Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatz wegen Asbestbelastung einer Gebäudefassade

Aktenzeichen  41 O 3017/15

Datum:
8.3.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 52421
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 443

 

Leitsatz

1. Die Regelung in einem Grundstückskaufvertrag, wonach der Verkäufer bei Asbestbelastung der Fassadenelemente des Kaufobjektes verpflichtet ist, die Kosten des Auswechselns der Fassadenelemente an den Käufer zu erstatten, ist gemäß den §§ 157, 133 BGB im Sinne eines erforderlichen Herstellungsaufwands zu verstehen. Die Annahme eines nachträglichen Kostenerstattungsanspruchs würde die erkennbaren Interessen des Käufers nicht berücksichtigen und auch dem Bedeutungsgehalt einer Garantie als Erweiterung der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche nicht gerecht. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die geschuldete Ersatzleistung kann insbesondere bei der Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (§ 249 BGB) häufig über die Beseitigung des effektiv verursachten Schadens hinausgehen und zu ausgleichsbedürftigen Wertzuwächsen bei dem Geschädigten führen. Solche, infolge der Art des Ausgleichs entstehende Vorteile werden durch einen Abzug „neu für alt“ und eine Vorteilsausgleichung im weiteren Sinne berücksichtigt. Schadensmindernd zu berücksichtigen sind jedoch nur solche Vorteile, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, so dass sie dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unbillig entlastet. (Rn. 71 – 72) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.451.313,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 1.803.988,34 € seit dem 20.12.2014 bis zum 30.11.2016 und aus 19.469,13 € vom 12.03.2015 bis zum 30.11.2016 sowie aus einem Betrag in Höhe von 1.451.313,44 € seit dem 01.12.2016 zu bezahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 371.854,18 € erledigt hat.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 83 % und die Klägerin 17 %
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat weitgehend Erfolg.
I.
Der Zahlungsantrag Ziff. I. ist nach zulässiger Klageerhöhung bei gleichzeitiger Klageänderung wegen Teilerledigung überwiegend begründet. Im Übrigen war die Klage abzuweisen
Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.823.167,62 € zu, der sich nach Verrechnung des Guthabenbetrags in Höhe von 371.854,18 € auf einen zu zahlenden Betrag in Höhe von 1.451.313,44 € reduziert. Die darüber hinausgehenden Hilfsaufrechnungen der Beklagten zu 1) mit einen Gesamtbetrag von 308.145,82 € (680.000 € abzüglich 371.854,18 €), bleiben dagegen erfolglos, weil ihr keine weitergehenden Ansprüche aus den Kaufpreiseinbehalten zustehen.
Anspruchsgrundlage für den Anspruch gegen die Beklagte zu 1) ist eine nach dem gesetzlichen Leitbild des § 443 BGB in den §§ 5.2 und 8.2 vereinbarte verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung des Verkäufers wegen Fehlens der garantierten, aber nicht eingehaltenen Beschaffenheit asbestfreier Faserzementplatten. Die Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 128 Abs. 1 HGB, der Beklagten zu 3) aus § 20 und § 8.2 des Vertrags.
A.
Ein zum Schadensersatz verpflichtender Garantiefall ist eingetreten. Als Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Faserzementbauteile der Fassaden allesamt asbesthaltig sind (unter 1).
Wie eine Auslegung der vertraglichen Regelungen ergibt, löst allein diese Tatsache bereits den Garantiefall aus, weil Schadensersatz in der Form des erforderlichen Herstellungsaufwands geschuldet wird und eine bereits durchgeführte oder nach öffentlich rechtlichen Vorschriften gebotene Sanierung keine weitere Voraussetzung des Anspruchs ist (unter 2).
1. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen … steht fest, dass sämtliche Fassadenplatten Chrysotilasbest enthalten. Dies ergibt sich aus seinem schriftlichen Gutachten, das der Sachverständige bei seiner persönlichen Anhörung noch eingehend erläutert hat. Dessen Sachkunde als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Asbest im Hochbau steht außer Zweifel. Wie er erläuterte, hat er an sieben unterschiedlichen Stellen des Hochhauskomplexes Hausnummern 114 und 114 a Materialproben entnommen, die einen Masseanteil von Asbest in Höhe von 1 % bis 15 % aufweisen. Darüber hinaus führte er eine Sichtkontrolle durch. Hierbei stellte er fest, dass sämtliche Fassadenplatten, abgesehen von der Verwendung von zwei verschiedenen Farbvarianten, gleich sind und offensichtlich aus demselben Herstellungsprozess und Herstellungsjahr stammen, und später auch nicht teilweise ausgetauscht wurden. Das Gericht schließt sich daher seinem technischen Urteil an, dass die genommenen Proben repräsentativ sind und in Zusammenschau mit dem Ergebnis der Sichtkontrolle die zweifelsfreie Schlussfolgerung erlauben, dass sämtliche Fassadenplatten Asbest enthalten.
2. Weist die Immobilie somit die vereinbarte Beschaffenheit einer asbestfreien Fassade nicht auf, so ist der Garantiefall eingetreten. Dessen Rechtsfolge ist, dass die Klägerin die erforderlichen Sanierungskosten als Schadensersatz im Sinne eines Herstellungsaufwands verlangen kann.
Zwar spricht der bloße Wortlaut der Regelung in 8.2 eher dafür, dass nicht die Zahlung des erforderlichen Herstellungsaufwands, sondern nur die Erstattung der verauslagten Sanierungskosten verlangt werden können, weil das Verb „erstatten“ sich in seinem allgemeinen Sprachgebrauch nicht generell auf einen Vermögensnachteil, sondern speziell auf entstandene Kosten und Auslagen bezieht. Es handelt sich hierbei aber jedoch um keinen feststehenden Rechtsbegriff. Die Regelung ist daher nicht eindeutig und gemäß §§ 157, 133 BGB einer Auslegung bedürftig (Palandt-Ellenberger 77. A. § 133 BGB Rn. 6).
Legt man die Regelung gemäß den §§ 157, 133 BGB unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte, ihres Zwecks und ihrer Systematik aus, so ist sie im Sinne eines erforderlichen Herstellungsaufwands zu verstehen. Die Annahme eines nachträglichen Kostenerstattungsanspruchs würde die erkennbaren Interessen der Klägerin nicht berücksichtigen und auch dem Bedeutungsgehalt einer Garantie als Erweiterung der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche nicht gerecht.
Wie sich aus den durch die E-mail vom 30.04.2016 (Anlage K26) dokumentierten Vertragsverhandlungen ergibt, legte die Klägerin erkennbaren Wert darauf, die Immobilie mit einer asbestfreien Fassade zu erwerben. Es lag auf der Hand, dass sich ein bestehendes Asbestrisiko oder sogar eine feststehende Asbesthaltigkeit wegen der aufwändigen Sanierungskosten in erheblichen Umfang auf die Höhe des Kaufpreises und die Kaufentscheidung der Klägerin ausgewirkt hätte. Dies gilt auch dann, wenn, wie vom Sachverständigen … festgestellt, die Faserzementbauteile alle beschichtet und intakt sind und derzeit daher kein konkreter oder gar dringender Sanierungsbedarf besteht. Mittelfristig, nach Ablauf der Restlebensdauer der Fassade, die der Sachverständige auf 15 bis 20 Jahre geschätzt hat, kommt in jedem Falle ein Sanierungsbedarf auf die Erwerberin zu, der bei Asbesthaltigkeit mit hohen Entsorgungskosten verbunden ist. Wenn die Beklagten die Asbestfreiheit daher verschuldensunabhängig garantiert haben, so war für sie erkennbar, dass diese Garantie eine Kompensation bewirken sollte für einen Kaufpreis, bei dessen Bildung die Parteien übereinstimmend von einer Asbestfreiheit als wertbildenden Faktor ausgegangen sind.
Vor diesem Hintergrund würde eine Beschränkung der Garantierechte auf einen Anspruch auf Erstattung bereits angefallener Sanierungskosten keinen angemessenen Ausgleich darstellen. Vielmehr wäre die Klägerin verpflichtet in Vorleistung zu gehen und die hohen Sanierungskosten auszulegen, ehe sie bei den Beklagten Regress nehmen kann. Dass die Klägerin ein derartiges Forderungsausfallrisiko auf sich nehmen wollte, konnte und durfte die Beklagte zu 2) nach Treu und Glauben nicht annehmen, zumal die Verkäuferseite damals eine Bonitätsschwäche hatte und das Vertragsobjekt unter Zwangsverwaltung stand.
Auch das terminologische Verständnis einer kaufrechtlichen Garantie und die systematische Stellung der Regelung in § 8.2 zu der allgemeinen Garantieregelung unter § 5.2. Satz 3 spricht für die Annahme eines sich am erforderlichen Herstellungsaufwand orientierenden Schadensersatzanspruchs. In der allgemeinen Regelung unter § 5.2 wurde bestimmt, dass Garantien des Verkäufers im Sinne des § 443 BGB bei ihrer Nichteinhaltung zu den gesetzlichen Mängelrechten und zu verschuldensunabhängigen Schadensersatzansprüchen führen solle. Entsprechend dem gesetzlichen Begriffsverständnis der kaufvertraglichen Garantie in der Vorschrift des § 443 BGB („zusätzlich“, vgl. Palandt-Weidenkaff § 443 BGB Rn. 1), sollte daher gegenüber den gesetzlichen Gewährleistungsansprüchen die Haftung erweitert werden.
Würde man die Rechtsfolgenseite des Garantiefalls nach § 8.2 2. Halbsatz auf einen Anspruch auf Erstattung entstandener Sanierungskosten beschränken, so wäre dies zwar insoweit eine Erweiterung gegenüber einem gesetzlichen Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB, als die Garantie verschuldensunabhängig ist, während der Schadensersatzanspruch nach gesetzlichem Gewährleistungsrecht ein Vertretenmüssen hinsichtlich der fehlenden Beschaffenheit voraussetzt (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Auf der anderen Seite käme es aber auf der Rechtsfolgenseite zu einer erheblichen Einschränkung der Garantie gegenüber einem gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzanspruch, weil dieser als erstattungsfähigen Mangelschaden den für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Herstellungsbetrag umfasst (Palandt-Weidenkaff § 437 BGB Rn. 34) und daher keine durchgeführte Reparatur voraussetzt. (Der klägerseits verwendete Begriff Ersetzungsbefugnis ist nicht korrekt, weil auf einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung die Regelung des § 249 BGB nicht anwendbar ist.) Bei wertender Betrachtung käme es daher zu einer erheblichen Einschränkung der Rechte aus der Garantie gegenüber den Gewährleistungsansprüchen. Dies wäre mit dem terminologischen Verständnis einer Garantie nur schwer zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung unter § 8.2 2. Halbssatz nicht als einschränkende Sondervorschrift zu der allgemeinen Regelung in § 5.2. Satz 2 zu verstehen, sondern im Lichte der allgemeinen Statuierung einer uneingeschränkten Schadensersatzhaftung auszulegen. Dass dann die Regelung im 2. Halbsatz an sich überflüssig ist, spricht nicht gegen dieses Auslegungsergebnis, weil es den Parteien unbenommen blieb, diese bedeutsame Rechtsfolge nochmals zu beschreiben.
Es ergeben sich auch weder aus dem Wortlaut noch aus einer Gesamtbetrachtung der Regelung in § 8 des Vertrags Anhaltspunkte dafür, dass die Käuferin nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien lediglich davor geschützt werden sollte, dass sie die Fassadenelemente wegen Asbestbefalls aufgrund einer behördlicher Anordnung zu beseitigen habe oder eine solche zumindest zu befürchten sei. Vielmehr wird im 2. Halbsatz des § 8.2 die Erstattungspflicht nur davon abhängig gemacht, dass die Fassadenelemente Asbest enthalten. Dies ist die einzige Tatbestandsvoraussetzung. Auch der oben beschriebene Zweck der Regelung, für den wertmindernden Faktor einer Asbesthaltigkeit durch die Garantie eine Kompensation zu erhalten, spricht dagegen, noch zusätzlich einen öffentlich-rechtlich begründeten Handlungsbedarf zu verlangen.
Soweit die Beklagte behaupten sie hätten die Reglung anders aufgefasst, so kommt es bei der Auslegung nicht auf das interne Verständnis der Parteien an. Entscheidend für die Auslegung ist vielmehr nur, was die Parteien bei Vertragsschluss miteinander kommuniziert hatten.
Dieses Auslegungsergebnis ist auch so klar, dass konkrete Zweifel nicht bleiben und die Unklarheitenregel auch bei einer gegenüber einem wirtschaftlich unterlegenen Vertragspartei gestellten Individualvereinbarung nicht zur Anwendung kommt (vgl. Palandt-Grüneberg § 305 c BGB Rn. 15, § 133 BGB Rn. 23).
B.
Die Beklagten sind verpflichtet, gemäß § 280 BGB Schadensersatz statt der Leistung in Höhe des erforderlichen Sanierungsaufwands zu entrichten und die Klägerin hierbei so zu stellen, wie wenn die Garantie erfüllt worden wäre (vgl. Palandt-Grüneberg § 280 BGB Rn. 18). Aus technischer Sicht beläuft sich dieser erforderliche Sanierungsaufwand auf netto 1.823.167,62 € (unter 1). Dieser Betrag ist im vollen Umfang auch rechtlich erstattungsfähig. Abzüge wegen neu für alt oder wegen einer Vorteilsausgleichung sind nicht vorzunehmen (unter 2.).
1. Ausgangspunkt für die Höhe des Sanierungsaufwands ist die Kostenschätzung, die der Sachverständige… in seinem schriftlichen Gutachten vom 20.5.2016 auf den Seiten 14/15 (Blatt 106/107 d.A.) aufgestellt und die er bei seiner mündlichen Anhörung vom 13.10.2017 noch erläutert hat. Bei Schätzung des Sanierungsumfangs hat das Gericht jedoch nicht die von ihm ursprünglich als unstreitig behandelte Fassadenfläche von 10.670,00 m² zugrunde gelegt, sondern die von ihm im Ergänzungsgutachten vom 04.05.2017 ermittelte Fassadenfläche von 11.730,62 m².
Schreibt man die Kostenschätzung im Gutachten vom 20.05.2016 mit diesen höheren Masse-Faktor fort, so ergibt sich ein Sanierungsaufwand in Höhe von netto 1.823.167,62 €. Die von der Klagepartei insoweit angestellte Neuberechnung gemäß Anlage K 29 ist rechnerisch grundsätzlich richtig, allerdings betragen die Nettobaukosten für die Bemessung der Planungsleistung 1.642,796 € (469.431,36 € für Rückbau und 1.173.062,00 € für Neufassade). Im Übrigen wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 26.01.2017 angeführten „fortgeschriebenen“ Sanierungskosten nach dem Sachverständigengutachten in Höhe von 2.165.682,10 € den Bruttobetrag betreffen, der daher nicht nahezu identisch ist mit der als Anlage K28 vorgelegten neuen Kostenschätzung durch den Privatgutachter …in Höhe von 2.169,771,40 € netto, die die Klägerin der Berechnung ihrer Klageforderung gemäß zuletzt gestellten Antrag zugrunde gelegt hat.
Bei dieser Feststellung eines Sanierungsaufwands von netto 1.823.167,62 € wurden insbesondere folgende Ergebnisse der Beweisaufnahme berücksichtigt:
Die Fassadenfläche beträgt 11.730,62 m².
Wie der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung (Protokoll S. 3 unten) näher ausführte, hat er die Gebäudemaße, soweit möglich und zugänglich, vor Ort nachgemessen. Im Übrigen hat er sie aus den ihm zur Verfügung stehenden Plänen entnommen und die aus den Plänen entnommenen Maße vor Ort auf ihre Plausibilität hin überprüft. Dies ist nach Auffassung des Gerichts eine zulässige Methode, das Aufmaß zutreffend festzustellen.
Das Gericht erachtet es im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO es auch für zulässig, wenn der Sachverständige bei seiner Berechnung die Fensterflächen nicht herausgerechnet, sondern sozusagen „übermessen“ hat. Die „Demontage“ – Positionen Nr. 12-14 betreffen zwar unmittelbar nicht die Fensterflächen, weil es in deren Bereich nichts zu demontieren gibt. Auf der anderen Seite kommt es im dortigen Bereich wegen der Fensterlaibungen und auch an bei den Rückseiten der Balkone zu einem entsprechenden Mehraufwand, den der Sachverständige bei seinen Berechnungen nicht berücksichtigt hat. Es stellt daher eine sachgerechte und im Ergebnis fundierte Schätzung nach § 287 ZPO dar, wenn der Sachverständige dafür die Fensterflächen nicht herausgerechnet hat.
Der Sachverständige hat die Kosten der Demontage einschließlich der Entsorgung nachvollziehbar und zutreffend auf 469.431,36 € netto geschätzt (vgl. S. 1 unten der von der Klagepartei wegen der Aufmaßmehrung arithmetisch fortgeschriebenen Neuberechnung K29). Insbesondere hat der Sachverständigen hierzu bei seiner Anhörung den Aufbau der vorhandenen Fassade mit Unterkonstruktion (Position Nr. 13) und Isolierung (Nr. 14) anhand der Bilder erläutert (Protokoll S. 3) und darauf hingewiesen, dass die Wolle der Dämmschicht krebserregend ist und daher nicht mehr verwendet werden darf. Außerdem ist die vorhandene Unterkonstruktion mit einer Dämmschicht von 6 cm nicht mehr ausreichend, bei einer Sanierung somit nicht wiederverwendbar und daher ebenso zu demontieren (Protokoll S. 5 oben). Weitere (aufwändige) Feststellungen zu einer Asbesthaltigkeit des verwendeten Klebers hat der Sachverständige nicht getroffen, weil die Klagepartei hierauf im Schriftsatz vom 26.10.2017 ausdrücklich verzichtet hat und etwaige Mehrkosten nicht Gegenstand der Schätzung sind.
Die Kosten für die neue Fassade werden gemäß § 287 ZPO auf Grund der Feststellungen des Sachverständigen auf 1.173.062,00 € netto geschätzt (vgl. wiederum die fortgeschriebene Anlage K 29 seiner Schätzung auf Seite 2). Insoweit hat er bei seiner Anhörung überzeugend die einzelnen Sanierungsschritte und den Aufbau eines Wärmeverbundsystems (Positionen 18-22) erläutert (S. 4 unten) und plausibel erklärt, dass es nicht möglich und zulässig wäre, auf die vorhandene Unterkonstruktion einfach asbestfreie Platten anzubringen. Auch die Dämmwolle kann nicht wieder verwendet werden, weil sie krebserregend ist. Aus technischer Sicht ist es daher für die Herstellung einer asbestfreien Fassade nicht getan, diese herunterzunehmen. Da der Unterbau nicht wieder verwendbar ist, muss aus technischer Sicht auch dieser entsprechend den geltenden Vorgaben der EnEv 2014 erneuert werden. Dies ist erforderlicher Teil des Herstellungsaufwands.
Das Gericht hat trotz der vom Sachverständigen im Anhörungstermin angesprochenen inzwischen eingetretenen Preissteigerung die Einheitspreise für das Jahr 2016 zugrunde gelegt, weil die Klägerin insoweit für diese Instanz ausdrücklich auf weitere Feststellungen verzichtet hat (Schriftsatz 26.01.2017 S. 3 oben)
Der Sachverständige hat am Ende seiner Anhörung auch nachvollziehbar die Kosten für Planung und Bauleitung erläutert. Das Gericht folgt rechtlich seiner Einschätzung, dass der unterste Wert Honorarzone III (durchschnittliche Anforderungen) nach § 35 HOAI zugrunde zu legen ist, mithin 11 % der Nettobaukosten, was bei einem Bemessungsbetrag in Höhe von 1.642.493,36 € einen Nettobetrag in Höhe von 180.674,26 € ergibt.
Insgesamt belaufen sich daher aus technischer Sicht die erforderlichen Sanierungskosten auf 1.823.167,62 €.
2. Bei diesen aus technischer Sicht anfallenden Sanierungskosten handelt es sich um den auch rechtlich erstattungsfähigen Herstellungsaufwand, der als Schadensersatz statt der (Garantie-)Leistung gemäß § 280 BGB erforderlich ist. Eine Minderung dieses Anspruchs unter den rechtlichen Gesichtspunkten einer Vorteilsausgleichung, eines Abzugs neu für alt oder des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots ist nicht veranlasst.
a) Hierbei lässt sich das Gericht von folgenden Grundsätzen leiten.
Die geschuldete Ersatzleistung kann insbesondere bei der Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (§ 249 BGB) häufig über die Beseitigung des effektiv verursachten Schadens hinausgehen und zu ausgleichsbedürftigen Wertzuwächsen bei dem Geschädigten führen. Solche, infolge der Art des Ausgleichs entstehende Vorteile werden durch einen Abzug „neu für alt“ und eine Vorteilsausgleichung im weiteren Sinne berücksichtigt. Diese zur Naturalrestitution nach § 249 BGB entwickelten Wertungsgesichtspunkte sind auch auf einen vertraglichen Schadensersatzanspruch statt der Leistung (früher wegen Nichterfüllung) zu übertragen (BGH, Urteil vom 07. Mai 2004 – V ZR 77/03 NJW 2004, 2526 Tz. 15 und 16).
Sofern die zur Behebung des Mangels erforderlichen Arbeiten von den Käufern auch bei einer mangelfreien Leistung durchgeführt worden wären, so ist dies unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung grundsätzlich ebenso zu berücksichtigen wie der Eintritt einer sonstigen Vermögensmehrung, die sich wirtschaftlich günstig auf den Käufer auswirkt. Nach dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot soll der Geschädigte nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Im Kaufrecht führt dies dazu, dass der Käufer einer mangelhaften Sache grundsätzlich nicht besser stehen darf, als er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung stünde. Schadensmindernd zu berücksichtigen sind jedoch nur solche Vorteile, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, so dass sie dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unbillig entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (vgl. Palandt-Grüneberg Vorb. vor § 249 BGB Rn. 93, 96-99, BGH NJW 2015, 468). Eine Vorteilsausgleichung im weiteren Sinne und ein Abzug neu für alt kommen grundsätzlich auch bei einem Schadensersatzanspruch wegen Fehlens einer garantierten Beschaffenheit in Betracht (BGH a.a.O).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den streitgegenständlichen Fall sind eine Vorteilsausgleichung und ein Abzug neu für alt aber abzulehnen.
Wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, beträgt die restliche Lebensdauer der Fassade noch 15 bis 20 Jahre. Eine greifbare und messbare Vermögensmehrung kann daher nicht darin gesehen werden, dass die Käuferin die Fassade in den nächsten Jahren unabhängig von ihrer Asbesthaltigkeit hätte ohnehin erneuern und hierbei die Fassadendämmung entsprechend den Standards nach § 9 Abs. 1 EnEV 2014 hätte ausführen müssen. Auf mittlere Sicht bestand bei einer asbestfreien Fassade kein Renovierungsbedarf. Die Klägerin hat sich somit mittelfristig keine Aufwendungen erspart.
Ein Abzug neu für alt kann auch nicht damit begründet werden, dass es bei einer Sanierung der asbesthaltigen Fassade zu einem messbaren Wertzuwachs der Immobilie käme, weil die neue Fassade nach Feststellungen des Sachverständigen eine Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren hat und die Fassade dann eine Wärmedämmung mit einer günstigeren Energiebilanz erhält, während sie bislang nicht in dem Maße sondern mit dem Stand der 70er Jahre gedämmt ist. Die längere Lebensdauer der neuen, gedämmten Fassade gegenüber der bestehenden, mag zwar den Verkehrswert der Immobilie erhöhen. Da die Klägerin sie aber als reines Renditeobjekt erworben hat, ist nach deren maßgeblichen, wirtschaftlichen Sicht auf den Ertragswert abzustellen. Es ist von der Beklagten nicht dargetan oder ersichtlich, dass eine Sanierung des Objekts mit einen verbesserten Wärmedämmschutz mittelfristig zu einer merklichen Steigerung der erzielbaren Renditen führen würde. Etwaigen modernisierungsbedingten Mieterhöhungen, soweit überhaupt zulässig und durchführbar, würden Mietminderungen während der Sanierungsphase entgegenstehen.
Bei wertender Betrachtung erscheint es auch zumutbar, dass nicht die Klägerin, sondern die Beklagtenseite für die zusätzlichen Kosten aufzukommen hat, die durch die zusätzlichen Anforderungen an die Dämmung und Unterkonstruktion nach der EnEV 2014 entstehen. Die Beklagten zu 1) und 3) haben – offensichtlich ohne tragfähige Grundlage und damit ins Blaue hinein – für die Asbestfreiheit der Fassade garantiert. Dann liegt es ausschließlich in ihrem Risikobereich, wenn aufgrund der verschärften Anforderungen an den Wärmedämmschutz die Sanierung aufwendiger wird, als es vor Änderung der Rechtslage anzunehmen war. Sie haben sich für die Asbestfreiheit der Fassade stark gemacht, so dass es angemessen ist, dass die zur Herbeiführung dieses Erfolgs erforderlichen Kosten von ihnen zu tragen sind.
C.
Der Beklagten zu 1) stehen Gegenforderungen wegen Kaufpreiseinbehalte nicht in Höhe des mit den Hilfsaufrechnungen geltend gemachten Gesamtbetrags von 680.000 € zu, sondern nur in Höhe des von der Klägerin mit der Endabrechnung Anlage K 30 festgestellten Guthabensbetrags in Höhe von 371.854,18 € zu.
Was den Einbehalt von 600.000 € betrifft, so haben die Beklagten gegen die Richtigkeit dieser Abrechnung keine Einwendungen, und insbesondere keine konkreter Art, vorgebracht. Hierzu wären sie aber in der Lage gewesen. Wie sie nicht bestritten und damit zugestanden haben, haben sie monatlich eine Abrechnung der Mietgarantieforderung mit beiliegender Tabelle erhalten hat, die methodisch der exemplarisch vorgelegten Anlage K12 entspricht. Damit hat die Klägerin ihre monatliche Abrechnungspflicht gemäß § 6.5.2 des Vertrags (Seite 24 1. Absatz) voll erfüllt. Die Abrechnungen sind prüfbar und legen auch inhaltlich dar, dass der Außenstand aus einem der definierten Mietverhältnisse/Garantiesachverhalte stammt. Das pauschale Bestreiten der Beklagten ist daher gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ist unwirksam. Ebenso hat die Klägerin nach Ablauf des Garantiezeitraums die vertraglich geschuldete Endabrechnung vorgelegt, die in Zusammenhang mit den monatlichen Einzelabrechnungen prüfbar ist, und gegen die die Beklagten überhaupt keine Einwendungen mehr erhoben haben. Daher war deren Guthabensbetrag der Entscheidung als nicht wirksam bestritten zugrunde zu legen.
Den Beklagten steht auch kein Anspruch wegen des Einbehalts in Höhe von 80.000 € zu. Sie haben den konkreten Vortrag, aus dem die Klägerin ihre zur vorprozessualen Gegenaufrechnung gestellten Ansprüche in Höhe von 50.000 € und von 552,60 € herleitet, sowie die behauptete Zahlung des Restbetrags nicht mit einer konkreten Erwiderung bestritten (§ 138 Abs. 2 ZPO), so dass auch dieser Sachverhalt der Entscheidung als unstreitig zugrunde zu legen ist. Demnach ist der Anspruch der Beklagten zu 1) durch Aufrechnung und Erfüllung vollends erloschen.
I. a.
Hinsichtlich des Anspruchs auf Verzugszinsen gemäß § 286, 288 Abs. 1 BGB war die Klage teilweise begründet und im Übrigen abzuweisen.
Da keine Entgeltforderung vorliegt, ergibt sich der Zinssatz aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Bis zum Ablauf des Garantiezeitraums (30.11.2016) betrug die Forderung der Klägerin 1.823.167,62 € Vorgerichtlich hatte sie mit Schreiben vom 11.12.2014 (Anlage K6) einen darunterliegenden Betrag in Höhe von 1.803.988,34 € geltend gemacht, wobei Verzugszinsen erst mit Ablauf der darin genannten Zahlungsfrist (bis spätestens 19.12.2014) verlangt werden können. Mit Klageerhebung (Zustellung 11.03.2015) wurde zum vorgerichtlich verlangten Betrag insgesamt weitere 183.698,49 € geltend gemacht. Da die berechtigte Klageforderung ohne Berücksichtigung des Einbehalts aber nur 1.823.167,62 € beträgt, können zusätzliche Zinsen nur aus einem Differenzbetrag vom 1.823.167,62 abzüglich 1.803.698,49 € verlangt werden.
Ab Ablauf des Garantiezeitraums betrug die berechtigte Forderung der Klägerin unter Abzug des Guthabens von 371.854,18 nur noch 1.451.313,44 €. Von da an können Verzugszinsen daher nur noch aus diesem Betrag verlangt werden, weitergehende Zinsen aus geltend gemachten Mehrforderungen stehen der Klägerin dagegen nicht zu.
II.
Über die hilfsweise erhobene Feststellungsklage war nicht zu entscheiden, weil die innerprozessuale Bedingung nicht eingetreten ist. Diese bestand darin, dass der Zahlungsantrag Ziff. I insgesamt als unbegründet abgewiesen werden würde.
III.
Soweit die Klägerin ihren ursprünglichen Zahlungsantrag teilweise in einen Antrag auf Feststellung einer Teilerledigung der Hauptsache wirksam umgestellt hat, war der zulässigen Feststellungsklage stattzugeben. Der Anspruch der Beklagten zu 1) auf Auszahlung des Restguthabens aus dem Kaufpreiseinbehalt war zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht fällig, so dass damals noch keine Aufrechnungslage bestand. Daher hat die Verrechnung der Klageforderung mit dem inzwischen fälligen Auszahlungsanspruch die Hauptsache teilweise erledigt (vgl. Zöller-Althammer 32. A. § 91 a ZPO Rn. 58 Stichwort „Aufrechnung“).
IV.
Bei der quotalen Kostenentscheidung nach § 92 ZPO wurde berücksichtigt, dass die Beklagten nicht nur mit dem ausgeurteilten Zahlungsbetrag und dem Feststellungsantrag sondern auch mit den Hilfsaufrechnungen soweit hierüber entschieden wurde unterlegen ist. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus einem gesonderten Beschluss.


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