Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw bei vorhergehendem Hinweis auf Manipulationssoftware

Aktenzeichen  21 U 4155/18

Datum:
27.6.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40403
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 123 Abs. 2, § 434, § 437 Nr. 2, 3, § 442, § 444, § 823 Abs. 2, § 826

 

Leitsatz

1. Etwaige Gewährleistungsansprüche oder Rückabwicklungsansprüche nach Anfechtung gegen den Verkäufer im Zusammenhang mit dem „Diesel-Skandal“ sind ausgeschlossen, wenn der Verkäufer den Käufer mittels eines Informationsschreibens vor Abschluss des Kaufvertrages auf die eingebaute (manipulierende) Motorsteuerungssoftware hingewiesen hat. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. In einem solchen Fall scheiden auch deliktische Ansprüche gegen den Hersteller des Fahrzeugs aus, weil weder eine Täuschung im Sinne eines Betrugstatbestands noch eine sittenwidrige Schädigung durch Verleiten zum Abschluss eines wirtschaftlich nachteilhaften Vertrags vorliegen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

41 O 17754/17 2018-09-21 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.09.2018, Az.: 41 O 17754/17, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil des Landgerichts München I vom 21.09.2018, Az,: 41 O 17754/17, ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf € 30.800,- festgesetzt.

Gründe

Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 22.05.2019 (vgl. Bl. 703/711 d.A.) angekündigt, übt der Senat sein eingeschränktes Ermessen („soll“) dahingehend aus, dass er die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO endgültig zurückweist.
I.
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw Audi Q5 2.0 TDI bzw. über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem „Diesel-Skandal“.
1. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 27.09.2016 von der Beklagten zu 1) – … – einen gebrauchten Pkw Audi Q5 2.0 TDI, FIN: …38, zu einem Kaufpreis von € 30.800,-.
Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrags unterschrieb der Kläger ein Schreiben der Beklagten zur „Information zum EA 189 für Gebrauchtwagen“. Auf das als Anlage B 12 vorgelegte Informationsschreiben wird ausdrücklich Bezug genommen, herauszustellen ist folgende Passage:
„Wir informieren Sie darüber, dass der in Ihrem Fahrzeug eingebaute Dieselmotor vom Typ EA 189 EUS von einer Software betroffen ist, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstandlauf (NEFZ) optimiert.“
Das Fahrzeug wurde am 28.09.2016 ausgeliefert (vgl. Anlage K 1). Wie im vorgenanntem Informationsschreiben vermerkt, erkennt die in den Dieselmotor EA 189 des streitgegenständlichen Fahrzeugs verbaute Software den Prüfstand und aktiviert sodann Modus 1 mit einer hinsichtlich des Stickstoffoxids optimierten Abgasrückführung. Der Aufforderung der … AG vom Januar 2017, ein Softwareupdate vornehmen zu lassen, ist der Kläger nicht nachgekommen.
Mit Anwaltsschreiben vom 06.10.2017 (vgl. Anlage K 2) erklärte der Kläger vielmehr gegenüber der Beklagten zu 1) die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag, und begehrt entsprechend die Rückabwicklung. Der Kläger führt aus, dass er das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug mit der Manipulationssoftware ausgestattet ist. Die Täuschung sei durch den VW-Konzern mittels dadurch manipulierter Zulassungspapiere, Werbeaussagen mit bewusst falschen Angaben usw. vollzogen worden. Die Beklagte zu 2) hafte daher wegen Betrugs und wegen sittenwidriger Schädigung nach §§ 823 Abs. 2, 826 BGB.
Im Übrigen wird auf die Feststellungen im Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen (vgl. § 540 ZPO).
2. Das Landgericht München I hat in seinem Urteil vom 21.09.2018, Az.: 41 O 17754/17, die Klage (vgl. Bl. 674/683 d.A.) gegen beide Beklagten vollumfänglich abgewiesen.
-Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greife nicht durch. Durch das Informationsschreiben sei der Kläger bereits vor Abschluss des Kaufvertrages auf die eingebaute (manipulierende) Motorsteuerungssoftware hingewiesen worden. Das Informationsschreiben kläre in hinreichender Weise auf, sodass eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Verhältnis zur Beklagten zu 1) nicht in Betracht komme.
-Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu 1) nach §§ 434, 437 Nr. 2 und 3 BGB (Rücktritt, Schadensersatz) wegen der eingebauten Software seien ebenfalls wegen Kenntnis des Mangels gemäß § 444 BGB ausgeschlossen.
-Deliktische Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) seien folglich auch ausgeschlossen, weil weder eine Täuschung im Sinne eines Betrugstatbestands noch eine sittenwidrige Schädigung durch Verleiten zum Abschluss eines wirtschaftlich nachteilhaften Vertrags vorlägen.
3. Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers (vgl. Berufungsbegründung vom 29.01.2019, Bl. 695/702 d.A.).
Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter und beantragt hilfsweise, falls eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommt:
Das Urteil des LG München I vom 29.01.2018, Az.: 41 O 17754/17, wird wie nachfolgend abgeändert:
1.Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei € 30.800.00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.10.2017 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw Audi Q5 2.0 TDI, FIN: …38, und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Pkw.
2.Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagte zu 2) das Fahrzeug Audi Q5 2.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: …38) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.
3.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag 4. Die Beklagtenparteien werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 2.256,24 freizustellen.
Die Berufung wendet ein, dass beim Kläger weder eine positive Kenntnis, noch eine grob fahrlässige Unkenntnis des streitgegenständlichen Mangels im Sinne des § 442 BGB vorgelegen habe bzw. vorliege. Der „diffuse Verweis auf die Medienberichterstattung“ genüge nicht den erforderlichen Feststellungen betreffend die Kenntnislage; auch habe das Gericht nicht festgestellt, welche konkreten Nachforschungen der Kläger hätte durchführen müssen. Bei dem als Anlage B 12 vorgelegten Informationsschreiben handele es sich „eher um einen verschleiernden Euphemismus, denn um eine ungeschönte Aufklärung über einen Sachmangel“. Die arglistige Täuschung sei zu bejahen. Die Beklagte zu 2) sei nicht als „Dritte“ im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB anzusehen. Mittelbarer Täter sei die Beklagte zu 1).
Die deliktischen Ansprüche greifen gegen die Beklagte zu 2) durch.
Zudem verweist der Kläger auf eine erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 16.01.2018 als Anlage R29a vorgelegte EG-Übereinstimmungsbescheinigung mit einer selbständigen Garantie, die zu einer vertraglichen Haftung des Herstellers führe.
4. Im Hinweisbeschluss vom 22.05.2019 hat der Senat umfassend erläutert, warum er die Berufung für unbegründet halte, und den Parteien Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 21.06.2019 eingeräumt.
Eine Stellungnahme ist bisher nicht zu den Akten gelangt.
II.
Die Voraussetzungen einer endgültigen Behandlung nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen (weiterhin) vor:
1. Wie bereits im Hinweisbeschluss erläutert, hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung (vgl. § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).
Eine Stellungnahme des Klägers ist innerhalb der Stellungnahmefrist bis zum 21.06.2019 nicht zu den Akten gelangt.
– Textteile fehlen –
… wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug genommen (vgl. § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO).
Im Wesentlichen scheitern danach etwaige Gewährleistungsansprüche oder Rückabwicklungsansprüche nach Anfechtung gegen die Beklagte zu 1) daran, dass der Kläger als Käufer durch das als Anlage B 12 vorgelegte Informationsschreiben hinreichend über die Fehlerproblematik aufgeklärt worden war.
Etwaige deliktische Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) scheitern daran, dass aufgrund der geschilderten Vertragsmodalitäten jegliche Täuschung im Sinne eines Betrugstatbestands oder eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ausscheiden.
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Hinsichtlich der Festsetzung des Gebührenstreitwerts in Ziffer IV. dieses Beschlusses beruht die Entscheidung auf §§ 3, 9 ZPO.
München, 27.06.2019


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