IT- und Medienrecht

Reparaturkosten, Schadensersatz, Verkehrsunfall, Haftpflichtversicherer, Unfall, Schadensersatzanspruch, Restwert, Wiederbeschaffungswert, Fahrzeug, Ersatzpflicht, Erledigung, Verweisung, Totalschaden, Wiederbeschaffungsaufwand, Kosten des Rechtsstreits, Treu und Glauben, Erledigung der Hauptsache

Aktenzeichen  2 O 3834/21

Datum:
30.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 55159
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Die besondere Konstellation, die aufgrund der BGH-Rechtsprechung beim Ersatz fiktiver Reparaturkosten wegen der Möglichkeit der zumutbaren Verweisung auf eine günstigere und gleichwertige Fachwerkstatt mit materiell-rechtlichen Auswirkungen noch während des laufenden Rechtsstreits besteht, gebietet es nach Treu und Glauben, dass der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer die ihm nach sorgfältiger Prüfung zu Gebote stehenden Einwände gegen die Schadensabrechnung ohne unnötiges Zuwarten ausspricht.
2. Bei begründeter – erstmaliger – Verweisung des Geschädigten auf eine günstigere Werkstatt während des Rechtsstreits scheidet eine entsprechende Anwendung des § 93 ZPO aus.
3. Ein unbegründeter Antrag, nach Verweisung die Erledigung der Hauptsache festzustellen und den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, kann als Antrag auszulegen sein, die materielle Ersatzpflicht der Beklagten für die nutzlos aufgewendeten Kosten festzustellen (hier bejaht).

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu ersetzen, die durch die im hiesigen Rechtsstreit ursprünglich mit einem Mehrbetrag in Höhe von 883,16 € erhobenen Klageanträge angefallen sind.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 1.056,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.6.2021 zu bezahlen.
3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin weitere 86,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 2.7.2021 zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits, der Beklagte zu 1 jedoch nur insoweit, als diese nicht durch die ursprünglich mit einem Mehrbetrag in Höhe von 883,16 € erhobenen Klageanträge angefallen sind.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis zum 17.08.2021 auf 6.953,22 €, bis zum 04.10.2021 auf 1.940,00 € und für die Zeit danach auf 1.379,05 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klage ist im noch rechtshängigen Umfang nahezu vollständig begründet.
I. Hinsichtlich des durch die Beklagte zu 2 nach Rechtshängigkeit regulierten Fahrzeugschadens mit 4.110 €, Sachverständigenkosten mit 878,22 € und pauschalen Unkosten mit 25 € sowie Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 627,13 € haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Diese übereinstimmend erklärte Teil-Erledigung der Hauptsache ist für das Gericht bindend (BGH NJW 1982, 1598). Mit den übereinstimmenden Erledigungserklärungen endet die Rechtshängigkeit des für erledigt erklärten Teils der Hauptsache; anhängig bleibt insoweit nur der Kostenpunkt, über den gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden ist (BGH Beschluss vom 12.4.2011 – VI ZB 44/10, BeckRS 2011, 11543), s. dazu unten unter B.I.1..
II. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung (weiterer) Reparaturkosten in Höhe von 1.056,84 €.
1. Ein Unfallgeschädigter ist nach dem in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Verursacht also von mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, so ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt; denn nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich (st. Rspr. BGH 29.10.2019 – VI ZR 45/19, juris; BGH 22.9.2009 – VI ZR 312/08, BeckRS 2009, 28216). Dies bedeutet, dass in einer Konstellation, in der der erforderliche Reparaturaufwand bereits geringer ist als der Wiederbeschaffungsaufwand, eine Ersatzbeschaffung keinesfalls wirtschaftlicher als eine Reparatur sein kann. Vielmehr muss sich der Geschädigte dann nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis entscheiden (BGH22.9.2009 – VI ZR 312/08, BeckRS 2009, 28216).
Von einer solchen Konstellation geht die Klägerin zu Recht aus und nimmt deshalb berechtigt die Zahlung von weiteren Reparaturkosten in Höhe von 1.056,84 € in Anspruch.
2. Für die maßgebliche Ermittlung der Vergleichswerte Wiederbeschaffungsaufwand und Reparaturkosten ist dabei von folgenden Überlegungen auszugehen:
a) Der Wiederbeschaffungswert ist mit 8.400 € zwischen den Parteien unstreitig.
b) Den Restwert als Abzugsposten vom Wiederbeschaffungswert zur Ermittlung des Wiederbeschaffungsaufwandes setzt die Klägerin auf der Basis der Restwertangebote aus ihrem Schadensgutachten mit 2.350 € an; die Beklagten verweisen demgegenüber auf ein der Klägerin übersandtes Restwertangebot über 4.290 €.
Auf der Grundlage der Zahlen der Klägerin beliefe sich der Wiederbeschaffungsaufwand auf 6.050 €, nach der Kalkulation der Beklagten auf die (regulierten) 4.110 €.
Die Klägerin, die ihr Fahrzeug nach dem Unfall weiterhin benutzt, muss sich allerdings nicht auf ein günstigeres Restwertangebot – das die Beklagten für sich in Anspruch nehmen – verweisen lassen: Wenn der Geschädigte sein Fahrzeug nach dem Unfall weiternutzt, kann er den Restwert, der vom Sachverständigen nach den örtlichen Gegebenheiten ermittelt worden ist, der Schadensabrechnung zu Grunde legen (BGH VersR 2011, 280; BGH VersR 2010, 130). Er muss sich nicht an einem Angebot eines Restwerthändlers außerhalb des ihm zugänglichen allgemeinen regionalen Markts festhalten lassen, das vom Versicherer über das Internet recherchiert worden ist (BGH VersR 2007, 1145). Der Schädiger kann den Geschädigten auch nicht durch die Übermittlung eines ansonsten anzunehmenden höheren Restwertangebotes zu einem sofortigen Verkauf des Fahrzeugs zwingen (BGH VersR 2007, 1243).
Dass die Klägerin ihr Fahrzeug tatsächlich weiterhin benutzt und dieses nicht etwa (un-) repariert veräußert hat, ist mit der Vorlage der noch am 2.11.2021 in ihren Händen befindlichen Zulassungsbescheinigung Teil I mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters v. 3.11.2021, Gerichtsakte S. 51).
Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis der Beklagten auf die Entscheidungen des BGH vom 6.3.2007 (VI ZR 120/06, NJW 2007, 1674) und vom 23.11.2010 (VI ZR 35/10, NJW 2011, 667) führt schon deshalb zu keiner anderen Bewertung, da in den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten ein Totalschadensfall bzw. ein Reparaturfall feststand – anders als im Streitfall, wo die Frage der Weiternutzung bzw. des Restwertes erst weichenstellend für Totalschadens- bzw. Reparaturfall ist.
Maßgeblich ist damit ein Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 6.050 €.
c) Die Höhe der erforderlichen Reparaturkosten setzt die Klägerin zuletzt ausdrücklich – in Übereinstimmung mit dem Beklagtenvortrag zu den Reparaturkosten in der Verweisungswerkstatt – mit 5.166,84 € an. Diesen Betrag hat die Beklagte mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 26.8.2021 substantiiert unter Begründung der einzelnen Abzugspositionen und insbesondere die Verweisung auf eine günstigere Fachwerkstatt vorgetragen.
Der Einwand der Beklagten, dass der Vortrag zu den Reparaturkosten lediglich hilfsweise erfolge, verfängt nicht. Ihr Vortrag zu Wiederbeschaffungsaufwand bzw. Restwert einerseits und Reparaturkosten andererseits, steht nicht in einem zulässig bedingten innerprozessualen Alternativverhältnis. Der Vortrag der Beklagten ist nicht in tatsächlicher Hinsicht in einem Verhältnis von Haupt- und Hilfsvortrag zu verstehen, sondern lediglich in rechtlicher Hinsicht. Konkret zielt der Vortrag der Beklagten mit der Klageerwiderung unter II. (Gerichtsakte S. 21: „Hilfsweise wird bestritten, dass sich die erforderlichen Netto-Reparaturkosten auf 6.247,05 € belaufen würden. Die erstattungsfähigen Netto-Reparaturkosten belaufen sich allenfalls auf 5166,84 €.“) primär auf eine Abrechnung des Fahrzeugschadens auf Grundlage des Wiederbeschaffungsaufwandes ab, so wie ihn die Beklagte zu 2 zur Grundlage ihrer Abrechnung vom 11.8.2021 gemacht hat. Lediglich für den Fall, dass tatsächlich eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis stattzufinden habe, bestreitet die Beklagte die mit dem Schadensgutachten des Klägers behaupteten Reparaturkosten und beziffert die mit ihrem eigenen Vortrag auf die besagten 5.166,84 €. Diesen Vor- und Betrag wiederum hat sich die Klägerin ausdrücklich zu eigen gemacht. Diese Summe ist damit als zwischen den Parteien unstreitig zugrunde zu legen.
Da nach dem Vorstehenden unter b) der Wiederbeschaffungsaufwand mit 6.050 € höher ist als die (unstreitigen) Reparaturkosten in Höhe von 5.166,84 €, kann die Klägerin – wie gefordert – auch nur die Reparaturkosten beanspruchen. Nachdem im Streitfall auf den Fahrzeugschaden bereits 4.110 € reguliert sind, ist die Klage- und Restforderung mit 1.056,84 € in vollem Umfang begründet.
3. Die Klägerin hat wie beantragt Anspruch auf Verzinsung ihrer berechtigten Schadensersatzforderung.
Der Zinsanspruch zur Hauptsache beruht auf § 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Er beginnt aufgrund der verzugsbegründenden Mahnung vom 07.06.2021 mit dem 17.06.2007; die Zinshöhe bzgl. der beantragten 1.056,84 € (vgl. § 308 Abs. 1 ZPO) ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.
III. Soweit die Klägerin die Hauptsache in Höhe weiterer 883,16 € für erledigt erklärt hat, ist der hierin liegende Antrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits zwar an sich unbegründet, so dass die Feststellungsklage kostenpflichtig abzuweisen wäre (1.); die Feststellungsklage ist jedoch als gewollte Feststellung der materiellen Schadenersatzpflicht der Beklagten teilweise begründet (2.).
1. Widersprechen – wie hier – die Beklagten der (Teil-)Erledigungserklärung der Klägerin, so muss das Gericht prüfen, ob der mit der Klage geltend gemachte Anspruch bis zu dem angeblich erledigenden Ereignis bestanden hat. Der nunmehr zwischen den Parteien bestehende Streit darüber, ob die Klage (nachträglich) unzulässig oder unbegründet geworden ist – ob sich also die Hauptsache erledigt hat – muss vom Gericht durch Urteil entschieden werden. Stellt das Gericht fest, dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch bis zu dem erledigenden Ereignis bestanden hat, ergeht die Entscheidung dahin, dass die Hauptsache erledigt sei. Kommt das Gericht dagegen zu dem Ergebnis, dass die Klage unzulässig oder unbegründet war, konnte eine Erledigung nicht eintreten; die Klage ist abzuweisen (BGH, Urt. v. 15.1.1982 – V ZR 50/81, NJW 1982, 1598).
So liegt der Fall hier: Nach der Rspr. des BGH stellt der berechtigte Verweis auf eine günstigere Reparaturwerkstatt keine teilweise Erledigung des Anspruchs dar (BGH 5.12.2017 – VI ZR 24/17, juris). Die Klage war von Beginn an lediglich in Höhe der zuletzt geforderten Reparaturkosten begründet. Der Antrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits ist damit unbegründet.
2. Der Feststellungsantrag zur einseitigen Teil-Erledigterklärung ist allerdings mit dem Inhalt einer Feststellung der materiellen Einstandspflicht der Beklagten zu 2 zulässig und – wenngleich nur hinsichtlich der Beklagten zu 2 – begründet.
a) Prozessual ist in dem – wie vorstehend ausgeführt – unbegründeten Antrag der Klägerin, die Erledigung der Hauptsache festzustellen und den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, zugleich das Begehren zu sehen, die materielle Ersatzpflicht der Beklagten für die nutzlos aufgewendeten Kosten festzustellen.
Da eine entsprechende Anwendung des § 93 ZPO in dieser Konstellation nach der Rspr. des BGH ausscheidet (BGH 5.5.1994 – III ZR 98/93, BeckRS 9998, 95442), kann die Klägerin ihr Ziel einer Kostenpflicht der Beklagten hinsichtlich des für erledigt erklärten Teilbetrages nicht erreichen. Es bestehen demnach keine Bedenken, den Antrag der Klägerin als Feststellungsantrag zur materiellen Ersatzpflicht der Beklagten für die nutzlos aufgewendeten Kosten auszulegen (BGH 5.5.1994 – III ZR 98/93, BeckRS 9998, 95442). Denn die Auslegung von Prozesshandlungen orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Prozesspartei entspricht, wobei diese nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festzuhalten ist (BGH 12.07.2016 – VIII ZB 55/15, BeckRS 2016, 16852 m.w.N.).
Ein solcher Schadensersatzanspruch kann im Wege des Feststellungsantrags in demselben Prozess geltend gemacht werden; die hierin liegende Klageänderung ist jedenfalls nach § 263 ZPO als sachdienlich anzusehen (BGH 5.5.1994 – III ZR 98/93, BeckRS 9998, 95442).
b) Die Klage auf Feststellung eines materiellen-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist hinsichtlich der Beklagten zu 2 begründet, hinsichtlich des Beklagten zu 1 jedoch unbegründet.
(1) Für die Begründetheit einer derartigen Feststellungsklage bedarf es nur der Prüfung, ob die Klägerin erst durch die verspätete Erklärung der Beklagten zur Verweisung auf eine günstigere Werkstatt Klarheit über das Nichtbestehen eines Leistungsanspruchs hatte und die Beklagten schuldhaft ihrer dahingehenden Erklärungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen sind (vgl. BGH Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, BeckRS 9998, 95442).
Ausgangspunkt einer entsprechenden Erklärungspflicht der Beklagten ist die Tatsache, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2 nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht (BGH 11.10.1983 – VI ZR 251/81, r+s 1984, 37). In Grenzen sind damit den beiden hieran Beteiligten Pflichten zur Rücksichtnahme bei der Schadensfeststellung auferlegt, deren Verletzung über prozessuale Nachteile hinaus unter besonderen Umständen zum Ersatz von Schäden des anderen verpflichten kann (BGH 11.10.1983 – VI ZR 251/81, r+s 1984, 37 für einen Schadensersatzanspruch des Haftpflichtversicherers).
Die besondere Konstellation, die aufgrund der BGH-Rechtsprechung beim Ersatz fiktiver Reparaturkosten wegen der Möglichkeit der zumutbaren Verweisung auf eine günstigere und gleichwertige Fachwerkstatt mit materiell-rechtlichen Auswirkungen noch während des laufenden Rechtsstreits besteht (BGH 14.5.2013 – VI ZR 320/12, r+s 2013, 358; BGH 15.7.2014 – VI ZR 313/13, r+s 2014, 476), gebietet es nach Treu und Glauben, den Geschädigten nicht gleichsam sehenden Auges in eine (anteilige) Kostenlast „laufen zu lassen“. Vielmehr hat der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer die ihm nach sorgfältiger Prüfung zu Gebote stehenden Einwände gegen die Schadensabrechnung ohne unnötiges Zuwarten auszusprechen.
(2) Nach Aktenlage forderte der Klägervertreter die Beklagte zu 2 erstmals mit Schreiben vom 25.5.2021 unter Fristsetzung zur Zahlung von (u.a.) „Reparaturkosten gemäß Gutachten“ auf. Mit weiterem Schreiben vom 7.6.2021 bot er die Übersendung eines Auszugs der Ermittlungsakte an. Mit Schreiben vom 21.6.2021 bat die Beklagte zu 2 dann um Übersendung eines vollständigen Aktenauszugs. Zu diesem Zeitpunkt lag der Beklagten zu 2 der Prüfbericht, der auf dem 17.5.2021 datiert (Anlage BLB 2) samt der darin benannten „Referenz-Firma“, allerdings bereits vor. Tatsächlich ist aber nichts dafür vorgetragen oder auch sonst ersichtlich, dass die Verweisung auf die im Prüfbericht benannte Referenzwerkstatt, die dann ausdrücklich mit der Klageerwiderung vom 26.8.2021 erfolgte (Gerichtsakte S. 36) bereits vorgerichtlich ausgesprochen worden wäre. Es ist schon nicht festzustellen, dass der Prüfbericht vom 17.5.2021 samt Verweisungswerkstatt der Klägerin vor Klageerhebung überhaupt zur Kenntnis gebracht worden war.
(3) Anhaltspunkte, die in diesem Zusammenhang für ein fehlendes Verschulden der Beklagten zu 2 sprechen könnten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Tatsächlich lagen der Beklagten zu 2 die zum Ausspruch einer Verweisung erforderlichen Informationen (Prüfbericht vom 17.5.2021) bereits ca. einen Monat vor Klageerhebung vor.
(4) Diese zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 muss sich der Beklagte zu 1 aber nicht zurechnen lassen.
Nach § 115 Abs. 1 S. 4 VVG haften beide Beklagten als Gesamtschuldner i.S.d. § 421 BGB für die unfallbedingten Schadensfolgen. Nach § 425 Abs. 2 BGB entfaltet das Verschulden der Beklagten zu 2 allerdings keine Gesamtwirkung. Deshalb haftet nur derjenige Schuldner nach §§ 280 ff. BGB auf Schadensersatz, der die Pflichtverletzung abhängig vom Verschulden zu vertreten hat (BeckOGK/Kreße, 1.9.2021, BGB § 425 Rn. 36 m.w.N.).
Hinsichtlich des Beklagten zu 1 ist die Feststellungsklage deshalb unbegründet und die Klage insoweit abzuweisen.
IV. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz weiterer vorgerichtlich erforderlich gewordener Rechtsverfolgungskosten in Höhe von noch 86,63 €.
Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten (BGH NJW 2005, 1112 m.w.N.). Diese errechnen sich nach dem berechtigten Gegenstandswert (BGH 11.7.2017 – VI ZR 90/17, r+s 2017, 494) von 6.045,06 €. Dabei hat es auf den maßgeblichen Gegenstandswert keinen werterhöhenden Einfluss, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters noch davon ausgegangen ist, ihre Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später – nach Verweisung durch die Beklagten – festgestellten Betrag begründet (BGH, Urteil vom 05. Dezember 2017 – VI ZR 24/17 -, juris).
Von dem sich unter Berücksichtigung einer 1,3 Gebühr zzgl. Auslagenpauschale und Steuer errechnenden Betrag in Höhe von 713,76 € hat die Beklagte zu 2 bereits 627,13 € reguliert, so dass wie beantragt noch weitere 86,63 € zuzusprechen sind.
Dieser Betrag ist wie gefordert (vgl. § 308 Abs. 1 ZPO) ab dem Tag nach Rechtshängigkeit (BGH 8.5.2013 – IV ZR 84/12, NJW 2013, 2739, 2742) zu verzinsen (§ 286 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 S. 1 BGB.
B.
I. Zur Kostenentscheidung ist von folgenden Erwägungen auszugehen:
1. Die Kostenlast hinsichtlich der auf die Hauptsache nach Rechtshängigkeit regulierten und übereinstimmend für erledigt erklärten 5.013,22 € trifft nach § 91a ZPO die Beklagten.
Demnach entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Dies bedeutet i.d.R. die Kostenlast für denjenigen, der bei streitigem Fortgang voraussichtlich unterlegen wäre und die Kosten nach §§ 91 ff. ZPO zu tragen gehabt hätte (BGH 27.4.2021 – VIII ZB 44/20; OLG München 5.7.2016 – 10 W 890/16; OLG Düsseldorf 7.3.2017 – 1 U 97/16). Bei – wie im Streitfall – vorbehalt- und kommentarloser Regulierung nach Rechtshängigkeit begibt sie die beklagte Partei „freiwillig in Rolle des Unterlegenen“. Die Beklagten trifft dann auch ohne Erklärung zur Kostenübernahme die volle Kostenlast (BGH 8.6.2021 – VI ZR 1232/20; BGH 30.2.2011 – VI ZR 305/10) und dies nach dem Grundgedanken des § 307 ZPO ohne weitere Sachprüfung (BGH 27.4.2010 – VI ZR 256/09; BGH 18.5.2010 – VI ZR 229/08).
2. Mit der restlichen bezifferten Klageforderung obsiegt die Klägerin (§ 91 Abs. 1 ZPO).
3. Hinsichtlich der einseitigen Erledigterklärung ist die darin liegende Feststellungsklage zum materiellen Kostenerstattungsanspruchs hinsichtlich der Beklagten zu 2 begründet (s.o. A.III.). Auch insoweit trifft diese die Kostenlast nach §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Der Beklagte zu 1 unterliegt allerdings hinsichtlich des ihm gegenüber nicht begründeten Feststellungsantrags nicht. Die gesamtschuldnerische Haftung der beiden Beklagten beschränkt sich deshalb auf den Kostenanteil ohne diesen Feststellungsantrag („Sockel“).
Da die Klägerin in der Beklagten zu 2 für den vollen Kostenanteil eine 100-prozentige Schuldnerin hat, besteht kein Anlass, einen eigenen Kostenanteil der Klägerin zu auszusprechen.
II. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
III. Der Streitwert war zeitlich gestaffelt festzusetzen. Denn bei einer teilweisen übereinstimmenden Erledigung bemisst sich der zukünftige Streitwert aus dem Streitwert für die rechtshängig gebliebene Hauptsache; das Kosteninteresse bzgl. des für erledigt erklärten Teils der Hauptsache bleibt grundsätzlich unberücksichtigt (BGH NJW-RR 1995, 1089; OLG Rostock BeckRS 2009, 19117).
Nach der sodann noch erfolgten einseitigen Erledigungserklärung bestimmt sich der Streitwert grundsätzlich nach der Summe der bis zur Erledigungserklärung entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten (BGH 12.07.2016 – VIII ZB 55/15, BeckRS 2016, 16852; BGH 15.07.2015 – IV ZR 256/14). Der auf den erledigten Teil entfallende Kostenwert ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, die ergibt, um welchen Betrag diejenigen Kosten überschritten worden sind, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an nur über den nicht erledigten Teil der Hauptsache geführt hätte (st. Rspr. BGH NJW-RR 2005, 1728).
Ausgehend von einem „Reststreitwert“ von 1.940,00 € nach übereinstimmender Teil-Erledigterklärung beliefen sich die Kosten auf 1.481,50 €, bei einem hypothetisch von Anfang an reduzierten Streitwert von 1.056,84 € auf 1.159,29 €. Die Kostendifferenz von 322,21 € wirkt deshalb streitwerterhöhend.
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhöhen als Nebenforderung den Streitwert nicht, da sie durchgehend mit der dazugehörigen Hauptforderung gefordert werden (§ 4 Abs. 1 ZPO). Ein Ausnahmefall einer „gelösten Nebenforderung liegt nicht vor (vgl. BGH 21.1.2014 – VI ZB 43/13, juris; BGH 17.2.2009 – VI ZB 60/07, VersR 2009, 806).


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