IT- und Medienrecht

Der Auskunftsanspruch der Presse gegen eine Bundesbehörde – hier ein Anspruch auf Auskunft gegenüber dem BAMF über geförderte AMIF-Projekte

Aktenzeichen  AN 14 E 19.00661

Datum:
21.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 17773
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3, § 123

 

Leitsatz

1. Begehrt der Antragsteller mit seiner einstweiligen Anordnung keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren, sind erhöhte Anforderungen an die Darlegung sowohl des geltend gemachten Anordnungsgrundes als auch des Anordnungsanspruchs zu stellen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus dem Grundrecht der Pressefreiheit ergibt sich für Presseangehörige mangels einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden, soweit auf sie die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht anwendbar sind. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Auskunftsanspruch gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Bundesbehörde ergibt sich unmittelbar aus dem Grundrecht der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, weil ein landesrechtlich normierter Auskunftsanspruch der Presse gegenüber einem Bundesamt nicht anwendbar ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Soweit es um staatliche Förderer einer öffentlichen Aufgabe geht, sowie um Förderzusagen diesbezüglich, ist zu berücksichtigen, dass die hieran Beteiligten sich bewusst sind oder sein müssen, dass hieran ein öffentliches Interesse besteht, das auch die Presse aufgreifen kann. (Rn. 21 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
5. Entscheidend für den erforderlichen Gegenwartsbezug einer Berichterstattung ist, dass ein Zusammenhang zwischen der begehrten Auskunft und einem aktuellen Geschehen vorliegt. Dies ist bei der Thematik “Asyl und Migration” in besonderer Weise der Fall.  (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
2. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen,
2.1. wie hoch – unter Angabe der weiteren Förderer (soweit Privatpersonen betroffen, mit deren geschwärzten Daten) und der jeweiligen Förderbeträge – die Gesamtprojektsumme der einzelnen im Jahr 2016 mit AMIF-Mitteln geförderten Projekte ist,
2.2. wie viele AMIF-Förderanträge unter Angabe der jeweiligen Träger-Projektnamen, Höhe der beantragten Mittel und der jeweiligen Gesamtprojektsummen – unter zusätzlicher Abgabe der weiteren Förderer (so-weit Privatpersonen betroffen, mit deren geschwärzten Daten) und der jeweiligen Förderbeträge – im Jahr 2017 gestellt wurden und
2.3. wie hoch – unter Angabe der weiteren Förderer (soweit Privatpersonen betroffen, mit deren geschwärzten Daten) und der jeweiligen Förderbeträge – die Gesamtprojektsumme der einzelnen im Jahr 2017 mit AMIF-Mitteln geförderten Projekte ist.
3. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
4. Antragsteller und Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
5. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Journalist und für das „…“ tätig. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Reportern, Redakteuren, Forschern und Datenjournalisten aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten und Ländern, in die Flüchtlinge und Migranten zurückgeführt werden. Das „…“ plant im Vorfeld der Europawahlen eine Reihe von Berichten zum Thema „Kosten der Rückführungen von Migranten/Asylbewerbern“.
Der Antragsteller beantragte von der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 7. Dezember 2018 Auskunft über die in den Kalenderjahren 2016 und 2017 geförderten Projekte im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) einschließlich der Kofinanzierungen bis 11. März 2019. Die begehrten Informationen wurden mit einer Ausnahme verweigert. Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. März 2019 bat diese um Verlängerung der Antwortfrist bis 31. März 2019, da die entsprechenden Zahlen erst zum Ende des 1. Quartals 2019 geliefert würden.
Mit Schriftsatz vom 26. März 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, stellte der Antragsteller folgende Anträge gemäß § 123 VwGO:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen,
1.welche Projekte, von welchem Träger und in welchem Umfang im Jahr 2016 mit AMIF-Fördermitteln gefördert wurden,
2.wie hoch – unter Angabe der weiteren Förderer und der jeweiligen Förderbeträge – die Gesamtprojektsumme der einzelnen im Jahr 2016 mit AMIF-Mitteln geförderten Projekte ist,
3.warum im Jahr 2016 keine Aufforderung zur Abgabe von Projektvorschlägen veröffentlicht wurde,
4.wie viele AMIF-Förderanträge unter Angabe der jeweiligen Träger-Projektnamen, Höhe der beantragten Mittel und der jeweiligen Gesamtprojektsummen – unter zusätzlicher Abgabe der weiteren Förderer und der jeweiligen Förderbeträge – im Jahr 2017 gestellt wurden,
5.welche Projekte von welchem Träger und in welchem Umfang im Jahr 2017 mit AMIF-Fördermitteln gefördert wurden,
6.wie hoch – unter Angabe der weiteren Förderer und der jeweiligen Förderbeträge – die Gesamtprojektsumme der einzelnen im Jahr 2017 mit AMIF-Mitteln geförderten Projekte ist.
Der Antragsteller legte in Anlage AS 2 eine eidesstattliche Versicherung vor, dass er für das im Oktober 2018 gegründete „…“ arbeite. Die Behörden, die in den EU-Mitgliedstaaten für die AMIF-Finanzierung zuständig sind, verfügten über Daten, die es ermöglichten, im Zusammenspiel mit anderen Informationsquellen die durchschnittlichen Kosten pro Rückkehr zu kalkulieren. Mithilfe der begehrten Daten solle die beabsichtigte Berichterstattung im Vorfeld der Europawahl zu einer öffentlichen Debatte und zur transparenten Bereitstellung von Informationen für die Wähler beitragen.
In der Folgezeit erteilte die Antragsgegnerin folgende Auskünfte: Hinsichtlich Antragsziffer 1 wurde mitgeteilt, dass 2016 ein Projekt neu gefördert worden sei, da es keine öffentliche Aufforderung gegeben habe. Zu Antragsziffer 2 wurde offengelegt, dass es insgesamt 249 geförderte Projekte gebe, dass aber zu Kofinanzierung und Eigenanteilen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben gemacht würden. Hinsichtlich Antragsziffer 3 wurde umfassend Auskunft erteilt. Zu Antragsziffer 4 wurde mitgeteilt, dass im Jahr 2017 306 Projektanträge gestellt worden seien, deren Kofinanzierer und Förderer jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht genannt werden könnten. Hinsichtlich Antragsziffer 5 wurde mitgeteilt, dass im Rahmen der Aufforderung 2017 insgesamt 112 Projekte gefördert würden, unter Beifügung einer Anlage mit den bereits mit Zuwendungsbescheid bedachten Projektanträgen. Die noch nicht abgeschlossenen Anträge auf Förderung würden erst nach Bewilligung veröffentlicht. Zu Antragsziffer 6 wurde mitgeteilt, dass mit der Antwort zur 5. Frage verglichen werden solle und im Übrigen datenschutzrechtliche Einwände bestünden.
Daraufhin erklärten nach jeweiliger Auskunftserteilung durch die Antragsgegnerin, zuletzt vom 20. Mai 2019, beide Beteiligten den Rechtsstreit betreffend Antragsziffern 1, 3 sowie 5 für erledigt.
Der Antragsteller trug vor, dass auch zu Antragsziffer 2, 4 und 6 keine datenschutzrechtlichen Hinderungsgründe ersichtlich seien und beantragte zuletzt,
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen,
1.wie hoch – unter Angabe der weiteren Förderer und der jeweiligen Förderbeträge – die Gesamtprojektsumme der einzelnen im Jahr 2016 mit AMIF-Mitteln geförderten Projekte ist,
2.wie viele AMIF-Förderanträge unter Angabe der jeweiligen Träger-Projektnamen, Höhe der beantragten Mittel und der jeweiligen Gesamtprojektsummen – unter zusätzlicher Abgabe der weiteren Förderer und der jeweiligen Förderbeträge – im Jahr 2017 gestellt wurden und
3.wie hoch – unter Angabe der weiteren Förderer und der jeweiligen Förderbeträge – die Gesamtprojektsumme der einzelnen im Jahr 2017 mit AMIF-Mitteln geförderten Projekte ist.
Die Antragsgegnerin beantragte,
die Anträge abzulehnen.
Mit Beschluss der Kammer vom 21. Mai 2019 wurde die der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Aufgrund des Übertragungsbeschlusses der Kammer vom 21. Mai 2019 entscheidet der Einzelrichter über den Rechtsstreit.
1. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs betreffend die Fragen im ursprünglichen Antrag, Ziffern 1, 3 sowie 5 hat sich der Rechtsstreit durch die Auskunftserteilung der Antragsgegnerin erledigt. Die Beteiligten haben insoweit übereinstimmend Erledigterklärungen abgegeben. Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
2. Im Übrigen – hinsichtlich der Antragsziffern 2, 4 und 6 – ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässig und zum Teil begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Begehrt der Antragsteller wie hier keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren, sind nach ständiger Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an die Darlegung sowohl des geltend gemachten Anordnungsgrundes als auch des Anordnungsanspruchs zu stellen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.1.2017 – 7 CE 16.2056 -, juris; BayVGH, B.v. 17.2.2014 – 7 CE 13.2514 -, juris). Der Erfolg der Hauptsache muss überwiegend wahrscheinlich sein und das Abwarten in der Hauptsache müsste für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge haben.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Antragsteller hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (2.1.) und eines Anordnungsgrundes (2.2.) im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
2.1. Der Antragsteller hat hinsichtlich der zuletzt gestellten Anträge vom 20. Mai 2019 einen Anordnungsanspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang glaubhaft gemacht.
Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass dem Antragsteller ein Auskunftsanspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zusteht, ohne dass die Antragsgegnerin berechtigt wäre, die begehrte Auskunft zu verweigern.
Der Auskunftsanspruch des Antragstellers beruht auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Aus dem Grundrecht der Pressefreiheit ergibt sich für Presseangehörige mangels einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden, soweit auf sie die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht anwendbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 6 C 12.14; U.v. 16.3.2016 – 6 C 65.14 -, juris; U.v. 29.6.2017 – 7 C 24.15 -, juris; B.v. 26.10.2017 – 6 VR 1/17 -, juris; B.v. 11.4.2018 – 6 VR 1/17 -, juris). Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller gehört als Journalist zu den auskunftsberechtigten Personen. Gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Bundesbehörde ergibt sich der Auskunftsanspruch unmittelbar aus dem Grundrecht der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, da der in Art. 4 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) landesrechtlich normierte Auskunftsanspruch der Presse gegenüber dem Bundesamt nicht anwendbar ist.
Aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Auskunftsanspruchs können Pressevertreter behördliche Auskünfte verlangen, soweit die Informationen bei der Behörde vorhanden sind und berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall, wobei allerdings eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, dass diese den presserechtlichen Auskunftsanspruch ausschließen; aus Art. 10 EMRK ergibt sich insoweit nichts anderes (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 6 C 12.14; U.v. 16.3.2016 – 6 C 65.14 -, juris; U.v. 29.6.2017 – 7 C 24.15 -, juris; B.v. 26.10.2017 – 6 VR 1/17 -, juris; B.v. 11.4.2018 – 6 VR 1/17 -, juris).
Dem geltend gemachten Auskunftsanspruch des Antragstellers stehen entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nur teilweise berechtigten schutzwürdigen Interessen von öffentlichen Stellen oder von öffentlichen Interessen dienenden Institutionen oder Vereinen entgegen.
Berechtigte schutzwürdige Interessen sind beispielhaft in den Landespressegesetzen aufgeführt, wobei diese Bestimmungen nicht als abschließend verstanden werden dürfen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 6 A 2.12 -, juris). Darüber hinaus können auch die gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe der Informationsfreiheitsgesetze (IFG, UIG, VIG) herangezogen werden (BVerwG, a.a.O.). Kann diesen Ansprüchen ein vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtetes Vertraulichkeitsinteresse nicht entgegengehalten werden, weil kein gesetzlicher Ausschlussgrund eingreift, muss dies erst recht für den grundrechtlich gewährleisteten Auskunftsanspruch der Presse gelten.
Die Antragsgegnerin beruft sich im vorliegenden Fall auf entgegenstehenden Schutz personenbezogener Daten. Dies greift jedoch nur teilweise durch. Soweit es um staatliche Förderer einer wie vorliegend öffentlichen Aufgabe geht, sowie um Förderzusagen diesbezüglich, ist zu berücksichtigen, dass die hieran Beteiligten sich bewusst sind oder sein müssen, dass hieran ein öffentliches Interesse besteht, das auch die Presse aufgreifen kann. Etwas anderes gilt für Privatpersonen oder private Einrichtungen, die, ohne einer öffentlichen Aufgabenerfüllung verpflichtet zu sein, gespendet haben. Deshalb sind die personenbezogenen Daten von privaten Initiativen im Gegensatz zu den Daten der staatlichen Initiativen im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu schwärzen.
Die Antragsgegnerin beruft sich im Schriftsatz vom 20. Mai 2019 auf Art. 53 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 514/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Festlegung allgemeiner Bestimmungen für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und das Instrument für die finanzielle Unterstützung der polizeilichen Zusammenarbeit, der Kriminalprävention und Kriminalitätsbekämpfung und des Krisenmanagements, demzufolge das Veröffentlichungs- und Transparenzgebot die vom Antragsteller angeforderten Daten nicht voll und ganz erfasse. Diese Rechtsansicht verkennt, dass Art. 53 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 514/2014 ein lediglich einseitig zwingendes Transparenzgebot darstellt und in keiner Weise das Presseauskunftsrecht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu beschränken beabsichtigt. Im Übrigen enthält Art. 53 Abs. 3 der VO (EU) Nr. 514/2014, nach dem in der Regel die Informationen veröffentlicht werden, sofern nicht der Zugang zu den Informationen aufgrund ihres vertraulichen Charakters, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit, die öffentliche Ordnung, strafrechtliche Ermittlungen und den Schutz personenbezogener Daten, beschränkt ist, eine Einschränkung, die wie oben dargestellt hier bis auf die Daten von Privatpersonen nicht einschlägig ist.
2.2. Der Antragsteller hat hinsichtlich der Anträge vom 20. Mai 2019 auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes mit der für die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsgrund liegt in der Regel vor, wenn dem Antragsteller ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstünden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
Zu berücksichtigen ist hier, dass das Begehren des Antragstellers nicht nur auf vorläufige Maßnahmen zielt, sondern die im Wege der einstweiligen Anordnung begehrte Auskunftserteilung die Hauptsache endgültig vorwegnehmen würde. Allerdings dürfen in Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mitumfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Erforderlich und zugleich ausreichend ist es, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Die Presse kann ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 -, juris). Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hängt maßgeblich von der Aktualität der Berichterstattung ab, weshalb die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf eine zeitnahe Informationsbeschaffung angewiesen ist (BVerfG, a.a.O.; BVerwG, B.v. 26.10.2017 – 6 VR 1.17 -, juris; B.v. 22.9.2015 – 6 VR 2.15 -, juris; BayVGH, B.v. 13.8.2004 – 7 CE 04.1601 -, juris). Demnach darf ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (BVerwG, B.v. 22.9.2015 – 6 VR 2.15 -, juris).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Antragstellers. Er hat sowohl einen starken Aktualitätsbezug, als auch ein gesteigertes öffentliches Interesse an der beabsichtigten Berichterstattung über die aufgeworfenen Themenstellungen glaubhaft gemacht. Entscheidend für den nach obergerichtlicher Rechtsprechung erforderlichen Gegenwartsbezug ist, dass ein Zusammenhang zwischen der begehrten Auskunft und einem aktuellen Geschehen vorliegt. Dies ist hier unstreitig der Fall. Das „…“, dem der Antragsteller angehört, plant im Vorfeld der Europawahlen, bei denen das Thema „Asyl und Migration“ in besonderer Weise in der öffentlichen Debatte steht, eine Reihe von Berichten zu „Kosten der Rückführungen von Migranten/Asylbewerbern“. Mit der Berichterstattung auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin herauszugebenden Informationen erfolgt ein aktueller Beitrag zu dieser öffentlichen Debatte. Das gesteigerte öffentliche Informationsinteresse an der begehrten Auskunft ergibt sich – wie bereits festgestellt – daraus, dass die vom Antragsteller gestellten Fragen die sinnvolle und wirksame Verwendung öffentlicher Mittel betreffen.
Nach alledem ist im vorliegenden Fall die Vorwegnahme der Hauptsache geboten, um wesentliche Nachteile zu verhindern. Ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren würde hier wahrscheinlich dazu führen, dass die begehrte Auskunft ihren Nachrichten- und Aktualitätswert verlöre. Wie der Antragsteller nachvollziehbar vorträgt, will er mit den begehrten Informationen zu einer zeitnahen öffentlichen Berichterstattung über die Verwendung öffentlicher Mittel im Bereich AMIF-Förderung beitragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils (ursprünglicher Antrag Nr. 1, 3 sowie 5) auf § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dass Antragsteller und Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte tragen. Zwar hat sich die Antragsgegnerin mit der Herausgabe der Informationen freiwillig in die Position der Unterlegenen begeben. Allerdings hat der Antragsteller bereits am 26. März 2019 und damit zu einem Zeitpunkt den Eilantrag gestellt, zu dem nach Angaben der Antragsgegnerin die Informationen noch nicht vollständig vorlagen.
Im Übrigen ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 155 Abs. 1 VwGO. Wie aus den vom Bundesamt bereits herausgegebenen Informationen ersichtlich ist, handelt es sich bei den geförderten Projekten sowohl um private Initiativen als auch um Initiativen staatlicher Einrichtungen, wobei die privaten Initiativen überwiegen. Bei Privatpersonen sind – wie aus dem Tenor ersichtlich – personenbezogene Daten zu schwärzen. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch insoweit sachgerecht, dass Antragsteller und Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach bei einer Vorwegnahme der Hauptsache ein Streitwert bis zur vollen Höhe der Hauptsache angesetzt werden kann).


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