IT- und Medienrecht

Erfolgloser Eilantrag auf sofortige Haftentlassung bei laufendem fachgerichtlichen Verfahren über Strafaussetzung einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe

Aktenzeichen  2 BvR 962/21

Datum:
11.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Ablehnung einstweilige Anordnung
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2021:rk20211111.2bvr096221
Normen:
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG
§ 32 Abs 1 BVerfGG
§ 92 BVerfGG
§ 57a StGB
§ 454 StPO
Spruchkörper:
2. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend OLG Koblenz, 29. April 2021, Az: 2 Ws 162/21, Beschlussvorgehend LG Koblenz, 22. Januar 2021, Az: 7a StVK 58/20, Beschluss

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1
Der auf die sofortige Haftentlassung gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den der wegen zweifachen Mordes verurteilte Beschwerdeführer in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die fachgerichtliche Ablehnung der Strafaussetzung seiner lebenslangen Freiheitsstrafe erhebt, ist abzulehnen.
2
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 ; 82, 310 ; 94, 166 ; 104, 23 ; 106, 51 ; 143, 65 ).
3
a) Beantragt ein Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung Maßnahmen, die über das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache hinausgehen, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen (vgl. BVerfGE 7, 99 ; 14, 192 ; 16, 220 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. November 2019 – 2 BvR 882/19 -, Rn. 27).
4
b) Zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gehört außerdem die substantiierte Darlegung aller Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2017 – 1 BvR 1783/17 -, Rn. 9).
5
2. Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht.
6
a) Die mit der einstweiligen Anordnung begehrte, zumindest vorübergehende Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft geht über das im Hauptverfahren verfolgte Rechtsschutzbegehren hinaus. Die mit seiner Verfassungsbeschwerde begehrte Aufhebung der die Strafaussetzung gemäß § 57a StGB ablehnenden Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts hätte nicht die unmittelbare Freilassung des Beschwerdeführers zur Folge, sondern nur die erneute fachgerichtliche Entscheidung über die Strafaussetzung.
7
b) Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat die beantragte einstweilige Anordnung außerdem nicht den Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entsprechend begründet. Bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 ; 103, 41 ; 118, 111 ; 140, 225 ; 154, 1 ; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn einerseits eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag in der Hauptsache aber Erfolg hätte, und andererseits die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 ; 129, 284 ; 132, 195 ; 140, 225 ; 154, 1 ; stRspr). Auch wenn durch die Darlegungen in der Verfassungsbeschwerdeschrift dargetan ist, dass die Verfassungsbeschwerde weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist, hätte der Beschwerdeführer sich zu der gebotenen Folgenabwägung verhalten müssen. Daran fehlt es. Stattdessen beschränkt er sich auf den Hinweis, die begehrte einstweilige Anordnung sei zu erlassen, um den anhaltenden Eingriff in seine Grundrechte abzuwehren.
8
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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