IT- und Medienrecht

Einstellung eines Verfahrens- Feststellung einer Unregelmäßigkeit nach Informationsanordnung

Aktenzeichen  W 8 K 18.1467

Datum:
17.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 507
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 161 Abs. 2 S. 1
VO (EG) 834/2007 Art. 1, Art. 30 Abs. 1 S. 1
VO (EG) 889/2008 Art. 5 Abs. 1 Nr. 1, Art. 63 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Eine polnische Dezertifizierungsentscheidung begründet eine Unregelmäßigkeit, die eine Informationspflicht nach Art. 63 Abs. 2 S. 1 der VO (EG) Nr. 889/2008 auslöst. (Rn. 5 und 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das Verfahren ist entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands lediglich über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es regelmäßig, die Kosten demjenigen Beteiligten aufzuerlegen, der voraussichtlich im Verfahren unterlegen und deshalb nach Maßgabe des § 154 Abs. 1 VwGO kostenpflichtig geworden wäre. Sind die Erfolgsaussichten völlig offen, so sind die Kosten in der Regel gegeneinander aufzuheben. Eine Verpflichtung des Gerichts, allein im Hinblick auf die noch offene Kostenentscheidung ansonsten erforderliche Feststellungen zu treffen, Beweise zu erheben oder schwierige Rechtsfragen zu klären, besteht nicht. Bei der Billigkeitsentscheidung kann auch berücksichtigt werden, inwieweit das erledigende Ereignis auf den Willensentschluss eines Beteiligten zurückzuführen ist (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 161 Rn. 15 ff).
Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Denn die Klägerin hat mit Datum vom 7. Januar 2020 die in der streitgegenständlichen Nr. 2 des Bescheides vom 9. Juli 2018 angeordnete Information über die Dezertifizierung der gelieferten Ware ihrer Abnehmerin erteilt und ist damit der Forderung der beklagten Ökokontrollstelle nachgekommen. Die Klägerin hat damit das erledigende Ereignis herbeigeführt.
Ergänzend wird angemerkt, dass die Klägerin im Verfahren bei einer streitigen Entscheidung voraussichtlich auch unterlegen wäre, weil die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides vom 9. Juli 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2018 im Ergebnis rechtmäßig sind und sie nicht in ihren Rechten verletzen.
Denn die Klägerin war – unabhängig von möglichen Informationspflichten anderer Stellen – gemäß Art. 63 Abs. 2 Satz 2 der VO (EG) Nr. 889/2008 selbst verpflichtet, die Käufer des Erzeugnisses, hier des belasteten und dezertifizierten Johanniskrautes schriftlich zu informieren, um sicherzustellen, dass die Bezüge über die ökologisch/biologische Produktion von den Erzeugnissen entfernt werden. Die Beklagte hat die Klägerin gemäß Art. 30 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 834/2007 zu Recht zur Information ihres Abnehmers verpflichtet, weil sie als zuständige Ökokontrollstelle bei Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung sicherstellt, dass in der Kennzeichnung und Werbung für die gesamte von der Unregelmäßigkeit betroffene Partie oder Erzeugung kein Bezug auf die ökologisch/biologische Produktion erfolgt, wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Vorschrift, gegen die verstoßen wurde, sowie zu der Art und den besonderen Umständen der Unregelmäßigkeit steht.
Vorliegend wurde eine Unregelmäßigkeit festgestellt, weil die polnische Behörde (Ökokontrollstelle), die die Biozertifizierung des streitgegenständlichen Johanniskrauts erteilt hat, nachträglich eine Dezertifizierungsentscheidung getroffen hat. Die polnische Dezertifizierung entfaltet rechtliche Wirkungen, weil schon allein diese Entscheidung der polnischen Stelle – unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit – die Beschaffenheit der Ware, hier des Johanniskrauts, und damit auch ihre Bioeigenschaft ändert (vgl. OLG München, U.v. 13.11.2013 – 20 U 214/13 – RdTW 2014, 285 – juris).
Zu erwägen wäre allenfalls weiter gewesen, ob die Informationsanordnung deshalb unverhältnismäßig hätte sein können, weil das festgestellte DEET (Diethyltoluamid) kein Pflanzenschutzmittel ist und – selbst, wenn das Biozid als solches unzulässig gewesen sein sollte – jedenfalls nicht unter die vorstehend zitierten EG-Verordungen fällt, weil diese nur Pflanzenschutzmittel gemäß Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 der VO (EG) Nr. 889/2008 mit Anhang 2 betreffen, die dem Schutz der Pflanzen vor Schädlingen und nicht der Erntearbeiter vor Mückenstichen dienen, und Art. 30 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 834/2007 sich nur auf Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften „dieser Verordnung“ bezieht. Dieser Aspekt führt aber vorliegend im Ergebnis nicht zu einer anderen Beurteilung, weil schon die polnische Dezertifizierung für sich allein eine hinreichende tatbestandsmäßige Unregelmäßigkeit im Sinne dieser EG-Verordnung darstellt und die streitgegenständliche Informationsanordnung die Klägerin nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles auch nicht unverhältnismäßig belastet. Denn die Klägerin schätzt die Bedeutung der Sache für sich selbst nur gering ein, wie schon ihre Ausführungen zum Streitwert von 500,00 EUR im Schriftsatz vom 9. Dezember 2019 belegen. Auch im Schriftsatz vom 7. Januar 2020 führt sie nochmals aus, dass der Information ihrer Abnehmerin durch sie keine wesentliche Bedeutung zukommt und für sie daher offenbar auch keine große Beeinträchtigung darstellt. Demgegenüber fallen unter anderem die Ziele nach Art. 1 der VO (EG) Nr. 834/2007 ins Gewicht, die für eine Information der Abnehmerin im konkreten Fall sprechen, wie etwa der Schutz des Vertrauens der Verbraucher (hier: am Fortbestand der Biozertifizierung), das Funktionieren des Binnenmarktes und seiner Prinzipien, die nachhaltige Entwicklung der ökologischen/biologischen Produktion.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Klägerin hat auf ausdrückliche gerichtliche Frage zur Bedeutung der Sache für sie – wie schon erwähnt – einen Streitwert von „nur“ 500,00 EUR genannt. Dem hat die Beklagtenseite nicht widersprochen.


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