IT- und Medienrecht

Ersatzfähige Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall

Aktenzeichen  73 C 4024/17

Datum:
10.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1280
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 2 S. 1, § 254 Abs. 2 S. 1, § 398
StVG § 7, § 18
ZPO § 287

 

Leitsatz

Ein Unfallgeschädigter genügt bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs seiner Schadensminderungspflicht nicht dadurch, dass er, ohne sich nach dem genauen Preis zu erkundigen, mit dem Vermieter bespricht, die Rechnung so zu stellen, dass die gegnerische Versicherung den Rechnungsbetrag übernimmt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des durch die Beklagten zu vollstreckenden Betrags.

Gründe

I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 784,00 Euro.
1. Hinsichtlich der geltend gemachten restlichen 784,00 Euro steht dem Kläger bereits deswegen kein Anspruch (mehr) zu, weil er diesen Schadensersatzanspruch nach seinen eigenen Angaben an das Autohaus … abgetreten hat, § 398 BGB.
Anders kann die Abtretungserklärung im Rahmen der Anmietung des Mietfahrzeugs mit der Absprache, die Rechnung so zu stellen, dass die gegnerische Versicherung bezahlt, nicht ausgelegt werden. Denn es kommt hinzu, dass der Kläger selbst an das Autohaus nichts bezahlt hat, die Anmietung ohne verbindliche Preisvereinbarung erfolgt ist und sich das Autohaus unmittelbar mit dem Klägervertreter in Verbindung gesetzt hat. Dies alles lässt nur den Schluss zu, dass der Kläger mit der Bezahlung des Mietfahrzeugs nicht befasst sein sollte, sondern sich allein das Autohaus, bei dem der Kläger sein neues Fahrzeug bestellte, für die Geltendmachung der Mietwagenkosten zuständig und verantwortlich sein sollte. Denn dieses hat im Gegensatz zum Kläger zum einen die nötige Marktkenntnis bzgl. der Kfz – Mietpreise. Zum anderen sollte das Risiko, ohne gerichtliche Geltendmachung nicht den gesamten in Rechnung gestellten Preis von der Versicherung erstattet zu bekommen, das Autohaus und nicht der Kläger tragen.
2. Unabhängig von der fehlenden Aktivlegitimation hat der Kläger auch keinen weiteren Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 249 Abs. 2 S.1, 254 Abs. 2 S.1 BGB i.V.m. § 287 ZPO. Denn der dem Kläger dem Grunde nach unstreitig zustehende Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 7, 17, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG ist durch die Zahlung der Beklagten zu 2) in Höhe von 476,00 Euro erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.
Der kläger hat gegen seine Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 S.1 BGB verstoßen:
a) Die Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten ist auf diejenigen Kosten begrenzt, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Aufgrund des daraus abzuleitenden Wirtschaftlichkeitsgebots kann der Kläger als Geschädigter für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis verlangen. Dabei sind grundsätzlich nicht nur Tarife für Unfallgeschädigte zu berücksichtigen. Darüber hinausgehende Mietwagenkosten kann der Geschädigte im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur dann ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage örtlich und zeitlich relevanten Markt kein wesentlicher günstigerer (Normal-) Tarif zugänglich war (so BGH mit Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11 bei beck-online).
b) Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind dabei allerdings nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind und mit konkreten Tatsachen belegt werden. Das ist dann der Fall, wenn deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung durch die Beklagten aufgezeigt werden. Das kann durch Vorlage von Online-Anfragen bei anderen Anbietern sogar einen späteren Zeitpunkt betreffend geschehen, wenn vorgetragen wird, dass zu einem Betrag in dieser Größenordnung auch im streitgegenständlichen Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug hätte angemietet werden können (BGH, Urteil vom 18.12.2012 – VI ZR 316/11).
Hier haben die Beklagten vier online abgefragte Angebote im Gebiet Augsburg noch für denselben Tag für vergleichbare Fahrzeuge für einen Mietzeitraum von 16 Tagen vom 10.10.2017 bis 26.10.2017 vorgelegt und vorgetragen, dass eine Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs zu entsprechenden Preisen auch im streitgegenständlichen Zeitraum möglich gewesen wäre. Die Tagespreise betragen dabei 23,24 €, 26,73 €, 27,28 €, 28,62 € und 28,87 € (Anlage B 9).
Der Durchschnittstagespreis der vorgelegten Vergleichsangebote beträgt 26,95 €.
Die Beklagten haben außergerichtlich pro Tag knapp 30,- € täglich bezahlt.
Eine Anmietung zu diesem Preis war dem geschädigten Kläger auch zumutbar. Der Kläger hätte darlegen und erforderlichenfalls beweisen müssen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen kein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – zugänglich war.
Den Geschädigten trifft wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots darüber hinaus auch dann eine Informationspflicht, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Tarifs haben muss. Dabei kann es von ihm zu fordern sein, dass er ein bis zwei Konkurrenzangebote einholt. Dies hängt auch davon ab, wie schnell er ein Ersatzfahrzeug benötigt (BGH Urteil vom 04.07.2006 – VI ZR 237/05). Da die Anmietung erst am Tag nach dem Unfall erfolgte, hatte der Kläger ausreichend Zeit, sich zu erkundigen.
c) Der Kläger hätte allen Grund gehabt, sich nach anderen Angeboten zu erkundigen:
Bei der Anmietung wurde lediglich gesagt, dass der Tagespreis zwischen 60,00 und 90,00 € liegen würde, da gerade keine Liste verfügbar sei. Er hätte sich somit genauer über den Preis informieren müssen. Es genügt gerade nicht der Schadensminderungspflicht, sich nicht weiter nach dem genauen Preis zu erkundigen, sondern lediglich zu besprechen, die Rechnung so zu stellen, dass die gegnerische Versicherung den Rechnungsbetrag übernimmt. Der Kläger hat es somit letztlich dem Autohaus … überlassen, den Tagespreis festzulegen in dem Bewusstsein, selbst ohnehin nichts zahlen zu müssen. Ein genaueres Nachfragen wäre dem Kläger zumutbar gewesen. Er hätte sich nicht einfach mit der Aussage zufrieden geben dürfen, dass eine Preisliste gerade nicht verfügbar sei. Das Geschäftsgebaren des Autohauses hätte bzgl. der Preisgestaltung das Misstrauen des Klägers wecken müssen. Der Kläger hätte daher auch nachfragen müssen, ob es sich um eine „besonderes“ Mietfahrzeug handelt, wenn dafür gerade keine Preisliste vorliegt. Das Autohaus hätte dann erklären müssen, dass es sich „nur“ um einen Wekstattersatzwagen handelt. Für diese kann das Autohaus nicht die Preise wie für Selbstfahrervermietfahrzeug geltend machen (vgl. AG Augsburg Urteil vom 11.12.2017, Az: 73 C 4023717).
Dem Kläger wäre daher die Anmietung zu einem Tagespreis von bis zu 30,- € zumutbar gewesen.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ersatz weiterer außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 157,64 Euro.
Die Beklagten haben unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger rechtsschutzversichert sei und daher die Rechtsschutzversicherung die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ausgeglichen hat.
Der klägerische Vortrag im Schriftsatz vom 09.11.2017, wonach die Ausführungen der Beklagtenseite unzutreffend seien, soweit sie nicht ausdrücklich zugestanden würden, ist nicht substantiiert genug.
Gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG ist der Ersatzanspruch gegen die Beklagten daher insoweit auf den Versicherer übergegangen. Dem Kläger fehlt daher auch insoweit die Aktivlegitimation.
II.
Kosten:
§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO
III.
Vorläufige Vollstreckbarkeit:
§§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO


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