IT- und Medienrecht

Nichtannahmebeschluss: Berücksichtigung der Überschreitung von Arzneimittelfestpreisen bei der Ausschreibung von Rabattverträgen gem § 130a Abs 8 SGB 5 verletzt an Ausschreibung teilnehmendes pharmazeutisches Unternehmen nicht in Grundrechten – bereits kein Eingriff in Berufsfreiheit – mangels Willkür zudem keine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG

Aktenzeichen  1 BvR 261/10

Datum:
1.11.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20101101.1bvr026110
Normen:
Art 12 Abs 1 GG
Art 3 Abs 1 GG
§ 130a Abs 8 SGB 5
§ 31 Abs 2 S 2 SGB 5
§ 31 Abs 2 S 3 SGB 5
Spruchkörper:
1. Senat 2. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 8. Oktober 2009, Az: L 21 KR 44/09 SFB, Beschluss

Gründe

I.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Ausschreibung von Rabattverträgen für Arzneimittel.

2
1. Die Beschwerdeführerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das unter anderem nicht patentgeschützte Arzneimittel (so
genannte Generika) produziert und auf dem deutschen Markt vertreibt.

3
Im Jahr 2008 beteiligte sie sich an einer gemeinsamen Ausschreibung aller Allgemeinen Ortskrankenkassen zum Abschluss von
Rabattverträgen gemäß § 130a Abs. 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) für die Jahre
2009 und 2010. Der zu vergebende Auftrag wurde auf insgesamt 64 Fachlose (Wirkstoffe) aufgeteilt, wobei sich jedes Fachlos
in fünf Teillose (Gebietslose) unterteilte. Nach den Verdingungsunterlagen hatte jeder Bieter pro angebotenem Fachlos und
je Gebietslos einen “Rabatt-ApU” (ApU = Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers) für alle Pharmazentralnummern (PZN)
anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff zu einem bestimmten Stichtag im Sortiment hatte. Je Wirkstoff und Gebietslos
erhielt jeweils ein Bieter den Zuschlag, nämlich derjenige, der das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet hatte. Die Wirtschaftlichkeit
des Angebots wurde anhand von zwei Kriterien ermittelt: Zum einen anhand des Kriteriums “Wirtschaftlichkeit des Rabatt-ApU”,
zum anderen anhand des Ausschlusskriteriums “Ausgleich der Mehrkosten der Überschreitung des zum Zeitpunkt der Bewertung geltenden
Festbetrags für jede der angebotenen PZN durch den absoluten Rabatt”. Im Rahmen des ersten Kriteriums sollte die Höhe der
möglichen Einsparungen pro Gebiets- und Fachlos ermittelt werden. Von entscheidendem Einfluss war dabei die Höhe des “bereinigten
Rabatt-ApU”. Zur Ermittlung dieses “bereinigten Rabatt-ApU” wurden zu dem vom Bieter jeweils angebotenen Rabatt-Abgabepreis
zunächst etwaige festbetragsbedingte Aufzahlungen addiert.

4
Nachdem die Allgemeinen Ortskrankenkassen der Beschwerdeführerin mitgeteilt hatten, dass sie keinen Zuschlag auf ihre Gebote
erhalten sollte, stellte sie einen Vergabenachprüfungsantrag. Sie machte unter anderem geltend, die Allgemeinen Ortskrankenkassen
seien zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Vorgaben des § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V einzig und allein dadurch hätten
umgesetzt werden können, dass der Betrag einer etwaigen festbetragsbedingten Aufzahlung als Summand im Rahmen der Berechnung
des bereinigten Rabatt-ApU berücksichtigt wird. Mit dieser Formel werde den Anbietern von Festbetragsarzneimitteln, die über
dem Festbetrag liegen, von vornherein jede Chance auf den Zuschlag genommen. Die gesetzlichen Vorgaben hätten auch dadurch
umgesetzt werden können, dass der Rabattvertragspartner unmittelbar im Rabattvertrag zur Erstattung der von den Allgemeinen
Ortskrankenkassen zunächst gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB V zu tragenden Mehrkosten verpflichtet wird. Jegliche festbetragsbedingten
Mehrkosten würden auf diese Weise für die Allgemeinen Ortskrankenkassen zu einem durchlaufenden Posten, der letztlich vom
Rabattvertragspartner zu tragen wäre; gleichzeitig würde den Ausschreibungswettbewerb derjenige gewinnen, der tatsächlich
– ungeachtet seiner generellen Preispolitik außerhalb des konkreten Rabattvertragsverhältnisses – den Allgemeinen Ortskrankenkassen
den höchsten Rabatt einräume.

5
Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag zurück. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde. Diese hat
das Landessozialgericht zurückgewiesen und unter anderem ausgeführt, die Berechnungsformel zur Ermittlung des Zuschlagskriteriums
“Wirtschaftlichkeit des Rabatt-ApU” sei nicht vergaberechtswidrig. Die Formel bewirke keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung
oder Diskriminierung von Unternehmen, die ihre Arzneimittel über den jeweils geltenden Festbeträgen anbieten. Die Einführung
des Festbetrags ziele durch Anreizung des Wettbewerbs unter Leistungserbringern letztlich darauf, dass sich Preise auf oder
unter der Höhe des Festbetrags am Markt etablieren. Von diesem gesetzlich angestrebten Regelfall gehe die Berechnungsformel
der Allgemeinen Ortskrankenkassen zur Bewertung der Angebote aus. Die Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Steuerungsinstrument
der Festbeträge beimesse, verdeutlichten ferner die Regelungen des § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V. Dem trage die Berechnungsformel
Rechnung. Die Anknüpfung an die jeweils geltenden Festbeträge für die zu rabattierenden Arzneimittel stelle im Hinblick auf
die Gesetzeslage nicht nur ein sachgerechtes und naheliegendes, sondern wegen § 31 Abs. 2 Satz 3 SGB V auch notwendiges Kriterium
gerade auch für die Angebotswertung dar. Der Gesetzgeber verfolge hier erkennbar das Ziel, zu verhindern, dass im Rahmen von
Verträgen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V erzielte Rabatte durch das Überschreiten von Festbeträgen minimiert oder gar ausgeglichen
würden. Bei dieser Sachlage sei es nur folgerichtig, wenn die Allgemeinen Ortskrankenkassen bestrebt seien, diese gesetzgeberische
Absicht bereits im Rahmen der Angebotswertung zu berücksichtigen. Es habe sich den Allgemeinen Ortskrankenkassen deshalb keineswegs
aufdrängen müssen, zum Zwecke der Wahrung dieser gesetzgeberischen Vorgaben außerhalb des Bewertungsverfahrens durch eine
entsprechende Erstattungsverpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen die Beachtung dieser gesetzgeberischen Absicht zu
gewährleisten. Eine entsprechende Verpflichtung im Rabattvertrag, wie sie der Beschwerdeführerin vorgeschwebt habe, hätte
zudem für die Allgemeinen Ortskrankenkassen einen höheren Verwaltungsaufwand wegen der nachträglich durchzuführenden Erstattung,
eine Vorleistungspflicht verbunden mit einem Zinsverlust und außerdem ein erweitertes Insolvenzrisiko bedeutet.

6
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs.
1 und Art. 12 Abs. 1 GG durch den Beschluss des Landessozialgerichts.

7
a) Ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit, hilfsweise ihre durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche
Dispositionsfreiheit, werde verletzt, weil die Wertungssystematik der Allgemeinen Ortskrankenkassen ihre Preisbildungsfreiheit
in unverhältnismäßiger Weise beschränke. Die angegriffene Wertungssystematik habe direkten Einfluss auf die Entscheidung eines
pharmazeutischen Unternehmers, zu welchem generellen Preis er sein Arzneimittel anbiete. Denn wolle er nicht faktisch von
derartigen Ausschreibungen ausgeschlossen werden, reiche es nicht aus, den Krankenkassen im Rahmen von Rabattausschreibungen
festbetragsgebundene Arzneimittel zu einem besonders günstigen (rabattierten) Preis anzubieten. Vielmehr werde er gezwungen,
den unabhängig von einer konkreten Rabattausschreibung geltenden Normalpreis so festzusetzen, dass keine Festbetragsüberschreitung
entstehe. Zur Ermittlung des preisgünstigsten Angebots sei diese Wertungssystematik ungeeignet. Sie ziele nicht primär darauf
ab, den günstigsten Rabatt-Abgabepreis zu erzielen; vielmehr gehe es um eine Preissteuerung außerhalb des konkreten Rabattausschreibungsverfahrens.

8
Der vorliegende Eingriff sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, weil er nicht erforderlich sei, um den angestrebten
Zweck, nämlich den Ausgleich der durch Überschreitung des Festbetrags entstehenden Mehrkosten, zu erreichen. Aus § 31 Abs.
2 Satz 2 und 3 SGB V ergebe sich nicht, dass der Mehrkostenausgleich zwingend im Rahmen der Wertungssystematik zu berücksichtigen
sei. Das angestrebte Ziel lasse sich gleichermaßen durch eine vertragliche Ausgleichsverpflichtung erreichen. Eine solche
Vorgehensweise werde tatsächlich von anderen Krankenkassen gewählt. Entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts wäre sie
auch gleich geeignet wie die beanstandete Wertungssystematik. Es entstehe weder ein höherer Verwaltungsaufwand noch eine Vorleistungspflicht
verbunden mit einem Zinsverlust; sie habe auch nicht ein erweitertes Insolvenzrisiko zur Folge. Die Abrechnung der Rabattverträge
erfolge ohnehin im Wege einer nachträglichen Erstattung des Rabatts durch die pharmazeutischen Unternehmen an die Krankenkassen.
Der Ausgleich der von der Krankenkasse zu zahlenden Mehrkosten durch den Auftragnehmer wäre im Rahmen dieses Abrechnungssystems
lediglich ein zusätzlicher Posten. Mit einer vertraglichen Ausgleichsverpflichtung wäre auch keine Vorleistungspflicht verbunden,
die über das hinausgehen würde, was auch ohne eine solche vertragliche Regelung zu den Pflichten der Krankenkasse gehören
würde. Wegen des angesprochenen Insolvenzrisikos verweist die Beschwerdeführerin auf die Eignungsprüfung im Rahmen des Vergabeverfahrens;
dort sei die finanzielle Leistungskraft der Unternehmen bereits Gegenstand.

9
b) Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil durch die beanstandete Wertungssystematik Angebote für Arzneimittel, deren Preis über
dem Festbetrag liege, anders behandelt würden als Angebote für Arzneimittel, deren Preis den Festbetrag nicht überschreite.
Dafür liege kein hinreichender sachlicher Grund vor.

II.
10
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht
vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung
der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Für eine Verletzung der von der Beschwerdeführerin
geltend gemachten Grundrechte ist nichts ersichtlich.

11
1. Es liegt kein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin vor. Das Grundrecht
der Berufsfreiheit umfasst auch die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessenten
auszuhandeln (vgl. BVerfGE 101, 331 ; 106, 275 ; 117, 163 ). Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit am
Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt,
die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Art. 12 Abs. 1 GG sichert in diesem Rahmen die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe
seiner Funktionsbedingungen (vgl. BVerfGE 105, 252 ). Dagegen umfasst das Grundrecht keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb
und Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfGE 106, 275 ; 116, 135 ). Die Vergabe eines öffentlichen
Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien berühren grundsätzlich nicht den
Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusst die handelnde
staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern wird selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig und eröffnet
so einen Vergabewettbewerb zwischen den potentiellen Anbietern. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen
Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswählt. Dementsprechend trägt ein Wettbewerber auf der Angebotsseite
stets das Risiko, dass seinem Angebot ein anderes, für den Nachfrager günstigeres vorgezogen wird (vgl. BVerfGE 116, 135 <151
f.>).

12
So liegt es auch hier. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen werden bei der Ausschreibung von Rabattverträgen als Nachfrager auf
dem Arzneimittelmarkt wettbewerblich tätig. Es sind keine besonderen Umstände dargetan oder sonst zu erkennen, aufgrund derer
die von den Allgemeinen Ortskrankenkassen angewandte Berechnungsformel zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit der Angebote
und die Nichtberücksichtigung der Beschwerdeführerin ausnahmsweise dennoch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sein könnten. Dies
wäre der Fall, wenn die angewandten Bewertungskriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine staatliche
Maßnahme darstellen würden, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre (vgl. BVerfGE 105, 252 ; 116, 135 ;
118, 1 ). An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich
ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung sind (vgl. BVerfGE 106, 275 ; 116, 202 ). Zwar
werden die Chancen eines Unternehmens, dessen Arzneimittel zu einem Preis oberhalb des Festbetrags verkauft werden, durch
die angegriffene Berechnungsformel erheblich verringert. Die Marktstellung der ausschreibenden Allgemeinen Ortskrankenkassen
mag dazu führen, dass sich pharmazeutische Unternehmen deshalb veranlasst sehen, eine Festbetragsüberschreitung zu vermeiden.
Die Berechnungsformel berücksichtigt eine etwaige Überschreitung des Festbetrags aber nicht zu dem erkennbaren Zweck, einer
solchen Überschreitung generell entgegenzuwirken, sondern zielt darauf ab, die Wirtschaftlichkeit des Angebots im Hinblick
auf den abzuschließenden Rabattvertrag zu ermitteln. Etwaige Auswirkungen auf die allgemeine Preisgestaltung der am Vergabeverfahren
teilnehmenden pharmazeutischen Unternehmen stellen sich lediglich als Reflex dar. Dabei kommt es für die Frage nach dem Vorliegen
eines Eingriffs in die Berufsfreiheit nicht entscheidend darauf an, ob es andere Bewertungsmöglichkeiten gegeben hätte. Auch
die besondere Marktmacht der Allgemeinen Ortskrankenkassen ändert an der Beurteilung nichts (vgl. BVerfGE 116, 135 ).

13
2. Zu messen ist die angegriffene Entscheidung allerdings am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Einer staatlichen
Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien
der Vergabe willkürlich zu bestimmen (vgl. BVerfGE 116, 135 ). Auch insoweit ist der Beschluss des Landessozialgerichts
jedoch nicht zu beanstanden. Es ist nicht zu erkennen, dass die Allgemeinen Ortskrankenkassen bei der vom Fachgericht gebilligten
Ausgestaltung des Zuschlagskriteriums “Wirtschaftlichkeit des Rabatt-ApU” willkürlich verfahren wären.

14
Die beanstandete Berechnungsformel dient der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Dieses von § 97 Abs. 5 GWB vorgegebene
Zuschlagskriterium dient gerade der von Art. 3 Abs. 1 GG geforderten sachgerechten Differenzierung zwischen den Bietern (vgl.
dazu Pünder, VerwArch 95 , S. 38 ; Pollmann, Der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im öffentlichen
Vergaberecht, 2009, S. 43 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat nicht zu beurteilen, ob die Kriterien, die ein öffentlicher
Auftraggeber bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zugrunde gelegt hat, zweckmäßig sind und ob das einfache Recht
objektiv richtig angewendet wurde (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. August 2009 – 1 BvR
369/08 -, NJW-RR 2009, S. 1502 ; zur Prüfungsdichte im fachgerichtlichen Verfahren vgl. Otting, in: Bechtold, GWB,
6. Aufl. 2010, § 97 Rn. 53; Bungenberg, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Bd. 2, GWB, 2. Aufl. 2009, § 97
Rn. 69 f.). Es prüft lediglich, ob eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts vorliegt, wie insbesondere dann, wenn die
Wirtschaftlichkeit anhand offensichtlich sachwidriger Kriterien bestimmt wird. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht
geschehen.

15
Die von den Allgemeinen Ortskrankenkassen angewandte Berechnungsformel knüpft an § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V an. Für das
Vergabeverfahren folgt aus diesen Regelungen, dass sichergestellt sein muss, dass der Bieter zum Zuge kommt, dessen Angebot
auch unter Berücksichtigung etwaiger durch eine Festbetragsüberschreitung bedingter Mehrkosten das wirtschaftlichste ist.
Es ist keine Frage spezifischen Verfassungsrechts, ob die von den Allgemeinen Ortskrankenkassen angewandte und vom Landessozialgericht
gebilligte Berechnungsformel den einfachgesetzlichen Vorgaben in optimaler Weise Rechnung trägt oder gar geboten ist. Sie
ist jedenfalls nicht offensichtlich sachwidrig. Es erscheint zwar denkbar, dass der gesetzlich geforderte Ausgleich einer
etwaigen Festbetragsüberschreitung auch anders hätte gewährleistet werden können, etwa – wie von der Beschwerdeführerin gefordert
– durch eine vertraglich gesondert geregelte Erstattungspflicht außerhalb der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots.
Mit dieser Alternative haben sich die Vergabekammer und das Landessozialgericht auseinander gesetzt und sie willkürfrei verworfen.
Soweit das Landessozialgericht darauf abstellt, dass die Krankenkassen mit dem Ausgleich der Festbetragsüberschreitung in
Vorleistung treten müssen, weist die Beschwerdeführerin zwar zutreffend darauf hin, dass die vereinbarten Rabatte auch im
Übrigen im Wege einer nachträglichen Erstattung gewährt werden. Das ändert aber nichts daran, dass sich durch eine Festbetragsüberschreitung
der Betrag erhöht, mit dem die Krankenkassen in Vorleistung zu treten haben. Soweit das Landessozialgericht davon ausgeht,
dass für die Krankenkassen damit ein höherer Verwaltungsaufwand, ein Zinsverlust und ein erweitertes Insolvenzrisiko einhergingen,
handelt es sich um eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende fachgerichtliche Würdigung des entscheidungserheblichen
Sachverhalts.

16
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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