Handels- und Gesellschaftsrecht

Verjährung einer rechtskräftig festgestellten Erstattungsforderung

Aktenzeichen  S 7 AS 722/19

Datum:
26.1.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28015
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 40 Abs. 1 S. 1, § 41a Abs. 6 S. 3
SGB X § 50 Abs. 4, § 52

 

Leitsatz

1. Die Verjährung von Erstattungsforderungen nach § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es ist in diesen Fällen § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II iVm § 50 Abs. 4 SGB X analog anzuwenden. Verjährung tritt daher in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem der den Erstattungsanspruch auslösende abschließende Bescheid unanfechtbar geworden ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verwaltungsakte, die zur Durchsetzung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergehen, setzen eine Verjährungsfrist von 30 Jahren in Gang, gerechnet ab Rechtskraft des Durchsetzungsbescheids. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten sind vorher gehört worden.
Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist zum einen die Festsetzung der Mahngebühr durch Bescheid der Beklagten vom 09.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2019. Die Klägerin wendet zudem ein, die der Mahnung zugrundeliegende Forderung sei verjährt. Da der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2019 hierüber keine Regelung trifft, ist die Klage dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Forderung verjährt ist.
Soweit die Klägerin die Aufhebung der Festsetzung einer Mahngebühr mit der Mahnung der Beklagten vom 09.10.2019 begehrt, ist die insoweit erhobene Anfechtungsklage nicht zulässig. Mit dem mit Schriftsatz vom 09.09.2020 erklärten Verzicht auf die Mahngebühr hat die Beklagte den Klageanspruch insoweit anerkannt. Damit ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für eine Fortsetzung des Rechtsstreits entfallen (MKLS/B. Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 101 Rn. 19).
Die Klage ist zulässig, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die mit der Mahnung der Beklagten vom 09.10.2019 geltend gemachte Forderung verjährt ist.
Die Feststellungsklage ist insbesondere statthaft. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Feststellbar sind einzelne Beziehungen oder Berechtigungen, auch wenn sie aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis herrühren (BSG, Urteil vom 14. Mai 2020 – B 14 AS 28/19 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4-4200 § 44b Nr. 6, Rn. 20). Macht eine Behörde geltend, sie sei berechtigt, Forderungen einzuziehen, sowie – ausgesprochen oder unausgesprochen – über die Rechtsmacht zu verfügen, deswegen die Zwangsvollstreckung einleiten zu können, begründet dies ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis unmittelbar zwischen dem Adressaten der Zahlungsaufforderung und ihr selbst zu der Frage, ob die Voraussetzungen für die Einleitung einer Vollstreckung vorliegen (BSG a.a.O., Rn. 23). Vorliegend macht die Beklagte geltend, zum Forderungseinzug berechtigt zu sein, so dass insoweit das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden kann.
Die Klägerin hat auch ein Feststellungsinteresse im Sinne eines berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung des Inhalts eines mit der Beklagten bestehenden Rechtsverhältnisses. Die Beklagte hat zwar erklärt, auf die Mahngebühren zu verzichten. Sie hat jedoch ausgeführt, dass der Erstattungsbetrag weiterhin an sie zu zahlen sei. Damit besteht die Ungewissheit über die Durchsetzbarkeit der Erstattungsforderung mit Blick auf die von der Klägerin eingewandte Verjährung fort.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die mit der Mahnung der Beklagten vom 09.10.2019 geltend gemachte Forderung ist nicht verjährt. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass die Verjährungsfrist 30 Jahre beträgt und noch nicht abgelaufen ist. Zwar ist die Verjährung von Erstattungsforderungen nach § 41a Abs. 6 Satz 3 im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings ist § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) i.V. m. § 50 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) analog anzuwenden (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Januar 2019 – L 19 AS 1810/18 B -, Rn. 38, juris). Verjährung tritt daher in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem der den Erstattungsanspruch auslösende abschließende Bescheid unanfechtbar geworden ist (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 08/20, § 41a SGB II, Rn. 514; Eicher/Luik/Kem-per, 4. Aufl. 2017, SGB II § 41a Rn. 74). Gemäß § 50 Abs. 4 Satz 3 SGB X bleibt § 52 SGB X hiervon unberührt. Demnach setzen Verwaltungsakte, die zur Durchsetzung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergehen eine Verjährungsfrist von 30 Jahren in Gang, gerechnet ab Rechtskraft des Durchsetzungsbescheids (Schütze/Schütze, 9. Aufl. 2020, SGB X § 50 Rn. 34). Die streitgegenständliche Forderung ist durch Bescheid vom 06.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2017 geltend gemacht worden. Der Erstattungsbescheid vom 06.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30.03.2017 ist mit der Erledigterklärung der Klägerin vom 12.07.2017 in dem Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen S 11 AS 210/17 bestandskräftig geworden. Damit wurde die Verjährungsfrist von dreißig Jahren in Gang gesetzt, die noch nicht abgelaufen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine anteilige Kostentragung durch die Beklagte war angesichts der Tatsache, dass die Mahngebühr in Bezug auf welche Erledigung eingetreten ist, im Verhältnis zu dem Wert der begehrten Feststellung zu vernachlässigen ist, und angesichts der Weigerung der Klägerin, den Rechtsstreit nach dem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für die Anfechtungsklage für erledigt zu erklären, nicht auszusprechen.


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