IT- und Medienrecht

Polizeiliche Maßnahmen aufgrund eines vermeintlichen Hausverbots

Aktenzeichen  M 7 K 16.4201

Datum:
7.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4696
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2
VwGO § 43 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

1. Ein schutzwürdiges Rehabilitationsinteresse setzt eine fortbestehende nachteilige Nachwirkung behördlichen Handelns voraus (Fortführung von VG München BeckRS 2003, 28551 Rn. 29). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein schwerwiegender, ein berechtigtes Feststellungsinteresse begründender Grundrechtseingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Aufstellen einer unwahren Tatsachenbehauptung liegt nicht vor, wenn die Aussage nicht geeignet ist, bei unbeteiligten Beobachtern einen Ansehensverlust des Betroffenen herbeizuführen . (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Aufforderung, eine Wohnung zu verlassen, stellt keinen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG geschützte körperliche Bewegungsfreiheit und keinen tiefgreifenden bzw. schwerwiegenden Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG dar, zumal wenn es sich um den Untervermieter und damit nur mittelbaren Besitzer der Wohnung handelt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. In der Androhung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Pflicht zum Verlasssen eines Anwesens und der Androhung einer Ingewahrsamsnahme zur Verhinderung der Rückkehr dorthin liegen keine schwerwiegenden Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit des Untervermieters als mittelbarem Besitzer einer dortigen Wohnung. (Rn. 24 und 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
Dem Kläger fehlt das erforderliche Feststellungsbzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Der Begriff des berechtigten Interesses ist bei einer Feststellungsklage nach § 43 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – genauso auszulegen, wie bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Damit ist nicht entscheidungserheblich, ob es sich bei der, mit dem Antrag zu c) angegriffenen polizeilichen Maßnahme („die Behauptung, dem Kläger sei ein Hausverbot erteilt worden, weshalb der Verdacht des Hausfriedensbruchs bestehe“), um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt.
Für ein berechtigtes Interesse im Sinn eines Feststellungsbzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist grundsätzlich jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.1989 – 1 C 40/88 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 11.11.2009 – 6 B 22/09 – juris Rn. 4). Nach der Rechtsprechung ist dabei das berechtigte Interesse als gegeben anzusehen, wenn eine der Fallgruppen der Präjudizialität, des Rehabilitierungsinteresses, der Wiederholungsgefahr oder des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs erfüllt ist. Der Kläger kann sich jedoch auf keine dieser Fallgruppen berufen.
So folgt hinsichtlich keiner Maßnahme ein berechtigtes Interesse aus der Fallgruppe der Präjudizialität. Nach dieser Fallgruppe besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 Grundgesetz – GG –, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist und ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.8.1987 – 4 C 31/86 – juris Rn. 13 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, wenn die Erledigung erst nach Klageerhebung eingetreten ist. Nur dann rechtfertigt der bereits entfaltete prozessuale Aufwand die Fortführung der Anfechtungsklage, da die ordentlichen Gerichte ohne Weiteres von sich aus in der Lage sind, im Rahmen eines vor ihnen geltend gemachten Anspruchs aus Amtshaftung bzw. sonstiger Schadensersatzansprüche die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen. Somit besteht im – vorliegenden – Fall einer Erledigung vor Klageerhebung kein Bedürfnis, die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen.
Weiterhin kann sich der Kläger nicht auf die Fallgruppe des Rehabilitierungsinteresses berufen. Danach besteht ein berechtigtes Interesse, wenn ein Rehabilitierungsinteresse bei vernünftiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls als schutzwürdig zu erachten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 113 Rn. 142). Dies ist der Fall, wenn die begehrte Feststellung, dass der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig war, als „Genugtuung“ und/oder zur Rehabilitierung erforderlich ist, weil der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergeben hat (vgl. BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 6 B 64.06 – juris Rn. 10). Die objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss dabei geeignet sein das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen und in der Gegenwart noch fortbestehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris)
Rn. 13 m.w.N.). Ein bloß ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit eines erledigten Verwaltungshandelns ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen dieses Handelns fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Sachentscheidung wirksam begegnet werden könnte, reicht demgegenüber für die Annahme eines schutzwürdigen Rehabilitierungsinteresses nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 5 C 44/87 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 10.10.2012 – 10 ZB 12.1445 – juris Rn. 6). Vielmehr muss ein berechtigtes Schutzbedürfnis gegenüber nachteiligen Nachwirkungen bestehen. Dieses ist z.B. zu bejahen, wenn es um die Beseitigung der Beeinträchtigung des beruflichen Ansehens des Betroffenen geht, wobei aufgrund der Rufschädigung eingetretene konkrete Auswirkungen auf die Berufstätigkeit des Betroffenen vorausgesetzt werden (vgl. VG München, U.v. 22.10.2003 – M 22 K 02.1700 – juris 29). Ein Ansehensverlust des Klägers bei unbeteiligten Beobachtern des Polizeieinsatzes ist vorliegend nicht ersichtlich. Auch ist nicht hinreichend erkennbar, dass der Kläger durch die polizeilichen Maßnahmen in seiner Tätigkeit als Untervermieter konkret beeinträchtigt worden wäre. Auch wenn es sich bei der arabischsprachigen Gemeinschaft in München um einen geschlossener Personenkreis handeln würde, in dessen Umfeld Vorkommnisse wie die gegenständlichen die Runde machen würden und deshalb denkbar wäre, dass dieser Personenkreis vom Kläger abrücken und würde ihn nicht mehr empfehlen würde, wurde dies jedoch nicht substantiiert dargelegt. Insbesondere wurde nicht dargelegt, dass es tatsächlich zu solch konkreten Auswirkungen auf die Tätigkeit des Klägers als Untervermieter aufgrund der polizeilichen Maßnahmen gekommen wäre und weiterhin käme.
Schließlich folgt auch kein schützenswertes Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus der Fallgruppe der Wiederholungsgefahr. Erforderlich ist eine hinreichend bestimmte Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 8 m.w.N.). Eine solch hinreichend bestimmte Gefahr ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich und wurde vom Kläger auch nicht dargelegt. Für den Kläger besteht kein Hausverbot für das Anwesen …straße … Dies ist in dem Schreiben der Hausverwaltung explizit vermerkt. Dieses Schreiben ist zudem bei der zuständigen Polizeidienststelle hinterlegt. Die polizeilichen Maßnahmen ergingen gegen den Kläger, da die Polizeibeamten aufgrund der gegebenen Verhältnisse vor Ort den Inhalt des Schreibens der Wohnungseigentümergesellschaft unzutreffend wahrgenommen hatten. Es steht jedoch nicht zu erwarten, dass die Polizei bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen nochmals den Inhalt des Schreibens der Hausverwaltung falsch wahrnehmen und aufgrund dessen erneut vergleichbare polizeiliche Maßnahmen gegen den Kläger ergreifen wird. Auch wurde Seitens des Klägerbevollmächtigten diesbezüglich nichts substantiiert vorgetragen.
Schließlich folgt hinsichtlich keiner Maßnahme ein berechtigtes Interesse aus der Fallgruppe des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs.
So liegt kein schwerwiegender Grundrechtseingriff hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu c) angegriffenen Behauptung („gegen den Kläger bestehe ein Hausverbot und aufgrund dessen stehe der Verdacht des Hausfriedensbruchs im Raum“) vor. Soweit der Klägerbevollmächtigte diesbezüglich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG anführt, dringt er damit nicht durch. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört grundsätzlich auch die persönliche Ehre (vgl. BVerfG, B.v. 3.6.1980 – 1 BvR 185/77 – juris Rn. 14) und damit der Schutz vor Rufschädigungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken. Eine solch ehrverletzende Rufschädigung kann dabei in der Behauptung unwahrer Tatsachen liegen, soweit deren Inhalt Bedeutung für die Persönlichkeit zukommt und deren Bild in der Öffentlichkeit nachteilig beeinflusst. Bei der Aussage, dass gegen den Kläger ein Hausverbot bestehe und deshalb der Verdacht des Hausfriedensbruchs im Raum stehe, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Diese ist auch unwahr, da für den Kläger gerade kein Hausverbot für das Anwesen …straße … bestand. Diese Aussage war jedoch nicht geeignet das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit nachteilig zu beeinflussen. Ein Ansehensverlust des Klägers bei unbeteiligten Beobachtern des Polizeieinsatzes liegt nicht vor, da die Aussage ausschließlich im Hausflur des Anwesens …straße … gegenüber dem Kläger erfolgte. Außer dem Kläger und den Polizeibeamten war zu diesem Zeitpunkt niemand sonst dort anwesend, der die Aussage hätte wahrnehmen können. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Untermieter des Klägers im Hausflur anwesend waren und die Aussage akustisch wahrgenommen haben, vermag dies keine andere Beurteilung zu begründen. Denn ausweislich der Behördenakte war die Kommunikation sowohl mit Frau A. als auch mit Herrn A. aufgrund mangelnder Deutsch- und Englischkenntnisse nahezu nicht bzw. nur äußerst schwer möglich. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass diese in der aufgewühlten Situation im Hausflur den Sinngehalt der Aussage hätten zutreffend erfassen und entsprechend beurteilen können. Schließlich ist diesbezüglich seitens des Klägers auch nichts substantiiert vorgetragen worden. Mangels öffentlicher Wahrnehmung der Aussage war diese somit nicht geeignet sich nachteilig auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken.
Weiterhin folgt auch kein berechtigtes Interesse aus der Fallgruppe eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs hinsichtlich des Klageantrags zu d). Ein solcher liegt im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 GG nicht vor, da der Kläger als Untervermieter nicht unmittelbarer Besitzer der Wohnung und damit nicht Träger dieses Grundrechts ist. Die Aufforderung die Wohnung zu verlassen stellt zudem keinen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dar. Zwar schützt Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die körperliche Bewegungsfreiheit. Geschützt wird dabei jedoch gerade die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen, also vor Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs (vgl. BVerfG, B.v. 15.5.2002 – 2 BvR 2292/00 – juris Rn. 22). Der Gewährleistungsinhalt umfasst demgegenüber von vornherein nicht eine Befugnis, sich unbegrenzt überall aufhalten und überall hin bewegen zu dürfen (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 114). Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG „sind alle der öffentlichen Gewalt zurechenbaren Maßnahmen, die die körperliche Bewegungsfreiheit (…) allseitig bzw. auf einen engen Raum beschränken“ (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 81. Ergänzungslieferung September 2017, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Rn. 29). Platzverweise können dabei als Mittel der orts- oder objektbezogenen Gefahrenabwehr auch als Einschränkung der personalen Bewegungsfreiheit verstanden werden (vgl. Murswiek in Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 2 Rn. 230). In einem alltagssprachlichen Sinne bedeutet der Platzverweis unbestritten eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Es entspräche aber kaum der besonderen personalen Qualität des Grundrechts, wollte man diese Einschränkung als Fall des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verstehen (vgl. di Fabio in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 81. Ergänzungslieferung September 2017, Art. 2 Rn. 28). Lokal begrenzte Betretungsverbote müssen in Ausmaß und Intensität schon einem Hausarrest gleichkommen, um ernsthaft von einem Eingriff in die Freiheit der Bewegung sprechen zu können (vgl. di Fabio in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 81. Ergänzungslieferung September 2017, Art. 2 Rn. 28; BayVGH, B.v. 9.6.2006 – 24 CS 06.1521 – juris Rn. 10 ff.). Damit stellt die Aufforderung die Wohnung zu verlassen keinen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, sondern vielmehr einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG dar. Hierbei handelt es sich nicht um einen tiefgreifenden bzw. schwerwiegenden Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG, da die vorübergehende Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch das Gebot, sich von einem Ort zu entfernen oder diesen Ort nicht zu betreten, keine vergleichbare Bedeutung mit Eingriffen in Art. 13 und Art. 104 GG hat (vgl. VG München, B.v. 5.12.2003 – M 7 K 02.6104 – juris Rn. 15). Das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten oder dort hinzugehen, kann in diesem Zusammenhang nicht den gleich hohen Grundrechtsschutz wie die Unverletzlichkeit der Wohnung oder die Freiheit der Person genießen (vgl. VG München, B.v. 5.12.2003 – M 7 K 02.6104 – juris Rn. 15). Dies wird vorliegend insbesondere auch dadurch bestärkt, dass der Kläger als Untervermieter gerade nicht unmittelbarer Besitzer der Wohnung, sondern lediglich mittelbarer Besitzer ist. Die Aufforderung diese zu verlassen stellt für ihn keinen schwerwiegenden Grundrechtseingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dar, da er die Wohnung trotz der Aufforderung ohne weiteres weiterhin für die von ihm beabsichtigten Zwecke nutzen konnte.)
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten stellt auch die Androhung unmittelbaren Zwangs keinen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Nach der klassischen Definition des „Eingriffs“ liegt ein solcher bei einem hoheitlichen Rechtsakt vor, der final und unmittelbar die Grundrechtsposition beeinträchtigt (vgl. Herdegen in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 81. Ergänzungslieferung September 2017, Art. 1 Abs. 3 Rn. 39). Die Androhung selbst ist jedoch noch keine rechtsförmige, mit Befehl und Zwang ausgeübte, final auf eine Einwirkung auf die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit gerichtete Maßnahme. Dies erfolgt vielmehr erst durch die tatsächliche Anwendung unmittelbaren Zwangs. Aus demselben Grund stellt die Androhung unmittelbaren Zwangs keinen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dar, zumal Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG insbesondere dem Schutz vor physischen Beeinträchtigungen der körperlichen Bewegungsfreiheit dient (vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 81. Ergänzungslieferung September 2017, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Rn. 86). Die Androhung unmittelbaren Zwangs stellt demgegenüber vielmehr eine Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit im psychischen Sinn und damit eine Beeinträchtigung der freien Willensbildung dar. Es handelt sich um einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG dar. Dieser Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG ist jedoch nicht schwerwiegend, da das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Klägers durch die Androhung lediglich im Hinblick auf das Verlassen des Anwesens …straße … betroffen wurde. Die Beeinträchtigung im Hinblick auf die Pflicht das Anwesen …straße … zu verlassen beeinträchtigt den Kläger jedoch nicht schwerwiegend, da für diesen als Untervermieter kein Grund bestand nach Aufklärung der Sachlage, insbesondere nach Feststellung der Personalien von Frau und Herrn A., noch länger in der Wohnung seiner Untermieter zu verweilen.
Schließlich liegt kein schwerwiegender Grundrechtseingriff hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu e) angegriffenen Androhung den Kläger in Gewahrsam zu nehmen, sollte dieser erneut zurückkommen vor. Unabhängig davon, dass es sich bei dieser Äußerung nicht um die Androhung von Zwangsmitteln, sondern um einen bloßen Hinweis gehandelt haben dürfte, da der Gewahrsam nach Art. 17 PAG eine eigenständige polizeiliche Maßnahme darstellt (vgl. BayVGH. B.v. 2.7.2014 – 10 C 12.2728 – juris Rn. 29), handelt es sich dabei lediglich um einen Eingriff in die freie Willensbildung und damit in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Dieser Eingriff ist nicht schwerwiegend, da nach Abschluss der zugrunde liegenden polizeilichen Maßnahmen, insbesondere nach Feststellung der Personalien von Frau und Herrn A., für den Kläger als Untervermieter kein Grund bestand in dieser Nacht nochmals zum Anwesen …straße … zurückzukehren.
Soweit die einzelnen Maßnahmen damit jeweils einen Eingriff in die allgemein Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellen, vermag dies vorliegend auch deshalb kein Feststellungsbzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu begründen, da angesichts des umfassenden Schutzes der Rechtssphäre des Bürgers durch die Freiheitsgrundrechte, zumindest durch Art. 2 Abs. 1 GG, das eingrenzende Kriterium des berechtigten Interesses praktisch leerlaufen würde, da andernfalls im Hinblick auf
Art. 2 Abs. 1 GG jeder belastende Verwaltungsakt grundrechtsrelevant wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


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