IT- und Medienrecht

Gewährung eines Abzugsbetrages als Zuschlagskriterium im Vergabeverfahren

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-08-03/18

Datum:
4.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13531
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 127
VgV § 58

 

Leitsatz

1 Die Festsetzung des verfahrensgegenständlichen Abzugsbetrages (für den Fall, dass der Bieter nach seinem Angebot den Einsatz von Neufahrzeugen für die Erbringung der Leistungen vorsieht) als qualitatives Zuschlagskriterium verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. (Rn. 107) (redaktioneller Leitsatz)
2 Insbesondere wurden mit der Gewährung des verfahrensgegenständlichen Abzugsbetrages keine  sachwidrigen Erwägungen angestellt, um die Antragstellerin gezielt zu benachteiligen; auch bei der Festlegung von Zuschlagskriterien stellt die möglichst weite Öffnung des Beschaffungsmarkts der öffentlichen Hand für den Wettbewerb das vorrangige vergaberechtliche Ziel dar, wobei die Benachteiligung eines einzelnen Bieters in Kauf genommen wird, um den Markt für weitere Bieter zu eröffnen oder zu erweitern. (Rn. 121 – 126) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es liegt bei Beachtung der vergaberechtlichen Grundsätze grundsätzlich in der Autonomie eines Auftraggebers, mit dem Aufstellen von Vorgaben oder Wertungskriterien oder mit dem Unterlassen der Aufstellung von Vorgaben zu definieren, was dem Auftraggeber wichtig ist und wo er Prioritäten setzt. (Rn. 129 – 130) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu 1). 
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. 
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin zu 1) war notwendig.

Gründe

I.
Die Antragsgegner beabsichtigen die Vergabe von Schienenpersonennahverkehrsleistungen der A… Netze. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte am 20.12.2017 im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum EU-Amtsblatt der europäischen Union im Wege eines offenen Verfahrens.
Die Leistungen werden in zwei Losen vergeben. Los 1 enthält Verkehrsleistungen auf verschiedenen Linien (ca. 7,4 Mio. Zugkilometer pro Jahr), die mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen zu erbringen sind und Los 2 enthält Verkehrsleistungen auf verschiedenen Linien (ca. 3,3 Mio. Zugkilometer pro Jahr), die mit dieselbetriebenen Fahrzeugen zu erbringen sind. Die Leistungen sind für beide Lose frühestens ab Beginn des Fahrplanjahres 2022 zu erbringen (Ziffer II.2.4, 2.7 der Bekanntmachung). Bei Los 1 endet der Vertrag am 10.12.2033, bei Los 2 endet der Vertrag am 14.12.2030 und kann jeweils optional um ein Jahr verlängert werden.
Nebenangebote wurden nicht zugelassen.
Es können Angebote auf ein oder beide Lose abgegeben werden. Streitgegenständlich ist vorliegend Los 1. Die Antragstellerin ist Altbetreiberin der Verkehrsleistung auf den Strecken des Loses 1.
Für die Erbringung der Verkehrsleistungen sind bei beiden Losen sowohl Gebrauchtfahrzeuge ab dem Baujahr 2008, als auch Neufahrzeuge zugelassen.
Nach Ziffer 2.5 der Bekanntmachung ist der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium. Hinsichtlich der Kriterien wurde auf die Beschaffungsunterlagen verwiesen.
Der Zuschlag soll gemäß der Leistungsbeschreibung Ziffer 2.1 und Ziffer 2.2 bei beiden Losen auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt dabei in beiden Losen nach einer Formel, mit der jeweils ein Wertungspreis errechnet wird. Dieser errechnet zum einen, dass der Angebotspreis auf die Vertragslaufzeit hochgerechnet wird und von diesem Preis zum anderen bestimmte Beträge in Abzug gebracht werden, die den Angeboten zu Gute kommen, wenn und soweit sie bestimmte Kriterien erfüllen.
Nach Ziffer 2.1 und 2.2 der Leistungsbeschreibung ist bei beiden Losen das wirtschaftlichste Angebot, das Angebot mit dem niedrigsten fiktiven Preis (Pf).
Der fiktive Preis (Pf) errechnet sich nach Ziffer 2.1 der Leistungsbeschreibung bei Los 1 nach folgender Formel:
„(Pf)= Pa – Q – K –F”
Dabei entspricht Pa dem Preis des jeweiligen Angebots gemäß Pos. X des Kalkulationsschemas (Anl. 15.1 zur Leistungsbeschreibung).
Q steht für einen Abzugsbetrag, der vom Preis entsprechend der nach dem Angebot des Bieters angebotenen und angebotenen Qualitäten sowie der Ausstattung der zum Einsatz vorgesehenen Fahrzeuge abgezogen wird. Der von Q maximale Abzugsbetrag beträgt 270 Mio. €.
Q bezieht sich auf die in Ziffer 5 der Leistungsbeschreibung näher definierten Qualitätsmerkmale, soweit die Angebote über die in den Vergabeunterlagen genannten Mindestanforderungen hinausgehen oder wenn bei einzelnen Unterkriterien keine Mindestanforderungen genannt werden mit insgesamt bis zu 15/30 des maximalen Abzugsbetrags. Dabei werden folgende Unterkriterien gemäß Ziffer 2.1 Zuschlagskriterien Los 1 bewertet:
„Anschlusssicherheit (vgl. Ziffer 5.2.2) mit bis zu 3/30,
Fahrgastinformation (vgl. Ziffer 5.5.2) mit bis zu 3/30,
Sauberkeit/Mängelfreiheit/Sicherheit/Erscheinungsbild (vgl. Ziff. 5.6) mit bis zu 3/30,
Servicepersonal im Zug (vgl Ziffer 5.7) mit bis zu 3/30,
Pünktlichkeit (vgl. Ziffer 5.2.1) mit bis zu 1/30,
Notfall- und Störungsmanagement (vgl. Ziffer 5.3) mit bis zu 1/30 und
Kundengarantien (vgl. Ziffer 5.1.3 „Beschwerdemanagement“) mit bis zu 1/30 des o. g. maximalen Abzugsbetrags.“
Zudem wird die Ausstattung der zum Einsatz vorgesehenen Fahrzeuge (vgl. Ziffer 4.1.4 der Leistungsbeschreibung) bis zu 15/30 des o.g. maximalen Abzugsbetrags gewichtet, soweit diese für bestimmte Ausstattungsmerkmale über die in den Vergabeunterlagen insoweit jeweils genannten Mindestanforderungen hinausgehen, oder – wenn bei einzelnen Merkmalen keine Mindestanforderungen genannt werden – Qualitäten verbindlich angeboten werden. Dies wurde noch im Einzelnen ausgeführt.
K steht für einen Abzugsbetrag, der dem jeweiligen Angebot gutgeschrieben wird, wenn der Bieter darauf verzichtet, die vom Freistaat Bayern zur Unterstützung der Fahrzeugfinanzierung angebotene Kapitaldienstgarantie in Anspruch zu nehmen.
F stellte ursprünglich einen Abzugsbetrag dar, der vom Preis des Bieters abgezogen wird, wenn der Bieter nach seinem Angebot den Einsatz von Neufahrzeugen für die Erbringung der Leistungen vorsieht. Maximal kann durch F ein Abzugsbetrag von 85 Mio. Euro erreicht werden. Die genaue Höhe des einem Angebots ggf. gutzuschreibenden Abzugsbetrags F bemisst sich nach den ursprünglichen Regelungen der Ziffer 4.1 der Leistungsbeschreibung nach der Anzahl der Sitzplätze, die mittels Neufahrzeugen angeboten werden. Je derartigem Sitzplatz wird dem entsprechenden Angebot ein Betrag in Höhe von 5.500,- € gutgeschrieben.
Dagegen errechnet sich der fiktive Preis bei Los 2 gemäß Ziffer 2.1 der Leistungsbeschreibung nach folgender Formel:
„(Pf)= Pa – Q“.
Der Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde auf den 27.07.2018, 12:00 Uhr festgesetzt.
Die Antragstellerin rügte das Wertungskriterium F mit Telefax vom 15.01.2018. Geltend gemacht wurde insbesondere eine Diskriminierung der Antragstellerin, als der aktuellen Betreiberin des Loses 1 und Inhaberin von Gebrauchtfahrzeugen, sowie ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 127 Abs. 1 Satz 1 GWB.
Für eine Differenzierung bei der Wertung von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weil sich aufgrund der Anforderungen an diese Fahrzeuge, keine qualitativen Unterschiede zwischen Neu- und Gebrauchtfahrzeugen ergäben. Insbesondere sei der Abzugsbetrag F in der Höhe willkürlich festgesetzt worden. Auch würden qualitative Unterschiede beim Abzugsbetrag F und bei der Qualitätswertung (Q) doppelt berücksichtigt. Ferner finde eine Diskriminierung der Antragstellerin statt, die sich in tatsächlicher Hinsicht im Vergleich mit dem Vorgehen in Los 2 gegenüber dem dortigen Inhaber von Gebrauchtfahrzeugen offenbare, da in Los 2 keine Gebrauchtfahrzeuge durch einen Abzugsbetrag benachteiligt würden.
Mit Schreiben vom 05.03.2018, eingegangen per Telefax am 07.03.2018, wurde die Rüge abgewiesen.
Nachdem der Rüge durch die Antragsgegner nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.03.2018 einen Nachprüfungsantrag und beantragte,
1.gegen die Antragsgegner das Nachprüfungsverfahren gemäß § 160 Abs. 1 GWB einzuleiten,
2.zu entscheiden, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist und geeignete Maßnahmen zu treffen, um bei fortbestehender Beschaffungsabsicht der Antragsgegner die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern,
3.die Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren nur unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen,
4.die Vergabeakte beizuziehen und der Antragstellerin gemäß § 165 GWB Akteneinsicht zu gewähren,
5.den Antragsgegnern die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Insbesondere sei die Antragstellerin antragsbefugt, da sie Interesse am Auftrag habe und dieses Interesse durch die Anforderung der Ausschreibungsunterlagen, ihrer Nachfragen und ihrer Rüge dokumentiert habe. Sie mache auch eine Verletzung ihrer Rechte geltend. Bei unveränderter Fortsetzung des Vergabeverfahrens entstehe der Antragstellerin ein Schaden, da durch das von der Antragstellerin gerügte rechtswidrige Zuschlagskriterium ihre Zuschlagschancen vereitelt würden, da Angebote mit Neufahrzeugen deutlich besser bei der Wertung gestellt seien. Ihr Angebot werde durch den Abzugsbetrag F in einem Maße beeinträchtigt, dass ein Angebot mit Gebrauchtfahrzeugen keine Aussicht auf den Zuschlag habe. Zudem habe die Antragstellerin die beanstandeten Verstöße rechtzeitig innerhalb von zehn Tagen nach dem Erkennen der Rechtswidrigkeit und innerhalb der Angebotsfrist am 15.01.2018 gerügt, nachdem sie die Vergabeunterlagen am 04.01.2018 erhalten habe. Auch sei die 15-Tagefrist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB beachtet worden, da die Antragstellerin die Rückweisung der Rüge am 07.03.2017 erhalten habe, und der Nachprüfungsantrag am 22.03.2018 gestellt worden sei.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Der Abzugsbetrag F sei in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung – insbesondere auch der Festlegung der konkreten Höhe – vergaberechtswidrig. Trotz aller vergaberechtlich eingeräumten Beurteilungsspielräume unterliege die Gestaltung der Zuschlagskriterien vergaberechtlichen Grenzen.
Mit dem Abzugsbetrag F würden die Antragsgegner den fiktiven Wertungspreis bei Los 1 für solche Angebote verringern, die Neufahrzeuge vorsehen. Der maximale Abzugsbetrag könne 85 Mio. € erreichen. Der Zuschlag erfolge auf den niedrigsten fiktiven Wertungspreis. Durch den Wertungsabschlag F werden die Angebotspreise in Los 1 zugunsten von Angeboten mit Neufahrzeugen verschoben. Der Zuschlag bei Los 1 werde durch den massiven Wertungsabschlag für Gebrauchtfahrzeuge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an ein Angebot mit Neufahrzeugen erteilt werden, – und das, obwohl Neu- und Gebrauchtfahrzeuge in Los 1 die gleichen technischen und qualitativen Mindestanforderungen erfüllen müssten. Der Abzugsbetrag F verhindere insofern weiteren Wettbewerb durch ein Angebot, bei dem die Leistungen mit Gebrauchtfahrzeugen erbracht werden. Der „Vorteil“ eines Angebots mit Gebrauchtfahrzeugen werde bereits durch den „Nachteil“ der sehr umfangreichen Anpassungen der Gebrauchtfahrzeuge an die für alle Bieter geltenden fahrzeugbezogenen Vorgaben der Leistungsbeschreibung aufgezehrt. Mit dem Abzugsbetrag F würden die Antragsgegner zusätzlich aktiv in den Wettbewerb eingreifen und die Abgabe eines Angebots mit Gebrauchtfahrzeugen unwirtschaftlich machen. Die Antragstellerin habe im Rahmen einer Vergleichsrechnung die Abgabe eines Angebots mit Gebrauchtfahrzeugen und eines solchen mit Neufahrzeugen gegenübergestellt. Dabei habe sie festgestellt, dass durch die Festsetzung des hohen Abzugsbetrags F es zu einem erfolglosen Angebot führe, wenn Leistungen mit Gebrauchtfahrzeugen angeboten würden. Vor diesem Hintergrund diskriminiere der Abzugsbetrag F die Antragstellerin, die über Gebrauchtfahrzeuge verfüge, unmittelbar. Die Antragsgegner seien nicht berechtigt gleichwertige Angebote durch Gestaltung der Zuschlagskriterien dergestalt zu verschlechtern, dass Angebote (hier in Form von Gebrauchtfahrzeugen der Altbetreiberin) im Wettbewerb nicht zum Zuge kommen könnten. Der Abzugsbetrag als solcher und in seiner Höhe entspreche auch nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB. Der Wertungsabschlag für Neufahrzeuge führe zu einer künstlichen Verteuerung eines wirtschaftlich günstigeren Angebots. Dies stelle einen Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB dar. Die Wertungsabschläge seien ein willkürlicher Eingriff in den Wettbewerb und verstoßen zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB. Ferner führe dieser Eingriff entgegen § 127 Abs. 1 S. 1 GWB, § 97 Abs. 2 S. 2 GWB zu einem Zuschlag auf ein unwirtschaftliches Angebot. Auch mangle es dem Zuschlagskriterium am erforderlichen Auftragsbezug i.S.d. § 127 Abs. 3 S. 1 GWB.
Hinsichtlich der vergaberechtlichen Grenzen von Zuschlagskriterien wurde vorgetragen, dass diese angemessen sein müssten. Insbesondere dürfe die Überbetonung eines Zuschlagskriteriums nicht dazu führen, dass Bieter, die in diesem Kriterium unterliegen, einen Rückstand erleiden, der sich durch positive Merkmale des Angebots in anderen Zuschlagskriterien nicht mehr aufwiegen lasse. Ferner müsse der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgen und die Kriterien müssten als geeignet angesehen werden, um die Qualität zu bewerten. Der als Zuschlagskriterium ausgestaltete Abzugsbetrag F genüge den vergaberechtlichen Grundsätzen gerade nicht.
Hinsichtlich der unzulässigen Diskriminierung wurde vorgetragen, dass die Antragstellerin derzeit die Verkehre auf den ausgeschriebenen Strecken des Loses 1 erbringe. Sie beabsichtige für Los 1 Verkehrsdienste mit Gebrauchtfahrzeugen anzubieten, die neuer als das Baujahr 2008 seien. Biete sie diese für Los 1 an, führe dies zu einem um 85 Mio. € höheren fiktiven Wertungspreis als Angebote mit Neufahrzeugen. Dies führe dazu, dass sie praktisch den Zuschlag nicht erhalten könne. Die Antragstellerin werde dadurch gegenüber allen Anbietern von Neufahrzeugen ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Neu- und Gebrauchtfahrzeugen seien gleich, weil sie die gleichen qualitativen Anforderungen erfüllen müssten. Die Mindestanforderungen an die anzubietenden Fahrzeuge differenzierten in keiner Weise zwischen Gebraucht- und Neufahrzeugen – sowohl hinsichtlich des Äußeren, als auch was die Gestaltung des Fahrgastraums angehe -. Überdies würden durch den Abzugsbetrag Q in den Zuschlagskriterien Qualitäten bei den Fahrzeugen bereits gewürdigt. Gebrauchtfahrzeuge müssten nach Ziffer 4.1.2 Bulletpoint 2 auch umfassend gereinigt und aufgefrischt werden, sodass die Fahrzeuge „in einem neuwertigen Zustand erscheinen“.
Auch seien die Ausführungen der Antragsgegner in der Rügeantwort unzutreffend, wonach technische Unterschiede „im Bereich Fahrgast- und Triebfahrzeugführersicherheit“ bestünden, indem Gebrauchtfahrzeuge z.B. die neuen Crash-Normen aus den aktuellen TSI LOC & PAS (Verordnung Nr. 1302/2014/EU) nicht zu erfüllen“ bräuchten und „im Bereich Brandschutz“ Unterschiede beständen, für die ebenfalls die Verordnung Nr. 1302/2014/EU gelte. Denn nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung Nr. 1302/2014/EU gelten die Anforderungen der Verordnung für alle Fahrzeuge des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union, die ab dem 01.05.2015 in Betrieb genommen wurden. Die Verkehrsleistungen seien vorliegend erst ab 12.12.2021 zu erbringen.
Deshalb sei es möglich, dass vor dem 12.12.2021 bereits eingesetzte Gebrauchtfahrzeuge, die nach Inkrafttreten den Anforderungen aus dieser Verordnung erstellt worden seien, den Anforderungen der Verordnung bereits ohne Weiteres genügen. Solche Gebrauchtfahrzeuge dürften nicht dem Abzugsbetrag F unterliegen, da die angeblich für den Abzugsbetrag F ursächlichen höheren Sicherheits- und Brandschutzanforderungen nicht nur für Neufahrzeuge maßgeblich seien. Zudem sei zu beachten, dass Gebrauchtfahrzeuge auch im Hinblick auf die gestellten Standards in der Verordnung nachgerüstet werden können.
Aufgrund der bestehenden Übergangsregelungen sei es überdies möglich, dass neue Fahrzeuge über bestehende Rahmenverträge beschafft werden, die aufgrund des Bestandsschutzes für die Baureihe die neuen Normen der Verordnung Nr. 1302/2014/EU gerade noch nicht einhalten müssten. Deshalb fände vorliegend eine Ungleichbehandlung qualitativ gleicher Fahrzeuge statt.
Der Anzugsbetrag F könne überdies tatsächlich allein auf die Antragstellerin angewendet werden, aber nicht auf andere Bieter. Dies stelle auch eine Ungleichbehandlung dar, da die abstrakt formulierte Vorgabe diskriminierend sei, wenn diese von vornherein tatsächlich nur einen Anwendungsfall habe, wie vorliegend. Es gebe kein Unternehmen im Eisenbahnverkehrsmarkt, welches über freie Gebrauchtfahrzeugkapazitäten verfüge, die die geforderten Ausstattungsmerkmale erfüllen. Auch existiere in Deutschland kein funktionierender Gebrauchtfahrzeugmarkt für Schienenpersonenverkehrsfahrzeuge. Dies wurde näher erläutert. Insbesondere sei erst recht keine Menge an Gebrauchtfahrzeugen (erforderlich seien hier über 40 Fahrzeuge) erhältlich, die vorliegend die geforderte Leistung sicherstellen könne.
Auch die vereinzelt zu findenden Leasinganbieter seien fokussiert auf Leasing innerhalb der Bindungsdauer eines Verkehrsvertrags oder in einer gesicherten Anschlussverwendung (Wiedereinsatzgarantie). Überkapazitäten würden dort kaum vorgehalten. Es gäbe zwar einige Anbieter am Markt, die auch dauerhaft Angebote für einige wenige Einzelfahrzeuge bereithielten. Diese beträfen allerdings immer Loks, aber nicht Angebote für die in jedem Fall erforderlichen Fahrgastwägen. Auch müssten diese ja den Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung genügen und seien gerade nicht auf dem Markt erhältlich.
Ein Indiz, warum in Los 2 im Unterschied zu Los 1 kein Abzugsbetrag F in der Wertung verankert worden ist, sei darin zu sehen, dass dort einem Leasinganbieter Gebrauchtfahrzeuge gehören, die dieser in Bezug auf die Durchführung des bestehenden Verkehrsvertrages angeschafft habe. Die Antragsgegner würden hier wohl davon ausgehen, dass der Leasinggeber die Fahrzeuge ohne weiteres für eine weitere Periode allen Bietern zur Verfügung stellen werde. Vor diesem Hintergrund, würde der Abzugsbetrag F von vornherein nur die Antragstellerin treffen. Die Einführung des Abzugsbetrags F ziele insofern auch nicht auf die Abbildung von Qualitätsunterschiede der Angebote ab, sondern sei darauf gerichtet, unzulässigerweise vermeintliche Kalkulationsvorteile der Antragstellerin zu beseitigen.
Damit finde auch eine Ungleichbehandlung zwischen Anbietern von Gebrauchtfahrzeugen des Loses 1 zu denen des Loses 2 – ohne sachlichen Grund – statt.
Ferner läge keine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Gebraucht- und Neufahrzeugen vor. Es lägen keine Mehrqualitäten bei Neufahrzeugen vor. Die Antragsgegner hätten sich zumindest Gedanken machen müssen, warum Gebrauchtfahrzeuge – auch wenn diese ggf. erst wenige Monate alt seien und alle qualitativen Anforderungen erfüllten – 85 Mio. € weniger wert seien als Neufahrzeuge. Dies sei nicht ersichtlich, zumal an die qualitativen Merkmale von Neu- oder Gebrauchtfahrzeugen die gleichen Anforderungen gestellt werden. „Mehrqualitäten“ seien überdies durch das Wertungskriterium Q berücksichtigt. Es dürfe keine „Mehrfach-Berücksichtigung“ erfolgen. Ferner sei vorliegend den Verdingungsunterlagen keine Definition der Neu- und Gebrauchtfahrzeuge zu entnehmen.
Selbst eine ausschließliche Anwendung der Verordnung auf Neufahrzeuge würde den Abzugsbetrag F in seiner gegenwärtigen Höhe sachlich nicht begründen.
Die Antragsgegner hätten in der Rügeantwort auf Sicherheitsaspekte (Unglück in Bad Aibling) verwiesen. Wenn konkrete Sicherheitsaspekte den Antragsgegnern wichtig gewesen seien, hätten sie entsprechende Anforderungen in der Leistungsbeschreibung festlegen müssen. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die angebliche Berücksichtigung der europäischen Anforderungen rechnerisch zu einem Abzugsbetrag F in der gegenwärtigen Höhe von 85 Mio. € (Abschlag von 5.500 € pro Sitzplatz) führen solle.
Auch werde bezweifelt, dass höhere Sicherheits- und Brandschutzstandards maßgeblich für den Abzugsbetrag F gewesen seien und dessen festgesetzte Höhe. Entsprechende Erwägungen seien bei Los 2 überhaupt nicht gestellt worden. So werden bei Los 1 lediglich 69 km pro Strecke eingleisig erbracht, während bei Los 2 dagegen 172 km, wodurch bei Los 2 ein höheres Unfallrisiko bestehe. Dies wurde noch näher ausgeführt.
Ferner korrelierten die jeweiligen Abzugsbeträge in verschiedenen Ausschreibungen in keiner Weise mit der Begründung höherer Sicherheit, so dass es auf der Hand liege, dass die Begründung vorgeschoben worden sei. Dazu legte die Antragstellerin eine Tabelle mit früheren Ausschreibungen, die jeweilige max. Geschwindigkeit und ggf. den Abzugsbetrags vor.
Zudem könne die Ungleichbehandlung nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, die Antragstellerin habe wie alle anderen Bieter die Möglichkeit, Neufahrzeuge für Los 1 anzubieten, da der Auftragsgegenstand gerade nicht den Einsatz von Neufahrzeugen fordere und die Antragsgegner an die Festlegung des Auftragsgegenstandes gebunden seien. Wenn Neu- und Gebrauchtfahrzeuge die gleichen technischen Mindestanforderungen erfüllen müssen, Gebrauchsfahrzeuge vor Aufnahme der Verkehrsleistung in ein „neuwertiges“ Erscheinungsbild versetzt werden müssen und Qualitätsunterschiede durch Wertungskriterium Q bereits abgedeckt sind, dann gäbe es keinen sachlichen Grund mehr für den Abzugsbetrag F.
Es liege auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, indem eine Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein müsse. Dies erfülle die Ausgestaltung des Abzugsbetrags F nicht.
Ferner verstoße der Abzugsbetrag gegen den Wettbewerbsgrundsatz i. S. d. § 97 Abs. 1 GWB, insbesondere seien die Antragsgegner nicht dazu befugt etwaige Wettbewerbsvorteile der Antragstellerin oder anderer Bieter im Rahmen der Angebotswertung zu nivellieren.
Zudem liege ein Verstoß gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz i. S. d. § 127 Abs. 1 S. 1 GWB, § 97 Abs. 1 S. 2 GWB vor. Der Zuschlag müsse auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgen. In der Bewertung dürfe die Qualität nicht dergestalt einfließen, dass im Ergebnis einem schlechteren Angebot zum Zuschlag verholfen werde, weil aufgrund der unsachgemäßen Festsetzung von Abzugsbeträgen angeblich (aber nicht nachweisbar) vorhandene Unterschiede der Leistungen bei Zuschlagserteilung monetär unverhältnismäßig überbewertet werden. Trotz des günstigen Preises werde vorliegend ein Bieter von Gebrauchtfahrzeugen aufgrund des willkürlich festgesetzten Abzugsbetrags hinter Neufahrzeuge zurückfallen, obwohl der Beschaffungsbedarf ausdrücklich auch Gebrauchtfahrzeuge umfasse. Infolge des Wertungsabschlags F werde im Ergebnis ein Bieter den Zuschlag erhalten, der nicht notwendigerweise das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben habe. Der Abzugsbetrag verbillige fiktiv das Angebot eines Bieters mit Neufahrzeugen, wobei die Höhe des Abzugs nicht mit entsprechenden Qualitätsverlusten eines solchen Gebrauchtfahrzeugangebots einhergehe. Ein Bieter mit Neufahrzeugen könne entsprechend ein höheres Bestellerentgelt und / oder niedrigere Qualitäten anbieten als ein Anbieter mit Gebrauchtfahrzeugen, ohne das ernsthafte Risiko eingehen zu müssen, keinen Zuschlag zu erhalten. Dem Nachprüfungsantrag sei deshalb stattzugeben. Der Wertungsabschlag F könne in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung keinen Bestand haben.
Die Vergabekammer informierte die Antragsgegner mit Schreiben vom 23.03.2018 über den Nachprüfungsantrags und forderte die Antragsgegner auf, die Vergabeunterlagen vorzulegen, was mit Schreiben vom 27.03.2018 erfolgte.
Daraufhin beantragte die Antragsgegnerin zu 1 mit Schreiben vom 06.04.2018,
1.den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2.der Antragstellerin lediglich beschränkte Akteneinsicht in Kapitel 9 des Vergabevermerks sowie Anlage 6 zum Vergabevermerk zu gewähren,
3.der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin zu 1. aufzuerlegen,
4.die Hinzuziehung der Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin zu 1. für erforderlich zu erklären.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet, denn der Abzugsbetrag F im Los 1 stelle ein zulässiges Zuschlagskriterium im Sinne des § 127 Abs. 3 und 4 GWB dar. Entgegen der Behauptungen der Antragstellerin verstoße dieses Kriterium weder gegen das Diskriminierungsverbot, noch gegen den Wettbewerbs-, Verhältnismäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsgrundsatz.
Der Abzugsbetrag F stelle ein zulässiges Zuschlagskriterium dar. Durch den Abzugsbetrag F werde der Einsatz von Neufahrzeugen bei der Erbringung der zu vergebenen Leistungen im Rahmen der Wertung berücksichtigt. Dies sei zulässig, da nach der Einschätzung der Antragsgegner eine Leistungserbringung unter Verwendung von Neufahrzeugen von höherer Qualität sei, als eine Leistungserbringung mit gebrauchten Fahrzeugen. Die diesbezügliche Bestimmung als Zuschlagskriterium bewege sich daher innerhalb des Bestimmungsrechts der Antragsgegner und es sei deshalb nicht zu beanstanden, einem Angebot mit Neufahrzeugen bei der Wertung den Abzugsbetrag F zugutekommen zu lassen. Der öffentliche Auftraggeber habe einen weiten Ermessensspielraum bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes, als auch bei der Bestimmung der Zuschlagskriterien. Dieser finde seine Begrenzung in den vergaberechtlichen Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und Transparenz.
Der Abzugsbetrag F stehe auch unmittelbar mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung, da damit die höhere Qualität, die den Einsatz von Neufahrzeugen gegenüber einer Erbringung der Verkehrsleistungen mit Gebrauchtfahrzeugen habe, im Rahmen der Wertung berücksichtigt werde. Es handle sich um ein qualitatives Zuschlagskriterium. Der Abzugsbetrag F im Sinne des § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB stelle zugleich sicher, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet werde, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden könne und eine wirksame Überprüfung möglich sei, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllten. Zudem liege weder ein offensichtlicher Beurteilungsfehler noch ein Ermessensfehlgebrauch vor.
Der Abzugsbetrag F verfüge auch über einen unmittelbaren Auftragsbezug gemäß § 127 Abs. 3 GWB, denn zum einen werde mit diesem Zuschlagskriterium darauf abgestellt, ob die Verkehrsleistungen mit Neu- oder mit Gebrauchtfahrzeugen erbracht werden, also auf Eigenschaften der ausgeschriebenen Dienstleistung, die dieser unmittelbar anhaften. Darüber hinaus handle es sich bei dem Abzugsbetrag F auch um ein qualitatives Zuschlagskriterium im Sinne des § 127 Abs. 1 S. 4 GWB und § 58 Abs. 2 S. 2 VgV. Denn die Anknüpfung an den Einsatz von Neufahrzeugen und damit an die Erfüllung höherer Sicherheitsanforderungen – als bei Verwendung von Gebrauchtfahrzeugen -, beziehe sich auf Leistungsmerkmale der ausgeschriebenen Dienstleistung.
Die Antragsgegner gewährleisteten auch einen wirksamen Wettbewerb im Sinne des § 127 Abs. 4 GWB durch den Abzugsbetrag F. Insbesondere hätten sie geprüft, welche Auswirkungen die Festlegung dieses Zuschlagskriteriums auf den Wettbewerb unter den potenziellen Bietern habe. Dabei seien sie zu der Einschätzung gelangt, dass nur mit diesem Kriterium ein wirksamer Wettbewerb erreicht werden könne. Denn die Berücksichtigung der höheren Leistungsqualität im Falle des Einsatzes von Neufahrzeugen gegenüber der Leistungserbringung mittels Gebrauchtfahrzeugen gewährleiste, dass auch Anbietern, die nur Leistungen mit Einsatz von Neufahrzeugen anbieten können, die Möglichkeit eröffnet werde, sich am Vergabeverfahren zu beteiligen. Denn wegen der erheblichen Mehrkosten aufgrund des hohen Investitionsbedarfs, die mit einem Einsatz von Neufahrzeugen gegenüber dem Einsatz von Gebrauchtfahrzeugen verbunden seien, hätten derartige Anbieter ohne Festlegung des Abzugsbetrags F keine Aussicht darauf, ein Angebot abgeben zu können, das eine realistische Chance auf den Erhalt des Zuschlags habe. Vor diesem Hintergrund sei damit zu rechnen, dass außer der Antragstellerin kein anderer Bieter ein Angebot abgeben würde, was einem wirksamen Wettbewerb entgegenstehe. Auch sei eine wirksame Überprüfung darüber möglich, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Anhand des geforderten Verzeichnisses der zum Einsatz vorgesehenen Fahrzeuge gemäß Kapitel 4.1.1 könne geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Abzugsbetrags erfüllt werden.
Auch hätten die Antragsgegner bei der Bestimmung des Zuschlagskriteriums Abzugsbetrag F die Grenzen der ihnen bei der Festlegung der Zuschlagskriterien zukommenden Bestimmungsfreiheit nicht überschritten. Die Intention der Antragsgegner zur Festlegung des Abzugsbetrags F sei gewesen, die höhere Qualität einer Leistungserbringung mit Neufahrzeugen gegenüber einem Einsatz von Gebrauchtfahrzeugen in Rahmen der Wertung zu berücksichtigen. Diese höhere Qualität (im Bereich Crash-Sicherheit und Brandschutz) ergebe sich daraus, dass Neufahrzeuge den Anforderungen der TSI LOC & PAS (Verordnung Nr. 1302/2014/EU) genügen müssten. Die Antragsgegner hätten sehr wohl Überlegungen zu Grunde gelegt, aus welchen Gründen ein Einsatz von Neufahrzeugen eine Mehrqualität gegenüber dem Einsatz von Gebrauchtfahrzeugen darstelle.
Allerdings könne es zutreffend sein, dass die Regelung der VO 1302/2014/EU nicht nur für Neu-, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch für Gebrauchtfahrzeuge gelte. Die Antragsgegner seien bei der Festlegung der Zuschlagskriterien indes davon ausgegangen, dass de facto nur ein Einsatz solcher Gebrauchtfahrzeuge zu erwarten sei, die die Anforderungen der VO 1302/21014/EU nicht erfüllen können. Die Antragsgegner haben gleichwohl zur Klarstellung die entsprechende Beschreibung in Kapitel 2.1. lit. d) der Leistungsbeschreibung mit Bewerberinformation Nr. 8 am 06.04.2018 ergänzt:
„Der Abzugsbetrag F wird vom Preis des Angebots nach den vorstehenden Maßgaben abgezogen, wenn und soweit die zum Einsatz vorgesehenen Neufahrzeuge die Anforderungen der TSI LOC & PAS (Verordnung Nr. 1302/2014/EU) erfüllen. Darüber hinaus wird der Abzugsbetrag F vom Preis des Angebots auch dann abgezogen, wenn der Bieter den Einsatz von Gebrauchtfahrzeugen vorsieht, die die Anforderungen der TSI LOC & PAS (Verordnung Nr. 1302/2014/EU) erfüllen. Im Angebot ist im Rahmen der Anlage 17.1 zur Leistungsbeschreibung zu erklären, ob die zum Einsatz vorgesehenen Fahrzeuge die Anforderungen der TSI LOC & PAS (Verordnung Nr. 1302/2014/EU) erfüllen.“
Spätestens mit dieser Ergänzung sei klargestellt, dass Anknüpfungspunkt für die Gewährung des Abzugsbetrags F das Erfüllen der Anforderung der VO 1302/2014/EU sei und sichergestellt, dass nur solche Sachverhalte im Rahmen der Wertung unterschiedlich behandelt werden, die sich hinsichtlich der Erfüllung der Anforderungen der VO 1302/2014/EU voneinander unterscheiden, was die Antragstellerin moniert habe.
Die Antragsgegner hielten daran fest, dass die Sicherheitsrisiken, die im Falle eines Unfalls mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h drohen, größer einzuschätzen seien als bei einem Unfall mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Hinzukomme, dass das Fahrgastaufkommen im Los 1 (ca. 623 Mio. Personenkilometern) deutlich höher eingeschätzt werde als im Los 2 (ca. 96 Mio. Personenkilometern pro Jahr). Soweit die Antragstellerin behaupte, es sei sachlich unzutreffend oder beruhe auf einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage, wenn der Umstand, dass in Los 1 aus unterschiedlichen Sicherheitsrisiken ein Abzugsbetrag F vorgesehen werde und in Los 2 nicht, könne dem nicht gefolgt werden. Auf die näheren Ausführungen diesbezüglich wird verwiesen.
Auch aus den weiteren Behauptungen der Antragstellerin folgten keine Beurteilungs- oder Ermessensfehler der Antragsgegner. Insbesondere änderten die identischen Mindestanforderungen für bestimmte Eigenschaften für Neu- und Gebrauchtfahrzeuge nichts daran, denn diese beträfen nicht die Bereiche Crash-Sicherheit und Brandschutz. Auch der Umstand, dass neben dem Abzugsbetrag F auch der Abzugsbetrag Q vorgesehen sei, führe nicht dazu, dass die Grenzen der Bestimmungsfreiheit seitens der Antragsgegner überschritten worden seien, denn bei dem Abzugsbetrag Q würden ausschließlich solche Qualitätsunterschiede bewertet, die einzelne Ausstattungsmerkmale der einzusetzenden Fahrzeuge betreffen. Es verbleibe auch insoweit die Möglichkeit, dass die Bieter Fahrzeuge mit unterschiedlichen Eigenschaften anbieten. Diese Unterschiede würden ausschließlich im Rahmen des Zuschlagskriteriums Abzugsbetrag F berücksichtigt. Zugleich erfüllten Neufahrzeuge nicht zwangsläufig die fahrzeugbezogenen Unterkriterien, die bei dem Zuschlagskriterium Q gewertet werden.
Der Abzugsbetrag F sei auch, entgegen der Ansicht der Antragstellerin in seiner maximal möglichen Höhe gerechtfertigt. Mit der Höhe der nach der Wertungsformel vorgesehenen Abzugsbeträge werde deren Gewichtung bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots bestimmt. Mit der Bestimmung der Höhe werde zugleich die Bereitschaft der Antragsgegner, für angebotene Mehrqualitäten einen höheren Preis für die zu erbringende Leistung zu zahlen, abgebildet.
Die Antragsgegner hätten auch hinsichtlich der Gewichtung der Zuschlagskriterien einen weiten Beurteilungsspielraum. Die diesbezüglichen Festlegungen der Antragsgegner seien nicht zu beanstanden.
Es liege kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor. Die Antragstellerin werde durch den Abzugsbetrag F nicht in unzulässiger Weise ungleich behandelt. Auch der Antragstellerin sei es ohne Weiteres möglich, einen Einsatz von Neufahrzeugen anzubieten, damit sie in den Genuss des Abzugsbetrags F komme. Dem könne die Antragstellerin auch nicht entgegen halten, dass ihr durch den Abzugsbetrag F der Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Bietern genommen werde, den sie dadurch genieße, dass nur sie über Gebrauchtfahrzeuge verfüge, denn der öffentliche Auftraggeber sei nicht verpflichtet, die Zuschlagskriterien so zu bestimmen, dass vorhandene Wettbewerbsvorteile einzelner Bieter im Rahmen der Wertung berücksichtigt werden. Auch die Behauptung der Antragstellerin, nur bei ihr werde der Abzugsbetrag F nicht abgezogen, treffe nicht zu, da auch andere Bieter, die den Einsatz von Gebrauchtfahrzeugen vorsehen, nicht in den Genuss des Abzugsbetrags F kämen. Allerdings könnte es zutreffen, dass andere Bieter keine Zugriffsmöglichkeiten auf Gebrauchtfahrzeuge haben. Seine Ursache liege darin, dass die Antragstellerin als „ehemalige Monopolistin“ sich bislang verweigere, ihren Mitbewerbern eine Überlassung ihrer Fahrzeuge – im Wege des Kauf oder Miete – zu ermöglichen. Dies gelte selbst dann, wenn sie selbst in Folge eines Auftragsverlustes keine Verwendung mehr für bestimmte Fahrzeuge habe.
Eine unzulässige Ungleichbehandlung der Antragstellerin ergebe sich auch nicht aus einem Vergleich mit den von ihr aufgeführten anderen Vergabeverfahren, da es jeweils auf die einzelne Vergabe und die dort festgelegten Anforderungen ankomme. Ferner sei die Behauptung der Antragstellerin unzutreffend, die alleinige Motivation der Antragsgegner bei der Bestimmung des Abzugsbetrags F liege darin, eine Nivellierung ihres Wettbewerbsvorteils zu bewirken, da nur die Antragstellerin über Gebrauchtfahrzeuge verfüge. Wie bereits ausgeführt, werde der Abzugsbetrag gewährt, um damit die höhere Qualität von Fahrzeugen, die die Anforderungen der VO 1302/2014/EU erfüllen, gegenüber Fahrzeugen, die dies nicht erfüllen, zu berücksichtigen.
Eine unzulässige Ungleichbehandlung folge entgegen der Behauptung der Antragstellerin auch nicht daraus, dass ein Abzugsbetrag F im Los 1, nicht aber im Los 2 vorgesehen sei. Denn der öffentliche Auftraggeber sei nicht verpflichtet, bei einer Losaufteilung identische Zuschlagskriterien vorzusehen. Dies sei auch sachlich gerechtfertigt, da sich die Lose etwa hinsichtlich der zu fahrenden Höchstgeschwindigkeiten und der zu erwartenden Fahrgastnachfrage sowie die den Antragsgegner zur Finanzierung dieser Leistung jeweils zur Verfügung stehenden Mittel unterscheiden würden.
Die Bestimmung des Abzugsbetrags F verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB. Ein eigenständiger Regelungsgehalt komme dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bereits nicht zu, sondern zähle zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch die Bestimmung des Abzugsbetrags F scheide vor diesem Hintergrund bereits aus, denn die Anforderungen dieses Grundsatzes seien bereits durch die bei der Bestimmung der Zuschlagskriterien zu beachtenden Vorgaben des § 127 GWB umgesetzt. Da der Abzugsbetrag F den Vorgaben des § 127 GWB genüge, könne er auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Aber selbst wenn man diesem Grundsatz einen eigenständigen Regelungsgehalt zuerkennen wolle, würde der Abzugsbetrag F hiergegen nicht verstoßen, denn er sei sowohl geeignet als auch erforderlich und angemessen, um die höhere Qualität der Leistungserbringung bei der Wertung zu berücksichtigen. Zu dem diesbezüglichen Vortrag der Antragstellerin wurden noch näher Stellung genommen. Insbesondere sei im derzeitigen Stand des Verfahrens nicht einzuschätzen, ob ein Angebot, das den Einsatz von Gebrauchtfahrzeuge vorsehe, tatsächlich keine Chance auf Erhalt des Zuschlags habe.
Es liege kein Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz vor. Der Antragsgegner habe wie bereits in der Nichtabhilfe ihrer Rüge mitgeteilt mit dem Abzugsbetrag F beabsichtigt qualitative Unterschiede zwischen den Fahrzeugen, die die Anforderungen der VO 1302/2014/EU erfüllen und solche, bei denen dies nicht der Fall war, im Rahmen der Wertung zu berücksichtigen. Wie bereits ausgeführt, seien die Antragsgegner nicht verpflichtet, die Zuschlagskriterien so zu bestimmen, dass die Wettbewerbsvorteile der Antragstellerin uneingeschränkt zur Geltung kommen. Auch haben die Antragsgegner mit dem Abzugsbetrag F ihre diesbezügliche Verpflichtung umgesetzt, einen wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten.
Auch liege kein Verstoß gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz vor. Dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz werde entsprochen, wenn dasjenige Angebot für die Zuschlagserteilung vorgesehen wird, das sich nach den durch den Auftraggeber bestimmten Zuschlagskriterien als das wirtschaftlichste Angebot darstelle, wobei gemäß § 127 Abs. 1 S. 4 GWB neben dem Preis insbesondere auch qualitative Kriterien berücksichtig werden können. Mit dem Abzugsbetrag F werde die Mehrqualität von Fahrzeugen, die die Anforderungen der VO 1302/2014/EU erfüllen, gegenüber Fahrzeugen, bei denen dies nicht der Fall ist, bei der Wertung berücksichtig. Die Antragsgegner hätten durch die Bestimmung des Abzugsbetrags F zum Ausdruck gebracht, dass der qualitative Unterschied zwischen den Angeboten eine Mehrqualität ist, die aus ihrer Sicht zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis führe und diene daher gerade neben den weiteren Zuschlagskriterien der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Dass der Abzugsbetrag F zur Folge haben könne, dass ein Bieter den Zuschlag erhält, der nicht den niedrigsten Preis angeboten habe, ist richtig. Dies sei aber bei Verwendung von nichtpreislichen Kriterien immer der Fall. Einen Verstoß gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz stelle dies aber entgegen der Behauptung der Antragstellerin nicht dar.
Dass dieser Grundsatz durch das hier streitgegenständliche Kriterium nicht verletzt werde, werde auch daran deutlich, dass es den Antragsgegnern ohne Weiteres möglich gewesen wäre, den Einsatz von Gebrauchtfahrzeugen im Los 1 auszuschließen. Zwar sei durch die bisherige Regelung zum Ausdruck gebracht worden, dass die Antragsgegner die Erbringung der Leistungen im Los 1 mit Gebrauchtfahrzeugen grundsätzlich für tauglich halten. Diese Einschätzung könnten sie jedoch korrigieren. In diesem Fall wären die Leistungen zwingend durch den Einsatz von Neufahrzeugen zu erbringen. Eine derartige Festlegung sei ohne Weiteres durch das Leistungsbestimmungsrecht der Antragsgegner gedeckt.
Mit Verfügung vom 16.04.2018 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 157 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 15.06.2018 verlängert.
Die ehrenamtliche Beisitzerin hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht und Verfahrenseinstellungen nach Rücknahme oder anderweitiger Erledigung auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin mit Schreiben vom 17.04.2018 übertragen.
Mit Beschluss vom 20.04.2018 wurde der Umfang der Akteneinsicht für die Antragstellerin festgelegt und ihr entsprechend Akteneinsicht gewährt.
Mit Schreiben vom 20.04.2018 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 in den Räumen der Regierung von Oberbayern geladen.
Daraufhin teilte die Antragstellerin mit Schreiben vom 02.05.2018 mit, dass mit der Änderung des Anknüpfungspunktes für die Inanspruchnahme des Abzugsbetrages F in den Vergabeunterlagen (Bewerberinformation Nr. 8 vom 06.04.2018) insofern hinsichtlich der im Nachprüfungsantrag angeführten Verstöße teilweise eine Erledigung eingetreten sei.
Die Grenzen der Festsetzung der Zuschlagskriterien seien die vergaberechtlichen Grundprinzipien der Nichtdiskriminierung, des Wettbewerbsgrundsatzes, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und würden durch den grundsätzlich bestehenden Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Festsetzung nicht verschoben werden.
Trotz der vorgenommenen Änderung bezüglich des Abzugsbetrages F werde die Antragstellerin weiterhin ungerechtfertigt diskriminiert, da der Abzugsbetrag darauf abziele, einzig die Antragstellerin nicht zu begünstigen. Den Antragsgegnern gehe es weiterhin einzig und allein um die wettbewerbliche Angleichung eines Angebots der Antragstellerin mit Gebrauchtfahrzeugen an Angebote mit Neufahrzeugen. Das Motiv einer Wettbewerbsnivellierung stelle den einzigen Beweggrund für den Abzugsbetrag F dar, während die Anknüpfung an die Sicherheitsvorgaben der Verordnung Nr. 1302/2014/EU vorgeschoben seien. Dies werde durch das widersprüchliche Verhalten bei der Festsetzung des Abzugsbetrages belegt. Ginge es um eine höhere Qualität, hätten die Mindestanforderungen zur Sicherheit und zum Brandschutz auch in Los 2 gestellt werden müssen.
Der Abzugsbetrag hätte in Los 1 reduziert werden können, um auch im Los 2 einen Abzugsbetrag gewähren zu können, sofern es tatsächlich um Ressourcenschonung gehen würde.
Die Ungleichbehandlung von Los 1 zu Los 2 in Bezug auf den Abzugsbetrag F sei nicht gerechtfertigt. Es finde vor allem eine Ungleichbehandlung zwischen Anbietern von Gebrauchtfahrzeugen des Loses 1 und denen des Loses 2 statt, da es sich um eine Ausschreibung handle und gleiche Sachverhalte in einer Ausschreibung nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen. Auch sei die Erwägung der Antragsgegner, es seien keine finanziellen Mittel zur Verfügung, kein taugliches objektives Differenzierungskriterium. Ebenso sei die Anknüpfung an das Fahrgastaufkommen und mithin an die Anzahl betroffener Menschen im Falle eines Unfalls der Antragsgegnerin zu 1 ermessensfehlerhaft.
Ferner sei das Außerachtlassen der Eintrittswahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses bei der Festsetzung des Abzugsbetrags F, wie aus der Antragserwiderung zu entnehmen sei, ermessensfehlerhaft. Diesbezüglich beständen widersprüchliche Ausführungen in Anlage 06 des Vergabevermerks („Vorschlag Neufahrzeugbonus zur geplanten SPNV-Vergabe A… Netze“) und der Antragserwiderung. Anlage 06 des Vergabevermerks verdeutliche ebenfalls, dass es den Antragsgegnern allein um die Nivellierung der Wettbewerbsverhältnisse gegangen sei. Eine „Abwägung von Leben gegen Leben“ verstoße gegen Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, weswegen die Erwägungen der Antragsgegner einen Ermessensfehlgebrauch darstellten. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unglücks sei auch in Los 2 höher als in Los 1.
Der Abzugsbetrag F verstoße auch gegen den Wettbewerbsgrundsatz, da er nach Ansicht der Antragsgegnerin zu 1 ausdrücklich die „Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs“ gewährleisten solle. Tatsächlich verhindere der Abzugsbetrag aber sogar den Wettbewerb im vorliegenden Fall, da er das Angebot eines Gebrauchtfahrzeuges vollkommen unwirtschaftlich mache. Die Höhe des Abzugsbetrages sei willkürlich festgelegt worden.
Auch liege ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, bezüglich der willkürlichen Festlegung von Abzugsbeträgen vor.
Ferner liege ein Verstoß gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz vor, da der Abzugsbetrag F nicht den Qualitätsunterschieden entspreche, die mit der Erfüllung der Anforderungen der TSI LOC & PAS (Verordnung Nr. 1302/2014/EU) einhergingen.
Im Übrigen fehle dem Abzugsbetrag F als Zuschlagskriterium der Auftragsbezug i. S. d. § 127 Abs. 3 S. 1 GWB, da einziger Beweggrund der Eingriff in den Wettbewerb sei.
Selbst wenn die Gestaltung des Abzugsbetrages F völlig im Ermessen der Antragsgegner gestanden hätte, hätten diese bei der Festlegung des Abzugsbetrags F Ermessensfehler gemacht. Nach der in der Vergabeakte befindlichen Anlage 06 soll die Berechnung des Neufahrzeugbonus an die Qualitätskriterien der TSI LOC & PAS zur Verbesserung der dort genannten Kriterien orientiert sein.
Dies sei aber nicht so. Der Abzugsbetrag hänge allein von der maximalen Zahlungsbereitschaft des Auftraggebers ab (Folie 5). Die Qualitätskriterien hätten auf den Bonus keinerlei Einfluss. Tatsächlich seien sie hierfür unerheblich. Wie aus Folie 3 und 5 hervorgehe, seien unterschiedliche Ergebnisse in Folie 3 und 5 angegeben.
Es wurde auch noch ausgeführt, dass die Kosten der anwaltlichen Bevollmächtigten für die Antragsgegner nicht notwendig seien und damit nicht erstattungsfähig, da insbesondere eigene Vergaberechtsjuristen des Antragsgegners zu 2 vorhanden seien und der Leiter der Abteilung „Wettbewerb, Verkehrsverträge, Vergaberecht“ der Antragsgegnerin zu 1 Jurist sei.
Am 09.05.2018 fand die mündliche Verhandlung in den Diensträumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert.
Alle Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Der Vorsitzende der Vergabekammer führte aus, dass die Festlegung des Abzugsbetrages F an sich unproblematisch zulässig sei. Allerdings ergebe sich aus dem Vergabevermerk, dass die Antragsgegner sich verpflichtet gefühlt haben, die Festlegung vorzunehmen, um einen wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten.
Dazu führte die Antragsgegnerin zu 1 aus, dass auch im Los 2 weitere Fahrzeuge beschafft werden müssten, da die Anzahl an Fahrzeugen des jetzigen Betreibers für das Los 2 nicht ausreichend sei. Die Antragstellerin hat ausgeführt, dass man im Los 2 nur beim Leasinggeber des jetzigen Betreibers die weiteren benötigten Fahrzeuge beschaffen könne.
Die Antragsgegnerin zu 1 führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass für sie beispielsweise die Anzahl an Bahnübergängen und die Eingleisigkeit einer Strecke für die Beurteilung des Aspekts „Sicherheit“ keine Rolle gespielt habe. Auch erklärte die Antragsgegnerin zu 1, dass sie sich nicht aufgrund von § 127 Abs. 4 GWB verpflichtet gesehen habe, den Abzugsbetrag F festzusetzen. Vielmehr sei geprüft worden, ob ihre Festsetzung den Vorgaben des § 127 Abs. 4 GWB genüge.
Der Vorsitzende teilte in der mündlichen Verhandlung die vorläufige Rechtsauffassung der Vergabekammer mit, wonach der Abzugsbetrag an sich vergaberechtskonform sei. Es ergebe sich allerdings aus dem Vergabevermerk, dass die Antragsgegner von unzutreffenden rechtlichen Anforderungen ausgegangen seien. Das – nach eigener Aussage der Antragsgegnerin zu 1 – entscheidende Argument der Antragsgegner der „Sicherheit“ beruhe wohl auf einem nicht ausreichend ermittelten Sachverhalt, da wesentliche Aspekte wie die Anzahl an unbeschrankten Bahnübergängen und die Eingleisigkeit einer Strecke außen vor blieben. Die Argumentation in Bezug auf die unterschiedliche zulässige Höchstgeschwindigkeit in den Losen 1 und 2 sei für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar.
Die Antragsgegnerin zu 1 hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Vergabekammer bis spätestens 18.05.2018 mitzuteilten, ob sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten werde.
Die Antragstellerin hielt ihre Anträge vom 22.03.2018 aufrecht. Die Antragsgegnerin zu 1 hielt ebenfalls ihre Anträge vom 06.04.2018 aufrecht. Im Übrigen wird auf das Protokoll verwiesen.
Daraufhin teilte die Antragsgegnerin zu 1 mit Schriftsatz vom 16.05.2018 mit, dass sie sich aufgrund des Bahnunfalls in Aichach am 07.05.2018 dazu entschieden habe, auch im Los 2 einen Abzugsbetrag F vorzusehen. Hierzu wurde Kap. 2.2 der Leistungsbeschreibung geändert und die Bewerber mit der Bewerberinformation Nr. 11 vom 16.05.2018 entsprechend informiert.
Der Abzugsbetrag F betrage im Los 2 hochgerechnet auf die gesamte Laufzeit des im Los 2 abzuschließenden Verkehrsvertrages 1.700 Euro pro Sitzplatz. Damit könne ein maximaler Abzugsbetrag in Höhe von 8,5 Mio. Euro erreicht werden. Seitens der Antragsgegnerin zu 1 bestehe zur Erfüllung der Anforderungen der TSI LOC & PAS lediglich eine Zahlungsbereitschaft von 0,30 € pro Zugkilometer (bei 3.323.932,9 Zugkm pro Jahr). Daraus errechne sich ein Bonusbetrag von 197,85 € pro Sitzplatz und pro Jahr.
Die unterschiedliche Höhe des Abzugsbetrages in beiden Losen begründete die Antragsgegnerin zu 1 damit, dass ihrerseits eine geringere Zahlungsbereitschaft im Los 2 für die entsprechende Mehrqualitäten in Form eines höheren Sicherheitsniveaus bestände als im Los 1. Auch beruhe die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft auf einem deutlichen Unterschied der Leistungsvolumina der Lose, denn im Los 2 werde eine Nachfrage in Personenkilometern pro Jahr erwartet, die etwa 15% der im Los 1 zu erwartenden Nachfrage ausmache. Das Leistungsvolumen in Los 2 in Zugkm entspreche lediglich etwa 45% des Leistungsvolumens in Los 1. Wegen dieser erheblichen Mengenunterschiede der zu beauftragenden Leistungen komme dem Los 2 eine deutlich geringere verkehrliche Bedeutung zu als dem Los 1.
Der Sachverhalt, der der Festlegung des Zuschlagskriteriums im Los 1 zu Grunde liege, sei vollständig und zutreffend ermittelt worden, denn die Erwägungen, auf die die Vergabekammer in ihrer vorläufigen Rechtsauffassung abstelle, würden ausschließlich die Begründung für einen Verzicht auf einen entsprechenden Abzugsbetrag F im Los 2 betreffen. Diese Gründe könnten jedoch nicht maßgeblich sein für die Beurteilung der Zulässigkeit der Bestimmung der Zuschlagskriterien in Los 1. Es sei auch unzutreffend, dass Aspekte, wie die Anzahl an unbeschrankten Bahnübergängen und die Eingleisigkeit einer Strecke bei der Bestimmung der Zuschlagskriterien im Los 2 „außen vor“ geblieben seien. Wie sich aus den Ausführungen des Schriftsatzes vom 06.04.2018 ergebe, seien durchaus Erwägungen zur Eintrittswahrscheinlichkeit von Bahnunfällen angestellt worden. Dabei seien auch die Aspekte berücksichtigt worden, von denen die Vergabekammer in ihrer vorläufigen Rechtsauffassung meinte, dass sie außen vor geblieben seien.
Entgegen der Andeutung der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung, lasse sich auch dem Beschluss des OLG München vom 09.03.2018, Az. Verg 10/17 nicht entnehmen, was zu einer Unzulässigkeit der Bestimmung des Abzugsbetrags F im Los 1 führen würde. Zudem sei es hier nicht um zwei unterschiedliche Vorgehensweisen in einem Los gegangen, die zur Diskussion stehen würden, sondern lediglich um die Zulässigkeit des Abzugsbetrages F im Los 1. Der Nachprüfungsantrag wäre auch dann zurückzuweisen gewesen, wenn die Antragsgegner an ihrer bisherigen Vorgehensweise festgehalten hätten, wonach ein Abzugsbetrag F lediglich im Los 1 vorgesehen gewesen war.
Es liege keine Teilerledigung vor, wie die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 02.05.2018 vorgetragen habe, da das Anliegen der Antragstellerin durch die oben genannte Bewerberinformation nicht gegenstandslos geworden sei. Es gehe der Antragstellerin nach wie vor darum die Antragsgegner zu verpflichten, auf den Abzugsbetrag F des Loses 1 zu verzichten. Eine Teilerledigung liege auch deshalb nicht vor, da die Präzisierung der Voraussetzungen für die Gewährung des Abzugsbetrags F im Rahmen der Bewerberinformation vom 06.04.2018 keinen abgrenzbaren Teil des Streitgegenstandes betraf, für den insoweit isoliert die Rechtshängigkeit hätte entfallen können.
Auch sei die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1 erforderlich, da außer dem Leiter der Abteilung „Wettbewerb, Verkehrsverträge, Vergaberecht“ kein Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu 1 in dieser Abteilung Jurist sei. Über eine spezielle vergaberechtliche Expertise, die für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin zu 1 vorliegend erforderlich sei, verfüge die Antragsgegnerin zu 1 nicht.
Mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 22.05.2018 teilte diese unter anderem mit, dass die von den Antragsgegnern jetzt noch vorgenommene Neueinführung eines Abzugsbetrags F in Los 2 keinen Einfluss auf die vorgeworfenen Vergaberechtsverstöße in Bezug auf den Abzugsbetrag F hätten.
Es habe bezüglich der Eintrittswahrscheinlichkeit von Unfällen bei Festlegung des Abzugsbetrages F keine Abwägung oder Bewertung stattgefunden. Damit fehle es an einer angemessenen und vertretbaren Gewichtung.
Auch leide die Festlegung des Abzugsbetrages F bereits an einer willkürlichen Festlegung der Zahlungsbereitschaft der Antragsgegner. Wenn die Antragsgegner Änderungen an den Vergabeunterlagen vornehmen würden, stünde mehr Geld zur Verfügung. Eine derartige Abwägung der qualitativen Anforderungen insgesamt über den Abzugsbetrag hinaus, fehle völlig. Hinzu komme, dass die Verteilung der finanziellen Mittel auf die Lose willkürlich erfolge. Es fehle an einer Abwägung bezüglich der Sicherheit von Fahrgästen und Triebfahrzeugführer und der verkehrlichen Bedeutung, wenn im Los 1 der erste Aspekt als Begründung herangezogen werde, im Los 2 der zweite Aspekt.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i.S.d. § 103 Abs. 1, Abs. 4 GWB. Die Antragsgegnerin zu 1 und der Antragsgegner zu 2 sind öffentliche Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 2, bzw. Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 209.000 Euro erheblich.
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Im Nachprüfungsverfahren kann ein Bieter zulässigerweise geltend machen, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Bestimmung des Auftragsgegenstandes die vergaberechtlichen Grenzen seiner Bestimmungsfreiheit überschritten habe. Durch die Festsetzung des Abzugsbetrages F sieht sich die Antragstellerin an der Abgabe eines aussichtsreichen Angebots gehindert. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, die aus ihrer Sicht vergaberechtwidrige, da sie diskriminierende, Festsetzung zu beseitigen, um dann ein aussichtsreiches Angebot abgeben zu können.
Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 1 S.2, Abs. 2, Abs. 6 GWB, § 127 Abs. 1 S.1, Abs. 3 S.1 GWB geltend gemacht, da das Wertungskriterium „Abzugsbetrag F“ in Los 1 sie diskriminiere, gegen den Wettbewerbs-, Verhältnismäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verstoße und keinen Auftragsbezug erkennen lasse.
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 GWB entgegen.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet, da die Antragstellerin durch die Festsetzung des Abzugsbetrages F – in der mittlerweile vorgesehenen Form – nicht in ihren Rechten verletzt ist. Den Antragsgegnern ist bei der Festsetzung des Abzugsbetrages F, der als qualitatives Zuschlagskriterium nach § 127 Abs. 1 S. 4 GWB, § 58 Abs. 2 S. 2 VgV zu sehen ist, kein offensichtlicher Beurteilungs- und Ermessensfehler unterlaufen.
Der öffentliche Auftraggeber hat das ausschließliche Bestimmungsrecht zur Bestimmung des Leistungsgegenstandes und seiner Eigenschaften. Es ist Ausdruck des Bestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers, auch die Kriterien für die Zuschlagserteilung zu bestimmen. Er kann festlegen, worauf es ihm bei dem zu vergebenden Auftrag ankommt und was er als wirtschaftlich ansieht. Dem Bestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers unterliegen sowohl die Kriterien, anhand derer die Angebote bewertet werden, als auch die Methode, wie ein Wertungsergebnis ermittelt wird. Hierbei steht dem Auftraggeber ein großer Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu (BT-Drs. 367/15, S.133; EuGH, Urteil vom 26. März 2015 – C-601/13, Ambisig, Rdnr. 28; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.02.2017, Verg 31/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Dezember 2016, VII-Verg 15/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. März 2010, VII-Verg 48/09; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Mai 2008, VII-Verg 5/08; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Mai 2005, VII-Verg 16/05). Wenngleich das Gemeinschaftsrecht anders als das deutsche Recht keine klare Unterscheidung zwischen Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsseite und Ermessen auf der Rechtsfolgenseite kennt, so werden in der Rechtsprechung des EuGH die bei der Auslegung und Anwendung von Vorschriften bestehenden Spielräume weitgehend gleich behandelt. Die Spielräume beim Ermessen und beim Beurteilungsspielraum weisen eine weitgehend einheitliche finale Struktur auf, was eine einheitliche Fehlerlehre ermöglicht (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40, Rdnr.15f). Eine ordnungsgemäße Ausübung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen setzt voraus, dass 1. Verfahrensgrundsätze eingehalten wurden, dass 2. der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt wurde, 3. keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind, 4. die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte angemessen und vertretbar gewichtet wurden und 5. der gesetzliche oder ein selbst von der Vergabestelle vorgegebene Rahmen oder Maßstab beachtet wurde (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 09.03.2018 – Verg 10/17 und Beschluss vom 07.04.2011, Verg 5/11). Die Kontrolle durch die Vergabenachprüfungsinstanzen hat sich darauf zu beschränken, ob dem öffentlichen Auftraggeber bei der vorgenannten Ausübung seines Beurteilungs- und Ermessensspielraums ein offensichtlicher Beurteilungs- oder Ermessensfehler unterlaufen ist. Ist dies der Fall, ist die Entscheidung damit sachlich nicht vertretbar. Eine eigene Prüfung der Vertretbarkeit erfolgt insoweit aber nicht. Vielmehr geht das Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungs- oder Ermessensfehlers einher mit der Nichtvertretbarkeit.
2.1. Die Antragsgegner haben bei der Festlegung des Abzugsbetrages F die bestehenden Verfahrensgrundsätze des § 127 GWB und § 58 VgV eingehalten.
§ 127 GWB enthält grundlegende Vorgaben zum Zuschlag und zur Gestaltung der Zuschlagskriterien. Nach § 127 Abs. 1 S.1 GWB und § 58 Abs. 1 VgV wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. § 127 Abs. 1 S.2 GWB und § 58 Abs. 2 S.1 VgV stellen klar, dass es sich beim Zuschlag um eine Wertungsentscheidung handelt. Während die Eignung eines Bewerbers oder Bieters grundsätzlich absolut festgestellt wird, sind die Zuschlagskriterien vom öffentlichen Auftraggeber mit einer Wertungsskala zu versehen und Kriterien für die Beurteilung im Rahmen dieser Wertungsskala festzulegen. Die Zuschlagskriterien müssen nach § 127 Abs. 5 GWB in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt sein.
Die Antragsgegner haben ihre Zuschlagskriterien, die Wertungsformel und mithin den Zuschlagsbetrag F in den Vergabeunterlagen aufgeführt. Sie haben mit der Formel „Pf = Pa – Q – K – F“ eine Wertungsformel aufgestellt, die ein Preis-Leistungs-Verhältnis abbildet, da neben dem (fiktiven) Preis auch qualitative Kriterien berücksichtigt werden. Zwar bildet die Formel kein wirkliches Verhältnis ab, sondern ist eine Differenz. Soweit ersichtlich beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Formulierung nicht eine bestimmte Formel, also die Division, zu fordern. Von dem fiktiven Angebotspreis wird danach der vom jeweiligen Angebot erreichte Abzugsbetrag abgezogen und das Angebot mit dem niedrigsten fiktiven Preis erhält den Zuschlag. Die Zuschlagskriterien Q, K und F werden also in einen Preis umgerechnet (und nicht der Preis in Leistungspunkte).
2.2. Die Antragsgegner haben den der Festlegung des Abzugsbetrages F zugrundeliegenden Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt. Die Antragsgegner haben sämtliche Erwägungen, die sie zur Festlegung des Abzugsbetrages F und seiner Höhe bewogen haben, im Vergabevermerk niedergelegt. Diese Erwägungen liegen auch tatsächlich vor, sind also zutreffend. Dies steht zur Überzeugung der Vergabekammer aufgrund des schriftsätzlichen Vortrags, der mündlichen Verhandlung sowie der Änderungen der Regelungen zum Abschlagsbetrag F in der Leistungsbeschreibung mit den Bieterinformationen Nr.8 und Nr.11 fest.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Antragsgegner keine fehlende Dokumentation nachgeschoben haben. Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 09.03.2017 (Verg 10/17) ausgeführt, dass ein „Nachschieben“ nicht dokumentierter und auch nicht vorab vorgenommener Ermessens- oder Beurteilungserwägungen die Gefahr berge, dass die Rechtfertigung der Entscheidung im Streitfall – bewusst oder unterbewusst – die Argumentation beeinflusst, mithin nicht mehr eine ergebnisoffene, sondern eine ergebnisorientierte Bewertung der Tatsachen erfolge. Vorliegend haben die Antragsgegner aber keine Ermessens- oder Beurteilungserwägungen nachgeschoben, sondern ihre vorgenommene Dokumentation mehrfach bestätigt und diese vorhandene Dokumentation allenfalls ausführlicher erläutert. Sämtliche, hier relevante, Erwägungen sind im Vergabevermerk enthalten. Die Änderung der Vergabeunterlagen mit den Bieterinformationen Nr.8 und Nr.11 war hingegen auch im laufenden Nachprüfungsverfahren möglich.
Maßgeblich für die Entscheidung der Antragsgegner für die Festlegung des Abzugsbetrages F in der entsprechenden Höhe waren die Erwägungen, dass Fahrzeuge, die die Anforderungen der TSI LOC & PAS (Verordnung Nr. 1302/2014/EU) erfüllen, eine deutliche Erhöhung der Sicherheit der Fahrgäste und des Triebfahrzeugführers bieten würden, der Wert der Mehrqualität und die Zahlungsbereitschaft der Antragsgegner der Höhe des Abzugsbetrages F entsprechen würden und hierdurch die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs geschaffen werde.
In der mündlichen Verhandlung äußerte die Vergabekammer ihre vorläufige Rechtsauffassung, wonach das – nach eigener Aussage der Antragsgegnerin zu 1 – entscheidende Argument der Antragsgegner der „Sicherheit“ wohl auf einem nicht ausreichend ermittelten Sachverhalt beruhe. Die Vergabekammer war aufgrund der für sie nicht nachvollziehbaren Argumentation der Antragsgegner bezüglich des Absehens von der Festlegung des Abzugsbetrages F im Los 2 aufgrund der unterschiedlichen zulässigen Höchstgeschwindigkeit in den Losen 1 und 2, der Auffassung, dass wesentliche Aspekte wie die Anzahl an unbeschrankten Bahnübergängen und die Eingleisigkeit einer Strecke außen vorgeblieben seien, was die Antragsgegnerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung auch bestätigte. Der Vergleich von Los 1 und Los 2 legte nämlich nahe, dass die Antragsgegner für die Beurteilung, die TSI LOC & PAS als einzuhaltende Anforderung festzulegen, von einer unzutreffenden Bewertung des Aspektes der „Sicherheit“ ausgegangen waren, da die Geschwindigkeit zumindest in der gegenständlichen Größenordnung, keine signifikante Auswirkung auf die Sicherheit der Fahrgäste und des Triebfahrzeugführers haben dürfte.
Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegner nach der mündlichen Verhandlung mit der Bieterinformationen Nr.11 nun auch im Los 2 einen Abzugsbetrag F festgelegt haben, zeigt sich, dass die Antragsgegner (nach wie vor) keine auf die konkreten Streckenabschnitte bezogene Analyse von auf die Sicherheit bezogenen Aspekten wie die Anzahl an unbeschrankten Bahnübergängen und die Eingleisigkeit einer Strecke vorgenommen haben, denn an der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Strecke im Los 2 hat sich nichts geändert. Vielmehr war für die Änderung der Leistungsbeschreibung im Los 2 der Bahnunfall in Aichach am 07.05.2018 für die Antragsgegner ausschlaggebend. Aufgrund des Gleichlaufs in Los 2 ist nunmehr eindeutig, dass die Antragsgegner lediglich ein Mehr an Sicherheit begrüßen und bereit sind, für dieses Mehr an Leistung einen höheren Preis zu zahlen. Dies verdeutlicht, dass es den Antragsgegnern gar nicht darauf ankommt, dass sich die Sicherheit der Fahrzeuge unbedingt erhöhen muss. Ansonsten hätten die Antragsgegner nämlich ausschließlich Fahrzeuge, die die TSI LOC & PAS erfüllen, ausgeschrieben. Dann wäre eine streckenbezogene Sicherheitsanalyse sicher angezeigt gewesen, um nicht „unnötig“ einen höheren Preis für sicherere Fahrzeuge zu zahlen. Damit war eine streckenbezogene Sicherheitsanalyse für das Los 1 gar nicht angezeigt. Die Tatsache, dass Fahrzeuge, die die TSI LOC & PAS erfüllen, einen höheren Sicherheitsstandard aufweisen, ist unbestritten. Von einem insoweit unvollständig oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt kann deshalb keine Rede sein.
Ein weiterer Aspekt der Antragsgegner für die Festsetzung des Abzugsbetrags F lag in der Umsetzung der Vorgaben des § 127 Abs. 4 GWB, denn voraussichtlich nur mit dieser Festsetzung seien die Rahmenbedingungen für einen wirksamen Wettbewerb geschaffen worden. Denn ohne die Möglichkeit, ein Fahrzeug, das die Anforderungen der TSI LOC & PAS erfüllt, anbieten zu können, hätten Bieter, die keinen Zugang zu Gebrauchtfahrzeugen haben, voraussichtlich kein wettbewerbsfähiges Angebot abgeben können. Die Antragstellerin hält dem zwar entgegen, dass in der Leistungsbeschreibung zahlreiche Mindestanforderungen gestellt seien, sodass auch der Antragstellerin als Eigentümerin von Gebrauchtfahrzeugen enorme Umgestaltungs-, Einkaufs- und Aufarbeitungskosten entstehen würden.
Selbst wenn man unterstellt, dass Angebote von Neufahrzeugen, die die Anforderungen der TSI LOC & PAS nicht erfüllen müssen, ebenso wirtschaftlich sind wie Angebote von Gebrauchtfahrzeugen, die die Anforderungen der TSI LOC & PAS nicht erfüllen müssen, so kann auch in diesem Punkt nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegner nicht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sind. Natürlich beruhen die Ausführungen der Antragsgegner auf Erfahrungswerten. Letztendlich ist ihr aber auch bewusst, dass sie nicht mit Sicherheit sagen kann, dass ein Angebot von Neufahrzeugen ohne die Festsetzung des Abzugsbetrages F per se unwirtschaftlich sein wird. Zu Recht benutzen sie deshalb die diese Ungewissheit ausdrückenden Wörter wie „Möglichkeit“ und „voraussichtlich“.
Die Antragsgegner haben die Höhe des Abzugsbetrages F entsprechend dem Wert der Mehrqualität aus ihrer Sicht und ihrer Zahlungsbereitschaft ermittelt und festgelegt. Die Antragstellerin bemängelte die Ermittlung und Festlegung der Höhe in vielerlei Hinsicht, lieferte schließlich aber keine handfesten Argumente. So hätte sie als Kennerin des Marktes beispielsweise vortragen können, welcher Betrag angemessen sei oder welche Preisdifferenz zwischen Fahrzeugen, die die Anforderungen der TSI LOC & PAS erfüllen, und denen, die sie nicht erfüllen, besteht. Hingegen verliert sich die Antragstellerin in pauschalen Behauptungen. Darüber hinaus weichen die Antragsgegner von der externen gutachterlichen Empfehlung sogar ab, indem sie diese leicht unterschreiten und dies mit ihrer begrenzten Zahlungsbereitschaft begründet. Der objektive Wert der Mehrleistung ist damit nicht alleine maßgeblich, sondern auch die subjektive Zahlungsbereitschaft der Antragsgegner. Ebenso ist die Anknüpfung an die Sitzplatzkapazität nachvollziehbar. Auch insoweit ist nicht offensichtlich, dass die Antragsgegner den Sachverhalt unzutreffend oder unvollständig ermittelt hätten.
Dem Vortrag der Antragstellerin, dass die Antragsgegner bei der Festlegung des Abzugsbetrages F ausweislich der Anlage 6 unterschiedliche Ergebnisse, (Folie 3: 7,83 und Folie 5: 8,00) zu Grunde gelegt hätten, ist zu entgegnen, dass die Summe von 7,83 auf Folie 3 ersichtlich falsch ist, da die Summe der unter „Bedeutung“ bewerteten Ziffern 1 bis 6 (10, 10, 7, 7, 7, 7) 48 und diese Zahl durch 6 dividiert 8,00 ergibt.
2.3. Es ist des Weiteren nicht offensichtlich, dass die Antragsgegner sachwidrige Erwägungen angestellt haben um die Antragstellerin gezielt zu benachteiligen. Zweifelsohne wäre es für die Antragstellerin vorteilhafter gewesen, wenn die Antragsgegner darauf verzichtet hätten, einen Abzugsbetrag F zu gewähren. Denn sowohl nach dem Vortrag der Antragstellerin als auch der Antragsgegner existiere in Deutschland kein Gebrauchtfahrzeugmarkt. Sie wäre somit wohl als einzige Bieterin in der Lage gewesen Gebrauchtfahrzeuge anzubieten, während alle anderen Bieter wohl ausschließlich (geleaste) Neufahrzeuge hätten anbieten können. Trotz der enormen Umgestaltungs-, Einkaufs- und Aufarbeitungskosten, die der Antragstellerin ohnehin entstanden wären, um die sonstigen Anforderungen der Leistungsbeschreibung zu erfüllen, hätte sie womöglich einen preislichen Vorteil gehabt.
Öffentliche Auftraggeber sind zwar generell verpflichtet, ihren Bedarf in transparentem Wettbewerb unter Gleichbehandlung der Bieter zu decken (§ 97 Abs. 1, 2 GWB). Es stellt für sich ohne Weiteres aber noch keine vergaberechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung dar, wenn ein Zuschlagskriterium qualitative Gesichtspunkte der Leistungserbringung wie geschehen hervorhebt (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17). Dabei kann ein hoher Einfluss von Qualitätskriterien auf die Zuschlagsentscheidung, wie er im Streitfall zu verzeichnen ist, unter Umständen einzelnen Bietern mehr als anderen entgegenkommen. Dieser Umstand lässt die Verwendung des von den Antragsgegnern aufgestellten qualitativen Zuschlagskriteriums für sich genommen aber noch nicht als vergaberechtswidrig erscheinen.
Unabhängig davon, ob die Absicht, den Wettbewerbsvorteil ausschließlich der Antragstellerin zu nivellieren oder ausschließlich die Antragstellerin zu benachteiligen, also allein eine diskriminierende Gesinnung bei der Festlegung eines Zuschlagskriteriums, wenn dieses ansonsten beurteilungs- und ermessensfehlerfrei aufgestellt wurde, dieses zu Fall bringen könnte, kann der entsprechende Vortrag der Antragstellerin hier nicht zum Erfolg ihres Nachprüfungsantrags führen. Jedenfalls nach der Festlegung eines Abschlagsbetrags F auch im Los 2 kann eine derartige diskriminierende Absicht durch die Antragsgegner nicht offensichtlich als gegeben angesehen werden.
Im Übrigen stellt sich die Frage, ob eine Vorgabe des öffentlichen Auftraggebers, die dieser allein deshalb weglässt oder aufstellt – worin de facto kein Unterschied besteht –, damit der Wettbewerbsvorteil eines (Monopol-)Bieters nivelliert, gleichzeitig aber der Wettbewerb für andere Bieter eröffnet werde, überhaupt gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen kann und es nicht vielmehr zu begrüßen ist, wenn der öffentliche Auftraggeber Vorgaben am Wettbewerbsgrundsatz orientiert dahingehend anlegt, dass ein offener und weiter Wettbewerb ermöglicht wird, der allen nicht nur die generelle Chance auf Teilnahme eröffnet, sondern darüber hinaus auch auf eine erfolgreiche Teilnahme (so: VK Bund, Beschluss vom 24.09.2014, VK 2 – 67/14). Es spricht doch Einiges dafür, dass zumindest soweit die Vorgabe den Wettbewerb fördert, im Allgemeinen kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegen kann. Es ist zwar nicht Aufgabe eines öffentlichen Auftraggebers, bestehende Wettbewerbsunterschiede der Marktteilnehmer auszugleichen oder zu nivellieren (VK Bund, Beschluss vom 24.09.2014, VK 2 – 67/14). Unterschiedliche Schwächen und Stärken von Unternehmen sind gerade Ausdruck von Wettbewerb. Es darf aber bezweifelt werden, dass der öffentliche Auftraggeber bestehende Wettbewerbsvorteile nicht nivellieren darf – und damit denknotwendig einen einzelnen Bieter insoweit benachteiligt –, wenn er hierdurch gleichzeitig den Wettbewerb erweitert. Wenn bestimmte Wettbewerbsvorteile eines Bieters hierdurch nicht zu seinen Gunsten zum Tragen kommen, so ist das nicht automatisch diskriminierend, sondern durch das Bestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt. Schließlich bewirkt jede Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers, dass nur ein bestimmter Kreis an Unternehmen die nachgefragte Leistung anbieten kann. Einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vermag dies aber nicht zu begründen. So ist jede produkt-, verfahrens- und technikspezifische Ausschreibung als solche wettbewerbsfeindlich. Ist die Festlegung des Beschaffungsbedarfs aufgrund sachlicher und auftragsbezogener Gründe diskriminierungsfrei erfolgt, ist eine sich hieraus ergebende wettbewerbsverengende Wirkung hinzunehmen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.09.2016 – 15 Verg 7/16). Wenn aber unter den vorgenannten Voraussetzungen eine Vielzahl von Bietern vom Wettbewerb ausgeschlossen werden können, dann muss das erst recht für den Ausschluss von nur einem Bieter vom Wettbewerb gelten.
Nichts anderes ergibt sich aus den Art.42 Abs. 4 i.V.m. Erwägungsgrund 74 und Art. 32. Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2014/24/EU, nach denen öffentliche Aufträge grundsätzlich so auszuschreiben sind, dass durch die Beteiligung möglichst vieler Unternehmen ein größtmöglicher Wettbewerb eröffnet wird, der keiner „künstlichen“, d.h. willkürlichen und sachlich nicht gerechtfertigten Einschränkung unterliegen darf. Um einen größtmöglichen Wettbewerb zu eröffnen, muss der öffentliche Auftraggeber aber entsprechend offen gestaltete Vorgaben machen. Auch allen Ausnahmetatbeständen ist gemein, dass eine Einschränkung des Wettbewerbs durch öffentliche Auftraggeber nur auf der Grundlage anerkennenswerter sachlicher Gründe zulässig ist, die tatsächlich vorliegen und gegebenenfalls bewiesen werden müssen, willkürfrei sein müssen und tatsächliche oder potentielle Bieter nicht diskriminieren dürfen. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass die möglichst weite Öffnung des Beschaffungsmarkts der öffentlichen Hand für den Wettbewerb das vorrangige vergaberechtliche Ziel darstellt und die Benachteiligung eines einzelnen Bieters in Kauf genommen wird um den Markt für andere weitere, also für mehrere Bieter zu eröffnen oder zu erweitern.
Gleiches gilt für die Festlegung von Zuschlagskriterien.
2.4. Die Antragsgegner haben die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte auch angemessen und vertretbar gewichtet. Auch wenn die Antragsgegner eine Preisformel zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots anwenden und nicht eine Formel in Punkten oder mit Prozentsätzen, so erfolgt auch hier eine Gewichtung der Zuschlagskriterien Q, K und F, indem ihnen ein bestimmter Abzugsbetrag zugewiesen ist. Die Höhe des Abzugsbetrages entspricht der Gewichtung des jeweiligen Zuschlagskriteriums. Die Antragsgegner haben im Los 1 u.a. einen Abzugsbetrag Q in Höhe von maximal 270 Millionen Euro und einen Abzugsbetrag F in Höhe von maximal 85 Millionen € und im Los 2 einen Abzugsbetrag Q in Höhe von maximal 90 Millionen Euro und einen Abzugsbetrag F in Höhe von maximal 8,5 Millionen € vorgesehen. Der Abzugsbetrag F beträgt im Los 1 maximal 458 € pro Sitzplatz pro Jahr und ca. 1 € je Zugkilometer pro Jahr und im Los 2.197,85 € pro Sitzplatz pro Jahr und 0,30 € pro Zugkilometer pro Jahr. Die Bemessung anhand der Sitzplatzanzahl berücksichtige nach Ansicht der Antragsgegner ihr Interesse, den Fahrgästen eine möglichst hohe Anzahl an Sitzplätzen in Fahrzeugen zur Verfügung zu stellen, die die Anforderungen an die TSI LOC & PAS erfüllen. Die Antragsgegner begründen die unterschiedliche Höhe des Abzugsbetrages in den beiden Losen mit einer geringereren Zahlungsbereitschaft im Los 2 für entsprechende Mehrqualitäten in Form eines höheren Sicherheitsniveaus. Diese unterschiedliche Zahlungsbereitschaft beruhe auf einem deutlichen Unterschied der Leistungsvolumina der Lose, denn im Los 2 werde eine Nachfrage in Personenkilometern und ein Leistungsvolumen in Zugkilometern erwartet, die etwa 15% bzw. 45% der im Los 1 erwarteten Leistung ausmache. Dem Los 2 komme damit eine deutlich geringere verkehrliche Bedeutung zu als dem Los 1.
Damit haben die Antragsgegner die streitgegenständlichen Abzugsbeträge F in den Losen 1 und 2 zumindest vertretbar gewichtet, denn sie haben nicht an sachfremden, sondern vielmehr auftragsbezogenen Aspekten, wie den konkreten Personenkilometern und Zugkilometern, angeknüpft. Es mag andere Aspekte, wie z.B. die Eintrittswahrscheinlichkeit von Unfällen, für die Ermittlung geben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Vorgehensweise der Antragsgegner unvertretbar war. Aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für die Festlegung der Höhe des Abzugsbetrag und damit der Gewichtung dieses Kriteriums kann es folglich auch nicht den einen richtigen Abzugsbetrag geben. Hätten die Antragsgegner keine Preisformel, sondern eine Formel mit (Leistungs-)Punkten für die Wertung festgelegt, so wäre es erst recht nicht möglich gewesen, einem Kriterium den einen richtigen Punktwert zuzuordnen. Der Abzugsbetrag muss auch nicht im objektiven Wert der Mehrleistung bestehen, sondern kann auch darunter liegen, wenn der öffentliche Auftraggeber nicht bereit ist, hierfür den entsprechenden Preis zu zahlen. In diesem Fall muss er allerdings damit rechnen, dass vielleicht kein Angebot abgegeben wird, das diese Mehrleistung zum Gegenstand hat. Dies zu beurteilen ist aber Sache des öffentlichen Auftraggebers. Angesichts des Vortrags der Antragstellerin, dass die Verteilung der finanziellen Mittel auf die Lose willkürlich erfolgt sei, stellt sich allerdings die Frage, wie eine aus ihrer Sicht „richtige“ Verteilung auf die beiden Lose hätte erfolgen müssen. Denn je nachdem ob die Antragsgegner auf die Personenkilometer, die Zugkilometer, die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unfalles, den objektiven Wert der Mehrleistung und/oder das Budget in ihre Entscheidung einbeziehen, ergibt sich ein anderer Betrag. Dabei müssen die Antragsgegner aus Sicht der Vergabekammer auch nicht sämtliche in Betracht kommenden Aspekte berücksichtigen. Sie sind auch nicht gehalten ein Gutachten als Entscheidungsgrundlage zu erstellen. Vielmehr genügt es, wenn wesentliche Aspekte bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Zu diesen wesentlichen Aspekten gehören bezogen auf die Gewichtung eines Zuschlagskriteriums allgemein gesprochen Aspekte, die einerseits die Kosten, andererseits den Nutzen wiederspiegeln. Bezogen auf den streitgegenständlichen Abzugsbetrag F heißt das, dass wesentliche Aspekte der Nutzen von Fahrzeugen, die die TSI LOC & PAS erfüllen, mithin die erhöhte Sicherheit von Fahrgästen und Triebfahrzeugführern und deren Kosten sind. Diese spiegeln sich zweifelsohne in den Aspekten Personenkilometer, Zugkilometer und der Zahlungsbereitschaft wieder. Wenn die Antragsgegner bezüglich der Höhe des Abzugsbetrages F in den Losen 1 und 2 also lediglich diese Aspekte berücksichtigen, so haben sie zumindest die wesentlichen Aspekte berücksichtigt. Dies gilt nicht nur für die konkrete Höhe der Abzugsbetrages F in den Losen 1 und 2, sondern auch für die unterschiedlichen Beträge, da die Lose 1 und 2 unterschiedliche Leistungen zum Gegenstand haben, können die Abzugsbeträge schon gar nicht identisch sein, aber auch nicht in einem festen Verhältnis zueinander stehen. Im Übrigen zeigt der Vergleich der Zuschlagskriterien Q und F der Lose 1 und 2, dass das Verhältnis des Zuschlagskriteriums Q von Los 1 zu Los 2 durchaus dem Verhältnis des Zuschlagskriteriums F bezogen auf den Abzugsbetrag pro Sitzplatz oder je Zugkilometer pro Jahr ähnelt:
Los 1
Los 2
Verhältnis Los 1 : Los 2
Abzugsbetrag Q in Mio. Euro
270 “
90
120 (hochgerechnet auf eine 12-jährige Vertragslaufzeit)
3
2,25
Abzugsbetrag pro Sitzplatz pro Jahr in Euro
458
198
2,31
Abzugsbetrag je Zugkilometer pro Jahr in Euro
1
0,30
3,33
2.5. Der zu beachtende gesetzliche Rahmen ergibt sich aus zwingenden vergaberechtlichen Vorgaben, den vergaberechtlichen Prinzipien sowie aus dem Zweck, dem die Festlegung von Wertungskriterien dient, (siehe nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. März 2010, VII-Verg 48/09 m.w.Nachw.). Soll der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot ergehen, unterliegt der Kontrolle nicht nur die Beachtung des Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatzes durch den Auftraggeber, sondern auch, ob die Kriterien dem mit ihrer Bestimmung verfolgten Zweck, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, zuwiderlaufen, (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 3. März 2010, VII-Verg 48/09, OLG Düsseldorf, Beschluss v. 7. Mai 2005, VII-Verg 16/05). Das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ bemisst sich danach, was der einzelne öffentliche Auftraggeber für die wirtschaftlich beste Lösung unter den Angeboten hält (RL 2014/24/EU, Erwägungsgrund 89). Grundsätzlich steht dem öffentlichen Auftraggeber bei der Festlegung von Zuschlagskriterien ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser findet seine Begrenzung in den allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und Transparenz (BT-Drs. 367/15, § 127 GWB, zu Absatz 4). Daher stellen bei der Festlegung der Zuschlagskriterien die Vorgaben nach § 127 Abs. 1 S.3, S.4, Abs. 3 S.1, Abs. 4 S.1 GWB den zu beachtenden gesetzlichen Rahmen dar.
Ungeachtet dessen ist aber im Ausgangspunkt festzustellen, dass es grundsätzlich in der Autonomie eines Auftraggebers liegt, mit dem Aufstellen von Vorgaben oder Wertungskriterien oder mit dem Unterlassen der Aufstellung von Vorgaben zu definieren, was dem Auftraggeber wichtig ist und wo er Prioritäten setzt (VK Bund, Beschluss vom 24.09.2014, VK 2 – 67/14).
Nach § 127 Absatz 1 Satz 3 GWB stellt die „Wirtschaftlichkeit“ des Angebots den Maßstab für die Angebotswertung dar. Ausgefüllt wird der Begriff durch das Konzept des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses: Der Angebotspreis oder die Kosten müssen ins Verhältnis gesetzt werden zur Leistung, die im Rahmen des öffentlichen Auftrages erbracht werden soll. Bei der Leistungsbewertung können auch zusätzliche Kriterien wie etwa qualitative, umweltbezogene, innovative oder soziale Aspekte Berücksichtigung finden. Die Aufzählung der Zuschlagskriterien in § 127 Absatz 1 Satz 4 GWB ist nicht abschließend. Die Auswahl der Kriterien, auf die der öffentliche Auftraggeber für die Erteilung des Zuschlags abzustellen beabsichtigt, bleibt dessen freiem Ermessen überlassen, sofern Sonderregelungen nicht die Vorgabe bestimmter Kriterien zwingend vorschreiben.
Die von den Antragsgegnern festgelegte Abzugsbetrag F im Los 1 läuft dem mit der Preisformel verfolgten Zweck, der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots, nicht zuwider. Vielmehr handelt es sich bei dem Abzugsbetrag F um ein qualitatives Zuschlagskriterium. Dass Fahrzeuge, die die neuen Crash-Normen (Sicherheit) und erhöhte Brandschutzanforderungen aus der aktuellen TSI LOC & PAS (Verordnung Nr. 1302/2014/EU) erfüllen, qualitativ hochwertiger sind, liegt auf der Hand.
Nach § 127 Abs. 1 S.3 GWB ist für die Vorgabe eines Zuschlagskriteriums stets Voraussetzung, dass dieses mit dem Auftragsgegenstand sachlich in Verbindung steht. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass ein weniger wirtschaftliches Angebot aus sachfremden Erwägungen den Zuschlag erhält. Der in § 97 Abs. 1 GWB normierte Wettbewerbsgrundsatz würde dann verletzt. Die Erfüllung der Anforderungen der TSI LOC & PAS stehen zweifelsohne mit dem Auftragsgegenstand sachlich in Verbindung.
Nach § 127 Abs. 4 S.1 GWB sind die Zuschlagskriterien so zu gestalten, dass dem Auftraggeber bei der Zuschlagserteilung keine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit eingeräumt wird. Die Kriterien müssen vielmehr so vorgegeben werden, dass sie einen effektiven Wettbewerb der konkurrierenden Angebote zulassen. Darüber hinaus muss der öffentliche Auftraggeber in der Lage sein, die Erfüllung der von ihm festgelegten Kriterien objektiv zu überprüfen. Diese Vorgaben erfüllt der von den Antragsgegnern festgelegte Abzugsbetrag F im streitgegenständlichen Los 1.
Nach alledem ist kein offensichtlicher Beurteilungsfehler erkennbar, sodass die Antragstellerin auch nicht in ihren Rechten verletzt sein kann.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin. Eine teilweise Erledigung ist nicht eingetreten. Die Änderung der Vergabeunterlagen mit den Bieterinformationen Nr.8 und Nr.11 führte nicht dazu, dass die Antragstellerin ihr Anliegen geändert hätte. Auch nach dieser Änderung hielt die Antragstellerin an ihrem mit dem Nachprüfungsantrag gestellten Antrag, zu entscheiden, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist und geeignete Maßnahmen zu treffen, um […] die Rechtsverletzung zu beseitigen und die Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren nur unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen, fest. In Zusammenschau mit den schriftsätzlichen Ausführungen begehrte die Antragstellerin die Beseitigung des Abschlagsbetrages F im Los 1. Diesem Ziel ist die Antragstellerin weder mit der Bieterinformationen Nr.8 noch Nr.11 näher gekommen. Vielmehr sind durch die Bieterinformationen einzelne Argumente für eine zunächst denkbare Rechtsverletzung der Antragstellerin obsolet geworden, ihr Begehren hat sich dadurch aber nicht erledigt.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Aus Gründen der Billigkeit (keine Beiladung) wird die Höhe der Gebühr auf …,00 € reduziert.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist die Antragsgegnerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Hierüber hinaus war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber der anwaltlich vertretenen Antragstellerin herzustellen.


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