Handels- und Gesellschaftsrecht

Wettbewerbsverhältnis zwischen KFZ-Versicherung und Abschleppunternehmer

Aktenzeichen  29 U 3923/16

Datum:
16.3.2017
Fundstelle:
LSK – 2017, 113578
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 3 Nr. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 1004
StGB § 263

 

Leitsatz

1. Zur Abrechnung von Abschleppleistungen über Schutzbriefversicherungen, wenn der Versicherungsnehmer auch ADAC-Mitglied ist und sich im Pannenfall an den ADAC gewandt hat.
2. Eine KFZ-Versicherung, die Schutzbriefe auch hinsichtlich notwendiger Abschleppmaßnahmen anbietet, und ein Abschleppunternehmer sind keine Mitbewerber gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.  (Rn. 25) (red. LS Dirk Büch)
3. Wendet sich ein Autofahrer, der Mitglied des ADAC ist, zunächst an diesen und nicht an seine KFZ-Versicherung, die auch Abschleppkosten absichert, kann die Subsidiaritätsklausel im Versicherungsvertrag zu einem Ausschluss der Leistungspflicht der Versicherung führen. (Rn. 43) (red. LS Dirk Büch)

Verfahrensgang

8 O 4244/15 2016-09-15 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 15.09.2016 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.967,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 6.284,76 € seit 08.04.2015, aus 373,46 € seit 01.03.2016 und aus weiteren 309,48 € seit 19.04.2016 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 7/8 und die Beklagte 1/8 zu tragen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 7/8 und die Beklagte 1/8 zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der Erstattung von Abschleppkosten Unterlassungs- und bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend.
Die Klägerin bietet als Versicherungsunternehmen unter anderem Kfz-Schutzbriefversicherungen an, bei denen sie den Versicherungsnehmern u.a. die Kosten für Pannenhilfe- oder Abschleppmaßnahmen ganz oder teilweise ersetzt.
Die Beklagte betreibt ein Autohaus. Sie ist auch ein Vertragsunternehmen des ADAC und führt u.a. in dessen Auftrag Straßendienste (Pannenhilfe- und Abschleppleistungen) aus.
Die Beklagte hat bei der Klägerin Rechnungen über Pannenhilfe- und Abschleppleistungen für etliche Versicherungsnehmer der Klägerin, die eine Panne mit ihrem PKW erlitten hatten, jeweils zusammen mit einem Abtretungsvertrag eingereicht. Die Versicherungsnehmer der Klägerin waren gleichzeitig Mitglied im ADAC. Die Klägerin hat die Rechnungen weitgehend beglichen. Die Versicherungsnehmer bzw. die Fahrer hatten nach ihren Pannen zunächst beim ADAC angerufen. Der ADAC informierte die Beklagte, die sich daraufhin zum jeweiligen Havaristen begab.
Bei Einreichung der Rechnungen hat die Beklagte die Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass der jeweilige Versicherungsnehmer bzw. Havarist zunächst den ADAC angerufen hatte.
Ziffer A.3.11 der Versicherungsbedingungen der Klägerin (AKB) lautet wie folgt:
Verpflichtung Dritter:
1. Soweit im Schadenfall ein Dritter Ihnen gegenüber aufgrund eines Vertrags oder einer Mitgliedschaft in einem Verband oder Verein zur Leistung oder zur Hilfe verpflichtet ist, gehen diese Ansprüche unseren Leistungsverpflichtungen vor.
2. Wenden Sie sich nach einem Schadenereignis allerdings zuerst an uns, werden wir Ihnen gegenüber abweichend von A. 3.11.1. in Vorleistung treten.
1. Die Clubbedingungen des ADAC enthalten u.a. folgende Klauseln:
5. Was hat das ADAC Mitglied im Schadensfall zu beachten?
a) Das ADAC Mitglied hat persönlich Anspruch auf ADAC Hilfeleistungen.
b) …
c) …
d) Die Clubleistung ist nicht kostenfrei, wenn gleiche Leistungen auf Grund derselben Ursache mehrmals erbracht oder Schäden grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt werden oder ein Erstattungsanspruch gegen Dritte besteht. Als Dritte gelten nicht die ADAC-Schutzbrief Versicherung AG, die ADAC-Rechtsschutz Versicherungs AG und die ADAC Autoversicherung AG.
Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 20.03.2015 (Anlage K 16) aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, mit der sie sich verpflichtet, es zukünftig zu unterlassen, sich von Versicherungsnehmern der Klägerin, denen sie aufgrund eines Auftrags eines Dritten Pannen- oder Unfallhilfe leistet, deren vermeintliche Erstattungsansprüche gegenüber der Klägerin abtreten zu lassen und ihre Leistung gegenüber der Klägerin abzurechnen. Des Weiteren forderte die Klägerin die Beklagte in dem Schreiben auf, die ihr bislang zu Unrecht gezahlten Kosten zu erstatten und Auskunft über weitere Vorgänge zu erteilen. Die Beklagte hat die Abgabe der Unterlassungserklärung und die Zahlung verweigert.
Die Klägerin behauptet, ihre Versicherungsnehmer hätten der Beklagten keinen Abschleppauftrag erteilt. Alle Personen hätten aufgrund ihrer Mitgliedschaft beim ADAC diesen gerufen und ihn um die aufgrund der Mitgliedschaft geschuldete Pannenhilfe gebeten. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass der Fahrzeugführer eine vertragliche Vereinbarung mit dem Abschleppunternehmen eingehen wolle. Dem Fahrzeugführer fehle jegliches diesbezügliches Erklärungsbe-wusstsein.
Die Beklagte werde im Auftrag des ADAC tätig. Der ADAC handle systematisch mit dem Ziel der Generierung von Mehreinnahmen durch das ADAC-Vertragsunternehmen und der vertragswidrigen Kostenersparnis beim ADAC auf Kosten Dritter, nämlich der Schutzbriefversicherer. Für den ADAC und dessen Vertragspartner stelle dies eine „WIN-WIN-Situation“ dar. Der ADAC zahle für die seinem Mitglied geschuldete Abschleppleistung, mit der er die Beklagte beauftragt habe, gar nicht, die Beklagte rechne den Auftrag gegenüber dem Schutzbriefversicherer, hier der Klägerin, zu wesentlich höheren Beträgen ab als gegenüber dem ADAC.
Die Klägerin stützt die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auf § 823 Abs. 2, § 1004 BGB i.V.m. § 263 StGB, auf § 823 Abs. 1, § 1004 BGB unter dem Aspekt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs sowie auf § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1, 10, 11 UWG a.F. Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein Rechtsgrund für die Zahlungen der Klägerin liege nicht vor.
Die Beklagte behauptet, dass der ADAC nur als Vermittler tätig sei und keinen unbedingten Auftrag erteile. Wenn der Havarist aufgrund einer erlittenen Panne den Notruf des ADAC anrufe, würden dem örtlichen Vertragspartner – hier der Beklagten – Daten und Standort des Hilfesuchenden sowie dessen Fahrzeug mitgeteilt und ein Mitarbeiter der Beklagten fahre den gemeldeten Standort an. Es sei allein Sache des jeweiligen Havaristen, vor Ort die begehrte Werkleistung zu beauftragen. Schließlich vermittle der ADAC nicht nur ADAC-Mitgliedern Pannenhilfe, sondern er sei aufgrund seiner Gemeinnützigkeit grundsätzlich jedem Hilfesuchenden verpflichtet, Pannenhilfe zu vermitteln. Die Mitarbeiter der Beklagten würden vor Ort mit dem Hilfesuchenden klären, ob überhaupt eine gültige ADAC-Mitgliedschaft bestehe, ob der Abschleppvorgang darüber auch abgedeckt sei und ob der Abschleppvorgang schließlich von der Beklagten ausgeführt werden solle. Der jeweilige Kunde werde darüber aufgeklärt, dass der ADAC für Kosten der begehrten Hilfeleistung dann nicht aufkomme, wenn die Abschleppleistung beispielsweise über einen Schutzbrief bei der Klägerin abgedeckt sei. In den streitgegenständlichen Fällen hätten die Havaristen dann der Beklagten einen Auftrag erteilt und ihr ihre Ansprüche gegen die Klägerin abgetreten.
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche kämen schon nicht in Betracht, weil die Klägerin und die Beklagte keine Mitbewerber seien.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 15.09.2016, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, vollumfänglich abgewiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstin-stanzlichen Vortrags mit ihrer Berufung.
Hilfsweise macht sie sich den Vortrag der Beklagten hinsichtlich deren Vorgehens bei Vermittlung des Einsatzes durch den ADAC im Wege des äquipollenten Parteivorbringens zu eigen und stützt die Unterlassungsansprüche unter Berufung auf das Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.01.2017, Az. I-15 U 37/16 (Anlage K 70) ergänzend auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG.
Sie beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München II vom 15.09.2016 zu verurteilen,
1.es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden und fälligen Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, sich von Versicherungsnehmern der Klägerin, denen sie aufgrund eines Auftrages eines Dritten Pannen- oder Abschlepphilfe leistet, einen Auftrag für diese Pannen oder Abschlepphilfe erteilen zu lassen und/oder sich deren vermeintliche Erstattungsansprüche aus einem Versicherungsverhältnis zur Klägerin abtreten zu lassen,
2.es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden und fälligen Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, gegenüber der Klägerin Pannen- oder Abschlepphilfeleistungen für deren Versicherungsnehmer abzurechnen, wenn und soweit die Beklagte diese aufgrund eines Auftrages eines Dritten erbracht hat,
3.an die Klägerin EUR 7.167,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 6.484,76 seit 08.04.2015, aus EUR 373,46 seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 11.06.[sic].2016 und aus weiteren EUR 156,28 seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 01.04.2016 zu zahlen,
4.an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.822,96 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.04.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2017 Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur hinsichtlich der Abweisung des Rückzahlungsanspruchs weitgehend begründet. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche stehen der Klägerin nicht zu.
1. Die Beklagte hat den Versicherungsnehmern, die auch ADAC Mitglied sind, nicht im Auftrag eines Dritten Pannenhilfe geleistet hat, so dass die geltend gemachten Ansprüche daher schon mangels Wiederholungsgefahr nicht bestehen.
Die Klägerin hat den Vortrag der Beklagten, dass der ADAC bei Anruf eines Havaristen zunächst die Pannenhilfe nur vermittelt und es sich erst nach Eintreffen der Beklagten beim Havaristen entscheidet, ob die Beklagte im Auftrag des ADAC die Pannenhilfe leistet, nicht widerlegt. Die Beklagte hat insoweit ausgeführt, dass sie vom ADAC den Einsatzort mitgeteilt bekommt, und sie dann vor Ort klärt, ob tatsächlich eine ADAC Mitgliedschaft besteht und ob darüber hinaus noch eine Versicherung besteht, die das eingetretene Risiko abdeckt. In den Fällen, in denen der Havarist das Pannenrisiko nicht nur über den ADAC, sondern auch noch anderweitig abgedeckt habe, werde sie nicht im Auftrag des ADAC tätig, sondern lasse sich einen Auftrag des Havaristen erteilen und dessen Ansprüche gegen seine Versicherung abtreten. Dafür, dass der ADAC die Pannenhilfe zunächst nur vermittelt und er seinem Vertragsunternehmen, bei Anruf eines Havaristen zunächst noch keinen (unbedingten) Auftrag erteilt, spricht, dass der ADAC nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten nicht nur ADACMitgliedern zur Hilfe verpflichtet ist, sondern sich auch Nicht-ADAC-Mitglieder im Falle einer Panne an den ADAC wenden können und dieser auch diesen Pannenhilfe vermittelt. Da bei Nicht-ADAC-Mitgliedern, davon auszugehen ist, dass die Beklagte im Auftrag des Havaristen und nicht des ADAC tätig wird und sich die Mitgliedschaft – etwa durch Vorlage eines Mitgliedsausweises – in etlichen Fällen auch vor Ort leichter klären lassen wird, als am Telefon, ist der Vortrag der Beklagten, dass seitens des ADAC zunächst nur eine Vermittlung vorliegt, ohne Weiteres nachvollziehbar.
Dass die Beklagte, wenn sich vor Ort herausstellt, dass der Havarist hinsichtlich der Pannenhilfe über anderweitigen Versicherungsschutz verfügt, nicht im Auftrag des ADAC tätig wird, entspricht nicht nur dem nicht widerlegten Vortrag der Beklagten, sondern ergibt sich auch aus der seitens der Klägerin vorgelegten Anlage K 19. Ausweislich der Anlage K 19 teilt der ADAC seinen Straßendienst-Vertragspartnern mit, dass im Rahmen der ADAC-Mitgliedschaft keine Kosten übernommen werden, wenn anderer Versicherungsschutz besteht. Die StraßendienstVertragspartner werden angehalten, sich Abtretungserklärungen unterschreiben zu lassen und die Rechnung bei der primär leistungspflichtigen Versicherung einzureichen. Verfährt die Beklagte, wie in den streitgegenständlichen Fällen, in dieser Weise, wird sie aus ihrer und auch aus Sicht des ADAC nicht aufgrund eines ADAC-Auftrags tätig.
2. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags aber auch unabhängig vom Fehlen eines Auftrags eines Dritten mangels Anspruchsgrundlage nicht.
a) Wettbewerbsrechtliche Ansprüche kommen nicht in Betracht, weil die Klägerin und die Beklagte keine Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sind.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2017, Az. I ZR 253/14, juris, Tz. 45 – World of Warcraft II m.w.N.). Die Parteien versuchen nicht, gleichartige Waren oder Dienstleistungen abzusetzen. Die Klägerin versucht als Versicherungsunternehmen Versicherungen abzusetzen, zu denen die seitens der Beklagten angebotenen Pannen- und Abschleppleistungen nicht gleichartig sind.
Auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen innerhalb des gleichen Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen, kann ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen, nämlich dann, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH GRUR 2014, 1114, Tz. 32 – nickelfrei). Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs des anderen liegt vor, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen im Absatz behindern oder stören könnte (vgl. BGH a.a.O., Tz. 32 – nickelfrei). Durch das konkret beanstandete Verhalten der Beklagten, nämlich sich von den Havaristen (vermeintlich) Aufträge erteilen zu lassen, sich die (vermeintlichen) Ansprüche gegen die Klägerin abtreten zu lassen und diese Ansprüche gegenüber der Klägerin abzurechnen, wird die Klägerin in ihrem Absatz nicht behindert oder gestört und daher in ihrem Wettbewerb nicht beeinträchtigt. Durch das Verhalten der Beklagten werden gegen die Klägerin nicht berechtigte Forderungen erhoben und sie erleidet bei Begleichung möglicherweise einen Vermögensschaden. In ihrem Absatz, also dem Abschluss von Versicherungsverträgen, wird die Klägerin durch das Verhalten der Beklagten aber nicht beeinträchtigt. Es ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin aufgrund des beanstandeten Verhaltens der Beklagten weniger Versicherungen absetzen können sollte als ohne dieses.
Die Aktivlegitimation der Klägerin besteht vorliegend auch nicht unter dem Aspekt der Förderung fremden Wettbewerbs. Stellt sich die in Rede stehende Wettbewerbshandlung als Förderung fremden Wettbewerbs dar, muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten Unternehmen und dessen Mitbewerber bestehen (vgl. BGH GRUR 2014, 573 Tz. 19 -Werbung für Fremdprodukte). Zwar besteht zwischen dem ADAC und der Klägerin ein konkretes Mitbewerberverhältnis, da diese gleichartige Waren demselben Endverbraucherkreis anbieten. Die Beklagte fördert durch ihr Verhalten aber nicht den Wettbewerb des ADAC, das Verhalten der Beklagten ist nicht darauf gerichtet, dass dieser neue Mitglieder gewinnt. Sie erspart dem ADAC lediglich Aufwendungen, fördert aber nicht dessen Absatz.
b) Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche ergeben sich auch nicht aus § 1004, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.
aa) Hinsichtlich des auf die Unterlassung der Auftragserteilung und Abtretung der Ansprüche gerichteten Anspruchs (Berufungsantrag 1.) ergibt sich dies schon daraus, dass die Klägerin durch diese Handlungen in ihren Rechtspositionen nicht berührt wird. Allein aus der Erteilung eines Auftrags an die Beklagte und der Abtretung der etwaigen Ansprüche gegen die Klägerin kann die Klägerin noch keinen Vermögensschaden erleiden. Erst durch die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Klägerin wird deren Vermögen gefährdet.
bb) Ansprüche gemäß § 1004, § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB scheiden aber auch deshalb aus, weil ein Betrug seitens der Beklagten nicht angenommen werden kann.
Die Täuschung der Klägerin liegt darin, dass die Beklagte bei Einreichung der Rechnung und der Abtretungserklärung nicht mitteilt, dass der Versicherungsnehmer sich an den ADAC gewandt hat und die Beklagte vom ADAC zum Einsatzort geschickt wurde. Eine Täuschung durch Unterlassen erfüllt nur dann den Tatbestand des § 263 StGB, wenn der Beklagten eine Garantenstellung zukäme (vgl. § 13 StGB). Hierfür ist nichts ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt keine Täuschung durch positives Tun vor. Die Beklagte hat den Versicherungsnehmern Pannenhilfe geleistet, hierüber eine Rechnung erstellt und diese zusammen mit der vom Versicherungsnehmer unterzeichneten Abtretungserklärung eingereicht. Hierdurch wird bei der Klägerin kein Irrtum hervorgerufen. Entscheidend für die Klägerin ist die Information, die ihr gerade nicht mitgeteilt wird, nämlich die Einschaltung des ADAC durch den Versicherungsnehmer, die aus Sicht der Klägerin ihre Leistungspflicht entfallen lässt. Die Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen erfolgt nach dem „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ (vgl. Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. Vorbemerkung zu § 13 ff. Rn. 158a). Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt in dem Unterlassen der Mitteilung der für die Klägerin entscheidenden Information.
Darüber hinaus fehlt es aber auch am Vorsatz der Beklagten. Die Beklagte folgt bei ihrem Vorgehen den vom ADAC gemachten Vorgaben. Der ADAC teilt seinen StraßendienstVertragspartnern mit, dass im Falle des Bestehens anderweitigen Versicherungsschutzes, seitens des ADACs keine Kosten übernommen würden und sie dem Mitglied bei der Realisierung seiner Kosten helfen können, in dem sie „eine Abtretungserklärung unterschreiben lassen und die Rechnung bei dem primär leistungspflichtigen Dritten einreichen“ (vgl. Anlage K 19). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagten bewusst war, dass sie durch dieses ihr vom ADAC nahegelegten Vorgehen die Klägerin zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung veranlasst, die bei dieser zu einem Vermögensschaden führt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagte entsprechend den Angaben des ADAC von einer primären Leistungspflicht der Klägerin ausgegangen ist.
Das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entbehrlich, weil für den Unterlassungsanspruch nur ein objektiv widerrechtlicher Eingriff in ein nach §§ 823 ff. BGB geschütztes Rechtsgut erforderlich sei. Einen Schutz vor „unvorsätzlichem Betrug“ sieht die Rechtsordnung gerade nicht vor.
c) Die Unterlassungsansprüche ergeben sich auch nicht aus einem rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 BGB. Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den Betrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt und damit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl. § 823 Rn. 134 m.w.N.). Da reine Vermögensschäden nicht von § 823 Abs. 1 BGB erfasst werden, muss sich der Eingriff nach objektiven Maßstäben spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten (vgl. Sprau a.a.O. Rn. 135). Die Geltendmachung einer unberechtigten Forderung richtet sich nicht gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und stellt daher keinen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, sondern kann lediglich zu einem reinen Vermögensschaden führen.
3. Die Unterlassungsansprüche sind auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 RDG begründet. Soweit sich die Klägerin den Vortrag der Beklagten hinsichtlich deren Vorgehens bei ADAC-Mitgliedern hilfsweise zu eigen macht, fehlt es zumindest auch und gerade an dem nach den Anträgen erforderlichen Auftrag eines Dritten.
4. Da die Unterlassungsansprüche nicht bestehen, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Abmahnkosten.
5. Der Rückzahlungsanspruch bezüglich der geleisteten Versicherungsleistungen steht der Klägerin jedoch in Höhe von 6.967,70 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu.
a) Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.02.2016, der Aufstellung in der Anlage K 26 und der Klageerweiterungen vom 01.04.2016 im Einzelnen dargelegt, wie sich die geltend gemachte Forderung zusammensetzt. Aus der tabellarischen Übersicht sind der Schadensfall, der Versicherungsnehmer und die an die Beklagte geleistete Zahlung ersichtlich. Der Vortrag ist, außer im Fall der Versicherungsnehmerin S., hinreichend substantiiert. Die durch die Klägerin an die Beklagte erfolgte Zahlung sowie die Mitgliedschaft der Versicherungsnehmer im ADAC ist unstreitig, ebenso wie der Umstand, dass die Versicherungsnehmer bzw. die Fahrer sich alle zunächst an den ADAC und nicht an die Klägerin gewandt haben.
Aus der Aufstellung in der Anlage K 26 ergibt sich hinsichtlich der Versicherungsnehmerin S. allerdings, dass diese nicht Mitglied im ADAC, sondern im ACE war. Es fehlt jeglicher Sachvortrag der Klägerin, woraus sich der Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der für diesen Fall geleisteten 200,00 € ergeben soll, so dass die Berufung der Klägerin insoweit keinen Erfolg haben konnte.
b) Die durch die Klägerin geleisteten Zahlungen erfolgten in Höhe von 6.967,70 € ohne rechtlichen Grund.
aa) In den meisten der streitgegenständlichen Fälle wird es am rechtlichen Grund schon deshalb fehlen, weil der Versicherungsnehmer der Beklagten keinen eigenen Auftrag zur Vornahme der Abschleppleistungen erteilt hat. Die Havaristen haben sich aufgrund ihrer Mitgliedschaft im ADAC an diese gewandt, um Hilfe zu erhalten. Dass sie vor Ort trotz ihrer Mitgliedschaft im ADAC der Beklagten noch einen eigenen Auftrag erteilen wollten und ein entsprechendes Er-klärungsbewusstsein hatten, ist fernliegend. Aus den von der Beklagten als Anlagen B 6, B 8 -B 38 zum Nachweis der Auftragserteilung vorgelegten mit „Auftrag und Rechnung“ über-schriebenen Formularen ergibt sich dies in keiner Weise. Nach diesen Formularen, in die die ADAC Mitgliedsnummer einzutragen war und bei denen „ADAC“ im Kopf angegeben war, mussten die Havaristen davon ausgehen, eine ADAC Leistung in Anspruch zu nehmen. Dass aus Sicht der Havaristen keine eigene Auftragserteilung an die Beklagte vorlag, ergibt sich auch aus den zahlreichen dies bestätigenden von der Klägerin vorgelegten Erklärungen (vgl. Anlagen K 6, K 9, K 12, K 21, K 27- K36, K 38- K 42, K 48, K 50, K 52- K 59). Ohne entsprechende Auftragserteilung ging auch die Abtretung – unabhängig von der Frage der hinreichenden Bestimmtheit – ins Leere, da der abgetretene Vergütungsanspruch nicht bestand.
bb) Aber selbst wenn man von einer wirksamen Auftragserteilung und Abtretung ausgehen würde, wären die geleisteten Zahlungen ohne rechtlichen Grund erfolgt, denn die Klägerin war aufgrund der in Ziffer A. 3.11 AKB enthaltenen Subsidiaritätsklausel nicht zur Leistung verpflichtet. Gemäß Ziffer A. 3.11.1. der AKB der Klägerin gehen im Falle einer Mitgliedschaft in einem Verein, der zur Hilfe verpflichtet ist, diese Ansprüche den gegenüber der Klägerin bestehenden Ansprüchen vor. Die Subsidiaritätsklausel in den Clubbedingungen des ADAC steht dem nicht entgegen. Die Versicherungs- bzw. Clubbedingungen sind nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2014, Az. IV ZR 389/12, juris, Tz. 15). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die konkurrierenden Subsidiaritätsklauseln der Klägerin und des ADAC dahingehend auslegen, dass er sich im Schadensfall zunächst wahlweise an den ADAC oder die Klägerin wenden kann und jeder ihm zur Leistung verpflichtet ist (vgl. BGH a.a.O. Tz. 18), die Ansprüche gegen die Klägerin aber dann zurücktreten, wenn er sich im Schadensfall zunächst an den ADAC gewandt hat. Die Subsidiaritätsklausel des ADAC greift vorliegend nicht, weil ein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin nicht mehr besteht, da sich die Versicherungsnehmer zunächst an den ADAC gewandt haben. Eine Obliegenheit der Clubmitglieder, sich im Schadensfall bei Bestehen anderweitigen Versicherungsschutzes zunächst an die Versicherung zu wenden, besteht nicht.
c) Die Klägerin kann die ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen auch direkt bei der Beklagten kondizieren und muss den Anspruch nicht gegen ihre Versicherungsnehmer durchsetzen. Zwar liegt aus Sicht der Klägerin bei den einzelnen Zahlungen jeweils eine Leistung an ihren Versicherungsnehmer vor, so dass aufgrund des Vorrangs der Leistungskondiktion, die Klägerin ihre Ansprüche grundsätzlich an ihre Versicherungsnehmer richten müsste. Bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, verbietet sich jedoch jede schematische Lösung. Vielmehr sind in erster Linie die Besonderheiten des einzelnen Falles für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung zu beachten (BGH NJW 1989, 900, 901). Vorliegend ist zu beachten, dass allein die Beklagte als vermeintliche Zedentin die unrichtige Auszahlung veranlasst hat. Die Versicherungsnehmer wollten in den streitgegenständlichen Fällen die Klägerin überhaupt nicht in Anspruch nehmen. Die Beklagte hat aufgrund einer angeblich nicht, tatsächlich aber doch bestehenden kostenfreien Einstandspflicht des ADAC die vermeintliche Abtretung der vermeintlichen Ansprüche bewirkt und die Klägerin aufgrund einer unvollständigen Information zur Auszahlung an sich veranlasst. Bei dieser Sachlage ist es interessengerecht, dass die Klägerin sich auch mit ihren Rückzahlungsansprüchen an die Beklagte wenden darf und nicht gezwungen ist, das Verhältnis zu ihren Versicherungsnehmern dadurch zu belasten, dass sie gegen diese Rückzahlungsansprüche für Leistungen geltend machen muss, die diese im Vertrauen auf ihre Mitgliedschaft im ADAC veranlasst haben.
d) Der Kondiktionsanspruch ist auch nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen aufgrund eines in den AKB der Klägerin enthaltenen Abtretungsverbotes. Eine abredewidrig erfolgte Abtretung kann mit ex tunc Wirkung gemäß § 182 Abs. 1, § 185 Abs. 2 BGB genehmigt werden. In der
c) Auszahlung der Beträge liegt jeweils eine konkludente Genehmigung (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.12.2016, Az. 6 U 166/15, Anlage K 72).
e) Soweit die Beklagte sich hinsichtlich eines Teils der Zahlungen auf Verjährung beruft, sind die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht dargetan. Die Beklage hat lediglich zum Auftragsund Rechnungsdatum vorgetragen, nicht aber dazu, wann die Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
6. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Eine Divergenz zur Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26.01.2017, Az. I-15 U 37/16 (Anlage K 70) liegt aufgrund der erheblich abweichenden Antragsstellung und der sich schon daraus ergebenden anderen rechtlichen Bewertung nicht vor.


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