IT- und Medienrecht

Anfechtungsklage gegen Nichtfeststellung der Nichtigkeit, Bescheidungspflicht der Behörde

Aktenzeichen  W 4 K 21.304

Datum:
17.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54708
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84
VwGO § 93
BayVwVfG Art. 22
BayVwVfG Art. 44

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.   

Gründe

1. Das Gericht konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, der Sachverhalt aufgeklärt ist und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, § 84 VwGO. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters besteht in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch einhellig die Auffassung, dass § 84 VwGO mit dem Grundgesetz und der EMRK vereinbar ist (vgl. die Nachweise bei Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 84 Rn. 2). Wegen der Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung und damit der Reduzierung des Infektionsrisikos in Pandemiezeiten bietet sich der Rückgriff auf den Gerichtsbescheid vorliegend besonders an (vgl. Kroiß, Rechtsprobleme Covid-19/Koehl, Teil 2 § 4 Rn. 10).
2. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist der Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2021, mit dem der Antrag der Klägerin vom 8. September 2020 auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausführungen des Mitarbeiters des Landratsamtes Würzburg G* … im Schriftsatz des Landratsamtes vom 23. Januar 2020 abgelehnt wurde. Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieses Bescheids im Wesentlichen mit der Begründung, es hätte keine Veranlassung mehr bestanden, über den Nichtigkeitsfeststellungsantrag zu entscheiden, da bereits mit Schriftsatz vom 15. Januar 2021 im Verfahren W 4 K 20.376 die dort erhobene Klage erweitert worden sei um den Antrag, dass die Klägerin die Aufhebung des Schreibens des Landratsamts Würzburg vom 23. Januar 2020 begehre, hilfsweise die Feststellung, dass diese Mitteilung rechtswidrig sei.
3. Entgegen der Anregung des Klägervertreters kommt für die Kammer eine Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem Verfahren W 4 K 20. … nicht in Betracht, da es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung des Gerichts handelt und das Gericht vorliegend zu der Auffassung gelangt ist, dass die Voraussetzungen des § 93 VwGO nicht gegeben sind. Sie werden vom Klägervertreter auch nicht substantiiert dargelegt. Nach § 93 VwGO kann das Gericht durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden. Das vorliegende Verfahren und das Verfahren im Rahmen der Verwaltungsstreitsache W 4 K 20. … betreffen jedoch nicht den gleichen Gegenstand. Streitgegenstand im Verfahren W 4 K 20. … ist, wie der Klägervertreter in seinem Antrag selbst formuliert hat, die Anfechtung des Schreibens des Beklagten vom 23. Januar 2020 zur Einstimmigkeit. Hilfsweise begehrt er die Feststellung, dass dieses Schreiben rechtswidrig sei.
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist hingegen die Frage, ob überhaupt noch Veranlassung für den Beklagten bestand, den Nichtigkeitsfeststellungsantrag der Klägerin zu verbescheiden. Deshalb hat der Klägervertreter, wie er selbst ausgeführt hat, bewusst auch keine Verpflichtungsklage auf Feststellung durch den Beklagten erhoben, sondern lediglich eine Anfechtungsklage.
4. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Anfechtungsklage überhaupt zulässig ist, jedenfalls ist sie unbegründet. Die Kammer hat schon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die unter Ziffer 3 des Bescheids normierte Gebührenfestsetzung in Höhe von 514,00 EUR ausgeführt, dass gemäß dem im Verwaltungsverfahrensrecht herrschenden Grundsatz der Bescheidungspflicht (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 21. Aufl. 2020, § 22, 43a) der Beklagte grundsätzlich verpflichtet ist, über einen Antrag in der Sache zu entscheiden, was vorliegend auch mit dem streitgegenständlichen Bescheid geschehen ist.
Unterbleiben kann eine solche Bescheidung des Antrags nur dann, wenn es sich um offensichtlich nicht ernst gemeinte, offensichtlich querulatorische Anträge handelt oder solche, die einen offensichtlich sittenwidrigen Inhalt haben. Ebenso zwingt völlig unsubstantiiertes Vorbringen eines Beteiligten die Behörde nicht zu einer Entscheidung.
Da vorliegend nicht erkennbar ist, dass ein solcher geschilderter Ausnahmefall gegeben ist, war der Beklagte somit verpflichtet, über den Antrag der Klägerin zu entscheiden.
Die Klägerin kann auch nicht mit dem Vortrag gehört werden, aufgrund der im Verfahren W 4 K 20. … erweiterten Klageanträge habe überhaupt keine Veranlassung mehr für den Beklagten bestanden für eine Entscheidung in der Sache. Mit diesem Argument verkennt sie nicht nur die eben angesprochene Entscheidungsverpflichtung der Behörde, sondern auch das Verhältnis des Verwaltungsverfahren zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Solange die Behörde nicht entschieden hat, ist das Verwaltungsverfahren nicht beendet (Art. 9 BayVwVfG).
5. Aber auch inhaltlich ist der streitgegenständliche Bescheid vom 26. Januar 2021 nicht zu beanstanden.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist Art. 44 Abs. 5 BayVwVfG, auf den der Klägervertreter selbst hinweist. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde jederzeit von Amts wegen die Nichtigkeit feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches berechtigtes Interesse wurde allerdings vom Klägervertreter in seinem Schreiben an den Beklagten vom 8. September 2020 mit keinem Wort substantiiert dargelegt. In keinster Weise substantiiert wurde auch, warum das Schreiben des Landratsamts Würzburg vom 23. Januar 2020 nichtig i.S.v. Art. 44 BayVwVfG sein soll. Weder wurde Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG geprüft und erwähnt, noch Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG. Schon allein aufgrund dieser substanzlosen Ausführungen hat die Kammer keine Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids des Beklagten vom 26. Januar 2021.
Letztendlich kann die Kammer auch nicht erkennen, inwiefern das Schreiben des Landratsamts Würzburg vom 23. Januar 2020, sollte es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt handeln, an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet. Jedenfalls fehlt es an der Offenkundigkeit des Fehlers, denn einem nichtigen Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit auf die Stirn geschrieben sein, d.h. es darf die ernsthafte Möglichkeit, dass der Verwaltungsakt doch rechtmäßig sein könnte, nach Lage der Dinge, für eine unvoreingenommenen urteilsfähigen, weder besonders sach-, noch rechtskundigen, aber aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter nicht bestehen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 21. Aufl. 2020, § 44 Rn. 12). Dass dies vorliegend der Fall sein könnte, behauptet die Klägerin selbst nicht.
6. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 5. Mai 2021, wobei die Kammer davon ausgeht, dass dieses Schreiben, welches an den Vizepräsidenten persönlich gerichtet ist, im Verfahren W 4 K 21. … Berücksichtigung finden soll. Nicht nachvollziehbar sind insbesondere im Hinblick auf den Streitgegenstand die vom Klägervertreter gestellten Beweisanträge. Sie sind jedenfalls als ungeeignet abzulehnen, da sich hieraus nichts Sachdienliches für das vorliegende Verfahren ergibt. Im Übrigen handelt es sich um untaugliche Ausforschungsbeweisanträge.
7. Da die Kammer schließlich keinen rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Gebührenhöhe hat, sie wird vom Klägervertreter auch nicht substantiiert angegriffen, war die Klage abzuweisen.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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