Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatz wegen behaupteten Verlusts von Transportgut

Aktenzeichen  12 U 1833/18

Datum:
24.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 13159
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
CMR Art. 1 Abs. 1, Art. 17 Abs. 2, Art. 23, Art. 27, Art. 29
ZPO § 522
VVG § 86 Abs. 1 S. 1
Rom I VO Art. 25 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Hat das Erstgericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Sie hat daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Überlassung von Schadensunterlagen an den Versicherer zum Zwecke der Prozessführung, der letztlich für den Ausgleich des Schadens gegenüber dem Geschädigten verantwortlich ist und geleistet hat, hat allein den Sinn, diesen in den Stand zu setzen, die Ansprüche erfolgreich geltend zu machen. Dazu gehört nach der Vorstellung und dem Willen wirtschaftlich denkender Parteien erfahrungsgemäß auch, dass dem Versicherer alle vorhandenen Ansprüche gegen den Schädiger abgetreten werden. Einer ausdrücklichen Erklärung bedarf es hierzu nicht. Es ist vielmehr von einem konkludenten rechtsgeschäftlichen Verhalten auszugehen. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Frachtführer ist von seiner Haftung nur bzgl. solcher Schadensursachen befreit, die er im konkreten Fall auch durch die äußerste, ihm mögliche und nach den Umständen des Falles vernünftigerweise zumutbare Sorgfalt nicht vermeiden und in ihren Folgen nicht beherrschen konnte. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Brand eines abgestellten Transportfahrzeugs (und des darin befindlichen Transportgutes) ist nur dann unvermeidbar, wenn alle möglichen vom Frachtführer zu verantwortenden Brandursachen ausgeschlossen sind. Bei ungeklärter Brandursache ist dies nicht der Fall. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
5. Selbst ein Brandanschlag wird als vermeidbar angesehen. Dies gilt auch dann, wenn der Fahrer im Lkw schlief. Allein der Umstand, dass der Schaden durch Brandstiftung eingetreten ist, reicht nicht zum Nachweis der Unabwendbarkeit aus; mit dem ungesicherten Abstellen des Lastzugs ist ein Grund gegeben, der der Unabwendbarkeit entgegensteht. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
6. Unter dem Marktpreis i.S.d. Art. 23 Abs. 2 CMR ist der durchschnittliche Preis zu verstehen, zu dem entsprechende Güter am Versandort gehandelt werden; gemeint ist der gewöhnliche Verkaufspreis am Versandort, also der Durchschnittswert, den ein Gut gleicher Art und Güte unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Falles im allgemeinen bei einem Verkauf am Versandort erzielen würde. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
7. Ein vorsatzgleiches Fehlverhalten i.S.d. Art. 29 Abs. 1 CMR liegt vor, wenn ein Verstoß leichtfertig in dem Bewusstsein begangen wird, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine „Leute“ in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen. (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
8. Kann der Frachtführer im Rahmen seiner Recherchepflicht trotz angemessener Nachforschungen keine Angaben zur Schadensentstehung machen, kann daraus allerdings nicht die Vermutung für das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens hergeleitet werden. Der Ersatzberechtigte bleibt in einem solchen Fall für das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens des Transporteurs oder seiner Leute gegebenenfalls beweisfällig. (Rn. 86) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 HK O 6927/17 2018-08-23 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23.08.2018 (Az. 3 HK O 6927/17) wird verworfen, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 2.261,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.11.2016 richtet, mit der Maßgabe, dass kein höherer Zinssatz als 5% p.a. geschuldet ist.
II. Auf die weitergehende Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23.08.2018 (Az. 3 HK O 6927/17) teilweise (im Umfang von 12.199,50 € nebst Zinsen hieraus) abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.
III. Es tragen von den Kosten des Rechtsstreits
– im ersten Rechtszug die Klägerin 52% und die Beklagte 48%,
– im zweiten Rechtszug die Klägerin 84% und die Beklagte 16%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23.08.2018 (Az. 3 HK O 6927/17) ist, soweit die hiergegen gerichtete Berufung verworfen wird, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 14.460,50 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen behaupteten Verlusts von Transportgut.
1. Die Klägerin ist ein Transportversicherungsunternehmen.
Die Beklagte ist ein mittelständisches Speditions- und Transportunternehmen. Sitz der Gesellschaft ist S. (N.), wo die Beklagte unter HRB im Handelsregister eingetragen ist; daneben verfügt die Beklagte über einen weiteren Standort in S.
Streitgegenständlich sind – behauptet auf die Klägerin übergegangene – behauptete Schadensersatzansprüche der Fa. B. (im Folgenden: Fa. B.) mit Sitz in F. Diese Fa. hat – erstinstanzlich noch streitig – bei der Klägerin eine Transportversicherung abgeschlossen (Versicherungspolice Anlagen K13, K15). Sie hat weiter mit E-Mail vom 02.12.2016 (Anlage K17) die Unterlagen des strgg. Schadensfalls an die Klägerin übersandt.
2. Fa. B. hatte diverses Dekorationsmaterial (Luftballons, Lamettavorhänge, Heliumgas) an Fa. T. (L.) verkauft. Hierüber erstellte Fa. B. unter dem 14.11.2016 eine Lieferrechnung über 20.903,10 GBP (£) (Anlage K2); dies entspricht einem Betrag von 23.485,00 €.
Nach Anweisung der Käuferin sollte die Ware nach G. zu Fa. D. (F./M.) verbracht werden; von dort war ein Weitertransport per Luftfracht via L./H. nach K. geplant.
Das verkaufte Dekorationsmaterial war in insgesamt 325 Packstücken, diese wiederum auf 19 Paletten verpackt; das Gesamtgewicht betrug 898,0 kg. Hierüber erstellte Fa. B. einen entsprechenden Lieferschein (Anlage K4b).
3. Unter dem 07.11.2016 erteilte Fa. B. der Beklagten (unter Verwendung eines Formulars „Speditionsübergabeschein“) einen entsprechenden Speditions- bzw. Transportauftrag zu festen Kosten (Anlage K3).
Ebenfalls am 07.11.2016 stellte die Beklagte an Fa. B. die vereinbarte „Fracht“ in Höhe von netto 1.900,00 € / brutto 2.261,00 € in Rechnung (Anlage K11); Fa. B. leistete an die Beklagte eine entsprechende Zahlung.
4. Die Beklagte führte den Transport nicht selbst durch, sondern erteilte einen entsprechenden Unterauftrag an Fa. P. (im Folgenden: Fa. D.) mit Sitz in M. (P.).
Über den Transport wurde ein CMR-Frachtbrief erstellt (Anlage K5). Dieser enthält folgende Eintragungen:
– Absender: B. (Feld 1)
– Empfänger: D. (Feld 2)
– Frachtführer: L. (= Beklagte) (Feld 16)
– Unterfrachtführer: D., P. (Feld 17)
– Frachtgut: 19 Paletten Dekorationsmaterial im Gewicht von 898,0 kg (Felder 7,8,9,11)
– Amtliches Kennzeichen des Transportfahrzeugs: … (Kfz) sowie … (Anhänger) (Feld 27)
– Quittierung der Übernahme des Frachtgutes (Feld 23)
– Beigefügte Delivery Note = Lieferschein (Feld 5)
5. Die Klägerin trägt vor, das Transportgut sei in vollständigem und äußerlich wie innerlich unversehrtem Zustand durch den Fahrer der Fa. D. übernommen worden; dies folge aus der Übernahmequittung des Fahrers auf dem Frachtbrief (Anlage K5), dem Transportauftrag (Anlage K3), dem Lieferschein (Anlage K4b) und der entsprechenden Handelsrechnung (Anlage K2).
Damit sei der Nachweis geführt, dass die in den vorgenannten Papieren aufgeführten Waren in den der Fa. D. übergebenen Packstücken enthalten waren.
Die Beklagte hatte in erster Instanz die Unversehrtheit und Vollständigkeit des Transportgutes bestritten. Die Sendung sei in verpacktem Zustand übergeben worden, so dass die Möglichkeit einer Überprüfung des Inhalts nicht bestanden habe. Die vom Fahrer erteilte Quittung könne sich nur auf die Anzahl der Packstücke, nicht auch auf deren Inhalt, beziehen.
Das Landgericht hat diesbezüglich Beweis erhoben (Vernehmung des Zeugen B.).
Nach den – von der Berufung nicht angefochtenen – Feststellungen des Landgerichts war dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von der vollständigen und unbeschädigten Übergabe der Frachtsendung überzeugt.
6. Die Durchführung des Transports
a) Fa. D. führte den Transport mit einem Lkw (Zugmaschine) mit dem amtlichen Kennzeichen … durch. Der Anhänger soll laut CMR-Frachtbrief (Anlage K5) und laut E-Mail der britischen Polizei (Anlage K12) das amtliches Kennzeichen …, laut Schadensmeldung der Beklagten (Anlage K6) das amtliches Kennzeichen … gehabt haben. Seitens der Beklagten war erstinstanzlich in der Klageerwiderung ebenfalls das amtliche Kennzeichen … vorgetragen worden; in der Berufungsbegründung nennt die Beklagte dagegen das amtliche Kennzeichen … Zur Person des Fahrers wurden keine Angaben getätigt.
Unstreitig wurden dem Fahrer keine Vorgaben bzw. Sicherheitsanforderungen übermittelt, insbesondere nicht vorgegeben, einen bestimmten Parkplatz aufzusuchen oder zu meiden.
b) Das Transportgut wurde am 07.11.2016 übernommen; sodann wurde der Transport begonnen. Die Fahrtroute von ca. 1.100 km verlief von F. nach C., von dort – diesbezüglicher Vortrag ist nicht erfolgt – entweder mit der Fähre nach D. oder über den Eurotunnel nach F. und weiter nach F. (westlich L.).
Am 08.11.2016 um 20.30 Uhr stellte der Fahrer den Lkw auf dem Parkplatz „C.“ ab. Dies ist der Parkplatz einer Autobahntankstelle an der b. Autobahn zwischen L. (S.) und W. (K.), gelegen südlich von L. und ca. 30-40 Meilen vom Ziel F. entfernt.
Nach Vortrag der Beklagten sei das Abstellen des Fahrzeugs zur Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten erfolgt; bei einer Gesamtfahrstrecke von ca. 1.100 km könne diese nicht durchgefahren werden. Der aufgesuchte Parkplatz verfüge über 63 Lkw-Parkplätze, Tankstelle, Restaurant und Motel. Der Parkplatz sei 24 Stunden geöffnet, hell erleuchtet, sehr belebt und werde auf der Website der I. (I., Weltdachverband der Straßentransportwirtschaft) als sicherer Parkplatz empfohlen (Anlage ME2a); zu Brandstiftungen sei es dort nie gekommen; bewachte Parkplätze seien auf der Strecke nicht vorhanden.
Nach Vortrag der Klägerin sei das Fahrzeug, obwohl es auf dem Parkplatz beleuchtete und kameraüberwachte Parkplätze gegeben habe, an einer dunklen, uneinsichtigen und unüberwachten Stelle über Nacht abgestellt worden.
c) In der Nacht von 08.11.2016 auf 09.11.2016 ging das Fahrzeug dort in Flammen auf, wodurch Kfz und Ladung vollständig vernichtet wurden.
Als Anlage ME2b sind Fotos des brennenden Anhängers vorgelegt, als Anlage K6 = ME3 die diesbezügliche Schadensmeldung der Beklagten gegenüber Fa. B., in der es heißt, der Lkw sei „von bisher Unbekannten in Brand gesetzt“ worden.
Als Anlage K12 = ME1 ist eine E-Mail des PC J. von der S. Police an Fa. D. vorgelegt. Darin heißt es, dass in Bezug auf den Feuerschaden, der bei dem „l.“ mit dem Kennzeichen … aufgetreten sei, während dieser an der C. Services an der M. in S. geparkt war, nach einer Untersuchung durch Polizei und Feuerwehr niemand als Verursacher des Schadens festgestellt worden sei. Nächtliche Anfragen bei anderen Fahrern und eine Pressemitteilung hätten nicht zur Ermittlung etwaiger Zeugen geführt. Überwachungskameras hätten den Ort, an dem der Trailer geparkt war, nicht abgedeckt. Täter seien nicht identifiziert worden. Die Untersuchung werde geschlossen.
d) Nach Vortrag der Beklagten sei Ursache des Brandes der Umstand gewesen, dass Unbekannte das Fahrzeug angezündet hätten, während sich der Fahrer im Führerhaus aufgehalten habe; die genaue Brandursache lasse sich nicht aufklären, da Lkw und Ladung komplett ausgebrannt seien.
Die Klägerin bestreitet, dass das Fahrzeug unbemerkt von Dritten vorsätzlich in Brand gesteckt worden sein soll; dies sei nicht substanziiert dargelegt. Für eine Brandstiftung gebe es keinerlei Motiv; kein anderes dort abgestelltes Fahrzeug sei von unbekannten Tätern in Brand gesetzt worden; möglich – und häufiger vorkommend – sei, dass der Lkw durch technischen Defekt des Fahrzeugs oder darin befindlicher Teile (etwa Standheizung, Campingkocher etc.) Feuer gefangen habe.
7. Das Transportgut wurde bei dem Brandschaden vollständig vernichtet; zu einer Ablieferung bei der Empfängerin kam es nicht.
Fa. B. bzw. nachfolgend die von der Klägerin insoweit eingeschaltete Bevollmächtigte A. haben die Beklagte mit Schreiben vom 22.11.2016 (Anlage K7) sowie nachfolgend mit Schreiben vom 20.07.2017 (Anlage K8) und vom 23.08.2017 (Anlage K9) für den entstandenen Schaden haftbar gemacht.
8. Nach Vortrag der Klägerin erbrachte diese über die von ihr insoweit eingeschaltete Bevollmächtigte A. Versicherungsleistungen in Höhe von 23.235,00 € (Güterschaden von 23.485,00 € abzüglich einer vereinbarten Selbstbeteiligung von 250,00 €).
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Schadenshöhe bestritten. Der Lieferschein K4 sei nicht lesbar; ein Wertnachweis in Form einer Handelsrechnung oder einer Preisliste sei nicht vorgelegt. In der Berufungsinstanz wird dieses Bestreiten nicht mehr aufrecht erhalten.
Gegenstand der Klage sind die Erstattung der an Fa. B. geleisteten Zahlung von 23.235,00 € sowie die Erstattung einer (im Rahmen des Versicherungsvertrags seitens der Fa. B. geschuldeten) Selbstbeteiligung an den Schadenskosten von 250,00 €.
9. Nach Ansicht der Klägerin haftet die Beklagte über die Gewichtshaftung aus Art. 23 CMR hinausgehend unbegrenzt nach Art. 29 CMR. Ein vorsatzgleiches Verschulden sei anzunehmen. Zwar habe dies grundsätzlich die Anspruchstellerin zu beweisen; den Frachtführer treffe jedoch eine prozessuale Aufklärungs- bzw. Einlassungsobliegenheit zu den näheren Umständen des Schadensfalls, der die Beklagte nicht nachgekommen sei. Infolgedessen sei ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zu vermuten. Insbesondere kämen als Schadensursache auch Fehler des Fahrers oder der Fahrzeugs in Betracht.
10. Nach Ansicht der Beklagten gebe es für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten bzw. der von dieser beauftragten Fa. D. keinen Anhalt; eine etwaige Haftung sei deshalb nach Art. 23 Abs. 2 CMR auf 8,33 SZR je kg des angeblich fehlenden Sendungsgewichts limitiert.
Die Beklagte habe auch nicht gegen ihre sekundäre Darlegungslast verstoßen. Aufgrund Einstellung der Geschäftsbeziehung mit Fa. D. sei es ihr nicht möglich, detailliert zum Schadensablauf und zur Schadensursache Stellung zu nehmen sowie den Fahrer zu benennen.
11. Hinsichtlich des Sachverhalts wird ergänzend auf die Darlegungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat nach Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen B.) mit dem angefochtenen Endurteil der Klage vollumfänglich stattgegeben. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen (Bl. 102-108 d.A.).
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren teilweise weiter verfolgt. Die Beklagte akzeptiert eine Verurteilung in Höhe von 9.024,50 € nebst ausgeurteilter Zinsen hieraus und greift mit ihrer Berufung das Urteil des Landgerichts nur an, soweit es über diesen Betrag hinausgeht. Im Umfang von 9.024,50 € wurde das Urteil des Landgerichts damit rechtskräftig.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. August 2018 – 3 HK O 6927/17 – aufzuheben, soweit es über einen Betrag von € 9.024,50 nebst ausgeurteilter Zinsen hieraus hinausgeht, und insoweit die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der Berufungsinstanz haben die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
Im Übrigen wird hinsichtlich des beiderseitigen Parteivortrags auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, soweit sich das Rechtsmittel gegen ihre Verurteilung zur Zahlung eines Teilbetrags von 2.261,00 € (über den nicht angefochtenen Betrag von 9.024,50 € hinaus) nebst Zinsen hieraus richtet.
1. Das Landgericht hat sein Urteil mehrfach begründet. Einen Teilbetrag von mehr als 9.000 € könne die Klägerin bereits aufgrund der Gewichtshaftung nach Art. 23 Abs. 3 CMR beanspruchen. Einen weiteren Teilbetrag von 2.261,00 € schulde die Beklagte auch ohne qualifiziertes Verschulden, da sie neben der Gewichtshaftung gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR die in dieser Höhe gezahlte Fracht zurückerstatten müsse (Seite 4 unten der Urteilsgründe). Schließlich hafte die Beklagte gemäß Art. 29 CMR, ohne sich auf Haftungsbegrenzungen berufen zu können (Seiten 5-6 der Urteilsgründe).
Die Berufungsbegründung der Beklagten akzeptiert ausdrücklich die verschuldensunabhängige Gewichtshaftung. Sie wendet sich explizit gegen die Annahme einer unbeschränkten Haftung gemäß Art. 29 CMR. Zur Frage einer Pflicht zur Rückerstattung der an sie gezahlten Fracht verhält sich die Berufungsbegründung der Beklagten dagegen nicht.
2. Hat das Erstgericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Sie hat daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, Beschluss vom 25.11.1999 – III ZB 50/99, BGHZ 143, 169; Urteil vom 13.11.2001 – VI ZR 414/00, NJW 2002, 682; Beschluss vom 18.10.2005 – VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285; Beschluss vom 28.02.2007 – V ZB 154/06, NJW 2007, 1534; jeweils m.w.N.).
3. Die Begründung des Landgerichts, die Beklagte schulde einen (weiteren) Teilbetrag von 2.261,00 €, da im Rahmen der vorgenannten Gewichtshaftung gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR auch die an die Beklagte gezahlte Fracht (Anlage K11) zurückzuerstatten sei, ist eine selbständig tragende rechtliche Erwägung. Sie ist unabhängig von der Frage, ob sich die Beklagte wegen vorsatzgleichen Verschuldens gemäß Art. 29 CMR nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen kann.
4. Die Berufung der Beklagten ist damit unzulässig, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung weiterer 2.261,00 € nebst Zinsen hieraus wendet. In diesem Umfang ist die Berufung zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Dies erfolgt mit der Maßgabe, dass auf die titulierte Forderung kein höherer Zinssatz als 5 v.H. jährlich geschuldet ist. Dies ergibt sich aus Art. 27 CMR. Das Landgericht hat insoweit (abweichend vom Klageantrag) eine Zinshöhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ausgeurteilt. Dies entspricht – da der Basiszinssatz seit 01.07.2016 durchgängig bei minus 0,88% liegt – derzeit nur einem Zinssatz von 4,12%, kann aber zukünftig bei steigendem Basiszins den Zinssatz von 5% p.a. übersteigen.
III.
Im Übrigen – hinsichtlich des verbleibenden Teilbetrags von 12.199,50 € – ist die Berufung zulässig und führt in der Sache zur Abänderung des angefochtenen Urteils. Die Beklagte schuldet der Klägerin über die Gewichtshaftung (9.024,50 €) und die Rückzahlung der Fracht (2.261,00 €) hinausgehend keinen weiteren Schadensersatz. Insbesondere liegen die Voraussetzungen einer unbeschränkten Haftung der Beklagten gemäß Art. 29 CMR im Streitfall nicht vor.
Zwar ist die Klägerin aktivlegitimiert (siehe unten 1).
Auch unterfällt das Vertragsverhältnis der Fa. B. zur Beklagten dem Haftungsregime der CMR, so dass die Klägerin infolge Abtretung / Forderungsübergang die aus dem Beförderungsvertrag folgenden Ansprüche geltend machen kann (siehe unten 2).
Mit dem Landgericht erachtet der Senat den Nachweis für die vollständige Übernahme des Transportgutes durch Fa. D. für geführt, so dass die Beklagte im Rahmen ihrer Obhutshaftung für den eingetretenen Transportverlust gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR haftet (siehe unten 3).
Diese Haftung der Beklagten ist nicht gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR wegen Unvermeidbarkeit des Transportverlustes ausgeschlossen (siehe unten 4).
Für die Schadensberechnung ist gemäß Art. 23 CMR von dem von Fa. B. berechneten Weiterverkaufspreis (von 23.485,00 €) auszugehen (siehe unten 5).
Allerdings ist die Haftung der Beklagten gemäß Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR gewichtsmäßig limitiert; hieraus ergibt sich eine Forderung gegen die Beklagte in Höhe von 9.024,50 € sowie im Hinblick auf die gezahlte Fracht nach Art. 23 Abs. 4 CMR eine weitere Forderung von 2.261,00 € (siehe unten 6).
Soweit die Klägerin meint, die Beklagte könne sich auf diese Haftungsbegrenzung im Hinblick auf ein vorsatzgleiches Verschulden (Art. 29 CMR) nicht berufen, teilt der Senat diese Ansicht nicht; die Voraussetzungen einer solchen verschärften Haftung sind nicht gegeben (siehe unten 7).
Hierzu im Einzelnen:
1. Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Fa. B. entstandenen Transportschäden aktivlegitimiert. Dies wird in der Berufungsinstanz nicht mehr gerügt.
Die Aktivlegitimation folgt im Umfang der von der Klägerin (über ihre Beauftragte) geleisteten Versicherungszahlung von 23.235,00 € aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG (gesetzlicher Forderungsübergang), im Umfang der Selbstbeteiligung der Fa. B. in Höhe von 250,00 € wie auch im Umfang weiterer Ansprüche der Fa. B. (auf Rückzahlung der geleisteten Fracht gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR) aus einer Abtretung von Schadensersatzansprüchen durch Fa. B. an die Klägerin. Die Überlassung der Schadensunterlagen an den Versicherer zum Zwecke der Prozessführung, der letztlich für den Ausgleich des Schadens gegenüber dem Geschädigten verantwortlich ist und geleistet hat, hat allein den Sinn, diesen in den Stand zu setzen, die Ansprüche erfolgreich geltend zu machen. Dazu gehört nach der Vorstellung und dem Willen wirtschaftlich denkender Parteien erfahrungsgemäß auch, dass dem Versicherer alle vorhandenen Ansprüche gegen den Schädiger abgetreten werden. Einer ausdrücklichen Erklärung bedarf es hierzu nicht. Es ist vielmehr von einem konkludenten rechtsgeschäftlichen Verhalten auszugehen (BGH, Urteil vom 21.11.1996 – I ZR 139/94, TranspR 1997, 164, Rn. 23 bei juris).
2. Nach Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO, Art. 1 Abs. 1 CMR unterfällt der streitgegenständliche Transport dem Geltungsbereich dieses Abkommens. Unerheblich ist dabei, dass ein Teil des Transports entweder per Schiff (Fähre über den Ärmelkanal) oder per Eisenbahn (Eurotunnel unter dem Ärmelkanal) erfolgte. Hierbei wurde das Transportgut nicht umgeladen, vielmehr der beladene Lkw zur See bzw. mit der Eisenbahn befördert. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 CMR gilt dieses Abkommen für die gesamte Beförderung Hierbei kann auch dahinstehen, ob im Verhältnis der Fa. B. zur Beklagten ein Transportvertrag oder ein Speditionsvertrag (vgl. das Auftragsformular Anlage K3) geschlossen wurde. Selbst im Falle eines Speditionsvertrags würde es sich um eine Fixkostenspedition handeln, die – auch im Anwendungsbereich der CMR – als deren Geltungsbereich unterfallend angesehen wird (BGH, Urteil vom 14.02.2008 – I ZR 183/05, TranspR 2008, 323, juris Tz. 24ff.; Koller, Transportrecht, 10. Aufl., Art. 1 CMR Rn. 2 f.; de la Motte/Temme in: Thume, CMR, 3. Aufl., Art. 1 Rn. 2; jeweils m.w.N.).
Soweit die CMR keine abschließende Regelungen enthält, ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO deutsches Sachrecht anwendbar (vgl. Koller, Transportrecht, 10. Aufl., Vor Art. 1 CMR Rn. 5), da hier der Beförderer – die Beklagte – ihren Sitz (Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO) hat und sich dort der Übernahmeort der Fracht befand.
3. Mit dem Landgericht erachtet der Senat den Nachweis für die vollständige Übernahme des Transportgutes durch Fa. D. für geführt, so dass die Beklagte im Rahmen ihrer Obhutshaftung für den eingetretenen Transportverlust gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR haftet.
Dies wird von der Berufung nicht (mehr) angezweifelt und ist im Rahmen der beschränkten Überprüfbarkeit der Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht auch nicht zu beanstanden.
4. Die Haftung der Beklagten ist nicht gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR wegen Unvermeidbarkeit des Transportverlustes ausgeschlossen.
Der Frachtführer ist gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR von seiner Haftung befreit, wenn der Verlust des Transportgutes „durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte“. Nach der herrschenden Meinung ist der Frachtführer von seiner Haftung nur bezüglich solcher Schadensursachen befreit, die er im konkreten Fall auch durch die äußerste, ihm mögliche und nach den Umständen des Falles vernünftigerweise zumutbare Sorgfalt nicht vermeiden und in ihren Folgen nicht beherrschen konnte (vgl. Boesche in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 29).
Ein Brand eines abgestellten Transportfahrzeugs (und des darin befindlichen Transportgutes) wäre nur dann unvermeidbar, wenn alle möglichen vom Frachtführer zu verantwortenden Brandursachen ausgeschlossen sind. Bei – wie hier – ungeklärter Brandursache ist dies nicht der Fall. Ein etwaiger technischer Defekt des Fahrzeugs als Brandursache würde die Haftung des Frachtführers nach Art. 17 Abs. 1 CMR nicht ausschließen (vgl. Art. 17 Abs. 3 CMR). Selbst ein Brandanschlag wird als vermeidbar angesehen, auch dann, wenn der Fahrer im Lkw schlief. Allein der Umstand, dass der Schaden durch Brandstiftung eingetreten ist, reicht nicht zum Nachweis der Unabwendbarkeit aus; mit dem ungesicherten Abstellen des Lastzugs ist ein Grund gegeben, der der Unabwendbarkeit entgegensteht (BGH, Urteil vom 05.06.1981 – I ZR 92/79, VersR 1981, 1030, Rn. 12 f. bei juris; Koller, Transportrecht, 10. Aufl., CMR Art. 17 Rn. 26; Reuschle in: Staub, HGB, 5. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 81-83; Jesser-Huß in: MüKoHGB, 4. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 44; jeweils m.w.N.).
Die insoweit beweispflichtige (Art. 18 Abs. 2 CMR) Beklagte hat den Nachweis der Unvermeidbarkeit nicht geführt.
Die Berufung hält den erstinstanzlich erhobenen diesbezüglichen Einwand auch nicht aufrecht.
5. Für die Schadensberechnung ist von dem von Fa. B. berechneten Weiterverkaufspreis (von 23.485,00 €) auszugehen.
Gemäß Art. 23 Abs. 1 CMR berechnet sich der für den Verlust der Ware zu zahlende Schadensersatz nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme der Beförderung. Der Wert des Gutes berechnet sich vorliegend nach dem Marktpreis, vgl. Art. 23 Abs. 2 CMR.
Unter dem Marktpreis ist der durchschnittliche Preis zu verstehen, zu dem entsprechende Güter am Versandort gehandelt werden; gemeint ist der gewöhnliche Verkaufspreis am Versandort, also der Durchschnittswert, den ein Gut gleicher Art und Güte unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Falles im allgemeinen bei einem Verkauf am Versandort erzielen würde (OLG Köln, Urteil vom 17.01.2012 – 3 U 47/09, Rn. 27 bei juris; OLG Düsseldorf, TranspR 2003, 455; vgl. OGH Wien, TranspR 2006, 72).
Dem vom Absender und Empfänger im konkreten Fall vereinbarte und auf der Verkaufsrechnung (Anlage K2) angegebene Verkaufspreis (sog. Fakturenwert) wird, soweit keine Anhaltspunkte für einen davon abweichenden wirklichen Wert bestehen, im Rahmen der Schadensberechnung in der Regel ein Indiz für den Marktpreis sein.
Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Verkaufspreis der Fa. B. am Versandort (in F.) zum Zeitpunkt der Versendung nicht dem Marktpreis entsprochen hat. Deshalb ist vom Fakturenwert von 20.903,10 £ (= 23.485,00 €) auszugehen.
6. Allerdings ist die Haftung der Beklagten gemäß Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR gewichtsmäßig limitiert; hieraus ergibt sich eine (unstreitige) Forderung gegen die Beklagte in Höhe von 9.024,50 €.
Nach Art. 23 Abs. 4 CMR sind zudem Fracht, Zölle und sonstige aus Anlass der Beförderung des Gutes entstandene Kosten zurückzuerstatten, und zwar im Falle des gänzlichen Verlustes in voller Höhe. Die im Rahmen der Gewichtshaftung gemäß Art. 23 Abs. 1 – 3 CMR zu berechnende Ersatzsumme wird um diese Kosten aufgestockt (Koller, Transportrecht, 10. Aufl., Art. 23 CMR Rn. 10). Gezahlte Frachten für den Hintransport sind deshalb voll zu erstatten.
Dies betrifft im Streitfall die von Fa. B. gezahlte Fracht von 2.261,00 € (Anlage K11).
Nach Art. 27 Abs. 1 CMR sind auf die Entschädigung weiter Zinsen in Höhe von 5% p.a. seit dem Tag der schriftlichen Reklamation gegenüber dem Frachtführer zu zahlen. Die Haftbarmachung der Beklagten erfolgte unter dem 22.11.2016 (Anlage K7), so dass seit diesem Zeitpunkt Zinsen geschuldet sind.
7. Bei der Gewichtshaftung nach Art. 23 Abs. 3 CMR wie auch bei der zusätzlichen Pflicht zur Rückerstattung der gezahlten Fracht nach Art. 23 Abs. 4 CMR handelt es sich, wie dem Wortlaut dieser Vorschriften zu entnehmen ist, um Haftungsbeschränkungen.
Nach Art. 29 Abs. 1 CMR kann sich der Frachtführer auf eine Haftungsbeschränkung nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach deutschem Recht dem Vorsatz gleichsteht. Dies betrifft zum einen eine Haftung für eigenes vorsatzgleiches Verschulden der Beklagten (Art. 29 Abs. 1 CMR), zum anderen eine Haftung hinsichtlich eines der Beklagten zuzurechnenden vorsatzgleichen Verschuldens von deren Bediensteten und Gehilfen (Art. 3, 29 Abs. 2 CMR), im Streitfall mithin ein solches der Fa. D. wie auch deren Fahrers.
a) Ein derartiges vorsatzgleiches Fehlverhalten liegt dann vor, wenn ein Verstoß leichtfertig in dem Bewusstsein begangen wird, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine „Leute“ in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2010 – I ZR 39/09, BGHZ 187, 141, Tz. 24 bei juris m.w.N.).
Es bleibt der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, ob das Handeln nach dem äußeren Ablauf des zu beurteilenden Geschehens vom Bewusstsein getragen wurde, dass der Eintritt eines Schadens mit Wahrscheinlichkeit drohe. Dabei sind in erster Linie Erfahrungssätze heranzuziehen. Zudem kann der Schluss auf das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe nahe liegen. Weiter muss sich das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadens nicht auf den konkret eingetretenen Schaden erstrecken. Es genügt die allgemeine Vorhersehbarkeit eines schädigenden Erfolges. Die konkrete Schadensentstehung braucht in ihren Einzelheiten nicht vorhersehbar gewesen zu sein (BGH a.a.O.).
b) Grundsätzlich hat der Anspruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2011 – I ZR 50/10, TranspR 2011, 220, Rn. 20 bei juris).
Die den Anspruchsteller treffende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Dem Frachtführer können ausnahmsweise nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zuzumuten sein, wenn die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den näheren Umständen des Schadensfalls hat, während der Schädiger nähere Angaben machen kann.
Eine solche sekundäre Darlegungslast des Anspruchsgegners ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben.
Diese beim Verlust von Transportgut bestehenden Rechtsprechungsgrundsätze gelten regelmäßig auch bei einer während des Transports eingetretenen Beschädigung des Frachtgutes. Im Falle der Beschädigung des Transportgutes muss der Anspruchsteller mithin Umstände vortragen, aus denen sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der eingetretene Schaden auf einem qualifizierten Verschulden des Frachtführers oder seiner Leute beruht. Liegt ein qualifiziertes Verschulden aufgrund des Parteivorbringens nahe, muss der beklagte Frachtführer Angaben zu den näheren Umständen der Schadensentstehung machen. Er muss insbesondere mitteilen, welche Kenntnisse er über den konkreten Schadensverlauf hat und welche Schadensursachen er ermitteln konnte. Ihn trifft mithin eine Recherchepflicht. Insbesondere hat der Frachtführer in diesem Fall substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er zur Vermeidung des eingetretenen Schadens konkret aufgewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein. Bei einem Verkehrsunfall wird der Frachtführer seiner sekundären Darlegungslast etwa dadurch gerecht, wenn der Verkehrsunfall bezeichnet und näher geschildert wird, insbesondere wenn der Name des Fahrers, die Tagebuchnummer der Polizei und der Unfallhergang mitgeteilt wird (vgl. OLG Hamburg, TranspR 2018, 301, Rn. 4 bei juris).
(zum Ganzen: BGH, Urteil vom 10.12.2015 – I ZR 87/14, TranspR 2016, 464, Rn. 38 bei juris; Urteil vom 11.04.2013 – I ZR 61/12, TranspR 2013, 437, Rn. 31 bei juris; Urteil vom 13.06.2012 – I ZR 87/11, TranspR 2012, 463, Rn. 16-18 bei juris; Urteil vom 03.03.2011 – I ZR 50/10, TranspR 2011, 220, Rn. 20 bei juris; Urteil vom 13.01.2011 – I ZR 188/08, TranspR 2011, 218, Rn. 15-16 bei juris; Urteil vom 18.12.2008 – I ZR 128/06, TranspR 2009, 134, Rn. 14 bei juris; Urteil vom 22.11.2007 – I ZR 74/05, BGHZ 174, 244, Rn. 25-27 bei juris; Schaffert in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 435 Rn. 15-16; Jesser-Huß in: MüKoHGB, 4. Aufl., Art. 29 CMR Rn. 50).
Kann der Frachtführer im Rahmen seiner Recherchepflicht trotz angemessener Nachforschungen keine Angaben zur Schadensentstehung machen, kann daraus allerdings nicht die Vermutung für das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens hergeleitet werden. Der Ersatzberechtigte bleibt in einem solchen Fall für das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens des Transporteurs oder seiner Leute gegebenenfalls beweisfällig (BGH, Urteil vom 22.11.2007 – I ZR 74/05, BGHZ 174, 244, Rn. 27 bei juris).
c) Im Streitfall steht die Klägerin wie auch deren Versicherungsnehmerin (Fa. B.) außerhalb des zum Transportverlust führenden Geschehensablaufs; sie haben keine eigenen Kenntnisse von den näheren Umständen des Schadensfalls.
Die Beklagte bzw. die von dieser eingeschaltete Fa. D. können dagegen diesbezüglich Angaben tätigen.
Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten kommt deshalb grundsätzlich in Betracht.
d) Allerdings würde diese voraussetzen, dass der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden an der Schadensentstehung mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben.
Eine derartige gewisse Wahrscheinlichkeit sieht der Senat in Anbetracht der Gesamtumstände nicht.
aa) Dies folgt nicht aus dem Umstand eines Fahrzeugbrandes an sich.
Die Ursache des Brandes ist völlig unklar. Zwar kommen Fallgestaltungen in Betracht, die ein qualifiziertes Verschulden darstellen würden (etwa der unsachgemäße Betrieb eines Camping-Gaskochers im Lkw). In gleicher Weise kommen aber auch andere Fallgestaltungen in Betracht, bei denen ein leichtfertiger Verstoß in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird, nicht anzunehmen wäre.
Dies gilt insbesondere für etwaige technische Brandursachen, die nicht von vorneherein ein qualifiziertes Verschulden nahelegen. Zwar könnte ein derartiges Verschulden aus einer unzureichenden Wartung des Transportfahrzeugs in Verbindung mit der positiven Kenntnis der Wartungsbedürftigkeit herrühren und dann zu bejahen sein, wenn – insbesondere bei Anhaltspunkten für Defekte bzw. Wartungsdefizite – ein für einen Straßentransport benutztes Fahrzeug leichtfertig ohne ausreichende Wartung eingesetzt wird. Ein technischer Defekt mit der Folge eines Fahrzeugbrandes kann jedoch auch bei ordnungsgemäßer Wartung eintreten. Es gibt keinen Erfahrungssatz, der besagt, dass ein solcher Defekt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine unzureichende Wartung zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2011 – I ZR 188/08, TranspR 2011, 218, Rn. 20 bei juris).
Auch eine von Dritten begangene Brandstiftung als Brandursache legt ein qualifiziertes Verschulden an der Schadensentstehung nicht mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahe. Vielmehr muss grundsätzlich nicht mit derart außergewöhnlichen Straftaten Dritter gerechnet werden.
Soweit das OLG Hamburg beim Brand eines unbewacht abgestellten Planensattel-Lkw mit wertvoller Ladung (Wert mehr als 1 Mio. DM) ein qualifiziertes Verschulden nach Art. 29 CMR bejaht hat (TranspR 2002, 238), wurde dies mit dem hohen Wert der transportierten Ware, deren unzureichender Sicherung vor Beschädigung nur durch eine Plane und dem unbewachten Abstellen des Lkw über das Wochenende begründet; die sekundäre Darlegungslast hat hier keine Rolle gespielt. Im Streitfall war das Transportgut indes nicht derart wertvoll (siehe sogleich).
bb) Auch das Abstellen des Lkw auf einem unbewachten Parkplatz außerhalb des Bereichs der Kameraüberwachung begründet kein qualifiziertes Verschulden. Es bestanden bereits für einen erheblichen Wert der Ladung keine Anhaltspunkte; weder waren dem Fahrer besondere Sicherungsanweisungen erteilt worden (etwa das Fahrzeug nur auf bewachten bzw. videoüberwachten Parkplätzen abzustellen) noch waren im Rahmen des von Fa. B. der Beklagten erteilten Auftrags diesbezügliche Vereinbarungen getroffen worden. Dies liegt aufgrund der Art des Transportgutes (Dekorationsmaterial) auch fern.
cc) Das Landgericht argumentiert, die Beklagte habe keine Angaben zur Person des Fahrers des Lkw und zu den näheren Umständen des Geschehensablaufs gemacht; auch bestünden insoweit Unklarheiten (etwa zum Kennzeichen des verbrannten Anhängers oder zum Verbleib der Zugmaschine – auch verbrannt?), was grundsätzlich den Schluss auf ein grobes Organisationsverschulden im Betriebsbereich des Frachtführers rechtfertige.
Insoweit liegt ein Fehlschluss vor. Der Beklagten obliegen erst dann nähere Substanziierungspflichten, wenn eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten besteht. Diese setzt wiederum voraus, dass der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden an der Schadensentstehung mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. Die Nichterfüllung einer behaupteten sekundären Darlegungslast kann eine solche Last nicht erst begründen.
Soweit danach der unklare und lückenhafte Vortrag der Beklagten überhaupt Berücksichtigung finden kann, sieht der Senat hierin noch keine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein qualifiziertes Verschulden. Die Darlegungsschwierigkeiten der Beklagten resultieren nach deren Vortrag aus dem Abbruch der Geschäftsbeziehung zu Fa. D. und dem insoweit nicht mehr bestehenden Kontakt. Dies kann eine nachvollziehbare Ursache für den Vortrag der Beklagten darstellen. Das von der Beklagten in der Schadensmeldung (Anlage K6) sowie erstinstanzlich vorgetragene falsche Kennzeichen des Lkw-Anhängers kann auf einem Versehen beruhen.
dd) Auch in der Zusammenschau rechtfertigen das Brandereignis, der Abstellort des Lkw, der Parteivortrag der Beklagten und insoweit bestehende Unklarheiten im Streitfall nicht den Schluss auf das objektive Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit wie auch auf das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.
e) Damit hat die insoweit beweispflichtige Klägerin den Nachweis eines qualifizierten Verschuldens der Beklagten als Voraussetzung eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs nicht geführt.
Hinsichtlich des über die Gewichtshaftung und die Rückzahlung der Fracht hinausgehenden Anspruchs war die Klage deshalb abzuweisen.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
2. Gegen dieses Urteil ist die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft, soweit die Berufung als unzulässig verworfen wird (vgl. § 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.).
Im Übrigen ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine solche wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwerfen würde, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat. Dies ist nicht der Fall.
Die Fortbildung des Rechts erfordert keine höchstrichterliche Entscheidung. Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht geboten; widersprüchliche Entscheidungen zu den maßgeblichen Rechtsfragen liegen nicht vor.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.


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