IT- und Medienrecht

Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich

Aktenzeichen  M 26 K 16.1083

Datum:
7.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Mit dem “ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice” haben die Landesrundfunkanstalten eine nicht rechtsfähige öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft gebildet, die in ihrem Namen und Auftrag den Einzug von Rundfunkbeiträgen vornimmt und Beitragsbescheide sowie Widerspruchsbescheide erstellt, die rechtlich der jeweiligen Landesrundfunkanstalt zuzurechnen sind. (redaktioneller Leitsatz)
Schuldner des Rundfunkbeitrags ist der Inhaber einer Wohnung. Es kommt nicht darauf an, ob der Beitragsschuldner über ein Rundfunkempfangsgerät verfügt. (redaktioneller Leitsatz)
Mit den Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15.5.2014 (BeckRS 2014, 52739) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.3.2016 (BeckRS 2016, 45859) ist grundsätzlich geklärt, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrages im privaten Bereich rechtmäßig ist. (redaktioneller Leitsatz)
Programmkritik und Vorwürfe zu fehlender Unabhängigkeit der Rundfunkanstalten lassen die Rundfunkbeitragspflicht unberührt. Es ist zunächst Aufgabe der hierzu berufenen Gremien, der Programmkommission und der Rundfunkräte, über die Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu wachen. Sollten diese Gremien ihren Kontrollpflichten nicht nachkommen, stehen entsprechende rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung (etwa Beschwerde nach Art. 19 BayRG). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zum Teil schon unzulässig. Das Gericht erachtet die mit Schriftsatz der Klägerin vom … März 2016 vorgenommene Klageerweiterung zwar als sachdienlich und damit zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO). Soweit die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung weiterer, an sie gerichteter Festsetzungsbescheide begehrt, ist die Klage jedoch unzulässig, weil im Hinblick auf die jeweilige Anfechtbarkeit zukünftiger Festsetzungsbescheide kein Rechtsschutzbedürfnis für derart in die Zukunft gerichteten Rechtsschutz besteht.
Darüber hinaus ist die Klage zulässig. Auch die im Wege der Klageerweiterung erhobene Untätigkeitsklage gegen den Festsetzungsbescheid vom 4. März 2016 ist mittlerweile zulässig geworden (s. § 75 Satz 2 VwGO).
2. Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 2. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2016 und der Bescheid vom 4. März 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1. Die Bescheide sind nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Beklagte als die den jeweiligen Bescheid erlassende Stelle ohne weiteres erkennbar.
Hinsichtlich des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice (Beitragsservice) ist anzumerken, dass die Erledigung von Verwaltungsaufgaben für den Beklagten ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 7 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – i. V. m. § 2 der Satzung des …s über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – findet. Auf der Grundlage dieser Vorschriften haben die Landesrundfunkanstalten eine nicht rechtsfähige öffentlich rechtliche Verwaltungsgemeinschaft gebildet, die in ihrem Namen und ihrem Auftrag den Einzug von Rundfunkbeiträgen vornimmt und auch Beitragsbescheide sowie Widerspruchsbescheide erstellt. Die Bescheide sind rechtlich der jeweiligen Landesrundfunkanstalt zuzurechnen.
Die Nennung der Rechtsform des Beklagten (oder des für diesen handelnden Beitragsservice) ist nicht erforderlich. Die zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung macht es dem Adressaten des Bescheids ohne weiteres möglich, zu erkennen, wie und an wen gerichtet er Rechtsbehelfe gegen den jeweiligen Bescheid ergreifen kann.
2.2. Mit den Bescheiden vom 2. November 2015 und 4. März 2016 wurden auch materiell rechtmäßig Rundfunkbeiträge für eine Wohnung und je ein Säumniszuschlag festgesetzt.
2.2.1. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258), § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags – RFinStV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 2001 (GVBl S. 566), zuletzt geändert durch Art. 1 des 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 16. März 2015. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Dieser betrug bis einschließlich März 2015 17,98 EUR pro Monat (s. § 8 RFinStV in der bis 31.3.2015 gültigen Fassung). Seit 1. April 2015 sind monatlich 17,50 EUR zu zahlen. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV).
Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaberin einer Wohnung gewesen zu sein. Sie war demnach Beitragsschuldnerin. Darauf, ob die Klägerin seinerzeit über Rundfunkempfangsgeräte verfügte oder welcher Art diese waren, kommt es nicht an.
2.2.2. Die Festsetzung durch Bescheid durfte erfolgen, weil die Klägerin die Rundfunkbeiträge trotz deren Fälligkeit – unstreitig – nicht gezahlt hat (§ 10 Abs. 5 Satz 1, § 7 Abs. 3 RBStV).
Der Fälligkeit der Rundfunkbeiträge steht auch nicht entgegen, dass – wie die Klägerin erstmals im Klageverfahren rügt – nur bargeldlose Zahlungsweisen möglich sind (s. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV i. V. m. § 10 Abs. 2 Rundfunkbeitragssatzung).
Die Klägerin kann sich nämlich schon nicht darauf berufen, dass sie dem Beklagten zum jeweiligen Fälligkeitstermin in der Mitte eines Dreimonatszeitraums (s. § 7 Abs. 3 RBStV) bargeldlose Zahlung angeboten hätte. Der Beklagte war folglich schon deshalb gar nicht in die Lage versetzt, eine solche Zahlung zu verweigern.
Die Festsetzung jeweils eines Säumniszuschlags von c… EUR beruht auf § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i. V. m. § 11 Abs. 1 Rundfunkbeitragssatzung und ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
2.2.3. Die grundsätzlichen Einwendungen der Klägerin gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags sind nicht durchgreifend.
Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof bereits am 15. Mai 2014 auf zwei Popularklagen hin unanfechtbar und für alle bayerischen Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden bindend (Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG) u. a. entschieden hat, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RBStV über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung und unabhängig von der Frage, ob Empfangsgeräte vorgehalten werden, mit der Bayerischen Verfassung – BV – vereinbar ist (E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris). Zwar hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit seiner Entscheidung unmittelbar nur die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit der Bayerischen Verfassung überprüft. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit sich die mit den jeweiligen Normen der Bayerischen Verfassung korrespondierenden Regelungen des Grundgesetzes von diesen dermaßen unterscheiden sollten, dass mit der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs nicht zugleich feststünde, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag auch nicht gegen die übereinstimmenden Normen des Grundgesetzes verstößt (vgl. Art. 142 GG). Diese Sicht wird im Übrigen auch durch die jetzt vorliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris) bestätigt. Anzumerken ist noch, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof seine Prüfung bei Popularklageverfahren auf alle in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung erstreckt, selbst wenn sie von der Antragspartei nicht als verletzt bezeichnet worden sind oder wenn sie keine Grundrechte verbürgen (BayVerfGH, a. a. O. Rn. 60).
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bestätigt, dass die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung (§ 2 RBStV), unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Sie verletze weder die Informationsfreiheit (Rundfunkempfangsfreiheit) noch die allgemeine Handlungsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitssatz. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor (BayVGH, U.v. 19.7.2015 – 7 BV 14.1707 – juris). Zum gleichen Ergebnis kommt das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O.).
Darüber hinaus gilt noch Folgendes:
Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist nicht zu prüfen und zu entscheiden, ob etwaige Programmkritik bzw. etwaige Vorwürfe hinsichtlich fehlender Unabhängigkeit zutreffen. Solches lässt die Rundfunkbeitragspflicht selbst unberührt. Es ist zunächst Aufgabe der hierzu berufenen Gremien, insbesondere der Programmkommission und der Rundfunkräte, über die Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten zu wachen und erforderlichenfalls entsprechend Einfluss auf die Programmgestaltung zu nehmen. Sollten die hierzu berufenen Gremien ihren Kontrollpflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen, stehen entsprechende rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung (s. etwa Beschwerde nach Art. 19 Bayerisches Rundfunkgesetz – BayRG), insbesondere steht der Weg zu den Verfassungsgerichten offen (s. z. B. BVerfG, U.v. 25.03.2014 – 1 BvF 1/11 – 1 BvF 4/11 – DVBl 2014, 649/655; BVerfG, U.v. 11.09.2007 – 1 BvR 2270/05 – 1 BvR 809/06 – 1 BvR 830/06 – DVBl 2007, 1292/1294).
Auch die Einwendung zu einem angeblichen Verstoß gegen § 128 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie § 14 Bundesbankgesetz – BBankG – kann in Bezug auf die grundsätzliche Rundfunkbeitragspflicht der Klägerin nicht durchgreifen. Diese ist nicht tangiert von der Frage, wie die geschuldeten Rundfunkbeiträge zu leisten sind bzw. inwieweit eine Beschränkung auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr zulässig ist (vgl. § 10 Abs. 2 Rundfunkbeitragssatzung).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 173,98 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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