IT- und Medienrecht

Kein Inverkehrbringen durch Lieferung von Produktionsstätte zum Vertriebslager

Aktenzeichen  29 U 673/19

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
MarkenG §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, § 24, § 19 Abs. 4
Art. 9 Abs. 2 lit. a)
ZPO § 301, § 308

 

Leitsatz

1. Der Erlass eines Teilurteils ist zulässig, weil weder die ausgeurteilte Feststellung der Schadensersatzpflicht Bedenken begegnet, noch im Rahmen einer Stufenklage eine beachtliche Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bestand. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verurteilung zur Auskunftserteilung ist unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Vorrangs des Aufdeckungs- und Verfolgungsinteresses nicht unverhältnismäßig, wenn die Lieferungen im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung ein geringes Volumen haben und ein geringes Verschulden vorliegt. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Allein durch eine Warenbewegung von einer außerhalb der EU liegenden Produktionsstätte zu einem inländischen Vertriebslager erfolgt in der Regel noch kein Inverkehrbringen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 HK O 2397/17 2019-01-18 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 18.01.2019, Az. 1 HK O 2397/17, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts München I vom 18.01.2019 sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 75.000,00, hinsichtlich Ziffer 3. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 2.100,00 sowie im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe bzw. in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 69.600,00, derjenige für das Verfahren in erster Instanz wird unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts München I vom 18.01.2019 auf € 100.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um behauptete Kennzeichenrechtsverletzungen.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Wolle und Garne samt Zubehör sowie Häkel- und Strickanleitungen unter anderem über das Internet anbietet.
Die Beklagte importiert Wolle und Garne als Logistikunternehmen, verkauft diese Waren aber auch selbst an Großhändler, gewerbliche Abnehmer und teilweise an Endkunden.
Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „m. “, die unter dem Aktenzeichen DE302013001640 am 11.03.2013 beim DPMA angemeldet und am 22.05.2013 unter anderem für Waren der Klasse 23 „Garne und Fäden für textile Zwecke“ eingetragen wurde (Anlage K 1).
Die Klägerin ist ferner Inhaberin der Unionswortmarke „m. “ mit der Nummer 011643591, die am 11.03.2013 angemeldet und am 22.07.2013 eingetragen wurde, unter anderem für Waren der Klasse 23 „Garne und Fäden für textile Zwecke“ (Anlage K 2).
Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr T. J., ist Inhaber der nachfolgend abgebildeten deutschen Wort-/Bildmarke DE302010054741, angemeldet am 16.09.2010 und eingetragen am 20.10.2010 für die Klasse 24 „Webstoffe und Textilwaren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten“, für die Klasse 25 „Kleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ sowie für die Klasse 28 (Anlage K 18):
Der Geschäftsführer der Klägerin ist darüber hinaus Inhaber der nachfolgend abgebildeten Unionsmarke mit der Nummer 010893238, die als Wort-/Bildmarke in Farbe am 18.05.2012 angemeldet und am 08.10.2012 unter anderem für die Klasse 23 „Garne und Fäden für textile Zwecke“ eingetragen wurde (Anlage K 19):
Der Klägerin wurden in Hinblick auf die Wort-/Bildmarken ihres Geschäftsführers sämtliche Nutzungs- und Verwertungsrechte eingeräumt. Hiervon umfasst war auch die Geltendmachung von Ansprüchen im Falle einer Rechtsverletzung durch die Klägerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gemäß einer Nutzungsvereinbarung vom 10.09.2012 (Anlage K 16) hinsichtlich der deutschen Wort-/Bildmarke sowie gemäß einer Nutzungsvereinbarung vom 10.10.2015 (Anlage K 17) im Hinblick auf die Unions-Wort-/Bildmarke.
Streitgegenständlich waren ursprünglich Veräußerungsvorgänge an eine Kundin namens S. sowie an ein Unternehmen der L. Gruppe. Mit Schriftsatz vom 09.05.2017 (Bl. 37 d.A.) erweiterte die Klägerin ihre Klage um Veräußerungsvorgänge an ein polnisches Unternehmen namens J. Schließlich erweiterte sie die Klage nochmals mit Schriftsatz vom 26.10.2018 (Bl. 125 d.A.) um Veräußerungen über den Onlineshop der Beklagten. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche – wie sie nunmehr im Termin vom 16.01.2020 klargestellt hat – hinsichtlich der Veräußerungsvorgänge S., L. und Onlineshop jeweils kumulativ auf die deutsche Wortmarke, die Unionswortmarke, die deutsche Wort-/Bildmarke und die Unions-Wort-/Bildmarke. Der Vorgang Jola wird kumulativ auf die Unionswortmarke und die Unions-Wort-/Bildmarke gestützt. Aus den Unionsmarken wird kein unionsweiter Anspruch geltend gemacht, sondern nur ein solcher für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland, was auch für den Vorgang Jola gilt.
Zwischen der Klägerin und einer H. C.-W. GbR (nachfolgend: H. GbR) bestand ein Lizenzvertrag gemäß Anlage K 7, der das alleinige Recht der Herstellung und des Vertriebs von „m. “-Garnen durch die H. GbR als Lizenznehmerin vorsah. Gemäß § 2 dieser Vereinbarung war eine Unterlizenzierung der Nutzungsrechte grundsätzlich nicht gestattet, sofern die Unterlizenzierung nicht vom Lizenzgeber schriftlich bestätigt wurde.
Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte bezogen in der Vergangenheit unter anderem Garne aus China und der Türkei über die H. GbR, die diese Waren gegenüber der Klägerin verprovisionieren und in monatliche Provisionsabrechnungen einstellen musste.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei mangels einer entsprechenden Vereinbarung nicht berechtigt gewesen, unter den für die Klägerin geschützten Marken Wolle und Garne zu veräußern oder sonst in den Verkehr zu bringen. Für die streitgegenständlichen Direktverkäufe, die durch die Beklagte erfolgt seien, ohne den regulären Vertriebsweg über die H. GbR einzuhalten, habe es keine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten gegeben.
Dementsprechend seien die Verkäufe an die gewerbliche Kundin S. von 80 Pack „m. multicolor“ sowie mehrerer Tausend Knäuel „m. Nr. 2“ in verschiedenen Farben zum Gesamtpreis von € 4.895,66 gemäß Rechnung vom 24.03.2016 (Anlage K3) als unberechtigt anzusehen. Weiterhin sei der Verkauf geringer Mengen „m. “-Garnen über den Onlineshop der Beklagten in einem Umfang von ca. 75 kg rechtsverletzend gewesen. Unberechtigt sei weiter der Verkauf von „m. Nr. 3“-Garnen an die L. Gruppe im Jahr 2016 ohne Einschaltung der H. GbR gewesen, der Mitte September 2016 120 kg und Mitte November 2016 5,4 t umfasst habe. Gemäß den Anlagen K 4 und K 5 seien diese Garne in den Filialen und im Onlineshop von L. mit Banderolen angeboten worden, auf denen die Wort- und Wort-/Bildmarken gemäß den Klageanträgen abgebildet gewesen sein. Daneben sei auch der Verkauf von 3,5 t Garn „m. Nr. 1“ direkt nach Polen an die Firma J. unberechtigt gewesen.
Die Beklagte ist der Meinung, die Klägerin müsse ihre Ansprüche, insbesondere ihre Auskunftsrechte gegenüber ihrer direkten Vertragspartnerin, der H. GbR, geltend machen. Bei den behaupteten markenverletzenden Lieferungen der Beklagten handle es sich lediglich um spekulative Vermutungen.
Die als rechtsverletzend beanstandeten Lieferungen seien berechtigt gewesen. Bei dem Verkauf an die Kundin S. habe es sich nur um Restbestände eines Garns gehandelt, das bereits vom Markt genommen gewesen sei. Bei den Verkäufen im Onlineshop sei man sich einig gewesen, dass nur geringe Mengen verkauft würden und diese nicht provisioniert werden müssten. Bei den Lieferungen an die L. Gruppe habe es sich um Garne gehandelt, die regulär von der H. GbR bezogen worden sein. Im Hinblick auf die Lieferung nach Polen habe die Klägerin die Beklagte selbst mehrfach darum gebeten, ausländische Kunden zu betreuen und direkt ins Ausland liefern.
Das Landgericht hat der Klage durch Endurteil vom 18.01.2019 (Bl. 149/166 d.A), auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, zum überwiegenden Teil stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung des Veräußerns oder Veräußernlassens von Wollgarnen im geschäftlichen Verkehr verurteilt, soweit diese mit der Wortmarke „m. “ oder der deutschen oder europäischen Wort-/Bildmarke gekennzeichnet sind und eine diesbezügliche Zustimmung der Klägerin hierzu nicht vorliegt. Weiter hat es die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten betreffend dieser Handlungen festgestellt und die Beklagte zur Auskunft über Dauer und Umfang dieser Handlungen, den Namen und die Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie die Menge der verkauften Ware einschließlich erzielter Verkaufspreise verurteilt. Daneben hat es die Beklagte zum Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr von € 1.531,90 nebst Zinsen verpflichtet und die Klage hinsichtlich weitergehender Auskunfts-, Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüche abgewiesen.
Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Teilurteils des Landgerichts München 1 vom 18.01.2019, Az. 1 HK O 2397/17, sowie des Verfahrens die Sache an das Landgericht München I zurückzuverweisen;
hilfsweise:
unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts München 1 vom 18.01.2019, Az. 1 HK O 2397/17, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2020 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet.
I. In der Berufungsinstanz ist das Verfahren nurmehr hinsichtlich der Veräußerungsvorgänge an die Kundin S., an das Unternehmen der L.-Gruppe sowie über den Onlineshop der Beklagten anhängig. Im Hinblick auf die Veräußerungsvorgänge an das polnische Unternehmen J. hat das Landgericht keine Entscheidung getroffen (vgl. Seite 14 des landgerichtlichen Urteils, Bl. 164 d.A., unter Ziffer 1. d)). Da über einen etwaigen Anspruch der Klägerin insoweit bewusst nicht entschieden wurde, war ein Antrag auf Ergänzung des Urteils nach § 321 ZPO nicht statthaft (vgl. Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl., § 321, Rn. 2), so dass die insoweit beschwerte Klägerin allenfalls mit einer Berufung oder Anschlussberufung dagegen hätte vorgehen können. Da eine solche nicht eingelegt wurde, ist das Verfahren hinsichtlich der Veräußerungsvorgänge an J., die aufgrund der nachträglichen Klageerweiterung einen eigenen Streitgegenstand bildeten (vgl. BGH GRUR 2006, 421 Rn. 26 – Markenparfümverkäufe; GRUR 2012, 630 Rn. 17 f. – CONVERSE II; Thiering, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 12. Aufl., § 14, Rn. 623), nicht in die Berufungsinstanz gelangt und folglich rechtskräftig abgeschlossen.
II. Der Klägerin stehen im Übrigen gegen die Beklagte die vom Landgericht zugesprochenen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatzfeststellung sowie Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten aus Art. 9 Abs. 2 lit. a), 17 Abs. 1 UMV; §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5; 19 Abs. 1, Abs. 3; 19 d; 14 Abs. 6 MarkenG; §§ 242, 683 Satz 1, 677, 670 BGB zu.
1. Der Erlass eines Teilurteils nach § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO war zulässig, weil weder die ausgeurteilte Feststellung der Schadensersatzpflicht Bedenken begegnete, noch im Rahmen einer Stufenklage eine beachtliche Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bestand.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Entscheidungsform des Teilurteils nach § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht deswegen unzulässig, weil bei der Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten ein Mitverschulden der Klägerin hätte Berücksichtigung finden müssen. Das Landgericht hat nur deshalb durch Teilurteil entschieden, weil die Klägerin im Hinblick auf den Auskunftsanspruch eine Stufenklage erhoben hatte, mit der Möglichkeit auf zweiter Stufe einen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der beauskunfteten Angaben geltend zu machen (vgl. Seite 7 des landgerichtlichen Urteils, Anträge III. und IV.). Mit dem Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (Antrag II.) hat der Erlass eines Teilurteils folglich nichts zu tun.
Im Übrigen kann sich eine Unzulässigkeit des Teilurteils auch nicht aus einer vermeintlich fehlenden Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils bei der Schadensersatzfeststellung ergeben, weil die Beklagte den Mitverschuldenseinwand in erster Instanz gar nicht erhoben hatte. Soweit die Beklagte im Termin vom 16.01.2020 gerügt hat, das Mitverschulden der Klägerin hätte von Amts wegen berücksichtigt werden müssen, so ist daran zwar zutreffend, dass es sich um eine Einwendung, keine Einrede handelt (BGH NJW 2016, 497 Rn. 36). Indes hatte der Sachvortrag der Beklagten in erster Instanz betreffend die Vorgänge S., L. und Onlineshop keinerlei Bezug zu einer Mitverursachung etwaiger Schäden durch die Klägerin, da sich die Beklagte vielmehr nur auf den Standpunkt gestellt hat, diese seien im ordnungsgemäßen Geschäftsgang mit Wissen der Klägerin bzw. der H. erfolgt.
b) Das hiesige Teilurteil ist – worauf der Senat bereits im Beschluss vom 06.05.2019 (Bl. 226 f. d.A.) hingewiesen hat – auch nicht aufgrund der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen unzulässig.
Zwar darf ein Teilurteil auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands in der Regel nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist; eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2018, 623 Rn. 7 m.w.N.).
Allerdings wird im Rahmen einer Stufenklage die – an sich zur Unzulässigkeit eines Teilurteils führende – Gefahr widersprechender Entscheidungen über die auf den einzelnen Stufen einer solchen Klage geltend gemachten Ansprüche hingenommen (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2017, 156 Rn. 13 m.w.N.). Werden mit der Stufenklage weitere, von der Auskunftserteilung unabhängige Anträge – etwa auf Feststellung der Schadensersatzpflicht oder auf Unterlassung – verfolgt, so ist über diese und den Auskunftsantrag gemeinsam zu entscheiden (vgl. BGH BeckRS 2017, 101997 Rn. 29 – Flughafen Lübeck; GRUR 2000, 226, 227 – Planungsmappe; Bacher in BeckOK ZPO, 34. Edition – Stand 01.09.2019, § 254, Rn. 16.1), denn deren Entscheidungsreife hängt nicht von der noch zu erteilenden Auskunft ab.
2. Das Landgericht hat mit dem Unterlassungstenor gemäß Ziffer 1. auch nicht entgegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO etwas zugesprochen, was nicht beantragt war.
a) Ein Überschreiten des Antragsumfangs scheidet schon deshalb aus, weil der Unterlassungstenor in Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils mit dem gestellten Antrag gemäß Ziffer I. weitgehend identisch ist und das Landgericht lediglich die Passage „mit der Wortmarke „m. “ (DE 3020130016408) oder „m. “ (EM 011643591)“ vereinfachend als „mit der Wortmarke „m. ““ zusammengefasst hat.
b) Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergibt sich auch nicht daraus, dass in den Unterlassungstenor keine Einschränkung im Hinblick auf nach § 24 Abs. 1 MarkenG erschöpfte Markenware aufgenommen worden ist.
Zwar darf ein Verbotsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind und letztlich dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2016, 702 Rn. 14 – Eligard; GRUR 2016, 705 Rn. 11 – ConText; GRUR 2016, 1076 Rn. 11 – LGA tested). Zur Auslegung eines Unterlassungsantrags und des ihm folgenden Urteilstenors ist jedoch nicht allein auf den Wortlaut abzustellen, sondern es sind ergänzend der zur Begründung gehaltene Klagevortrag und die Entscheidungsgründe des Urteils heranzuziehen (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2014, 1211 Rn. 16 – Runes of Magic II; GRUR 2015, 485 Rn. 23 – Kinderhochstühle im Internet III; GRUR 2016, 395 Rn. 18 – Smartphone-Werbung; GRUR 2016, 1076 Rn. 14 – LGA tested).
Wie die Beklagte selbst zutreffend in ihrem „Antrag auf Berichtigung des Tenors und hilfsweise einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“ vom 15.02.2019 (dort Seite 3, Bl. 175 d.A.) ausgeführt hat, lässt sich aus Seite 14 der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils entnehmen, dass sich das Unterlassungsgebot nur auf Waren bezieht, die nicht von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Demensprechend lässt sich der Unterlassungstenor mit Hilfe der Unterlassungsgründe dahingehend auslegen, dass nach § 24 Abs. 1 MarkenG erschöpfte Ware davon nicht erfasst wird. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot und naturgemäß auch gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO scheidet folglich aus.
3. Soweit die Beklagte rügt, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich der Markenrechtsinhaber im Rahmen der Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG das Verhalten seines Lizenznehmers, hier der H. GbR, zurechnen lassen müsse und dass es auf die unterlassene Entrichtung geschuldeter Provisionen oder das Verbot der Unterlizenzierung nicht ankomme, greift diese Berufungsrüge ebenfalls nicht durch.
Das Landgericht hat im Hinblick auf die Verkaufsvorgänge „S,“ und „Onlineshop der Beklagten“ darauf abgestellt, dass sie ohne Einschaltung des Lizenznehmers H. GbR erfolgt seien und die Beklagte eine Zustimmung der Klägerin selbst nicht habe nachweisen können. Diesbezüglich ist die Berufungsrüge, dass sich die Klägerin das Verhalten der H, GbR zurechnen lassen müsse, bereits unverständlich, da das Landgericht gar nicht von deren Beteiligung ausgeht und auch die Berufungsbegründung offen lässt, welches Verhalten der H, GbR sie sich diesbezüglich zurechnen lassen müsse. Wenn die H, GbR nicht an den Vorgängen beteiligt war, erschließt sich nicht, warum von ihr eine Zustimmung erfolgt sein soll, die zur Erschöpfung der konkreten Ware nach § 24 Abs. 1 MarkenG geführt hat. Ebenfalls unverständlich ist insoweit, dass die Beklagte im Hinblick auf den Vorgang „Onlineshop der Beklagten“ den Aussagen der beiden Gesellschafter der H. GbR, den Zeugen W. und H., eine Zustimmung – offenbar im Sinne von § 24 Abs. 1 MarkenG – entnehmen will, zumal die Zeugen wie auf Seite 13 der Ersturteils wiedergegeben ausgesagt haben, dass sie nicht wüssten, woher die Ware in dem Onlineshop stamme bzw. was die Beklagte über ihren Onlineshop verkauft habe. Anders als die Beklagte meint, hat das Landgericht auch nicht maßgeblich auf die Frage der Provisionierung, sondern auf die Frage der Beteiligung der Lizenznehmerin oder die direkte Zustimmung der Klägerin zu den Verkaufsvorgängen abgestellt und die schriftsätzlich diskutierte Provisionierung eher unter Plausibilitätsgesichtspunkten diskutiert.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Verurteilung zur Auskunftserteilung auch nicht unverhältnismäßig im Sinne von § 19 Abs. 4 MarkenG.
Die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach § 19 Abs. 4 MarkenG erfordert eine umfassende Güter- und Interessenabwägung, die eine Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände einer konkreten Fallkonstellation notwendig macht. Bei der Güter- und Interessenabwägung sind das Informationsinteresse des Verletzten einerseits und das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers andererseits gegeneinander abzuwägen. Der Verletzte hat ein Interesse an der Ermittlung weiterer Verletzer und der Verfolgung weiterer Kennzeichenrechtsverletzungen. Der nach § 19 Abs. 1 MarkenG auskunftspflichtige Verletzer hat ein Interesse an der Geheimhaltung seiner Bezugs- und Absatzwege. Bei der Interessenabwägung ist von dem grundsätzlichen Vorrang auszugehen, den Richtliniengeber und Gesetzgeber dem Interesse an einer Aufdeckung und Verfolgung von Markenverletzungen eingeräumt haben (Fezer, MarkenR, 4. Aufl., MarkenG § 19, Rn. 43 ff.).
Berücksichtigt man diesen grundsätzlichen Vorrang des Aufdeckungs- und Verfolgungsinteresses, vermögen die Argumente in der Berufungsbegründung, wonach die Lieferungen aufgrund ihres geringen Volumens im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung eine „Lappalie“ gewesen seien und ein geringes Verschulden der Beklagten vorgelegen habe, die Interessenabwägung nicht entscheidend zugunsten der Beklagten zu beeinflussen. Der vermeintlich geringe Umfang der Lieferungen hat auch eine verhältnismäßig geringe Mühewaltung bei der Beklagten im Rahmen der Beauskunftung zur Folge. Der Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 1 MarkenG ist zudem verschuldensunabhängig ausgestaltet.
5. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift, ist zu beachten, dass das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen gebunden ist, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage einer Beweisaufnahme getroffen worden sind. Im Rahmen der Beweiswürdigung kann die Bindung entfallen, sofern diese unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 2003, 3480, 3481; NJW-RR 2014, 760, 761 Rn. 12; NJW-RR 2017, 219, Rn. 10; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 529 ZPO, Rn. 7 f.). Konkrete Widersprüche oder Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze zeigt die Berufungsbegründung indes nicht auf, sondern setzt lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Erstgerichts.
6. Soweit die Beklagte nunmehr auf den Seiten 17 f. der Berufungsbegründung (Bl. 217 f.) eine E-Mail der H. GbR vom 22.04.2019 (Anlage K 1) vorlegt, aus der sich ergeben soll, dass auch die Verkaufsvorgänge an L. mit deren Zustimmung erfolgt seien, und hierzu die Vernehmung des Zeugen P. S. anbietet, handelt sich bei dem enthaltenen Beweisangebot um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne von §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, das nicht zuzulassen ist. Die zugrundeliegenden Tatsachen sind weder unstreitig, noch ist vorgetragen oder ersichtlich, warum das Beweismittel ohne Nachlässigkeit nicht im ersten Rechtszug hätte vorgebracht werden können.
In ihrer Klageerwiderung vom 20.03.2017 hat die Beklagte auf Seite 5 (Bl. 18 d.A.) ausgeführt, dass die Firma L. Wolle bei der Beklagten gekauft habe, welche diese zuvor bei der H. gekauft hatte, und hat hierzu die Anlagen B1 und B2 vorgelegt. Diesen Vortrag hat der informell angehörte kaufmännische Leiter der Beklagten P. S. im Termin vom 16.01.2020 (Bl. 234 d.A.) für die Partei vertieft. Bereits auf Seite 3 der Replik vom 20.04.2017 (Bl. 25 d.A.) hatte die Klägerin diesen Vortrag aber zulässigerweise nach § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestritten, da Vorgänge zwischen der Beklagten und H. nicht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind („Ob es sich hier ebenfalls um unzulässigerweise von der Beklagten selbst in Verkehr gebrachte Markenware gehandelt hat, oder die Beklagte die entsprechende Ware von der Firma H. C.-W. GbR zuvor bezogen hat, entzieht sich nach wie vor der Kenntnis der Klägerin.“).
Da die H. nach dem Lizenzvertrag mit der Klägerin gemäß Anlage K7 nicht zur Unterlizenzierung berechtigt war, konnte es auf eine Zustimmung der H. zu einer Veräußerung der Wolle durch die Beklagte an L. nur im Rahmen von § 24 Abs. 1 MarkenG ankommen. Allein durch die Warenbewegung von einer außerhalb der EU liegenden Produktionsstätte zu einem inländischen Vertriebslager erfolgt in der Regel noch kein Inverkehrbringen, da der Markeninhaber hierdurch noch nicht die Möglichkeit verliert, den weiteren Vertrieb der Markenware innerhalb der EU oder des EWR zu kontrollieren (BGH GRUR 2011, 820 Rn. 17 – Kuchenbesteck-Set). Maßgeblich könnte daher nur ein Inverkehrbringen durch die Veräußerung an L. gewesen sein. Für die entsprechende Zustimmung der H. als Lizenznehmerin der Klägerin zu diesem erstmaligen Inverkehrbringen einer Ware in der EU oder im EWR war die Beklagte beweisbelastet, da es sich um eine Einwendung gegen Ansprüche des Markeninhabers handelt (vgl. BGH GRUR 2004, 156, 157 – stüssy II; GRUR 2015, 1248 Rn. 26 – Tonerkartuschen).
Ein Beweisangebot in erster Instanz ist die Beklagte insoweit schuldig geblieben. Weder beim erstmaligen Sachvortrag hierzu in der Klageerwiderung vom 20.03.2017 (Seite 5, Bl. 18 d.A.), noch auf den Seiten 5 bis 7 des Schriftsatzes vom 05.05.2017 (Bl. 32/34 d.A.), wo ebenfalls die Lieferbeziehung zu L. diskutiert wird, ist ein entsprechendes Beweisangebot in erster Instanz erfolgt. Es ist weder ersichtlich noch seitens der Beklagten dargetan, warum das nunmehrige Beweisangebot auf Seite 18 der Berufungsbegründung (Bl. 218 d.A.) ohne Nachlässigkeit nicht schon in erster Instanz hätte erfolgen können.
Soweit die Beklagte nunmehr auf den Seiten 17 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 217 ff. d.A.) eine Zustimmung auch zu den Verkaufsvorgängen an die Kundin S. begründen möchte, ist auf das oben unter den Ziffern 3. und 5. Gesagte zu verweisen. Das Landgericht ist insoweit durch eine nicht zu beanstandende Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, dass die Lieferung der m.-Wolle Nr. 2 ohne Einbindung der vernommenen Zeugen und ohne Vereinbarung bzw. Zustimmung der H. erfolgt sei.
7. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
8. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat aufgrund ihres Einzelfallcharakters keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.
9. Bei der Festsetzung des Streitwerts war zu berücksichtigen, dass der Vorgang J. in der Berufungsinstanz nicht mehr streitgegenständlich war.
Den Auskunftsantrag im Berufungsrechtszug hat der Senat nach der von der Beklagten mit 100 Stunden angegebenen Mühewaltung und dem Stundensatz für eigene Mitarbeiter von € 21,00 gemäß § 22 JVEG (BGH GRUR-RR 2017, 185 Rn. 14 – Derrick) bemessen, so dass sich € 2.100,00 ergeben. Die übrigen Anträge sind nach Abzug eines Anteils von 10% aus € 75.000,00 für die Auskunft bzgl. drei Streitgegenständen in erster Instanz von € 7.500,00 mit € 67.500,00 zu bemessen, so dass sich für die Berufungsinstanz ein Gesamtstreitwert von € 69.600,00 errechnet.
Das Interesse für alle vier in erster Instanz geltend gemachten Streitgegenstände (S., L., Onlineshop, J.) hat die Klägerin im Termin vom 16.01.2020 selbst nachvollziehbar mit € 100.000,00 angegeben, wogegen die Beklagte keine Einwände erhoben hat.


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