Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Rechtsanwaltskosten, Mitverschulden, Schaden, Streitwert, Kollision, Verletzung, Zustimmung, Anspruch, Erstattung, Haftung, Gutachten, Zahlung, unerlaubten Handlung, Verletzung des Rechts, Wiederherstellung des Zustands

Aktenzeichen  24 O 1524/19

Datum:
12.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54566
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.741,81 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.08.2017 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 805,20 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2019.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 28 % und der Beklagte 72 % zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils für die Beklagten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 17.687,26 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 12.741,81 € zu.
I. Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Memmingen ist das gemäß §§ 23, 71 GVG sachlich und nach § 29 ZPO örtlich zuständige Gericht.
II. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
1. Es liegt eine Eigentumsverletzung der Klägerin durch den Beklagten vor. Das Eigentum der Klägerin, die aufgrund der Stromunterbrechung verdorbenen Lebensmittel, ist durch die Unterbrechung des elektrischen Stromes beschädigt worden. Bedarf eine Sache zur Erhaltung ihrer Substanz der ständigen Zufuhr von Wasser, Strom oder ähnlichem, so bewirkt auch derjenige die Zerstörung, der sie durch Abschneiden dieser Zufuhr vernichtet (vgl. Urteil des BGH, NJW 1964, 720 ff.). Der Betrieb der Klägerin ist auf die Stetigkeit der Stromzufuhr angewiesen ist, da ihr ansonsten die sich in der Herstellung befindlichen verderblichen Waren untergehen. Werden die Milcherzeugnisse nicht kontinuierlich gekühlt, so verderben diese. Der Beklagte hat mit seinem Traktor ein Stromkabel eines Strommastes der … beschädigt. Das Gericht ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass diese Handlung die Stromunterbrechung bei der Klägerin schuldhaft verursacht hat. Der bei der Klägerin hierdurch eingetretene Vermögensverlust ist ein aus der Eigentumsverletzung hervorgehender Folgeschaden, der im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB zu ersetzen ist (vgl. Urteil des BGH, NJW 1964, 720 ff.). Die Produktion der Klägerin ist nicht lediglich unterbrochen worden. Sie konnte nach der Wiederherstellung der Stromzufuhr gerade nicht am alten Punkt wieder aufgenommen und – wenn auch nach Zeitverlust – zu Ende geführt werden. Vielmehr waren die Milch und die Milchprodukte über einen längeren Zeitraum – dabei kann dahinstehen, wie lange dieser genau war – nicht gekühlt und mussten in der Folge entsorgt und vernichtet werden. Hierin ist eine Eigentumsverletzung zu sehen, durch welche die Klägerin unmittelbar betroffen ist.
Der Ersatz entsprechender Schäden ist auch vom Schutzzweck der Norm umfasst. Es geht nicht über den Schutzzweck von § 823 Abs. 1 BGB hinaus, dem Beklagten die Haftung für einen Schaden der eingetretenen Art aufzuerlegen. Das durch die Schadensersatzpflicht ausgedrückte Gebot, fremdes Eigentum nicht zu beschädigen, bezweckt bei Einrichtungen von weittragender Bedeutung nicht nur den Schutz ihrer Substanz, sondern auch ihrer Funktion. Das Verbot der Beschädigung von beispielsweise Stromkabeln, Strommasten, Versorgungsleitungen etc. will auch und gerade Schutz vor dem Eintritt der typischen Folgen bieten (vgl. Urteil des BGH, NJW 1964, 720 ff.). Entsprechende Schäden, wie bei der Klägerin durch die Handlung des Beklagten eingetreten, bewegen sich nicht außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs. Aufgrund der Abhängigkeit der Allgemeinheit von der Energieversorgung erwächst für jedermann die Pflicht, die Freileitungen und Kabel nicht nur als Gegenstände, sondern ganz besonders im Hinblick auf ihre Bedeutung in Acht zu nehmen (vgl. Urteil des BGH, NJW 1964, 720 ff.).
2. Die Klägerin ist somit so zustellen, wie der Zustand im Betrieb bestanden hätte, wenn der Strom nicht ausgefallen wäre. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.10.2020 überzeugend ausgeführt, dass der Klägerin infolge des Stromausfalles ein Gesamtschaden in Höhe von 12.741,81 € entstanden ist. Dieser setzt sich aus einem Schaden in Höhe von 4.784,17 € Schaden im Maschinenraum, einem in Höhe von 2.472,14 € in der Käserei, einem in Höhe von 3.925,59 € in der Quarkerei und einem in Höhe von 1.203,41 € zusammen. Hinzu kommt noch ein Betrag in Höhe von 356,50 € aufgrund externer Kosten. Das Gericht macht sich die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nach eigener Prüfung vollumfänglich zu Eigen.
Die Klägerin kann demgegenüber die Posten nicht von dem Beklagten ersetzt verlangen, die ausschließlich auf die denknotwendige Produktionsunterbrechung aufgrund des Stromausfalls zurückzuführen sind, da es sich insoweit um einen reinen Vermögensschaden handelt (vgl. Urteil des BGH, NJW 1964, 720 ff.). Den Ersatz dieses Schadens kann die Klägerin auch nicht aus einem unzulässigen Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fordern. Die Durchtrennung des Stromkabels durch den Beklagten stellt keinen unmittelbaren, betriebsbezogenen Angriff auf das Unternehmen der Klägerin dar (vgl. Urteil des BGH, NJW 1964, 720 ff.). Hieraus folgt, dass die Produktionsunterbrechung ein nicht ersatzfähiger Vermögensschaden eines lediglich mittelbar geschädigten Dritten ist, der deshalb Ausfälle erleidet, weil das unmittelbar geschädigte Elektrizitätswerk die vertraglich zugesicherte Stromlieferung vorübergehend nicht erbringen kann (vgl. Urteil des BGH, NJW 1964, 720 ff.). Hierunter fallen die Kosten für den Stillstand der Maschinen, die Kosten für das Personal ohne Einsatzmöglichkeit und solche Posten, die nicht lediglich der Wiederherstellung des Zustands vor dem Stromausfall dienten, sondern unmittelbar oder mittelbar die Geltendmachung des entgangenen Gewinns darstellen. Dies hat der Sachverständige in seinem Gutachten berücksichtigt, da das Gericht bereits in dem Beweisbeschluss vom 18.06.2020 hierauf hingewiesen hat.
3. Der Klägerin ist kein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB anzurechnen aufgrund der Tatsache, dass sie nicht über ein ausreichendes Notstromaggregat verfügt hat. Ein Mitverschulden ist dann anzunehmen, wenn diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die jedem ordentlich und verständigem Menschen obliegt, um sich vor Schäden zu bewahren. Der Geschäftsführer der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020 ausgeführt, dass ein Notstromaggregat etwa 400.000 € Betriebskosten pro Jahr verursachen würde. Der Anschaffungspreis liegt bei 1,3 bis 1,4 Millionen €. Zusätzlich würden Wartungskosten entstehen. Der Klägerin kann nicht vorgeworfen werden, dass sie eine entsprechend teure Anschaffung nicht getätigt hat. Ein Stromausfall kommt in Deutschland relativ selten vor, so dass die Gefahr eines solchen überschaubar ist. Demgegenüber ist die teure Anschaffung und die ebenfalls erheblichen laufenden Kosten eines für den Betrieb der Klägerin erforderlichen Notstromaggregats nicht verhältnismäßig. Hinzu kommt, dass die Anschaffung eines entsprechenden Geräts nicht zur Entlastung Dritter dient, welche schuldhaft einen Schaden verursacht haben.
III. Die Klägerin hat gegen die Beklagten darüber hinaus aus den genannten Normen einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 805,20 €.
Der Gegenstandswert bemisst sich nach der Höhe des dem Kläger tatsächlich zustehenden Anspruchs, also einem Betrag in Höhe von 12.741,81 €. Der Klägervertreter begehrt lediglich eine 1,3 Geschäftsgebühr sowie die Postpauschale, die Umsatzsteuer hingegen nicht. Aus diesem Grund kann ihm diese nicht gewährt werden, § 308 ZPO.
Eine 1,3 Geschäftsgebühr ergibt nach Nr. 2300 VV bei einem Streitwert bis 13.000 € einen Betrag in Höhe von 785,20 €. Hinzu kommt die Portopauschale (Nr. 7002 VV) in Höhe von 20,00 €, so dass der Klägerin die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 805,20 € zusteht.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, S. 2, 711 ZPO.
V. Der Streitwert wurde nach §§ 63, 39 ff. GKG, 3 ff. ZPO festgesetzt.


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