Handels- und Gesellschaftsrecht

Leistungsfreiheit, Rechtsanwaltskosten, Berufung, Hausratversicherung, Versicherungsfall, Schadensersatzanspruch, Nichtzulassungsbeschwerde, Versicherungsschein, Obliegenheitsverletzung, Feststellung, Versicherungsleistungen, Feststellungsinteresse, Einfamilienhaus, Anspruch, nicht ausreichend, Eintritt des Versicherungsfalls, Frankfurt Main

Aktenzeichen  8 U 2056/19

Datum:
10.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56608
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

21 O 19/19 2019-06-05 LGWEIDEN LG Weiden

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 05.06.2019, Az. 21 O 19/19 Ver, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 21.348,39 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Leitungswasserschadens auf Feststellung deren Leistungspflicht aus einer Wohngebäude- und einer Hausratversicherung in Anspruch.
1. Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.08.2005 eine Wohngebäudeversicherung, die auch das Risiko von Leitungswasserschäden einschließt (vgl. Versicherungsschein vom 16.08.2005, Anlage zu Bl. 1 ff. d.A.). Vereinbart ist die Geltung von AVB nach dem Muster der VGB 2000 (Anlage zu Bl. 1 ff. d.A.).
Zudem besteht seit dem 01.07.2005 zwischen den Parteien eine Hausratversicherung, die ebenfalls das Risiko von Leitungswasserschäden einschließt (vgl. Versicherungsschein, auszugsweise vorgelegt als Anlage zu Bl. 1 ff. d.A.). Vereinbart ist die Geltung von AVB (Anlage zu Bl. 25 f. d.A.).
Im Januar 2018 trat der Kläger einen mehrmonatigen Urlaub an. Er drehte vorher im versicherten Anwesen den Hausabsperrhahn vor der Wasseruhr zu, entleerte die Wasserleitungen und betätigte die Toilettenspülungen, um die Absperrung zu überprüfen. Trotz Betätigens der Toilettenspülung floss erwartungsgemäß kein Wasser. Einen nach der Wasseruhr befindlichen zweiten Absperrhahn drehte der Kläger nicht zu.
Als der Kläger am 07.06.2018 aus dem Urlaub zurückkehrte, stellte er fest, dass ein erheblicher Wasseraustritt stattgefunden hatte. Dieser war entstanden, weil der zugedrehte Hausabsperrhahn die Wasserzufuhr nicht vollständig verschlossen hatte und ein Ventil am Anschluss der Waschmaschine undicht geworden war. Seit der Abreise des Klägers im Januar 2018 hatten weder Kontrollen der Absperrung und Entleerung stattgefunden, noch hatte der Kläger solche veranlasst.
Durch den Wasseraustritt sind in beiden Versicherungen versicherte Schäden eingetreten, wobei die Schadenshöhe zwischen den Parteien jeweils streitig ist.
Mit Schreiben vom 30.07.2018 (Anlage zu Bl. 1 ff. d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass in der Wohngebäudeversicherung Deckung unter Berücksichtigung einer Kürzungsquote von 50% erteilt werde und dass für den Hausratsschaden eine Schadensnummer angelegt sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich den Standpunkt vertreten, die Beklagte sei in beiden Versicherungen in voller Höhe des entstandenen Schadens eintrittspflichtig, ohne eine Kürzung wegen einer Obliegenheitsverletzung, wegen einer Gefahrerhöhung oder wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls geltend machen zu können. Der Kläger habe vor seiner Abreise alles unternommen, wozu er verpflichtet gewesen sei. Eine Gefahrerhöhung liege nicht vor, da das Anwesen vor und nach der Abwesenheit benutzt worden sei und während der Abwesenheit voll möbliert geblieben sei. Zur Durchführung oder Veranlassung von Kontrollen im Inneren des Anwesens sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen. Zudem sei der Schaden frühestens zwei Wochen vor dem 07.06.2018 entstanden. Jedenfalls die Veranlassung einer Kontrolle nach diesem Zeitpunkt sei nicht geboten gewesen sei. Eine Kontrolle vor diesem Zeitpunkt hätte den Schadenseintritt nicht verhindert.
Der Schaden in der Wohngebäudeversicherung betrage 43.370,98 € (vgl. Anlage zu Bl. 1 ff. d.A.), derjenige in der Hausratversicherung 10.000,00 €.
Der Kläger hat daher nach mehreren Antragsänderungen (vgl. Ersturteil, Seite 4 f., Bl. 54 f. d.A.) zuletzt beantragt,
1.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Versicherungsleistungen aus der Wohngebäudeversicherung Nummer LW-… in voller Höhe aus dem Leitungswasserschaden vom 7.6.2018 an dem Einfamilienhaus am S. 14, 9 K vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 22 Nr. 1 Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2000 – BVV/BLBV) zu gewähren, und
2.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Versicherungsleistungen in voller Höhe aus der Hausratversicherung Vers.-Nr. FV-0000… aufgrund des Leitungswasserschadens vom 7.6.2018 am Hausrat in dem Einfamilienhaus A S. 14, 9 K vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 23 Ziffer 1 der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2000 – BVV/BLBV) zu gewähren.
3.Die Beklagte wird verurteilt, als nicht streitwerterhöhende Nebenforderung Kosten der außergerichtlichen Rechtsvertretung i.H.v. 1.358,86 € nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu insbesondere vorgetragen:
Die Feststellungsanträge seien unzulässig.
Die Beklagte sei zudem wegen eines vorsätzlichen Verstoßes des Klägers gegen § 24 Nr. 1c VGB 2000 leistungsfrei, da der Kläger das versicherte Gebäude etwa ein halbes Jahr lang nicht genutzt habe ohne regelmäßige Kontrollen der Wasserleitungen und deren Entleerung durchzuführen oder zu veranlassen. Im Falle eines grob fahrlässigen Verstoßes wäre nach § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG wenigstens eine Kürzung auf 50% gerechtfertigt. Ein entsprechendes Leistungskürzungsrecht stehe der Beklagen darüber hinaus wegen einer Gefahrerhöhung gemäß § 23 Abs. 1 VGB 2000, § 26 Abs. 1 VVG und wegen einer mindestens fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls gemäß § 81 Abs. 2 VVG zu.
2. Das Landgericht hat der Klage durch das angegriffene Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen verwiesen wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), mit Ausnahme eines Teils der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten mit folgendem Tenor stattgegeben:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Versicherungsleistungen aus der Wohngebäudeversicherung Nummer LW-… in voller Höhe nach dem Leitungswasserschaden vom 7.6.2018 an dem Einfamilienhaus am S. 14, 9 K vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 28 Nr. 1 Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2000 – BVV/BLBV) zu gewähren, und
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Versicherungsleistungen in voller Höhe aus der Hausratversicherung Vers.-Nr. FV-0000… aufgrund des Leitungswasserschadens vom 7.6.2018 am Hausrat in dem Einfamilienhaus Am S. 14, 9 K vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 31 Ziffer 1 der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2000 – BVV/BLBV) zu gewähren.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Kosten der außergerichtlichen Rechtsvertretung in Höhe von 1.100,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2018 zu bezahlen.
Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:
Die Feststellungsanträge seien zulässig, insbesondere habe der Kläger ein Feststellungsinteresse i.S. des § 256 Abs. 1 ZPO.
Dem stehe auch nicht etwa der Vorrang einer Leistungsklage entgegen, weil die Durchführung der Feststellungsklage unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führe. Dies gelte, obwohl die streitgegenständlichen Ansprüche nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach streitig seien, weil der Kläger nach positivem Ausgang des Feststellungsverfahrens nach § 31 VGB 2000 bzw. § 34 VHB 2000 die Durchführung eines nach § 84 VVG verbindlichen Sachverständigenverfahrens verlangen könne. Soweit in einem Betragsverfahren noch Umstände erkennbar werden könnten, die zu einem Ausschluss des Anspruchs insgesamt führen können, könne dies (entgegen OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Mai 2018 – 3 U 244/16 – r+s 2019, 25) durch einen entsprechenden Vorbehalt in der Antragsformulierung berücksichtigt werden.
Die Frage der Fälligkeit nach § 14 VVG stehe der Zulässigkeit nicht entgegen. Ausreichend sei, dass die betreffenden Ansprüche aus den Versicherungsverträgen bereits mit Eintritt des Versicherungsfalls entstanden seien.
In der zuletzt gestellten Fassung seien die Feststellungsanträge auch begründet.
Aus der Wohngebäudeversicherung stehe dem Kläger dem Grunde nach ein ungekürzter Anspruch zu. § 24 Nr. 1c VGB 2000 sei zum einen unwirksam, zum andern könnte der Beklagten nach dieser Bestimmung ein Kürzungsrecht wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers ohnehin nur dann zustehen, wenn sie den Vertrag – wie tatsächlich nicht erfolgt – fristlos gekündigt hätte. Eine Kürzung wegen Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b oder Satz 2 VGB 2000, § 26 Abs. 1 Satz 2 VVG scheide aus, weil das Anwesen zum einen auch während der Abwesenheit des Klägers voll möbliert und damit nicht unbenutzt gewesen sei und der Kläger zum anderen in Vorbereitung auf die längere Abwesenheit die Hauptwasserleitung abgestellt, die Leitungen entleert sowie die Entleerung überprüft habe und damit zumindest nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Mangels grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls scheide auch ein Leistungskürzungsrecht nach § 81 Abs. 2 VVG aus.
Auch aus der Hausratversicherung stehe dem Kläger dem Grunde nach ein ungekürzter Anspruch zu. Ein Leistungskürzungsrecht der Beklagten aus § 25 Nr. 1 VHB 2000, § 24 Nr. VHB 2000, § 26 Abs. 1 Satz 2 VVG oder § 81 Abs. 2 VVG bestehe aus den bereits zur Wohngebäudeversicherung gemachten, entsprechend geltenden Ausführungen nicht.
Den Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten schulde die Beklagte nach § 280 Abs. 1 BGB, nachdem sie ihre Leistungspflicht vorgerichtlich pflichtwidrig nur im Umfang von 50% anerkannt habe. Die erstattungsfähigen Gebühren berechneten sich allerdings nur nach dem Wert der hälftigen Ansprüche aus der Wohngebäudeversicherung, da sich die Beklagte zu Ansprüchen aus der Hausratversicherung vorgerichtlich noch nicht geäußert habe.
3. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klageziel der vollständigen Klageabweisung weiter. Zur Begründung führt sie insbesondere aus:
Zu Unrecht habe das Landgericht die Feststellungsanträge als zulässig angesehen, obwohl die klagegegenständlichen Ansprüche nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach streitig waren bzw. noch hätten streitig werden können. Auch die fehlende Fälligkeit der Ansprüche stehe einem Feststellungsinteresse entgegen. Darüber hinaus habe das Landgericht die vom Kläger formulierten Anträge in unzulässiger Weise umformuliert.
In der Sache sei die Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts nach § 26 VVG und § 81 Abs. 2 VVG leistungsfrei, weil der Kläger vorsätzlich das Gebäude für fast ein halbes Jahr lang nicht betreten habe, niemanden gebeten habe, während der Abwesenheit nach dem Rechten zu sehen und das Absperrventil nach der Wasseruhr nicht abgedreht habe. Zumindest stehe der Beklagten wegen eines grob fahrlässigen Handelns des Klägers ein Leistungskürzungsrecht um mindestens 50% zu.
Zu Unrecht habe das Landgericht die Beklagte zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt, obwohl diese nicht in Verzug geraten sei. Zudem habe das Landgericht als Gegenstandswert unzutreffenderweise die vom Kläger behauptete und von der Beklagten bestrittene Forderungshöhe zu Grunde gelegt.
Die Beklagte beantragt daher,
das Urteil des Landgerichts Weiden vom 05.06.2019, Az. 21 O 19/19 Ver, abzuändern, soweit darin festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Versicherungsleistungen aus der Wohngebäudeversicherung Nummer LW-… in voller Höhe nach dem Leitungswasserschaden vom 7.6.2018 an dem Einfamilienhaus Am S. 14, 9 K vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 28 Nr. 1 Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VHB 2000 – BVV/BLBV) zu gewähren und soweit darin festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Versicherungsleistungen in voller Höhe aus der Hausratsversicherung Vers.-Nr. FV-0000… aufgrund des Leitungswasserschadens vom 7.6.2018 am Hausrat in dem Einfamilienhaus Am S. 14, 9 Kemnath vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 31 Nr. 1 der Allgemeinen Hausratsversicherungsbedingungen (VHB 2000 – BVV) zu gewähren und soweit die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger Kosten der außergerichtlichen Rechtsvertretung in Höhe von 1.100,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das Ersturteil.
4. Mit Beschluss vom 18.12.2019 (Bl. 120 f. d.A.) hat der Senat mit Zustimmung der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.
II. Die – zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Umstände aufgezeigt, welche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen landgerichtlichen Feststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem in dem angefochtenen Urteil dargelegten Tatbestand auszugehen.
Die Berufung trägt auch keine Umstände dafür vor, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO). Das angefochtene Urteil stellt sich vielmehr als zutreffend dar.
Auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil wird zunächst verwiesen. Ergänzend ist auszuführen:
1. Das Landgericht hat die Klageanträge in zulässiger Weise ausgelegt und zu Recht ein diesbezügliches Feststellungsinteresse des Klägers und damit die Zulässigkeit der Feststellungsanträge bejaht.
a) Zutreffend hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, dass es eine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage gerade nicht gebe. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, dann zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (BGH, Urteil vom 19. April 2016 – VI ZR 506/14 – r+s 2016, 533, juris Tz. 6).
Dies ist im Streitfall insbesondere deswegen der Fall, weil der Versicherungsnehmer nach den vereinbarten AVB gerade nicht darauf beschränkt ist, einen etwaigen Streit um die Höhe des Anspruchs gerichtlich klären zu lassen, sondern vielmehr alternativ ein für beide Seiten verbindliches Sachverständigenverfahren anstrengen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1997 – IV ZR 136/96 – BGHZ 137, 319, juris Tz. 6; BGH, Urteil vom 16. April 1986 – IVa ZR 210/84 – r+s 1986, 185). Dies muss – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss vom 2. Mai 2018 – 3 U 244/16 – r+s 2019, 25, juris Tz. 17) – gerade auch in Fällen gelten, in denen die Höhe des Anspruchs streitig ist oder streitig werden kann, weil andernfalls die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens gerade nicht erforderlich wäre.
b) Dem steht – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (r+s 2019, 25, juris Tz. 17) – nicht entgegen, dass zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere bei der Feststellung der Höhe des Schadens, Umstände erkennbar werden können, die den Anspruch bereits dem Grunde nach entfallen lassen können (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007 – IV ZR 228/06 – r+s 2009, 155, juris Tz. 3; BGH, Urteil vom 23. September 1992 – IV ZR 199/91 – r+s 1992, 420, juris Tz. 13).
aa) Träfe dies zu, so hätte auch der Bundesgerichtshof in den oben angeführten Entscheidungen (BGHZ 137, 319 und r+s 1986, 185) ein Feststellungsinteresse nicht bejahen können, weil auch in diesen Fällen die Schadenshöhe streitig war oder noch hätte streitig werden können. Auch bei der Durchführung eines Sachverständigenverfahrens können noch Gesichtspunkte erkennbar werden (z.B. in Form von arglistigen Falschangaben), die zu einem Wegfall des Anspruchs bereits dem Grunde nach führen können. Maßgebliches Argument für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist in diesem Fall auch nicht etwa, dass der Versicherer bereits auf die Feststellung leisten wird (so aber OLG Frankfurt r+s 2019, 25, juris Tz. 18), sondern dass der Versicherte nicht zwingend auf die gerichtliche Klärung der Anspruchshöhe angewiesen ist und alternativ die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens verlangen kann. Die Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt, für die Zulässigkeit der Feststellungsklage danach zu differenzieren, ob die Schadenshöhe streitig ist oder nicht, führt deswegen nicht weiter, weil auch eine zunächst unstreitige Schadenshöhe später streitig werden kann, insbesondere dann, wenn arglistig falsche Angaben des Versicherungsnehmers nachträglich erkennbar werden.
bb) Vielmehr erscheint es gerade in Fällen, in denen die Schadenshöhe unstreitig ist, zweifelhaft, ob dem Kläger ein Interesse an einer Feststellung zugebilligt werden kann, wenn er wegen des Feststehens der Schadenshöhe unschwer sofort auf Leistung klagen kann.
cc) Auch kann der Senat im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten (Schriftsatz vom 06.12.2019, Seite 1, Bl. 110 d.A.) nicht annehmen, dass der Bundesgerichtshof in den vorgenannten Entscheidungen die für das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (aaO) maßgeblichen Gesichtspunkte übersehen hat.
dd) Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13. November 2019 (IV ZR 163/18 – n.v.) eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (aaO) zurückgewiesen hat. Da sich daraus jedoch nicht ergibt, aus welchen Gründen die Zurückweisung erfolgt ist, kann der Senat hieraus keine besseren Erkenntnisse bezüglich der oben (unter aa und bb) dargestellten Gesichtspunkte entnehmen.
c) Soweit die Möglichkeit des nachträglichen Eintritts einer Leistungsfreiheit nach § 28 Nr. 1 VGB 2000 bzw. § 31 Nr. 1 VHB 2000 nicht bereits als stillschweigender Vorbehalt eines solchen Feststellungsausspruchs anzusehen sein sollte, hat das Landgericht durch eine zulässige Auslegung der Klageanträge einen entsprechenden ausdrücklichen Vorbehalt beanstandungsfrei in den Feststellungstenor aufgenommen. Soweit die Beklagte bemängelt, dass das Landgericht den Ausschluss weiter gefasst hat, als vom Kläger beantragt, so hat es dem Kläger möglicherweise – in zulässiger Weise – weniger zugesprochen als beantragt. Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO läge dann gerade nicht vor. Ein mögliches Zurückbleiben hinter dem Antrag wäre von der Teilklageabweisung erfasst.
d) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Fälligkeit der Ansprüche nach § 14 VVG nicht Voraussetzung für das Bestehen eines Feststellungsinteresses ist. Gerade wenn die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens im Raum steht, können die Feststellungen zur Anspruchshöhe noch nicht abgeschlossen sein. Dementsprechend hätte auch der Bundesgerichtshof in den oben angeführten Entscheidungen (BGHZ 137, 319 und BGH r+s 1986, 185) ein Feststellungsinteresse mangels Fälligkeit nicht bejahen können.
2. In nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht zudem festgestellt, dass der Kläger weder vorsätzlich noch grob fahrlässig eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder den Versicherungsfall herbeigeführt hat, sodass der Beklagten kein Leistungskürzungsrecht zusteht. An diese Feststellungen ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr schließt sich der Senat der Würdigung des Landgerichts an.
a) Dabei ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einer Gebäudenutzung ausgegangen ist. So wurde das Anwesen unstreitig sowohl vor der Abwesenheit des Klägers als auch anschließend vollumfänglich zu Wohnzwecken benutzt. Während der Abwesenheit blieb das Anwesen vollständig möbliert und verschlossen, sodass die ständige Nutzbarkeit zu Wohnzwecken vollständig aufrechterhalten geblieben war. Selbst eine Nutzung zur Aufbewahrung der Möbel stellt jedoch eine Gebäudenutzung dar (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 16 U 65/11 – juris Tz. 28). Das Gebäude ist während dieses Zeitraums gerade nicht als „unbewohnt“ anzusehen.
b) Eine vorsätzliche Gefahrerhöhung oder Herbeiführung des Versicherungsfalls ist nicht anzunehmen. Daran ändert nichts, dass der Kläger sich bewusst dafür entschieden haben mag, das Anwesen fast ein halbes Jahr lang nicht zu betreten und dabei keine Dritten mit einer Kontrolle im Inneren des Hauses zu beauftragen. Der Umstand, dass der Kläger hierzu die Wasserzufuhr abgesperrt, die Leitungen entleert, die Entleerung überprüft und Dritte mit der gelegentlichen Kontrolle von außen (womit etwa ein unbefugtes Eindringen bemerkt hätte werden können) beauftragt hat, zeigt vielmehr, dass der Kläger davon ausgegangen ist, durch das Ergreifen dieser Maßnahmen gerade keine Gefahrerhöhung und keinen Versicherungsfall herbeizuführen.
c) Eine grob fahrlässige Gefahrerhöhung oder eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls hat das Landgericht beanstandungsfrei verneint. So hat der Kläger grundsätzlich geeignete Maßnahmen ergriffen, um eine Gefahrerhöhung und den Eintritt des Versicherungsfalls zu verhindern. Zwar hätte ein Zudrehen des zweiten Absperrventils oder ein Beauftragen Dritter mit einer Kontrolle im Inneren des Gebäudes den Schadenseintritt möglicherweise verhindert. Der Senat folgt jedoch der Würdigung des Landgerichts, dass es sich dabei gerade nicht um Maßnahmen handelt, die jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer sofort hätten einleuchten müssen und deren Nichtergreifung daher schlechterdings nicht nachvollziehbar erscheint.
Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten kann auch gerade nicht angenommen werden, dass der Kläger die Absperrung nicht „ordnungsgemäß“ überprüft haben kann, weil ja das Wasser weitergelaufen sei. Den konkreten Vortrag dazu, dass der Kläger die Leitungen entleert habe und durch Betätigen der Toilettenspülung die Entleerung überprüft habe, hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt bestritten. Dementsprechend verbleibt die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass das betreffende Absperrventil erst mit der Zeit durchlässig geworden ist, sodass eine anfangs nur in einem geringen Umfang bestehende oder insgesamt erst mit der Zeit aufgetretene Undichtigkeit beim ursprünglichen Verschluss des Ventils und einer anschließenden Überprüfung gerade nicht festgestellt werden konnte.
d) Die Beklagte erleidet hierdurch auch keinen unzumutbaren Nachteil.
So hatte es die Beklagte vielmehr selbst in der Hand gehabt, ihre AVB, insbesondere die Regelung zu Obliegenheiten, der Neufassung des § 28 VVG anzupassen und etwaige weitere vertragliche Voraussetzungen für eine Leistungskürzung (hier: Ausspruch der Kündigung) vorzunehmen. Nachdem die Beklagte hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht hat, besteht kein Anlass, das von der Beklagten gewünschte Ergebnis nunmehr über eine extensive Auslegung der Vorschriften zur Gefahrerhöhung oder der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls herbeizuführen.
3. Auch den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht zutreffend allein auf Grundlage des Leistungsanspruchs aus der Leitungswasserversicherung und unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlags von 20% zu Recht zugesprochen.
a) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht diesen Anspruch nicht auf einen Schadensersatzanspruch aus Verzug, sondern auf einen solchen aus § 280 Abs. 1 BGB gestützt, wobei es die Pflichtverletzung der Beklagten zutreffend darin gesehen hat, dass diese die Erfüllung weitergehender, mithin ungekürzter Ansprüche in pflichtwidriger Weise abgelehnt hat. Zwar weist die Beklagte im Ansatzpunkt zurecht darauf hin, dass sie nicht verpflichtet war, Ansprüche des Klägers anzuerkennen. Sie hatte es jedoch zu unterlassen, unberechtigte Kürzungen bereits bei den Verhandlungen über den Anspruchsgrund zu erklären, die den Kläger dazu zwingen, anwaltschaftliche Hilfe nachzusuchen. Auch wenn § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB mangels Fälligkeit des Anspruchs (vgl. oben unter 1d) nicht direkt gelten kann, so greift jedoch der darin verkörperte Rechtsgedanke, dass der Schuldner für den Schaden einzustehen hat, den er durch eine unberechtigte Leistungsverweigerung provoziert.
b) Den Streit um den ungekürzten Bestand des Anspruchs dem Grunde nach hat das Landgericht zutreffend nach den Vorstellungen des Klägers vom Wert des von der Kürzung betroffenen Teils des Anspruchs aus der Leitungswasserversicherung bewertet. Zwar trifft es zu, dass die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren nur in dem Rahmen verlangt werden kann, in dem sich die betreffende Forderung als begründet erweist. Vorliegend ist die Höhe eines begründeten Anspruchs jedoch gerade nicht geklärt, sondern lediglich eine Feststellung zum Anspruchsgrund ausgesprochen worden. Zur Bewertung des sich in diesem Sinne als begründet erwiesenen Feststellungsbegehrens kann dabei nach allgemeinen Grundsätzen nur auf die Vorstellungen des Klägers zur Höhe des damit durchzusetzenden Anspruchs zurückgegriffen werden.
c) Aus der Leitungswasserversicherung stellt sich der Kläger einen von der Kürzung betroffenen Teilbetrag in Höhe von 21.685,49 € vor. Abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20% verbleibt somit ein vorgerichtlicher Gegenstandswert von 17.348,39 €. Eine
1,3-Geschäftsgebühr hieraus beläuft sich nebst Pauschale und Umsatzsteuer auf den vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 1.100,51 €.
d) Auf Ansprüche aus der Hausratversicherung kommt es für die Berechnung des vorgerichtlichen Gegenstandswerts im Berufungsverfahren somit überhaupt nicht mehr an. Die diesbezügliche Klageabweisung hat der Kläger nicht angegriffen.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
IV. Die Revision war im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (r+s 2019, 25) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) zuzulassen. Sollte in der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Bundesgerichtshof (vgl. oben unter 1b cc) die Bestätigung des Rechtssatzes zu sehen sein, dass bei streitiger Schadenshöhe ein Feststellungsantrag wie der streitgegenständliche nicht zulässig sei, so weicht das vorliegende Urteil von diesem ab. 


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