IT- und Medienrecht

Beginn der Verjährungsfrist im Zusammenhang mit dem „Dieselskandal”

Aktenzeichen  31 O 15582/19

Datum:
5.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25295
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 195, § 199 Abs. 1

 

Leitsatz

Der individuelle Verjährungsbeginn, d.h. der Zeitpunkt der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (vgl. § 199 Abs. 1 BGB) stimmt regelmäßig mit dem Zeitpunkt des allgemeinen Bekanntwerdens des „Dieselskandals“ überein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, wobei sich die örtliche Zuständigkeit des LG München I aus § 32 ZPO ergibt.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keine Ansprüche aus dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeuges, da etwaige Ansprüche verjährt sind.
Die Klage wurde erst nach Ablauf des Jahres 2018 im November 2019 erhoben.
Sie beruht auf dem Ende September 2015 bekannt gewordenen Einsatz einer Software in Dieselmotoren des Typs EA189, die in Fahrzeugen des VW-Konzerns eingebaut ist.
Beginn der Verjährungsfrist war das Jahresende 2015 (vgl. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB).
Die Frage der Verjährung ist sehr umstritten. Eine Entscheidung des BGH liegt hierzu noch nicht vor (vgl. aber unten).
Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Frage der Verjährung der überzeugenden Ansicht des OLG München an:
Vgl. OLG München Hinweisbeschlüsse vom 03.12.2019 – 20 U 5741/19; v. 05.02.2020 – 3 U 7392/19; Beschluss vom 01.09.2020 – 3 U 4079/20, BeckRS 2020, 22104; Beschluss vom 14.08.2020 – 3 U 3018/20, BeckRS 2020, 20317; Beschluss vom 09.06.2020 – 3 U 2049/20, BeckRS 2020, 13124; Beschluss vom 02.06.2020 – 3 U 7229/19, BeckRS 2020, 11023; Beschluss vom 10.03.2020 – 3 U 7392/19, BeckRS 2020, 3135), ebenso derjenigen z.B. des LG Freiburg (Breisgau), Urteil v. 27.03.2020 – 8 O 152/19; LG Saarbrücken, Urteil v. 13.12.2019 – 12 O 56/19 – worauf jeweils Bezug genommen wird, entgegen anderer Ansicht, z.B. OLG Oldenburg Urteil v. 30.01.2020 – 1 U 131/19, 1 U 137/19.
Danach stimmt der individuelle Verjährungsbeginn, d.h. der Zeitpunkt der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (vgl. § 199 Abs. 1 BGB) regelmäßig mit dem unstreitigen Zeitpunkt des allgemeinen Bekanntwerdens des „Dieselskandals“ überein.
Denn über die der Beklagten vorgeworfenen Täuschung wurde ab Herbst 2015 umfassend in sämtlichen Medien berichtet; dass ein in Deutschland lebender Kunde des Konzerns hiervon keine Kenntnis gehabt haben sollte, ihm jedenfalls nicht grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vorzuwerfen wäre, ist von daher nicht vorstellbar.
So hat auch der BGH mit Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 (siehe auch Pressemitteilung des BGH Nr. 101/2020 vom 30.07.2020) festgestellt, dass die Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 objektiv geeignet war, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen. Aufgrund der Verlautbarung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung sei typischerweise nicht mehr damit zu rechnen gewesen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden.
Die Beklagte gab am 22. September 2015 eine Ad-hoc-Mitteilung und eine gleichlautende Pressemitteilung heraus, in der sie „Unregelmäßigkeiten“ in Bezug auf die verwendete Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189 einräumte, die in weltweit mehr als elf Millionen Fahrzeugen verbaut seien. Sie sprach in der Mitteilung von einer „auffälligen Abweichung“ zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb sowie davon, an der Beseitigung dieser Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu arbeiten und hierzu im Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) zu stehen. Sie arbeitete mit dem KBA, das ihr die Entfernung der Software und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit auferlegte, zusammen. Die Beklagte schaltete auf ihrer Website einen Link zu einer Suchmaschine frei, mit deren Hilfe durch Eingabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) festgestellt werden konnte, ob ein konkretes Fahrzeug mit der beanstandeten Motorsteuerungssoftware ausgestattet war. Sie informierte ihre Servicepartner und Vertragshändler über die Verwendung der Umschaltlogik. Sie stellte ein Software-Update bereit, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Vor und nach August 2016 wurden die Halter der betroffenen Fahrzeuge aufgefordert, diese zum Aufspielen des Software-Updates in die Werkstätten zu bringen.
Über die Verwendung der Abschalteinrichtung ist ab September 2015 in Presse, Funk und Fernsehen umfangreich und wiederholt berichtet und in der breiten Öffentlichkeit diskutiert worden. Sie ist unter Bezeichnungen wie „Diesel-Gate“, „Dieselskandal“, „VW-Abgasskandal“ monatelang ein die Nachrichten beherrschendes Thema gewesen. Auch über die Einrichtung des Links zur Suchmaschine auf der Website der Beklagten, die Maßnahmen des KBA und die Bereitstellung des Software-Updates ist in den Medien breit berichtet worden.
Ausgehend von diesen Feststellungen ist nach Ansicht des BGH bereits die Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 objektiv geeignet gewesen, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen. Aufgrund der Verlautbarung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung sei typischerweise nicht mehr damit zu rechnen gewesen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden. Aus der Mitteilung vom 22. September 2015 sei weiter hervorgegangen, dass „die zuständigen Behörden“ und das KBA bereits involviert waren. Die anschließende Berichterstattung über die Anordnungen des KBA gegenüber der Beklagten habe erwarten lassen, dass ein Misslingen der behördlicherseits geforderten Herstellung eines vorschriftsmäßigen Zustandes – auch für die Fahrzeughalter – nicht folgenlos bleiben würde.
Mangels Hemmung der Verjährung ist diese mit dem Schluss des Jahres 2018 eingetreten, so dass die im Oktober 2019 erhobene Klage die bereits abgelaufene Verjährung nicht mehr unterbrechen konnte.
Hinsichtlich der Frage hingegen, ob die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage auch dann die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB hemmen konnte, sofern diese nach der Anmeldung bald wieder zurückgenommen wird, liegt ebenfalls noch keine Entscheidung des BGH vor.
Hierzu ist bereits festzustellen, dass ein nachvollziehbarer Sachvortrag seitens des anwaltlich vertretenen Klägers diesbezüglich erkennbar nicht vorliegt. Denn offensichtlich ist sich der Kläger selbst nicht sicher, ob und wann eine Anmeldung erfolgt ist, was sich aus seinen Äußerungen im Termin ergibt. Somit kann auch das Gericht nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer An- und Abmeldung ausgehen. Auch hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin zutreffend und deutlich darauf hingewiesen, dass dieser Vortrag unsubstantiiert ist. Schon von daher scheidet eine Verjährungshemmung aus, abgesehen davon, dass hinsichtlich der konkludent bestrittenen (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO) Anmeldung seitens des Klägers auch kein Beweismittel angeboten wurde.
Im Übrigen beantwortet das Gericht die Frage einer Verjährungshemmung im Falle einer Rücknahme dahingehend, dass das Berufen auf die Verjährungshemmung wegen § 242 BGB unwirksam bzw. unbeachtlich ist, was ebenfalls der Rechtsprechung des OLG München entspricht (vgl. Hinweisbeschluss vom 09.06.2020 – 3 U 2049/20).
So hat der BGH im Fall des außergerichtlichen Güteverfahrens entschieden, dass wenn „[…]von vornherein sicher [sei], dass der Zweck des außergerichtlichen Güteverfahrens – die Entlastung der Justiz und ein dauerhafter Rechtsfrieden durch konsensuale Lösungen (BT-Drucks. 14/980, S. 1 und 5) – nicht erreicht werden kann […]“ es aufgrund „einer derartigen missbräuchlichen Inanspruchnahme des Verfahrens „es dem Gläubiger gemäß § 242 BGB verwehrt ist, sich auf eine Hemmung der Verjährung durch Bekanntgabe des Güteantrags zu berufen. (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 – IV ZR 526/14).
Der vorliegende Fall stellt sich entsprechend dar. Dass es seitens der Klagepartei von vornherein nicht beabsichtigt war, das Musterfeststellungsverfahren durchzuführen, ergibt sich daraus, dass die Anmeldung kurz vor Ende der Verjährungsfrist erfolgt ist und sodann nach Rücknahme der Anmeldung die Individualklage erhoben wurde – sofern man von der Richtigkeit des Vortrages des Klägers im Termin ausgeht. Einen Grund für diese Vorgehensweise hat der Kläger nicht genannt. Hinzu kommt noch, dass gerichtsbekannt ebenso in mehreren anderen, gleich gelagerten Fällen verfahren wurde, ohne dass hierfür ebenfalls keine anderen Gründe als die Verjährungshemmung ersichtlich waren.
Der Zweck der Musterfeststellungsklage, eine Entlastung der Gerichte herbeizuführen, indem zahlreiche Individualstreitigkeiten reduziert werden (BT-Drucks. 19/2439, S. 2, 3, 16 ff., 32, 33) wird somit gerade nicht erreicht.
Nach der Gesetzesbegründung (Drucksache 19/2507 S. 28; zu Nummer 1 (Änderung des § 204 Absatz 1) soll durch die Hemmungswirkung bei Anmeldung von Ansprüchen zur Musterfeststellungsklage sichergestellt werden, dass angemeldete Verbraucher, die den Ausgang der Musterfeststellungsklage im Hinblick auf die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils abwarten, nicht durch den Ablauf von Verjährungsfristen während der Dauer der Musterfeststellungsklage daran gehindert werden, ihren Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Hierdurch wird somit sichergestellt, dass angemeldete Verbraucher den Ausgang einer Musterfeststellungsklage im Hinblick auf die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils abwarten können, ohne befürchten zu müssen, dass ihr Anspruch zwischenzeitlich verjährt (BeckOK BGB/Henrich, 54. Ed. 1.5.2020 Rn. 20a, BGB § 204 Rn. 20a-20c).
Es wurde also bei Einführung des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB davon ausgegangen, dass der Verbraucher das Musterfeststellungsverfahren durchführt, jedenfalls aber überhaupt durchführen will, nicht aber, um einem Verbraucher zu ermöglichen, die Verjährung noch am letzten Tag der Verjährungsfrist zu hemmen, um sodann ausschließlich eine von vornherein bezweckte Individualklage erheben zu können. Die Anmeldung zum Musterfeststellungsverfahren lediglich die Verjährungshemmung zu erlangen in der Absicht, sodann eine Individualklage zu erheben, widerspricht somit ganz klar dem Gesetzeszweck.
Dem steht auch nicht die Entscheidung des BGH, Urteil vom 28.10.2015 – IV ZR 526/14 entgegen. Darin wird zwar festgestellt, dass es grundsätzlich legitim ist und im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch begründet, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 – VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 345).
Hiervon sei aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat.
In einem solchen Fall sei von vornherein sicher, dass der Zweck des außergerichtlichen Güteverfahrens – die Entlastung der Justiz und ein dauerhafter Rechtsfrieden durch konsensuale Lösungen (BT-Drucks. 14/980, S. 1 und 5) – nicht erreicht werden kann, weshalb sich eine gleichwohl erfolgte Inanspruchnahme der Gütestelle als rechtsmissbräuchlich erweise. Als Rechtsfolge einer derartigen missbräuchlichen Inanspruchnahme des Verfahrens sei es dem Gläubiger gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung durch Bekanntgabe des Güteantrags zu berufen.
Eine solche Ausnahme liegt hier jedoch gerade vor. Zwar hat die Klagepartei der Beklagten nicht im Vorfeld mitgeteilt, dass er nicht bereit ist, an dem Musterfeststellungsverfahren mitzuwirken. Jedoch ist nicht erkennbar, warum dies überhaupt erforderlich sein bzw. warum die Bewertung als rechtsmissbräuchlich davon abhängen sollte.
Sofern das LG Köln, Urteil vom 15.01.2020 – 17 O 185/19 dieses Verhalten als nicht rechtsmissbräuchlich angesehen hat, ist dies nicht überzeugend. Denn darin wird zunächst festgestellt, dass es Ziel des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage gerade ist, den betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern einen einfachen Weg der kollektiven Rechtsverfolgung zu eröffnen, indem sie ihre Ansprüche gegen die beklagte Partei mit verjährungshemmender Wirkung und ohne Anwaltszwang zu einem Klageregister anmelden. Es wird ausdrücklich der vorrangige Zweck des Gesetzes in der Schaffung einer einfachen Möglichkeit zur Verjährungshemmung dargestellt, was bereits zweifelhaft erscheint. Zuletzt wird dann lediglich behauptet, dass es sich daher als nicht rechtsmissbräuchlich darstellt, wenn eine Anmeldung eines Geschädigten zum Klageregister ausschließlich zu diesem Zweck erfolgt. Darauf, dass dies dann jedoch überhaupt nichts mehr mit dem gesetzgeberischen Ziel zu tun hat, wird indes nicht eingegangen.
Ebenso wenig überzeugend ist die Begründung des OLG Koblenz, Urteil vom 30. Juni 2020 – 3 U 123/20, welches ebenfalls die Rechtsmissbräuchlichkeit verneint. Nur weil der Wechsel von der Teilnahme an der Musterfeststellungsklage zur Individualklage ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist (z B. in § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 613 Abs. 1 Satz 2 ZPO), soll es nicht gegen § 242 BGB verstoßen, sich im Rahmen einer später erhobenen Individualklage auf die Verjährungshemmung durch den kurz vor Verjährungseintritt erfolgten Beitritt zur Musterfeststellungsklage zu berufen. Allerdings macht das OLG Koblenz eine Einschränkung dahingehend, dass dies „jedenfalls ohne Hinzutreten weitergehender erheblicher Indizien“ gelten soll, welche dort nicht vorgetragen waren. Somit schließt auch das OLG Koblenz es nicht grundsätzlich aus, dass das Berufen eines Käufers auf die Hemmung der Verjährung in bestimmten Fällen durchaus rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein könnte.
In den Entscheidungen des LG München I, Urt. v. 06.02.2020 – 40 O 11950/19, BeckRS 2020, 4179, Urt. v. 11.0.2020 26 O 4868/19 wird zwar in einem solchen Fall die Hemmungswirkung bejaht, allerdings lediglich mit Hinweis auf § 204 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 S. 2 BGB, ohne sich mit der umstrittenen Frage der Treuwidrigkeit auseinander zu setzen.
Hingegen hat das LG Köln, Urteil vom 20.12.2019 – 4 O 171/19 ebenfalls zutreffend diese Vorgehensweise als missbräuchlich bzw. treuwidrig angesehen und eine Verjährungshemmung verneint.
So hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es anerkannt ist und der Rechtsprechung des BGH zu anderen Hemmungstatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB entspricht, dass diese im Falle des Rechtsmissbrauchs keine Wirkung entfalten. Generell könne sich der Gläubiger daher nicht auf eine Verjährungshemmung berufen, wenn die zugrunde liegende Handlung der Rechtsverfolgung allein zu diesem Zweck vorgenommen worden ist. Ein Indiz dafür könne es sein, wenn die betroffene Rechtsverfolgungsmaßnahme kurzfristig wieder zurückgenommen wird, weil sich darin in der Regel niederschlägt, dass der Gläubiger an der Durchführung des entsprechenden Verfahrens kein Interesse hat, sondern allein die Verjährungshemmung anstrebt (so auch Mansel, WM 2019, 1621 m. w. N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28.10.2015 – IV ZR 526/14, NJW 2016, 233). Dass auch der Gesetzgeber bei Schaffung der §§ 606 ff. ZPO solch rein prozesstaktischen Anschlüsse vermeiden wollte, ergebe sich daraus, dass dessen Rücknahme nur bis zum Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung erfolgen kann (§ 608 Abs. 3 ZPO), was im Vergleich zu einer früheren Planung im Gesetzgebungsverfahren einer deutlichen Einschränkung der Möglichkeit der Rücknahme gleichkam. Zudem widerspräche es dem Sinn und Zweck des Musterfeststellungsverfahrens, welches der Konzentration solcher Massenverfahren wie wegen des sog. „Abgasskandals“ dienen sollte.
Ergänzend ist anzuführen, dass durch das Aufspielen des Updates keine (neuen) Ansprüche der Klagepartei – in nicht verjährter Zeit – entstanden sind. Denn die Beklagte konnte – entsprechend der Rechtsprechung des OLG München – berechtigt davon ausgehen, dass die von ihr im Update eingesetzte und vom KBA geprüfte Software den gesetzlichen Vorschriften entspricht, so dass ein Schädigungsvorsatz in jedem Fall ausscheidet (vgl. z.B. OLG München, Beschluss v. 03.06.2019 – 19 U 4356/18; OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 03.06.2020 – 17 U 583/19; ähnlich BGH, Urteil v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20 für nach dem 22.09.2015 erworbene Fahrzeuge).
Kosten: § 91 ZPO; vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO; Streitwert: § 3 ZPO. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs erhöht den Streitwert nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25.08.2020 – XI ZR 108/20).


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