bauzeitverzögerung ausgeschlossen sind.
Anhaltspunkte, die für eine andere Auslegung sprechen, sind nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren pauschal behauptet, sie habe bei den regelmäßig stattfindenden Baubesprechungen stets darauf hingewiesen, dass ihre Nachtragsangebote keine Ansätze für aus den Bauablaufstörungen resultierende Mehrkosten enthalten und hierfür Zeugenbeweis anbietet, ist schon kein Grund ersichtlich, weshalb dieser neue streitige Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz noch Berücksichtigung finden soll. Die Klägerin führt hierfür keinerlei Begründung an.
Nur ergänzend und vorsorglich ist daher auszuführen, dass der Vortrag hierzu auch zu allgemein und für die Durchführung einer Beweisaufnahme nicht hinreichend ist. Ein mündlicher Vorbehalt kann für die Auslegung der Nachtragsvereinbarung nur dann relevant sein, wenn der Vorbehalt spätestens zeitgleich mit dem jeweiligen Abschluss der Nachtragsvereinbarung bzw. der Beauftragung des Nachtrags unterbreitet wird. Denn im Zeitpunkt der Annahme des Angebots wird die Reichweite von Leistungs- und Gegenleistungspflicht abschließend fixiert. Er kann ferner nur relevant sein, wenn er gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner oder für ihn Vertretungsberechtigten erfolgt. Denn nur die Kenntnisse des Vertragspartners oder der ihm zuzurechnenden rechtsgeschäftlichen Vertreter können bei der Auslegung seiner Willenserklärungen Berücksichtigung finden. Der Tatsachenvortrag der Klägerin (allgemein sei in den regelmäßig stattfindenden Baubesprechungen auf diesen Aspekt hingewiesen worden) ist für eine Beweisaufnahme viel zu wenig konkret. Hierzu hätte es eines Vortrages dazu bedurft, in Bezug auf welchen konkreten Nachtragsauftrag die Klägerin wem auf Seiten des Beklagten zu welchem konkreten Zeitpunkt mitgeteilt hat, dass das Nachtragsangebot sich auf welche Kosten nicht erstreckt.
Auch aus dem nach Vortrag der Klägerseite in diversen Nachtragsaufträgen enthaltenen Passus, dass die Durchführung „im Rahmen der Termine des Hauptauftrags“ erfolge, lässt sich schon dem Wortlaut nach kein Vorbehalt für weitergehende Ansprüche wegen Bauzeitverzögerungen ableiten.
cc) Selbst wenn man das Erfordernis eines Vorbehalts im Nachtrag nicht fordern würde, wären Ansprüche aus § 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B im vorliegenden Fall abzulehnen. Gleiches gilt für jene Sachverhalte der Gruppe 2, in denen eine bloße Anordnung des Beklagten ohne förmlichem Nachtrag vorliegt. An Darlegung und Beweis jeder einzelnen Behinderung müssen nämlich dieselben Anforderungen gestellt werden, wie dies auch im Rahmen von § 6 Nr. 6 VOB/B der Fall ist. Die hinter den hohen Anforderungen stehenden, vom BGH in seinen Entscheidungen aus dem Jahr 2005 herausgearbeiteten Wertungen und Abgrenzungen hängen nämlich nicht davon ab, im Rahmen welcher Anspruchsgrundlage – § 2 Nr. 5/6 oder § 6 Nr. 6 VOB/B oder auch § 642 BGB – der Bauzeitverzögerungsschaden geltend gemacht wird.
Zwar ließe sich einwenden, dass sich diese Vorgaben dem Wortlaut der Anspruchsgrundlagen des § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B nicht entnehmen ließen. Die besseren Argumente sprechen aber dafür, die für § 6 Nr. 6 VOB/B entwickelten Kriterien (außer der Behinderungsanzeige und der Rechtsfolgen) auf den Anspruch aus § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B zu übertragen, wenn die Leistungs- oder Mengenänderung eine Bauzeitverlängerung zur Folge gehabt haben soll, die sich für den Auftragnehmer nachteilig ausgewirkt haben soll. Zum einen gibt es schon keine sachliche Rechtfertigung, zwischen beiden Fallgruppen zu unterscheiden. Weshalb schließlich sollte derjenige Auftragnehmer, der sich einer pflichtwidrigen Behinderung gegenübersieht, strengere Anforderung in Bezug auf die Behinderung und die dadurch kausal verursachte Verzögerung erfüllen müssen, als derjenige, der mit einer – rechtmäßigen – Leistungs- / Mengenänderung konfrontiert wird. Gerade im Fall von Beschleunigungsanordnungen liegen beide Anspruchsgrundlagen auch tatbestandlich fast kaum mehr voneinander abgrenzbar beieinander, so dass unterschiedliche Anforderungen nicht gerechtfertigt erscheinen. Überdies können diese Vorgaben auch in die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B hineingelesen werden. Denn eine Anordnung bzw. Forderung zur Leistungsänderung rechtfertigt eine Änderung des Preises bzw. der Vergütung, welche auf eine Verzögerung der Bauzeit beruhen, auch nur dann, wenn die Anordnung bzw. Forderung tatsächlich für die längere Bauzeit kausal ist. Andernfalls griffen nicht der Änderungswunsch, sondern andere Umstände in die Preisgrundlagen ein.
Wie oben unter 2. a) dargelegt, konnte die Klägerin aufgrund der Defizite im Hinblick auf die Bautagesberichte den Nachweis der konkret einem Sachverhalt zuzuordnenden Behinderung und Bauzeitverzögerung nicht führen. Dies gilt somit auch für alle Sachverhalte, die der Gruppe 2 zuzuordnen sind.
Ergänzend sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Klägerseite in Bezug auf die Nachträge Felsaushub („Störung“ Nr. 16), Bodenaushub („Störungen“ Nr. 23 bis 26) und Umstellung Mattenstahl auf Stabstahl („Störungen“ Nr. 27 bis 32) vorträgt, die Feststellungen des Privatgutachters U. beruhten u.a. auf „allgemeinen Erfahrungssätzen“ (vgl. Bl. 2154, 2155 und 2156 d.A.). Damit räumt die Klägerseite aus Sicht des Senats selbst eine nicht konkret bauablaufbezogene, sondern eine hypothetische Betrachtungsweise ein.
dd) Ansprüche aus § 2 Nr. 8 VOB/B scheiden ebenfalls aus.
Das Vorliegen eines konsensualen Nachtrages oder einer Anordnung des Auftraggebers schließt bereits den Tatbestand der Vorschrift aus, die eine Leistungserbringung des Auftragnehmers ohne Auftrag mit nachträglicher Anerkennung durch den Auftraggeber oder Notwendigkeit der Leistung sowie mutmaßlichen Willen des Auftraggebers voraussetzen. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass alle Leistungsänderungen der Gruppe 2 vom Beklagten gewünscht wurden. Dies schließt eine eigenmächtige Abweichung der Klägerin vom Auftrag aus.
Im Übrigen würden Ansprüche wegen Bauablaufstörungen auch im Rahmen von § 2 Nr. 8 VOB/B jedenfalls am grundsätzlichen Vorrang der Festlegungen in den Nachträgen, die einen Vorbehalt nicht enthalten, sowie am Fehlen des Nachweises konkreter bauablaufbezogener Störungen scheitern (s.o.).
b) Auch Ansprüche aus § 6 Nr. 6 VOB/B scheiden für die Gruppe 2 insgesamt aus.
Zum einen kann § 6 Nr. 6 VOB/B neben förmlichen Nachträgen, die im Rahmen von Konstellation nach § 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B geschlossen wurden, keine Anwendung finden. Zum anderen würde es in jedem Fall wiederum am Nachweis konkreter Bauablaufstörungen fehlen.
aa) Der Senat hat bereits in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2010 (Bl. 2442 d.A.) darauf hingewiesen, dass nach seiner Ansicht § 6 Nr. 6 VOB/B in Fällen des § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B keine Anwendung finden kann, weil ein vertraglich rechtmäßig angeordneter Leistungsgegenstand nicht Grundlage eines Schadensersatzanspruches wegen einer Pflichtverletzung, wie § 6 Nr. 6 VOB/B sie voraussetzt, sein kann. Später wurde nochmals darauf hingewiesen, dass hieran festgehalten wird (Bl. 2627 d.A.). Der Senat hält auch weiterhin an dieser Auffassung fest.
Der Senat stützt sich insofern auf die überzeugenden Ausführungen im Aufsatz von Thode, ZfBR 2004, 214 ff. Dort wird ausgeführt:
„Der Anspruch auf eine geänderte oder zusätzliche Vergütung gemäß § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B für eine Leistung, die auf einem wirksamen Vertrag als causa beruht, und der Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B, der eine schuldhafte Pflichtverletzung voraussetzt, schließen einander aus. In Hinblick auf diesen Befund können Kosten der mittelbaren Bauzeitverzögerung nur im Rahmen der Preisermittlungsgrundlagen als Bestandteil der geänderten oder zusätzlichen Vergütung gemäß § 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B vom Auftragnehmer verlangt werden.“
Überzeugend für den Senat ist vor allem der von Thode herausgearbeitete Kontrapunkt zwischen der im Rahmen des Vertrages ablaufenden Vorgänge nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B einerseits und den gerade vertragswidrigen Pflichtverletzungen, die Grundlage einer Haftung nach § 6 Nr. 6 VOB/B bilden. Thode gelingt so eine nach Systematik und Wortlaut saubere Abgrenzung. Würde man Überschneidungen zulassen, würde man die vom Senat oben unter a) herausgearbeitete Interessenlage, die zu einer im Regelfall abschließenden Vereinbarung der Kosten eines Nachtrages gelangt, über die Hintertür des § 6 Nr. 6 VOB/B wieder konterkarieren. Wären auch im Fall vertraglich geregelter Nachträge Ansprüche aus § 6 Nr. 6 VOB/B allein aufgrund des zugrunde liegenden Änderungswunsches des Auftraggebers möglich, widerspräche dies der vertraglichen Auslegung vom Empfängerhorizont, dass das vorgelegte Nachtragsangebot sämtliche im Zusammenhang mit der Zusatzleistung kalkulierte Kosten umfasst.
Wie Thode ebenfalls zutreffend herausarbeitet, sind die von Klägerseite zitierten (älteren) Entscheidungen des BGH (VII ZR 84/67 und VII ZR 23/84) für die hier zu entscheidende Frage nicht ergiebig. Abgesehen von der von Thode bereits getroffenen Feststellung, dass keiner der beiden Entscheidungen einen Fall zum Gegenstand hatte, in dem die Ausübung des vertraglich vereinbarten Leistungsbestimmungsrechts durch den Auftraggeber zu einer Bauzeitverlängerung geführt hat, betraf auch keiner der beiden Entscheidungen einen Fall, in dem letztlich konsensual ein Nachtrag zustande gekommen war. Soweit die Klägerseite darlegt, der BGH gehe von einer parallelen Anwendung von § 2 Nr. 5/6 VOB/B und § 6 Nr. 6 VOB/B aus, kann dies den zitierten Entscheidungen so nicht entnommen werden.
bb) Selbst wenn man § 6 Nr. 6 VOB/B neben § 2 Nr. 5/6 VOB/B zur Anwendung bringen möchte, würden Ansprüche wiederum am fehlenden Nachweis einer konkret jedem Einzelsachverhalt zuzuordnenden bauablaufbezogenen Behinderung scheitern.
Insofern kann vollumfänglich auf die Darstellungen zu den Sachverhalten der Gruppe 1 (oben 2. a)) Bezug genommen werden. Die vom Sachverständigen Z. festgestellten Defizite hinsichtlich der Bautagesberichte lassen auch in Bezug auf die Sachverhalte der Gruppe 2 keine konkret bauablaufbezogene Betrachtung zu.
c) Ansprüche aus § 642 BGB scheiden bei den Sachverhalten der Gruppe 2 von vornherein aus, da keine unterlassene Mitwirkungshandlung des Beklagten als Besteller vorgetragen wird.
Auch die Klägerin selbst geht bei ihrer rechtlichen Einordnung nicht von der Anwendbarkeit des § 642 BGB bei den Sachverhalten der Gruppe 2 aus.
4. Auch bei den Sachverhalten der Gruppe 3 (Folgen) scheiden sämtliche Ansprüche auf Schadensersatz wegen Bauzeitverzögerung aus.
Nach Auffassung des Senats könnten Ansprüche nur dann in Betracht kommen, wenn der Grundsachverhalt, auf die die geltend gemachte Folgestörung beruht, selbst ausreichend im Sinne der BGH-Rechtsprechung dargelegt und nachgewiesen ist. Auch die Klägerin führt im Rahmen ihrer rechtlichen Einschätzung aus, dass sich die Folgestörungen rechtlich nach den sie auslösenden Grundstörungen richteten. Da aber – wie dargelegt – keiner der Grundsachverhalte der Gruppen 1 und 2 zu einer Haftung auf Schadensersatz wegen Bauzeitverzögerung führt, können auch die darauf beruhenden Folgen nicht zu einer Haftung führen.
5. Soweit die Klägerin vorträgt, der Beklagte sei vorgerichtlich im Rahmen der Verhandlungen über einen Nachtrag zu sämtlichen Bauablaufstörungen selbst vom Bestehen entsprechender Ansprüche dem Grunde nach ausgegangen, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
Der Senat versteht den Vortrag der Klägerin letztlich auch nicht so, dass allein aus diesem Verhalten bereits eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach hergeleitet werden soll. Im Übrigen reicht der Vortrag auch objektiv nicht aus, um einen Haftungsgrund (z.B. aus einem wie immer gearteten Schuldanerkenntnis) herzuleiten. Letztlich hat sich der Beklagte im Rahmen der Verhandlungen für einen Nachtrag offen gezeigt, der aber letztlich aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zur Höhe nicht zustande kam. Eine rechtliche Bindungswirkung vermag der Senat hieraus nicht herzuleiten. Folglich kann es auch nicht als 28 U 2834/09 – Seite 28 – widersprüchliches oder gar treuwidriges Verhalten betrachtet werden, wenn der Beklagte im hiesigen Rechtsstreit den Ansprüchen wegen Bauzeitverzögerung insgesamt entgegen tritt.
6. Mangels eines Hauptanspruches besteht auch kein diesbezüglicher Zinsanspruch. Im Rahmen des Teilurteils wird dabei der von Klägerseite geltend gemachte Mindestanspruch in Höhe von 1 Prozentpunkt über der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank p.a. klageabweisend erfasst.t


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben