IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag im privaten Bereich für eine Wohnung

Aktenzeichen  M 6 K 15.4257

Datum:
20.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Bayer. Rundfunkbeitragssatzung § 11 Abs. 1
RBStV RBStV § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 6 S. 1, Abs. 4 S. 2, § 7 Abs. 3
Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag § 8

 

Leitsatz

1 Die Erhebung von Rundfunkbeiträgen von Inhabern einer Wohnung ist nach der grundlegenden Entscheidung des BVerwG (BeckRS 2016, 45859) rechtmäßig und verstößt insbesondere nicht gegen die Verfassung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Befreiung von der Beitragspflicht durch die Landesrundfunkanstalt in einem besonderen Härtefall kommt nur ab dem der Antragstellung folgenden Monat und nicht rückwirkend in Betracht. Die bloße Ablehnung oder Nichtnutzung des Programmangebotes stellt einen solchen Härtefall nicht dar. Die objektiv-technische Unmöglichkeit des Rundfunkempfangs ist nicht substantiiert dargetan, wenn die Nachbarn den Rundfunk empfangen haben. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und daher ohne Erfolg.
Weder ist der streitgegenständliche Bescheid vom 4. Juli 2014 aufzuheben, noch ist der Beklagte zu verpflichten, den Kläger für den in diesem Bescheid umfassten Zeitraum vom … Januar 2013 bis … Mär 2014 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
Sowohl der Bescheid vom 4. Juli 2014 als auch der Widerspruchsbescheid vom 27. August 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -.
Der Bescheid vom 4. Juli 2014 ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Beklagte offensichtlich als die diesen Bescheid erlassende Stelle erkennbar.
Der Bescheid vom 4. Juli 2014 ist auch materiell rechtmäßig. Als Inhaber seiner damaligen Wohnung hat der Kläger für den darin festgesetzten Zeitraum Rundfunkbeiträge in der festgesetzten Höhe einschließlich des Säumniszuschlags zu zahlen.
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit dem 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV -.
Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,98 EUR (§ 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag; seit 1.4.2015: 17,50 EUR) im Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV).
Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, in dem von der Festsetzung des streitgegenständlichen Bescheids umfassten Zeitraum Inhaber einer Wohnung gewesen zu sein. Er wendet sich gegen den Rundfunkbeitrag und den diesem zugrunde liegenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrag als solchen und macht insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken geltend.
Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag als solcher jedoch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das hat nach der zunächst für Bayern grundlegenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12) sowie unzähligen Urteilen von Verwaltungsgerichten (z. B. VG München, U. v. 26.2.2015 – M 6a K 14.877) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (st. Rspr. seit U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 -, U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.2488 -; insbesondere verstoße der Rundfunkbeitrag auch nicht gegen Normen des Grundgesetzes oder andere Normen, wie etwa die der EMRK) nunmehr mit mehreren Urteilen vom 18. März 2016 auch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt (BVerwG 6 C 6.15 u. a.). Danach ist der Rundfunkbeitrag eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt (amtlicher Leitsatz Nr. 1). Die vorrangige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programms angemessen Rechnung (amtlicher Leitsatz Nr. 2). Der Rundfunkbeitrag stellt die Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit dar. Dieser Vorteil kann Wohnungsinhabern individuell zugerechnet werden, weil Wohnungen nahezu vollständig mit Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet sind (amtlicher Leitsatz Nr. 3). Die Ersetzung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag war wegen des drohenden strukturellen Defizits der Gebührenerhebung zulässig, um die Belastungsgleichheit der Rundfunkteilnehmer zu wahren (amtlicher Leitsatz Nr. 4). Die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien (amtlicher Leitsatz Nr. 5). Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an die Wohnung benachteiligt die alleinigen Inhaber einer Wohnung nicht gleichheitswidrig gegenüber Personen, die zusammen mit anderen in einer Wohnung leben. (amtlicher Leitsatz Nr. 6).
Der Kläger hat auch Anlass für die erfolgte Festsetzung der Rundfunkbeiträge durch den Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid geboten (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV). Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 RBStV ist der Rundfunkbeitrag monatlich geschuldet. Er ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten.
Der Kläger hat die Rundfunkbeiträge für den hier streitgegenständlichen Zeitraum jedoch trotz deren Fälligkeit nicht gezahlt, obwohl er ausreichend Informationen vom Beitragsservice über die Fälligkeit und die möglichen Zahlungsweisen (Überweisung oder Erteilung einer Einzugsermächtigung) erhalten hatte.
Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags in Höhe von c… EUR ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlags ist seit Einführung des Rundfunkbeitrags ab 1. Januar 2013 § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 19. Dezember 2012, in Kraft getreten am 1. Januar 2013 (veröffentlicht im Bayerischen Staatsanzeiger vom 21.12.2012, StAnz Nr. 51-52/2012, S. 3; § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig, ohne dass es eines vorherigen „Beitragsbescheids“ bedürfte. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
Vorliegend hatte der Kläger für den in dem streitgegenständlichen Bescheid benannten Zeitraum die Rundfunkbeiträge – unstreitig – nicht bei Fälligkeit bezahlt, so dass der Beklagte den Säumniszuschlag festsetzen durfte. Dieser war mit c… EUR auch der Höhe nach zutreffend bemessen.
Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch, auf seinen Antrag vom … Dezember 2015 hin wegen angeblicher Nichtnutzung des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wegen des angeblichen Nichtvorhaltens von Rundfunkempfangsgeräten oder wegen einer angeblich objektiv nicht gegebenen Empfangsmöglichkeit für den Zeitraum vom … Januar 2013 bis … März 2014, der Gegenstand des angefochtenen Bescheids vom 4. Juli 2014 ist, von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden.
Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV (§ 4 Abs. 1 RBStV und § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV kommen vorliegend offensichtlich nicht zur Anwendung) hat die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefälle auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. § 4 Abs. 6 Satz 3 RBStV erklärt hierfür den § 4 Abs. 4 RBStV für entsprechend anwendbar („gilt entsprechend“). Nachdem es sich bei einer besonderen Härte im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV nicht um eine von einem Bescheidserlass abhängige Situation wie bei § 4 Abs. 1 RBStV handeln kann, kann nicht die Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 RBStV zum Zuge kommen, sondern nur eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 4 Satz 2 RBStV. Damit kann eine Härtefallbefreiung im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV erst mit dem Ersten des Monats beginnen, der der Antragstellung folgt.
Nachdem der Kläger seinen Befreiungsantrag für den Zeitraum vom … Januar 2013 bis … März 2014 erst mit Schriftsatz vom … Dezember 2015, beim Beklagten eingegangen am … Dezember 2015, gestellt hat, hätte er aus formal-rechtlichen Gründen überhaupt erst ab … Januar 2016 von der Rundfunkbeitragspflicht wegen Vorliegens eines besonderen Härtefalls befreit werden können, nicht jedoch rückwirkend für die Zeit vom … Januar 2013 bis … März 2014.
Bereits aus diesem Grunde hätte der in der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2016 gestellte (zweite) Beweisantrag des Klägers abgelehnt werden können. Hinzugekommen war jedoch, dass nach dem eigenen Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung bei seinen damaligen Nachbarn Rundfunkempfang stattgefunden hat. Der Kläger hat nicht im Ansatz etwas Substantiiertes dafür vorgetragen, weshalb es ihm in seiner damaligen unmittelbar danebengelegenen Wohnung aus objektiven Gründen absolut unmöglich gewesen sein sollte, auf irgendeinem Übertragungswege das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu empfangen, wenn er es denn gewollt hätte. Die bloße Ablehnung und Nichtnutzung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots und/oder das Nichtbereithalten von Rundfunkempfangsgeräten kann nicht als besonderer Härtefall im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV angesehen werden, was von der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016 erneut bestätigt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 277,70 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben