IT- und Medienrecht

VW Abgasskandal: Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Autohersteller gem. § 826 BGB

Aktenzeichen  22 O 149/17

Datum:
23.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45887
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Hof
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 826

 

Leitsatz

1. Das Inverkehrbringen eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs unter Verschweigen einer gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung begründet einen Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Hersteller gem. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB auf Erstattung des Kaufpreises gegen Herausgabe des Fahrzeugs. (Rn. 18 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nicht zu erstatten sind die Zulassungskosten sowie die Finanzierungskosten, wenn offenkundig ist, dass der Käufer auch ohne das schädigende Verhalten des Verkäufers in jedem Fall ein anderes Fahrzeug erworben hätte. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW-Passat CC 2,0 LTDI mit der Fahrgestellnummer … einen Betrag vor 17.231,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 20.06.2017 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich seit dem 12.04.2017 mit der Rücknahme des in Ziffer I. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.099,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 20.06.2017 zu bezahlen.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 53 % und die Beklagte 47 %.
VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
VII. Der Streitwert wird auf 38.444,27 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 17.188,58 € aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB.
1. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 826 BGB
Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.
a) Schädigende Handlung
Schädigende Handlung war das Inverkehrbringen des streitgeganständlichen Fahrzeugs unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung, die dazu führte, dess sie den Betrieb des Fahrzeugs in einem Prüfstand des NEFZ Prüfzyklus erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte. Die streitgegenständliche Programmierung der Motorsteuerungssoftware verstieß in der ursprünglichen (zum Zeitpunkt des Kaufes durch den Kläger noch aktiven) Version gegen Artikel 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung EG Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenohmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emission von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zur Reparatur- und Wartungsinformation für Fahrzeuge. Die von der Beklagten verwendete Programmierung ist als Abschalteinrichtung im Sinne dieser Norm anzusehen. Denn sie setzt die zu einem geringeren Stickoxid-Ausstoß führende – ausschließlich für den Prüfstand bestimmte – Programmierung der Motorsteuerung im Modus 1 für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxid-Ausstoß im Fahrbetrieb auf der Straße höher ist, als auf dem Prüfstand. Umgekehrt wird die im normalen Fahrbetrieb wirksame Programmierung – etwa für die Abgasrückführung – auf dem Prüfstand außer Kraft gesetzt, indem die Motorsteuerung den sogenannten Modus 0 (Betriebszustand für den normalen Fahrbetrieb auf der Straße) zu Gunsten eines ausschließlich für den Prüfstandbetrieb bestimmten Modus 1 abschaltet. Dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich eine Einwirkung auf das Emissionskontrollsystem vorhanden ist oder aber lediglich eine Einwirkung auf einen innermotorischen Vorgang erfolgt. Schon diese Testzykluserkennung in Verbindung mit einer ausschließlich im Testzyklus erfolgenden Einwirkung auf die Abgasrückführung ist ein Verstoß gegen das Verbot vor Abschalteinrichtungen. Außerdem liegt auf der Hand, dass auch eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll ist und einen Vergleich von Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglicht, wenn das zu testende Fahrzeug, gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der Straße gegeben ist. Würde man dies anders sehen, wäre im Ergebnis jegliche Beeinflussund der Motorsoftware als zulässig einzustufen und eine Vergleichbarkeit selbst unter den genormten Prüfstandbedingungen nicht mehr herzustellen. Eine ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung der Abgasbehandlung kann deshalb nur als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften angesehen werden.
Das mit dieser Software ausgestattete Fahrzeug ist somit als nicht gesetzeskonform und mangelhaft anzusehen. Eine Sache ist nämlich nur dann mangelfrei, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (vergl. § 434 I 2 Nr. 2 BGB). Vorliegend musste der Kläger als Käufer des Fahrzeuges auf Betreiben des Kraftfahrtbundesamtes eine Überarbeitung der Motorsteuerung vornehmen lassen. Ein solcher Eingriff ist bei anderen – neuen oder gebrauchten – Fahrzeugen weder üblich, noch zu erwarten. Da das klägerische Fahrzeug ab Werk von der Beklagten mit einer Software ausgestattet wurde, die einen solchen Eingriff erforderlich machte, war das Fahrzeug von Anfang an mangelbehaftet. Die Beklagte hat dieses mangelbehaftete Fahrzeug vorsätzlich in Verkehr gebracht, mit der Folge, dass jeder nachfolgende Käufer ein mangelhaftes Fahrzeug erwerben wird.
b) Zurechnung an die Beklagte
Diese schädigende Handlung ist auch der Beklagten zuzurechnen. Die Haftung einer juristischen Person nach § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 28.06.2016, VI ZR 536/15). Grundsätzlich ist insoweit der Kläger verpflichtet, die Voraussetzungen dieser Zurechnungsnormen darzulegen und zu beweisen. Der Kläger hat eine solche Kenntnis vorliegend hinreichend substantiiert vorgetragen. Die Beklagte rügt zwar, dass der klägerische Vortrag zu pauschal sei. Bei der Beurteilung der Frage der hinreichenden Substantiierung ist jedoch zum einen zu berücksichtigen, dass der Kläger keine genauere Kenntnis der Organisationsabläufe und -strukturen und keinerlei Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten haben kann und insoweit auf Veröffentlichung in Medien und Rückschlüsse sowie Vermutungen angewiesen ist. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass eine Kenntnis des Vorstandes oder einzelner Mitglieder bereits deshalb naheliegt, weil die mit der technischen Entwicklung beauftragten Stellen Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen treffen (so etwa auch LG Hildesheim, DAR 2017, 83; LG Köln, BeckRS 2018, 10991). Die Entwicklung einer Manipulationssoftware für ganze Motorenreihen in millionenfacher Ausführung stellt in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht eine wesentliche, vom Vorstand zu treffende Entscheidung dar, die zudem alle Konzerntöchter europaweiß betrifft (vergl. etwa LG Köln, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist der Sachvortrag der Klägerseite hinreichend substantiiert mit der Folge, dass die Beklagte nunmehr die (sekundäre) Darlegungslast trifft. Eine solche sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, weil die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGHZ 140, 156, 158 f.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die internen Entscheidungsabläufe innerhalb der Organisationsstruktur der Beklagten entziehen sich, wie ausgeführt, naturgemäß der Kenntnis des Klägers. Dem Kläger ist kein näherer Vortrag dahingehend möglich, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die Entscheidung für die Entwicklung der Software gefallen ist und bis zu welcher höheren Ebene diese Entscheidung dann weiter kommuniziert worden ist. Die Beklagte kennt dagegen ihre interne Organisation und Entscheidungsstrukturen. Sie hat damit jede Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse im Einzelnen darzulegen, um dem Kläger auf dieser Grundlage zu ermöglichen, seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können (LG Hildesheim, DAR 2017, 83). Die Beklagte ist dieser sekundären Darlegungslast zu der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von dor Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das in Verkehr bringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst oder gekannt hat, nicht nachgekommen, sondern hat vielmehr auf die Darlegung s- und Beweislast der Klägerseite verwiesen und sich darauf berufen, dass sie nach wie vor die Umstände aufkläre, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei. Insoweit lägen noch keine Erkenntnisse vor, dass ein organmäßiger Vertreter relevante Kenntnisse gehabt hätte. Zwar kann der Beklagten grundsätzlich eine gewisse Zeit für die Durchführung der erforderlichen Nachforschungen zugestanden werden. In Anbetracht des Zeitablaufs seit Bekanntwerden der Softwaremanipulation im Jahr 2015 und der wirtschaftlichen Bedeutung der Abgasaffäre für die Beklagte ist nicht nachvollziehbar, dass keinerlei detaillierte Erkenntnisse zu den Entscheidungsabläufen hinsichtlich Entwicklung und Einbau der Software vorliegen sollen. Dies insbesondere, nachdem die Beklagte zu diesem Themenbereich Ermittlungen durch die Kanzlei … hat vornehmen lassen, der mit einem von der Beklagten nicht veröffentlichten Bericht abgeschlossen wurde. Es wäre jedoch, wenn die Beklagte Kenntnis ihrer organmäßigen Vertreter in Abrede stellt, erforderlich gewesen, zumindest substantiiert darzulegen, welche Erkenntnisse sie aus diesen internen Untersuchungen bislang gewonnen hat, zumal es sich bei der Einführung einer auf Verzerrung der Prüftstandwerte ausgerichteten Motorsteuerungssoftware um eine wesentliche strategischen Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Reichweite und großen Risiken handelte, bei der kaum anzunehmen ist, dass sie von einem am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Entwickler in eigene: Verantwortung getroffen worden ist. In diesem Zusammenhang wäre es auch erforderlich die für die Entwicklung und den Einsatz der Software Verantwortlichen zu benennen und dabei auch darzulegen, inwiefern der Vorstand an den tragenden Entscheidungen beteiligt oder nicht beteiligt war.
Mit ihrem Verweis auf die nicht abgeschlossenen Ermittlungen genügt die Beklagte dieser sekundären Darlegungslest nicht. Aufgrund dessen ist mangels gegenteiliger Darstellung durch die Beklagte davon auszugehen, dass die unternehmenswesentliche Entscheidung der Entwicklung und Installation der Manipulationssoftware vom Vorstand angeordnet oder doch jedenfalls abgesegnet worden ist (LG Hildesheim, a.a.O., LG Kleve, a.a.O.).
Der Anwendung der Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast steht nicht entgegen, dass die Beklagte dieser Verpflichtung nur dadurch nachkommen kann, dass sie unter Umständen nähere Ausführungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit ihrer Vorstandsmitglieder oder leitenden Mitarbeiter machen muss und diese damit möglicherweise strafrechtlich belastet. Denn die sekundäre Darlegungslast obliegt dem Gegner auch dann, wenn es sich bei dem in Rede stehenden Schutzgesetz um eine strafrechtliche Norm handelt (BGH, Urt. v. 22.10.2014, BGH Aktenzeichen VIII ZR 41/14.
In der hier zur Entscheidung stehenden prozessualen Lage ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO mangels substantiierter gegenteiliger Darlegung durch die Beklagte im Rahmen der sekundären Beweislast der klägerische Vortrag als zugestanden zu behandeln, mit der Folge, dass davon auszugehen ist, dass diese Entscheidung vom Vorstand angeordnet oder doch jedenfalls gebilligt worden ist.
c) Schadenszufügung
Durch das in Verkehr bringen des Fahrzeugs hat die Beklagte dem Kläger einen Vermögensschaden zugefügt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten als Neuwagen erworben hat. Denn das Inverkehrbringen des bewusst mangelbehafteten Fahrzeuges war kausal dafür, dass euch alle künftigen Käufer des Fahrzeuges eine mangelhafte Sache erwerben und dadurch einen wirtschaftlichen Schaden erleiden werden. Der Schadensbegriff ist dabei weit gefasst: Schaden im Sinne des § 326 BGB ist jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses oder Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit (Palandt/Sprau, BGB, § 826 Rn. 3). Eine Rechtsgutverletzung ist nicht erforderlich. Der Schaden kann auch in der Vereitelung tatsächlicher Erwerbsaussichten und Anwartschaften oder in der Eingehung einer „ungewollten“ Verbindlichkeit bestehen, selbst wenn dieser eine Forderung auf eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenüber steht. In Parallele zur Betrugsdogmatik hat auch der Schadensbegriff des § 826 einen subjektiven Einschlag. Insbesondere werden auch solche Fälle erfasst, die im Strafrecht unter dem Stichwort des Eingehungsbetrugs gewürdigt werden. Das Vermögen wird nicht nur als ökonomischer Wert geschützt, sondern zugleich auch die auf das Vermögen bezogene Dispositionsfreiheit des jeweiligen Rechtssubjekts. Aus demselben Grund – Schutz der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit – steht auch die bloße Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäfts dem Schadenseintritt gleich. (MüKo/Wagner, § 826 Rn. 41 ff.)
Durch das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat die Beklagte dem Kläger einer Vermögensschaden zugefügt. Der Kläger hat mit Abschluss des Kaufvertrages kein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug erhalten. Dem Fahrzeug drohte ohne das aufgespielte Software-Update die Stilllegung. Ein solches, nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug weist einen geringeren Wert auf als ein technisch einwandfreier Pkw. Der Kläger hat damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen. Dass es sich bei diesem Vertrag um einen für den Kläger wirtschaftlich nachteiligen handelt, zeigt schon die Überlegung, dass kein verständiger Kundo ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn die Beklagte ihn vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform sei und er deshalb jedenfalls mit Problemen für den Fall der Entdeckung durch das KBA errechnen müsse. Vom Schutzzweck des § 826 BGB sind derartige Fälle erfasst. Denn § 826 BGB will sittenwidrige Schädigungen ersatzpflichtig machen, unabhängig davon, ob diese aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetztes entstanden sind oder nicht. Der Kläger hat nicht das bekommen, was ihm aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.
Dieser Schaden ist auch nicht dadurch entfallen, dass der Kläger das beklagtenseits angebotene Update hat aufspielen lassen. Denn dass das Fahrzeug nach Aufspielen dieses Updates mangelfrei wäre, wird klägerseits bestritten. Die Beklagte beruft sich dabei darauf, dass das Update durch das Kraftfahrzeugbundesamt genehmigt worden sei. Die vom Kläger vorgetragenen nachteiligen Effekte nach Aufspielen des Updates hat sie pauschal als nicht durch das Update verursacht bestritten. Zudem behauptet die Beklagte, dass nach Aufspielen des Updates keinerlei nachteilige Auswirkungen mehr bestünden und daher auch ein Minderwert nicht zu befürchten sei. Allerdings rechnet auch die Beklagte offenbar mit Problemen infolge des Software-Updates, denn anders ist die von der Beklagten dargelegte „Vertrauensbildende Maßnahme“ nicht zu erklären, in deren Rahmen sie „eventuelle Beschwerden; die im Zusammenhang mit der technischen Maßnahme an Fehrzeugen mit Dieselmotoren des Typs EA189 stehen und bestimmte Teile des Motor- und Abgasreinigungssystems betreffen, aufgreifen wird“ (Schriftsatz vom 06.04.2018, Seite 17 f.). Im Ergebnis kann diese Frage jedoch offen bleiben. Ein Schaden ergibt sich für den Kläger nämlich jedenfalls daraus, dass er ein von der Beklagten vorsätzlich mangelhaft in Verkehr gebrachtes Fahrzeug erworben und nunmehr sämtliche Risiken des Weiterverkaufes und von Wertminderungen trägt. Denn allein aufgrund der unter potentiellen Fahrzeugkäufern – wenn auch eventuell unberechtigt – bestehenden Befürchtungen nachteiliger Auswirkungen des Softwareupdates, besteht jedenfalls für den Kläger als Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine schadensgleiche Vermögensgefährdung auch jetzt noch fort, weil eben der erzielbare Verkaufswert durch diese Befürchtungen gemindert werden kann. Dass entsprechende Befürchtungen bestehen, zeigen bereits die zahlreichen Berichte, von denen exemplarisch angeführt werden mögen: – www.auto-motor-sport.de/news/vw-dieselskandal-software-updates-probleme-partikelfilter-agr-ventil-erfahrungen-fakten/,
– www.fokus.de/auto/news/abgas-skandal/diese-softwareupdate-mehr-als-nurprogram mierung_…idee_8690142.html … oder
– www.br.de/nachrichten/auto-diesel-abgas-manipulation-102html, sowie zahlreiche weitere unter den Schlagwörtern „VW Update Probleme“ bei Google zu findenden Berichte.
Im Rahmen des § 826 BGB werden aber gerade auch Fälle erfasst, die den Schaden unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit erfassen. Deshalb steht auch die bloße Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäftes dem Schadenseintritt gleich (MüKo/Wagner, BGB, 7. Auflage 2017, § 826, Rdnr. 43). Eine solche Vermögensgefährdung ist beim Kläger durch Erwerb des streitgegenständlichen PKW eingetreten und im Wege der Naturalrestitution zu beheben.
d) Sittenwidrigkeit
Das Verhalten der Beklagten ist auch als sittenwidrig anzusehen. Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. etwa BGH, NJW 2014, 1098; NJW-RR 2013, 550; NJW 2009, 1346). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Verhalten nach seinem Inhalt oder seinem Gesamtcharaker – der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggründen und Zweck zu ermitteln ist – gegen das Anstandsgofühl aller billig und gerecht denkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnurg nicht vereinbar ist. Abzustellen ist auf die in der Gemeinschaft oder der beteiligten Gruppe anerkannten moralischen Anschauung. Dabei ist ein durchschnittlicher Maßstab anzulegen. Besonders strenge Anschauungen sind ebenso wie besonders laxe Auffassungen unbeachtlich.
Das Verschweigen der gesetzeswidrigen Programmierung, die nach Treu und Glauben hätte offenbart werden müssen, weil sie eben auf die Kaufentscheidung sowohl des Erst-, wie auch aller Folgekäufer Einfluss hat, ist sittenwidrig. Denn wer bewusst täuscht, um einen anderen zu einem Vertragsabschluss zu bringen, handelt in der Regel sittenwidrig. Dies ist vorliegend gegeben, da das Inverkehrbringen von Fahrzeugen die mit einer nicht gesetzeskonformen, jedoch bewusst verschwiegenen, Software ausgestattet sind, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender verstößt. Durch die typischerweise bei Pkw erfolgenden Weiterverkäufe als Gebrauchtwagen entfernt sich die mangelbehaftete Sache mit jedem weiteren Verkauf rechtlich von der Beklagten. Während Käufer und Verkäufer bei diesen Kaufverträgen arglos bezüglich des Mangels sind, weiß die Beklagte, dass eine Aufklärung über die eingesetzte Software Auswirkungen auf sämtliche weiteren Kaufentscheidungen haben würde und beeinflusste somit durch das fortgesetze Verschweigen die Kaufentscheidung auch des Klägers. Zugleich hat sich die Beklagte wie vorliegend unter Verweis auf den „Vorrang des Vertragsrechts“ erkennbar, durch die Zwischenverkäufe einen „Schutzwall“ schaffen wollen, der verhindern soll, dass die Beklagte als Herstellerin des bewusst mangelbehaftet hergestellten Fahrzeuges in Anspruch genommen wird. Denn wenn sämtliche Gewährleistungsansprüche erst innerhalb der jeweilgen Vertragsbeziehungen durchgesetzt werden müssen, kann es zur Verjährung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber Zwischenverkäufern kommen, so dass es letztlich zu einer Inanspruchnahme der Beklagten am Ende der Gewährleistungskette gar nicht kommt.
Hinzutreten muss zu der objektiven Sittenwidrigkeit eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann. Eine solche besondere Verwerflichkeit ist hier zu bejahen. Denn die Täuschung der Beklagten diente, andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt, noch sonst ersichtlich, zum Zweck der Kostensenkung und (möglicherweise) zur Umgehung technischer Probleme eine rechtlich und technisch gesetzeskonforme aber aufgrund weiterer Entwicklungsarbeit teurere und zum Herstellungszeitpunkt möglicherweise auch nicht erzielbare Lösungen zu vermeiden, um mit Hilfe der scheinbar umwelfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteils zu erzielen. Dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Käufern der von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit. Hinzu tritt, dass die Beklagte durch den Einsatz der Motorsteuerungssoftware ein Teil des Motors beeinflusst hat, den ein technischer Laie keinesfalls durchschaut, sodass die Entdeckung der nicht gesetzeskonformen Software mehr oder weniger vom Zufall abhing und für einen Durchschnittskäufer auch gar nicht möglich war. Ein solches Verhalten ist als sittenwidrig anzusehen. Die Ansicht der Beklagten, die bewusste Missachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften zur Erlangung einer Typengenehmigung und das Verschweigen dieses Vorgehens gegenüber den Autokäufern, verstoße nicht gegen das Anstandsgefühl der Teilnehmer des Fahrzeugmarktes, weil es diesen im Wesentlichen nur auf die Existenz und Bestandskraft der Typengenehmigung ankommt, vermag nicht zu überzeugen. Denn zum einen betrachtet die Beklagte hier isoliert nur einen Teilaspekt des Gesamtverhaltens. Zum anderen kann gerade das eigenverantwortliche und vorsätzliche Hinwegsetzen über öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht als dem Anstandgefühl aller billig und gerecht denkenden entsprechend angesehen werden. Gerade Fahrzeugkäufern kommt es nämlich in der Regel darauf an, ein mangelfreies, gesetzeskonformes Fahrzeug zu erwerben und nicht im Nachgang feststellen zu müssen, dass dieses mit einer unzulässigen Software ausgestattet ist, die zulassungsrechtliche Fragen aufwirft. Das Verhalten der Beklagten erschöpfte sich nicht in einem bloßen Gesetzesverstoß. Vielmehr folgte diesem Verstoß die Verschleierung desselben, wissend, dass die Kfz-Käufern ein – jedenfalls zunächst – nicht gesetzeskonformes Fahrzeug erwerben, das auch nicht kurzfristig in einen gesetzeskonformen Zustand versatzt werden konnte.
Eine subjektives Bewusstsein der Sittenwidrigkeit ist nicht erforderlich (Palandt/Sprau, BGB, § 826 Rn. 8). Der Schädiger muss lediglich die Tatumstände kennen, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH, NJW-RR 2004, 3706). Davon ist vorliegend nach den vorstehenden Ausführungen unzweifelhaft auszugehen.
e) Schädigungsvorsatz
Der erforderliche Vorsatz bezieht sich darauf, dass durch die tatbestandliche Handlung einem anderen ein Schaden zugefügt wird (Palandt/Sprau, BGB, § 826 Rn. 10). Er ist zu trennen von der Frage der Sittenwidrigkeit und erfordert (nur), dass der Schädiger spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintrittes Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt und oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes jedenfalls, mag er sie auch nicht wünschen, doch zur Erreichung seines Zieles billigend in Kauf genommen hat (Palandt/Sprau, a.a.O., m.w.N.). Weder ist eine Schädigungsabsicht erforderlich, noch dass der Schädiger die einzelheiten des Schadensverlaufes oder Umfang und Höhe des Schadens vorausgesehen hat; auch muss sich der Vorsatz nicht gegen eine bestimmte Person richten (Palandt/Sprau, a.a.O., m.w.N..). In diesem Sinne ist bei der Beklagten bzw. deren Organvertretern ein Schädigungsvorsatz anzunehmen. Zwar wird ein solcher von der Beklagten bestritten. Aus Art und Weise des sittenwidrigen Verhaltens ist aber klar erkennbar, dass ein entsprechender Schädigungsvorsatz in das Bewusstsein der Handelnden aufgenommen wurde. Denn mangels entgegenstehender Anhaltspunkte muss davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten offenkundig war, dass es zum Abschluss von Kaufverträgen kommen würde, welche für die Kläger nachteilig waren und damit zu Seinem entsprechenden Schadenseintritt beim jeweiligen Käufer. Bei der Durchführung eines Vorhabens in Kenntnis starker Gefährdung eines Rechtsgutes, deren Verwirklichung war dem Zufall überlassen wird, aber nahe liegt, ist in der Regel Schädigungsvorsatz zu bejahen (BGH, NJW 2004, 446).
f) Kausalität
Unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung ist auch davon auszugehen, dass die schädigende Handlung der Beklagten kausal für die Kaufentscheidung des Klägers war. Insoweit ist ausreichend, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (BGH, Urt. v. 12.05.1995, BGH Aktenzeichen VZR3494 V ZR 34/94). Dies ist hier der Fall. Die manipulierten Daten sind sowohl für die Eingruppierung des Fahrzeugs in die Schadstoffklasse der Euro 5 Norm maßgeblich als auch für die Zulassung von Bedeutung. Unabhängig von der Frage, ob es dem Kläger tatsächlich maßgeblich darauf ankam, ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug zu erwerben, ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass er jedenfalls ein solches Fahrzeug erwerben wollte, welches den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, weil andernfalls nicht nur die Betriebserlaubnis an sich gefährdet ist, sondern auch unabsehbare Folgen für den Verkehrs- und Wiederverkaufswert seines Fahrzeugs bestehen (OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 20. Dezember 2017, 1.8 U 112/17). Da dies nicht der Fall war, ist davon auszugehen, dass diese Umstände Einfluss auf die Kaufentscheidung des Klägers gehabt hätten, wenn er um die manipulierte Software gewusst hätte (vergl. LG Kleve, a.a.O.). Die Annahme der Klägerin, dass der Kläger das Fahrzeug auch dann erworben hätte „wenn er von der Funktionsweise der Software gewusst hätte. Denn das Software-Update war für ihn völlig kostenfrei“ (Schriftsatz vom 18.09.2017, Seite 46) ist bereits vom Ansatz her unlogisch, denn bei Erwerb des Kfz durch den Kläger war weder die Software-Problematik bekannt, noch gab es zu diesem Zeitpunkt das entsprechende Software-Update.
g) Kein Vorrang des Vertragsrechts
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der gefundenen Ergebnissen nicht der Vorrang des Vertragsrechts entgegen. Zum einen ist der Verkäufer des streitgegenständlichen Pkw, die …, amtsbekannt insovlent. Eine Durchsetzung kaufvertraglicher Gewährleistungsansprüche ist daher für den Kläger nicht möglich. Zum anderen unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von gewöhnlichen Gewährleistungsfällen dadurch, dass nicht ein fah lässig verursachter Produktfehler vorliegt, sondern ein bewusst von der Beklagten zur Erlangung einer verbesserten Marktstellung in das Fahrzeug eingebrachter Mangel mit der Überwälzung sämtlicher damit einhergehender Risiken auf den Käufer zugrunde liegt. In dieser Konstellation muss dem Käufer auch nach dem Schutzzweck des durch § 826 BGB gegebenen Schadensersatzanspruches ein Rückgriff auf den Hersteller möglich sein. Denn es ist kein Grund ersichtlich, eine vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung zu privilegieren.
2. Umfang des Schadensersatzes
Der Kläger kann daher Schadenersatz verlangen. Der Umfang des SchadensersatzIanspruches richtet sich nach den §§ 249 ff BGB und geht bei sittenwidriger Herbeiführung eines Vertrages dahin, den Kläger so zu stellen, wie er ohne den Vertragsschluss gestander hätte. Insoweit ist ohne weiteres davon auszugehen, dass der Kläger – wie jeder verständige, Risiken vermeidende Kunde – bei Kenntnis des Sachverhalts und der damit verbundenen Risiken für den Fortbestand der Betriebserlaubnis den Vertrag nicht geschlossen hätte.
a) Erstattung des Kaufpreises
Die Beklagte muss daher die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis gegen Herausgabe des PKW erstattet. Dabei muss der Kläger sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung allerdings die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Die Höhe der anzurechnenden Nutzung errechnet sich in richterlicher Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) aus der Formel Kaufpreis × gefahrene Kilometer /(Gesamtlaufleistung – Laufleistung bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger). Eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km erscheint dabei für gewöhnlich genutzte Diesel-PKW angemessen, da sie bei einer jährlichen Fahrleistung von 20.000 km einer Nutzung von 15 Jahren entspricht. Eine längere Nutzungsdauer ist regelmäßig nur bei Einsatz erheblicher Aufwendungen für Verschleißteile und Reparaturen zu erreichen, sodass bei einer erhöhten Laufleistung auch mit höheren Aufwendungen zu dem Kaufpreis gerechnet werden müsste. Vorliegend errechnet sich daher ein Betrag in Höhe von 15.258,46 € für die vom Kläger gezogenen Nutzungen (= 32.490 € × (151.970 km bei Augenschein – 20.890 km bei Erwerb)/300.000 km – 20.890 km). Von dem Kaufpreis in Höhe von 32.490 € verbleibt somit nach Abzug des Nutzungsersatzes von 15.258,46 ein Betrag in Höhe von 17.231,54 €. Diesen Betrag hat die Beklagte dem Kläger zu erstatten. Diese Forderung ist auch mit dem gesetzlichen Zinssatz mit Ablehnung der Rückabwicklung zu verzinsen (§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 1 BGB).
b) Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind ebenfalls als Schaden 2 u ersetzen. Es war dem Kläger auch nicht zuzumuten, ohne Einholung von Rechtsrat und Einschaltung von Anwälten den Anspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Die Rechtslage war schwierig, wie sich auch im vorliegenden Verfahren anhand der umfangreichen Schriftsätze der Parteivertreter gezeigt hat. Da jedoch nur ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 17.188,58 € bestand, können auch nur Rechtsanwaltskosten aus diesem Gegenstandswert geltend gemacht werden. Darüber hinausgehende Forderungen waren unberechtigt und berechtigten daher auch nicht zur Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe, die von der Beklagten zu erstatten wäre. Damit errechnen sich die zu ersetzenden außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten wie folgt:
Gegenstandswert: 17.231,54 € daraus 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV, gem. §§ 13, 14 RVG = 904,80 € zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG = 20,00 € = netto 924,00 €, zzgl. 19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (175,71 €) = insgesamt 1.099,71 €.“
Der Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr ist gerechtfertigt, da der vorliegende Fall zwar einerseits besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufweist, wie bereits der Umfang der im gerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze der Parteien verdeutlicht (allein 32-seitige Klageschrift und 73-seitige Klageerwiderung). Andererseits handelt es sich für die Klägervertreter um Massenverfahren, wie sich etwa aus dem Schriftsatz vom 04.06.2018 (dort Seite 18), ergibt. Die ursprünglich eingereichte Klageschrift wurde auch offensichtlich im Wege des „copy-and-paste“-Verfahrens e stellt, denn die – im vorliegenden Verfahren allein – Beklagte wird dort wiederholt als „Beklagte zu 2“ bezeichnet und die Ausführungen treffen nur teilweise auf den vorliegend zugrunde liegenden Sachverhalt zu. Dies zeigt bereits deutlich, dass bei den Klägervertretern Synergieeffekte auftreten und genutzt werden, die den Ansatz (nur) einer 1,3 Gebühr rechtfertigen.
c) Sonstige Schasdenspositionen
Nicht zu erstatten sind die Zulassungskosten in Höhe von 120 €, sowie die angefallenen Finanzierungskosten in Höhe von 4.834,27 €. Denn der Kläger soll durch den Schadensersatz nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Verhalten der Beklagten gestanden hätte. Der Kläger trägt aber einerseits vor, dass er auf das Fahrzeug beruflich dringend angewiesen war und behauptet andererseits nicht, dass er bei Kenntnis der vorhandenen streitgegenständlichem Motorsoftware gar kein Fahrzeug erworben hätte. Es ist vielmehr offenkundig, dass er dann ein anderes Fahrzeug der Beklagten oder eines anderen Herstellers erworben hätte. In diesem Fall wären ebenfalls die Zulassungskosten, sowie entsprechend die Finanzierungskosten für die Anschaffung eines anderen PKW angefallen. Daher sind diese geltend gemachten Schadenspositionen nicht kausal, gerade durch den Erwerb des streitgegenständlichen PKWs entstanden.
Der Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB. Hinsichtlich der Anwaltskos en waren diese ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Denn mit Schriftsatz vom 03.04.2017 wurde die Beklagte zur Zahlung eieiner – tatsächlich überhöhten – Vergütung bis 11.04.2017 aufgefordern. Nach der Rechtsprechung des BGH stellt eine Zuvielforderung die Wirksamkeit der Mahnung und damit den Verzug hinsichtlich der verbleibenden Restforderung nur dann nicht in Frage, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falls als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (BGH, NJW 1999, 3115). Allerdings kann eine unverhältnismäßig hohe, weit übersetzte Zuvielforderung den zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht. So liegt es hier. Die Klägerseite hat eine 2,0 Gebühr angesetzt und dabei den Kaufpreis in voller Hohe zugrunde gelegt. Die berechtigte Gebührenforderung beläuft sich im Ergebnis nur auf knapp die Hälfe des geforderten Betrages.
3. Feststellung Annahmeverzug
Da die Beklagte im Ergebnis zu Urrecht die Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeuges unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung verweigerte, befand sie sich seit Fristablauf im Annahmeverzug. Dieser war antragsgemäß festzustellen, da der Kläger aufgrund der Verbesserung seiner Rechtsstellung im Annahmeverzug der Beklagte ein rechtliches Interesse an der Feststellung hatte.
Insgesamt war der Klage daher überwiegend stattzugeben, n Höhe der nicht berechtigten Forderungen war die Klage jedoch abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und richtet sich lach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens gemessen am Streitwert. Für die Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO war auch hinsichtlich der Höhe der Nutzungsentschädigung kein Raum, da der Kläger einen bezifferten Antrag gestellt hat und die Höhe der Nutzungsentschädigung zumindest im Wesentlichen hätte berechnen können. Allenfalls bei einer richterlichen Schätzung, die von einer klägerseits vorgenommenen Berechnung geringfügig abweicht, wäre § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anwendbar (vergl. MüKo/Schulz, ZPO, 5. Auflage 2016, § 92 Rn. 23).
III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 3 ZPO, 39, 40 GKG (Klageantrag Ziffer 1: 37.444,27, Klageantrag Ziffer 2: 1.000,00 €).
Verkündet am 23.07.2018


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